Arbeitshilfe Religionen in der Kita - Fachbereich Kindertagesstätten ...
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Vorwort 1. Interreligiöse Bildung durch Begegnung<br />
Die Vertragsstaaten stimmen dar<strong>in</strong> übere<strong>in</strong>, dass die Bildung des K<strong>in</strong>des darauf gerichtet se<strong>in</strong> muss, ... das K<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong><br />
verantwortungsbewusstes Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er freien Gesellschaft im Geist <strong>der</strong> Ver-ständigung, des Friedens, <strong>der</strong> Toleranz, <strong>der</strong><br />
Gleichberechtigung <strong>der</strong> Geschlechter und <strong>der</strong> Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen, nationalen und religiösen<br />
Gruppen ... vor-zubereiten.“ UN-K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechtskonvention Artikel 29, Absatz 1 d<br />
Wenn wir wollen, dass unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong> auch <strong>in</strong> Zukunft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er überwiegend friedlichen Welt leben können, dann darf uns<br />
dieses Anliegen <strong>der</strong> UN-K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechtskonvention nicht gleichgültig se<strong>in</strong>. Dabei geht es um mehr als um Erziehung zu Toleranz<br />
und um <strong>in</strong>terkulturelle Bildung. Es geht um die För<strong>der</strong>ung von Freundschaft (friendship) – und wo könnten K<strong>in</strong><strong>der</strong> die besser<br />
ausprobieren und lernen als <strong>in</strong> <strong>der</strong> bunten und vielfältigen Geme<strong>in</strong>-schaft e<strong>in</strong>er <strong>Kita</strong>?<br />
Zu dieser Vielfalt gehören auch die Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> religiösen und weltanschaulichen Herkunft und Prägung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
(und <strong>der</strong> pädagogischen Fachkräfte). Deshalb dürfen wir die <strong>Religionen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> nicht ausklammern – we<strong>der</strong> zugunsten<br />
e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Religion, meist <strong>der</strong> christlichen, noch im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er angeblichen „weltanschaulichen Neutralität“. Freund<strong>in</strong>nen<br />
und Freunde nehmen alle Geme<strong>in</strong>samkeiten und alle Unterschiede wahr und als kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen sie dazu die Begleitung<br />
und Ermutigung durch pädagogische Fachkräfte.<br />
Für diese Aufgaben will dieses Heft „<strong>Religionen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> – Impulse zum Zusammenle-ben <strong>in</strong> religiöser Vielfalt“ Anregungen<br />
und Hilfestellungen geben – vom Umgang mit ganz praktischen Fragen im Alltag <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em gründlichen Nachdenken<br />
über konzeptionelle Grundfragen <strong>in</strong>terreligiöser Bildung.<br />
Ausdrücklich wenden wir uns dabei an Mitarbeiter/-<strong>in</strong>nen und Träger von kirchlichen und von kommunalen E<strong>in</strong>richtungen. Alle<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben das Recht, <strong>in</strong> allen <strong>Kita</strong>s begleitete Erfahrungen im Zusammenleben auch mit an<strong>der</strong>en <strong>Religionen</strong> zu machen –<br />
unabhängig vom jeweiligen Träger.<br />
Erwarten Sie auf den folgenden Seiten aber ke<strong>in</strong>e fertigen Rezepte und Handlungsan-weisungen. Wir trauen und muten unseren<br />
Leser<strong>in</strong>nen und Lesern zu, dass ihnen die vielen Fragen, die wir im Text und im Anhang aufgelistet haben, Anstöße geben<br />
zum Nachdenken und Weiterdenken, für Diskussionen im Team, mit Eltern und mit dem Träger und für notwendige Absprachen<br />
und Vere<strong>in</strong>barungen.<br />
Wir wünschen diesem Heft, dass es dazu beiträgt, dass <strong>Kita</strong>s sich von diesen „Impulsen zum Zusammenleben <strong>in</strong> religiöser<br />
