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Sprachkontakte - Universität Konstanz

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solcher Grundlagen (bzw. die Vertrautheit mit entsprechenden Theorien) eine Voraussetzung<br />

für eine sinnvoll betriebene Sprachkontakt-Forschung, andererseits ist gerade auch bei der<br />

Untersuchung von <strong>Sprachkontakte</strong>n darauf zu achten, dass die theoretischen deskriptiven<br />

Voraussetzungen einheitlich sind (so z.B. bei der Bestimmung grammatischer vs.<br />

lexikalischer Kategorien oder in Theorien des Lexikons, welche häufig wesentliche Teile der<br />

Grammatik integrieren). Andernfalls gerät man in Gefahr, artifizielle Gegenüberstellungen zu<br />

schaffen. Ferner ist es gerade beim Sprachkontakt (der Erklärung seiner Folgen) oft wichtig,<br />

nicht so sehr auf abstrakte Muster sprachlicher Strukturen zurückzugreifen, sondern auf die<br />

konkrete (phonetische, lineare etc.) Realisierung solcher Strukturen (vgl. dazu etwa Transfers<br />

von phonetischen Assimilationsregeln, weiter unten illustriert anhand von Bsp. 12-17, oder<br />

die Nachbildung sekundärer Präpositionen in Bsp. 22). Eine weitere unabdingbare<br />

Voraussetzung der Erforschung von <strong>Sprachkontakte</strong>n stellen empirische Methoden der<br />

Datenerhebung und -auswertung dar, insbesondere Methoden der Feldforschung. (Hierbei<br />

können Erkenntnisse und Vorgehensweisen der empirischen Sozialforschung von Nutzen<br />

sein.)<br />

In expliziter Form stellt Sprachkontakt-Forschung eine ausgesprochen junge Teildisziplin<br />

dar. Obwohl Kontakte zwischen Sprachen (inkl. Dialekten) so alt sind wie die Menschheit<br />

(d.i. so alt wie man distinkte Sprecherkollektive unterscheiden kann) und die ein- oder<br />

gegenseitige Beeinflussung zwischen Sprachen seit mindestens 150 Jahren Gegenstand<br />

wissenschaftlichen Interesses darstellt, hat es bis vor relativ kurzer Zeit keinen<br />

Forschungszweig gegeben, der sich speziell auf die Beschreibung und Klassifizierung von<br />

<strong>Sprachkontakte</strong>n sowie deren Auswirkungen auf die Struktur von Sprachen konzentriert<br />

hätte 1 . Von objektiven Schwierigkeiten in der Klassifizierung (und somit auch Beschreibung)<br />

von Sprachkontakt-Situationen (d.i. von Schwierigkeiten, die in der Natur der Sache selbst<br />

begründet liegen) soll im Verlauf der Vorlesungen noch die Rede sein.<br />

Es sei betont, dass der Ausdruck ‘Sprachkontakt’ genau genommen ein Kürzel ist; gemeint<br />

sind damit immer Kontakte zwischen Sprechern, die sich zweier oder mehrerer Lekte<br />

bedienen, d.i. die in einem weiten Sinn zwei- bzw. mehrsprachig sind 2 . Wenn also im<br />

weiteren von ‘Sprachkontakt’ die Rede ist, so sollte dabei im Auge behalten werden, dass die<br />

strukturellen Besonderheiten, welche durch Sprachkontakt entstehen und welche ein<br />

Ausdruck des Sprachwandels sind (und allein diese sollen hier im Zentrum der Ausführungen<br />

stehen), im Grunde das sekundäre Produkt dynamischer Vorgänge ausmachen, welche durch<br />

die kontinuierliche Konfrontation mehrsprachiger Sprecherkollektive entstehen.<br />

<strong>Sprachkontakte</strong> setzen also bestimmte soziale Gegebenheiten und kommunikative Motive<br />

voraus. Man könnte sie demnach auch nach diesen externen Bedingungen ordnen. Allerdings<br />

ist es bislang offenbar nicht gelungen, mehr oder minder klare Korrelationen zwischen sozialkommunikativen<br />

Rahmenbedingungen des Sprachkontakts und seinen strukturellen<br />

Auswirkungen zu ermitteln, so dass Aussagen zu soziolinguistischen, historischen und<br />

sonstigen externen Bedingungen des weiteren eher nur als Hintergrund-Information erfolgen.<br />

Zwei weitere Einschränkungen wären hier zu machen. Die eine betrifft das „Medium“ des<br />

Sprachkontakts. Gesprochene Sprache wird hier als primäre Realisierungsform betrachtet,<br />

geschriebene als sekundäre; dies nicht zuletzt auf einem historisch-anthropologischen<br />

Hintergrund. Aus dieser Sicht spielen sich <strong>Sprachkontakte</strong> in unmittelbarer Kommunikation<br />

(‘face to face’) ab, und ihre Resultate sind zunächst auf dieser Ebene zu beurteilen. Für eine<br />

vollständige Erfassung von Sprachkontakt-Situationen (sowie entsprechend von<br />

1<br />

Vgl. dazu Oksaar (1996) im HSK-Band ‘Kontaktlinguistik’ und die Einleitung zu demselben.<br />

2<br />

Unter Umständen kann sogar die lediglich passive Beherrschung (das Hörverständnis) einer anderen Sprache<br />

(eines anderen Lekts) zu einer Veränderung in der primär gesprochenen (beherrschten) Sprache führen.<br />

2

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