Arbeitshilfe Religionen in der Kita - Fachbereich Kindertagesstätten ...
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20 21<br />
Die vorurteilsbewusste Erziehung und Bildung formuliert<br />
hierfür vier Ziele, die beim Umgang mit den Familienreli<br />
giositäten Orientierung geben können:<br />
– Das Geme<strong>in</strong>same stärken: die Identität des K<strong>in</strong>des und<br />
se<strong>in</strong>er Familie <strong>in</strong> den Mittelpunkt stellen.<br />
– Den Unterschieden zu ihrem Recht verhelfen: die<br />
Vielfalt entdecken und <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung repräsentieren.<br />
– E<strong>in</strong>seitigkeiten erkennen und Benachteiligungen zur<br />
Sprache br<strong>in</strong>gen.<br />
– Sich gegen Benachteiligungen e<strong>in</strong>setzen.<br />
Zur Erreichung dieser Ziele ist wichtig, dass die verschiedenen<br />
<strong>Religionen</strong> und Weltanschauungen vorkommen <strong>in</strong><br />
– den Räumen<br />
– dem Materialangebot<br />
– den Partizipationsmöglichkeiten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
– den Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit den Eltern<br />
– die Vernetzung <strong>der</strong> <strong>Kita</strong>-Familien im Sozialraum (z.B.<br />
Meile <strong>der</strong> <strong>Religionen</strong> <strong>in</strong> Mannheim)<br />
So können die Persönlichkeit jeden K<strong>in</strong>des gestärkt und<br />
zugleich <strong>in</strong>terreligiöse Kompetenzen erworben werden.<br />
E<strong>in</strong>e große Rolle spielt beim Ansatz <strong>der</strong> vorurteilsbewussten<br />
Erziehung und Bildung die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Art von Puppe („Persona doll“). Diese Puppe kann z.B.<br />
die gleiche Religiosität wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d haben, das mit se<strong>in</strong>er<br />
Familienreligion <strong>in</strong> <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit ist. So kann die Erzieher<strong>in</strong><br />
über die „Persona doll“ als K<strong>in</strong>d mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, über se<strong>in</strong><br />
Familienleben und den Glauben se<strong>in</strong>er Familie <strong>in</strong>s Gespräch<br />
kommen. Manche K<strong>in</strong><strong>der</strong> können sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Puppe wie<strong>der</strong>entdecken.<br />
An<strong>der</strong>e können durch die Verschiedenheit<br />
dieses K<strong>in</strong>des von ihrer eigenen Familienreligiosität o<strong>der</strong><br />
Weltanschauung „konstruktiv verwirrt“ werden. Diese<br />
„konstruktive Diffusion“ kann e<strong>in</strong> wichtiger Impuls für die<br />
Identitätsbildung und für jeden Lernprozess se<strong>in</strong>: K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
wachsen gerade auch an Unterschieden.<br />
Oft erleben K<strong>in</strong><strong>der</strong> bestimmter Herkunftsfamilien, dass ihre<br />
religiöse Gruppierung bei den Fachkräften, beson<strong>der</strong>s bei<br />
Leitungen, nicht vorkommt (z.B. muslimische Frauen als<br />
Re<strong>in</strong>igungskräfte, nicht aber als Erzieher<strong>in</strong>) und ver<strong>in</strong>nerlichen<br />
diese Hierarchien <strong>in</strong> ihren Lebensentwürfen. E<strong>in</strong>e Vielfalt,<br />
die auch im pädagogischen Personal vorkommt wird,<br />
könnte diese e<strong>in</strong>seitigen „Gruppenidentitäten“ aufweichen<br />
und dazu beitragen, altersgemäße <strong>in</strong>terreligiöse Kompetenzen<br />
zu erwerben.<br />
4. Wie christlich muss e<strong>in</strong>e pädago gische Fachkraft se<strong>in</strong>?<br />
? ?<br />
– Ist Glaube nicht Privatsache?<br />
– Wie geht e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> mit Zweifeln <strong>in</strong> ihrem<br />