Vielfalt“ anregen lassen, für alle beteiligten K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Erwachsenen gute und hilfreiche Wege zu f<strong>in</strong>den. Es wäre schön,<br />
wenn sich unsere Impulse wie die Schirmchen e<strong>in</strong>er Pusteblume verbreiten und die Samen guter Ideen aufgehen würden für<br />
„e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er freien Gesellschaft im Geist <strong>der</strong> Verständigung, des Friedens, <strong>der</strong> Toleranz, <strong>der</strong> Gleichberechtigung <strong>der</strong><br />
Geschlechter und <strong>der</strong> Freundschaft“.<br />
Wir danken den Herausgebern für die Unterstützung und F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Erarbeitung und Veröffentlichung dieses Heftes,<br />
und wir danken allen, die uns mit ermutigenden und zugleich kritischen Rückmeldungen geholfen haben, unsere Gedanken zu<br />
schärfen und unsere Vorschläge zu präzisieren.<br />
Die Autor<strong>in</strong>nen und Autoren<br />
Stuttgart / Karlsruhe / Darmstadt im Juli 2012<br />
Es ist normal verschieden zu se<strong>in</strong> –<br />
auch <strong>in</strong> kultureller und religiöser H<strong>in</strong>sicht.<br />
In unserer Gesellschaft leisten <strong>Kita</strong>s e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag<br />
im H<strong>in</strong>blick auf gel<strong>in</strong>gendes Zusammenleben bei kultureller<br />
und religiöser Vielfalt. Jede <strong>Kita</strong> ist e<strong>in</strong> Ort gelebter Vielfalt.<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> erleben die Vielfalt von Kulturen und <strong>Religionen</strong>.<br />
Diese Vielfalt ist e<strong>in</strong> selbstverständlicher Teil ihrer Lebenswelt.<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> lernen dabei: Es ist normal verschieden zu se<strong>in</strong><br />
– auch <strong>in</strong> religiöser H<strong>in</strong>sicht.<br />
Es geht aber nicht nur darum, etwas über <strong>Religionen</strong> zu<br />
wissen, son<strong>der</strong>n darum, diese <strong>Religionen</strong> besser zu verstehen<br />
und dabei die eigene Haltung <strong>in</strong> Bezug auf Religion und<br />
Glauben zu bedenken. Es gilt, das Eigene zu achten und<br />
gleichzeitig dem Fremden mit Respekt zu begegnen. Dazu<br />
gehört auch, das Fremde nicht als Bedrohung zu emp-<br />
f<strong>in</strong>den, son<strong>der</strong>n es als Bereicherung des eigenen Lebens<br />
zu erfahren und ihm neugierig und offen zu begegnen.<br />
<strong>Kita</strong>s stehen somit nicht vor <strong>der</strong> Frage, ob <strong>in</strong>terreligiös<br />
gelernt werden soll o<strong>der</strong> nicht. Interreligiöse Bildung f<strong>in</strong>det<br />
bewusst o<strong>der</strong> unbewusst auf jeden Fall statt, weil K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Vielfalt von Kulturen und <strong>Religionen</strong> leben. Es geht<br />
darum, dieser Vielfalt Raum zu geben und sie als Bereicherung<br />
zu entdecken und anzunehmen. Für jede <strong>Kita</strong> gilt:<br />
Alle s<strong>in</strong>d selbstverständlich willkommen. Alle, das heißt, es<br />
gibt ke<strong>in</strong> „wir und sie“ o<strong>der</strong> „wir und die an<strong>der</strong>en“, son<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames „Wir alle unter e<strong>in</strong>em Dach“.<br />
Das erlebte Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong><br />
trägt zur <strong>in</strong>terreligiösen Bildung bei.<br />
Für e<strong>in</strong> solches geme<strong>in</strong>sames „Wir alle unter e<strong>in</strong>em Dach“<br />
s<strong>in</strong>d die Voraussetzungen <strong>in</strong> <strong>Kita</strong>s im Vergleich zu an<strong>der</strong>en<br />
gesellschaftlichen Orten ideal. Nirgends sonst teilen Menschen<br />
verschiedener Herkunft und Religionszugehörigkeit<br />
so <strong>in</strong>tensiv und so selbstverständlich ihr Leben mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
wie gerade hier. An<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule ist „Religion“ <strong>in</strong><br />
