Sprachkontakte - Universität Konstanz
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(12) Litauisch<br />
smulkmena [smul'k'm'ena] ,Kleinigkeit’ → palatale Gruppe<br />
smulkus [smulkus] ,klein’ (NOM.SG.M) → velare Gruppe<br />
vs. smulki [smul'k'i] ,klein’ (NOM.SG.F) → palatale Gruppe<br />
kirpti [k'ir'p't'i] ,Haare schneiden’ (INF) → palatale Gruppe<br />
vs. kirpo [k'irpo] ,er/sie schneidet Haare’ → velare Gruppe<br />
Baltijos [bal't'ijos] jūra ,Ostsee’ → palatale Gruppe<br />
(13) Russisch<br />
Baltijskoe [balt'ijskaje] more ,Ostsee’ → velares [l] + palatales [t']<br />
aber auch tol’ko [tol'ka] ,nur’ → palatales [l'] + velares [k]<br />
vzgljad [vzgl'at] ,Blick’ → velare [v, z, g] + palatales [l']<br />
rediska [r'ed'iska] ,Radieschen’ (SG) → velares [s] + velares [k]<br />
und rediski [r'edisk'i] ,Radieschen’ (PL) → velares [s] + palatales [k']<br />
redko [r'etka] ,selten’ (Adverb) → velares [t] + velares [k]<br />
und redkij [r'etk'ij] ,selten’ (NOM.M.SG) → velares [t] + palatales [k']<br />
Mit anderen Worten: die regressive Stimmton-Assimilation in litauischen<br />
Konsonantengruppen erfolgt nach phonotaktischen Gesichtspunkten, während sie in den<br />
slavischen Kontaktsprachen (weitestgehend) nach einem morphologischem Prinzip erfolgt<br />
(bzw. eben nicht erfolgt, s. obige Beispiele).<br />
Die litauische Regel ist in die betreffenden slavischen Varietäten „importiert“ worden, als<br />
es zu einem rapiden (und massenweisen) Übertritt aus dem Litauischen kam (s.o.). Und diese<br />
phonotaktische Eigenart hat sich in ihnen so lange gehalten, wie sich der Übertritt vom<br />
Litauischen in diese slavischen Varietäten weiter vollzogen hat und die entsprechenden<br />
Sprecher noch genügend (zumindest passive) Kenntnisse des Litauischen besaßen. (Heute ist<br />
diese Erscheinung offenbar praktisch verschwunden.) Vgl. dazu folgende Belege aus dem<br />
Weißrussischen (14) und dem lokalen Polnischen (15-17) aus der Zeit von 1900 bis ca. 1970:<br />
(14) ra?b’íta ,zerschlagen’ (vgl. russ. [razb'ita])<br />
(15) na bavel'n'e [bavel'n'e] tkałam ,ich habe auf Baumwolle gewebt’<br />
vs. standardpoln. bawełna [bavewna] 9 ,Baumwolle’ (NOM.SG.F)<br />
(16) peln'in'k'i [pel'n'in'k'i] ,voll’ (NOM.SG.M, deminutiv)<br />
vs. standardpoln. pełny [pewn"] ,voll’ (NOM.SG.M)<br />
(17) červ u¾ ona vas'il'k'i [vas'il'k'i] p'ijo ,sie trinken (Tee aus) roten Kornblumen’<br />
vs. standardpoln. vas'iłka [vas'iwka] ,Kornblume’ (NOM.SG.F)<br />
Ein sich hier anschließendes Problem bestünde in der Frage, ob und wie lange ein jeweiliges<br />
Substrat sich in der betreffenden Sprache (hier Lx) hält. Eine derartige Frage ist bislang, so<br />
weit ich sehe, noch nirgends explizit gestellt worden. Provisorisch darf man annehmen, dass<br />
9<br />
Im Polnischen (zumindest dem Standard) stehen [w] und [l] in morphonologischer Opposition. [w] leitet sich<br />
etymologisch aus velarem [l] her, während [l] dem palatalen [l'] des Ostslavischen entspricht.<br />
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