Glauben um?<br />
Die Evangelische Kirche beschäftigt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur Menschen,<br />
die Mitglied e<strong>in</strong>er anerkannten christlichen Kirche<br />
s<strong>in</strong>d (siehe Anhang 7). Als Nachweis reicht e<strong>in</strong>e Besche<strong>in</strong>igung<br />
<strong>der</strong> Taufe bzw. <strong>der</strong> Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dieser<br />
Kirchen. Niemand muss e<strong>in</strong>e bestimmte Glaubensüberzeugung<br />
haben o<strong>der</strong> gar unter Beweis stellen.<br />
Auch <strong>in</strong> kommunalen E<strong>in</strong>richtungen stellt sich die Frage,<br />
welche Überzeugung e<strong>in</strong>e pädagogische Fachkraft braucht,<br />
um K<strong>in</strong><strong>der</strong> religiös zu begleiten. Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />
s<strong>in</strong>d oft unsicher, wenn es um Religion und Glaubensfragen<br />
geht. Manche spüren, dass sie Fragen und Zweifel <strong>in</strong> ihrem<br />
Glauben haben. Manche wissen nicht, was sie K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
dabei zumuten können und dürfen.<br />
E<strong>in</strong>e Entlastung kann dar<strong>in</strong> liegen, sich klarzumachen, dass<br />
es nicht darauf ankommt, Wissen zu vermitteln o<strong>der</strong> zu verb<strong>in</strong>dlichen<br />
„Glaubensergebnissen“ zu kommen. Wichtig ist<br />
vielmehr, die Antworten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n auf religiöse Fragestellungen<br />
ernst zu nehmen, den Freiraum zu schaffen, <strong>in</strong> dem<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> austauschen und <strong>in</strong> dem Erwachsene<br />
und K<strong>in</strong><strong>der</strong> mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Gespräch kommen können.<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen Erwachsene als Gegenüber, an denen<br />
sie sich orientieren und ausprobieren können und die sie an<br />
ihren eigenen Vorstellungen, Me<strong>in</strong>ungen und Erfahrungen<br />
teilhaben lassen. K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben e<strong>in</strong> Recht auf „erwachsene<br />
Vorbil<strong>der</strong>“. E<strong>in</strong>e solches Gegenüber kann e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> für<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> se<strong>in</strong>, wenn sie sich auf e<strong>in</strong>e Klärung ihres eigenen<br />
Standorts und ihrer eigenen Überzeugungen e<strong>in</strong>lässt. Denn<br />
es geht um e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same S<strong>in</strong>nsuche bzw. Suchbewegung<br />
von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Erwachsenen – <strong>in</strong> dem Wissen, dass<br />
es nicht d i e e i n e Form des Glaubens gibt und dass <strong>der</strong><br />
Zweifel e<strong>in</strong>e Schwester des Glaubens ist.<br />
– Kann e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> zur Teilnahme an Gottesdiensten<br />
verpflichtet werden?<br />
In <strong>Kita</strong>s werden immer wie<strong>der</strong> auch Gottesdienste gefeiert.<br />
Da gibt es Gottesdienste <strong>der</strong> Kirchengeme<strong>in</strong>de z.B. zu Erntedank,<br />
bei denen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenk<strong>in</strong><strong>der</strong> mitwirken, und Gottesdienste<br />
<strong>der</strong> <strong>Kita</strong> z.B. zur Verabschiedung <strong>der</strong> Schulanfänger<br />
o<strong>der</strong> zu Weihnachten o<strong>der</strong> zum Sommerfest. Grundsätzlich<br />
kann niemand zu e<strong>in</strong>em Gottesdienstbesuch verpflichtet<br />
werden. Wenn e<strong>in</strong> Gottesdienst aber zum Leben <strong>der</strong> <strong>Kita</strong><br />