<strong>Kita</strong>s ke<strong>in</strong> separates Fach, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e von vielen Dimensionen<br />
des Alltagslebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung. In <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> geht<br />
es aber nicht zuerst um Kulturen und <strong>Religionen</strong>, es geht<br />
um die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und ihre Familien. Sie s<strong>in</strong>d unter an<strong>der</strong>em<br />
durch kulturelle und religiöse Traditionen geprägt, die auch<br />
<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Religion sehr unterschiedlich se<strong>in</strong> können.<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> verb<strong>in</strong>det weit mehr als sie trennt. Die Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
auf <strong>der</strong> Ebene ihrer Freundschaften und Beziehungen<br />
ermöglichen den Umgang mit Pluralität auf <strong>der</strong> Ebene<br />
<strong>der</strong> Kulturen und <strong>Religionen</strong>. Die Beziehungen zwischen<br />
den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die geteilten Erfahrungen und Gefühle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Freundschaft s<strong>in</strong>d Grundlage für <strong>in</strong>terkulturelle und <strong>in</strong>terreligiöse<br />
Lernprozesse. Aus den freundschaftlichen Beziehungen<br />
und dem Zusammenleben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Kita</strong> erwachsen<br />
e<strong>in</strong> achtungsvolles Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und Respekt vore<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />
Das ist mehr und etwas an<strong>der</strong>es als „tolerant se<strong>in</strong>“.<br />
Jedes K<strong>in</strong>d hat e<strong>in</strong> Recht<br />
auf se<strong>in</strong>en eigenen Glauben.<br />
Nach <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechte des K<strong>in</strong>des (siehe<br />
Anhang 8) wird <strong>in</strong> Artikel 14 das Recht des K<strong>in</strong>des auf<br />
Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit festgelegt und<br />
<strong>in</strong> Artikel 29 konkretisiert im S<strong>in</strong>ne von Persönlichkeitsentfaltung,<br />
Vermittlung von Achtung vor den Menschenrechten<br />
und Grundrechten, vor se<strong>in</strong>en Eltern, vor se<strong>in</strong>er kulturellen<br />
Identität, Sprache und Werten, sowie vor an<strong>der</strong>en Kulturen<br />
als <strong>der</strong> eigenen. Auf EU-Ebene gehört die pädagogische<br />
Anerkennung und Wertschätzung religiöser Pluralität <strong>in</strong> den<br />
<strong>Kita</strong>s ebenso explizit zur Bildungsqualität wie die Würdigung<br />
sprachlicher und kultureller Vielfalt. – Jedes e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong>d<br />
soll sich mit <strong>der</strong> Kultur se<strong>in</strong>er Familie, se<strong>in</strong>em Glauben und<br />
se<strong>in</strong>er Religion <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung wie<strong>der</strong>f<strong>in</strong>den können.<br />
„Die Erziehung und das Lernumfeld sollten die Familie jedes<br />
K<strong>in</strong>des, se<strong>in</strong> Zuhause, se<strong>in</strong>e Sprache, das kulturelle Erbe,<br />
se<strong>in</strong>en Glauben, se<strong>in</strong>e Religion und se<strong>in</strong> Geschlecht wi<strong>der</strong>spiegeln<br />
und wertschätzen.“<br />
(Netzwerk K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung <strong>der</strong> Europäischen Kommission 1996, Ziel 20)<br />
Religiöse Identität bildet sich durch<br />
Begegnung und Verständigung.<br />
!<br />
– Identität ist nicht Grund und Bed<strong>in</strong>gung gel<strong>in</strong>gen<br />
den Lebens, son<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>e Vision. Wir müssen uns<br />
nicht gefunden haben, um zu leben; son<strong>der</strong>n wir<br />
leben, um uns zu f<strong>in</strong>den.<br />
Henn<strong>in</strong>g Luther