dazugehört, also <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konzeption verankert und damit für<br />
die Fachkräfte Arbeitszeit ist, gehört die Teilnahme daran zu<br />
ihrem Dienstauftrag.<br />
?<br />
– Welche <strong>in</strong>terreligiösen Kompetenzen braucht e<strong>in</strong>e<br />
pädagogische Fachkraft?<br />
Grundlegende Kompetenzen s<strong>in</strong>d Neugier und Interesse an<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und ihren Familien – sei es mit christlicher o<strong>der</strong><br />
muslimischer Tradition o<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en religiösen<br />
o<strong>der</strong> nicht religiösen H<strong>in</strong>tergrund. Aus e<strong>in</strong>er solchen Haltung<br />
entwickelt die pädagogische Fachkraft weitere Kompetenzen,<br />
z.B. Sachkenntnis im Blick auf die eigene und an<strong>der</strong>e <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Kita</strong> vertretene <strong>Religionen</strong>, E<strong>in</strong>fühlungsvermögen <strong>in</strong> die<br />
Situation des Fremdse<strong>in</strong>s und die Fähigkeit <strong>der</strong> Gestaltung<br />
von Begegnungen und Lernprozessen.<br />
E<strong>in</strong>e Checkliste mit Fragen zur <strong>in</strong>terreligiösen Kompetenz<br />
f<strong>in</strong>den Sie im Anhang (Anhang 3)<br />
Sensibilisierungsübung<br />
Sie s<strong>in</strong>d aus beruflichen Gründen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es arabisches<br />
Land gezogen, das vom Islam geprägt ist. Wie lange Sie<br />
bleiben werden, wissen Sie noch nicht. Fest steht nur, dass<br />
es für m<strong>in</strong>destens fünf Jahre se<strong>in</strong> wird. E<strong>in</strong>e entscheidende<br />
Zeit für Ihre beiden K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die drei und fünf Jahre alt<br />
s<strong>in</strong>d. Wohnung und Umgebung s<strong>in</strong>d Ihnen noch fremd.<br />
Die Geräusche, <strong>der</strong> Ausblick auf die an<strong>der</strong>en Häuser, <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Ferne das M<strong>in</strong>arett e<strong>in</strong>er Moschee. Mit Ihren Nachbarn<br />
können Sie sich kaum verständigen, lediglich die nötigsten<br />
Grußformeln<br />
haben Sie sich angeeignet. Morgen wollen bzw. müssen<br />
Sie Ihre beiden K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte anmelden –<br />
zum Glück geht e<strong>in</strong>e Bekannte mit, die übersetzen kann<br />
Überlegen Sie!<br />
– Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an das erste<br />
Gespräch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> denken?<br />
– Welche Gefühle löst <strong>der</strong> Gedanke aus, Ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e <strong>Kita</strong> zu schicken, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie die Sprache noch nicht<br />
verstehen und möglicherweise mit an<strong>der</strong>en Wert- und<br />
Moralvorstellungen konfrontiert werden?<br />
– Welche Themen möchten Sie bei dem E<strong>in</strong>gangsge<br />
spräch auf jeden Fall ansprechen?<br />
– Was ist Ihnen beson<strong>der</strong>s wichtig?<br />
– Gibt es Wünsche, die Sie äußern möchten?<br />
– Wie müsste die <strong>Kita</strong> se<strong>in</strong>, damit Sie Ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> gern<br />
dorth<strong>in</strong> schicken?<br />
nach e<strong>in</strong>er Vorlage von Birgit Deiss-Niethammer im Kapitel<br />
„Religionspädagogik im multireligiösen Kontext“ <strong>in</strong>: Möller,<br />
Ra<strong>in</strong>er; Tschirch, Re<strong>in</strong>mar: Arbeitsbuch Religionspädagogik<br />
für ErzieherInnen. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart, 4. Aufl.<br />
2009, S. 192