Wirtschaft & Steuern aktuell - MDS Möhrle & Partner
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2<br />
Leitartikel<br />
Organschaft – Chancen und Fallstricke<br />
Das Rechtsinstitut der körperschaft- und<br />
gewerbesteuerlichen Organschaft ermöglicht<br />
es, das Ergebnis einer Tochterkapitalgesellschaft<br />
(Organgesellschaft) mit dem Ergebnis<br />
der Muttergesellschaft (Organträger) zu verrechnen.<br />
Mittelbar ist auf diese Weise auch<br />
eine Ergebnisverrechnung von Schwestergesellschaften<br />
auf Ebene des Organträgers möglich.<br />
Eine solche steuerliche Ergebnissaldierung<br />
bietet insbesondere dann Vorteile, wenn eine<br />
zeitnahe Verlustnutzung durch die Verrechnung<br />
mit Gewinnen erfolgen kann. Aber auch<br />
in anderen Fällen kann es gewünscht sein, dass<br />
die Einzelergebnisse in einem Konzern nur bei<br />
der Muttergesellschaft der Besteuerung unterworfen<br />
werden.<br />
Voraussetzungen<br />
Die körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft<br />
setzt Folgendes voraus:<br />
y Der Organträger ist ein gewerbliches Unternehmen;<br />
die Rechtsform spielt keine Rolle.<br />
y Der Organträger ist in Deutschland unbeschränkt<br />
steuerpflichtig und hat die Geschäftsleitung<br />
im Inland.<br />
y Die Organgesellschaft ist eine inländische<br />
Kapitalgesellschaft.<br />
y Der Organträger hält unmittelbar und/oder<br />
mittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an<br />
der Organgesellschaft.<br />
y Zwischen Organgesellschaft und Organträger<br />
besteht ein zivilrechtlich wirksamer Gewinnabführungsvertrag<br />
(GAV) einschließlich Verlustübernahme<br />
nach den Vorschriften des<br />
Aktiengesetzes, der auf die Dauer von mindestens<br />
fünf Jahren abgeschlossen wurde; dieser<br />
wird auch tatsächlich durchgeführt.<br />
Steuerliche Folgen<br />
Sind die Voraussetzungen erfüllt, wird das steuerliche<br />
Ergebnis der Tochterkapitalgesellschaft<br />
dem Organträger zugerechnet und auf dieser<br />
Ebene der Besteuerung unterworfen. Bei der<br />
Organgesellschaft unterliegt das abgeführte<br />
Ergebnis weder der Körperschaft- noch der<br />
Gewerbesteuer. Da eine Konzernspitze Organträgerin<br />
für mehrere Organgesellschaften sein<br />
kann, ist mittels umfassender Organschaften<br />
eine vollständige Ergebnissaldierung in einem<br />
Konzern möglich.<br />
In der Praxis geht es bei Organschaftskonstruktionen<br />
häufig darum, Verluste, die ansonsten auf<br />
der Ebene von Kapitalgesellschaften verhaftet<br />
wären, durch Verrechnung mit Gewinnen anderer<br />
Gesellschaften zu verringern. Damit dieses<br />
Ziel erreicht werden kann, ist es notwendig, dass<br />
die Organschaft bereits im Jahr der Verlustentstehung<br />
bestanden hat. Sog. vororganschaftliche<br />
Verluste können während der Zeit des Bestehens<br />
der Organschaft nämlich nicht genutzt werden.<br />
Internationale Aspekte<br />
In den letzten Jahren ist die deutsche Organschaft<br />
immer wieder in die Diskussion geraten,<br />
da eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten<br />
über Landesgrenzen hinweg nicht vorgesehen<br />
ist. Es wird vor allem kritisiert, dass das<br />
deutsche Steuersystem mit seiner sperrigen<br />
Organschaftsregelung im Vergleich zu anderen<br />
EU-Ländern mit Gruppenbesteuerungssystemen<br />
kaum mehr konkurrenzfähig ist. Insbesondere<br />
die österreichische Gruppenbesteuerung, die<br />
auch die steuerliche Nutzung ausländischer Verluste<br />
zulässt, dient als positives Beispiel. Zur<br />
Vermeidung EU-rechtlicher Probleme, aber auch<br />
im Rahmen der Modernisierung des deutschen<br />
Steuersystems, wird daher immer wieder diskutiert,<br />
die deutsche Organschaft hin zu einer<br />
modernen Gruppenbesteuerung weiterzuentwickeln.<br />
Erst kürzlich wurde wieder eine solche<br />
Reform im Rahmen der Harmonisierungsbestrebungen<br />
auf dem Gebiet der Unternehmenssteuern<br />
zwischen Frankreich und Deutschland ins<br />
Gespräch gebracht.<br />
Fallstricke<br />
Die deutschen Regelungen der Organschaft<br />
sind in ihrer Anwendung sehr komplex und<br />
bergen daher verschiedenste Risiken. Insbesondere<br />
die Voraussetzungen für einen wirksam<br />
abgeschlossenen GAV sind immer wieder<br />
Gegenstand von Gerichtsverfahren. Besonders<br />
ärgerlich ist es dabei, dass allein formale<br />
Mängel des GAV zur Aberkennung der Organschaft<br />
führen können. Aber auch die Frage, ob<br />
der notwendige 5-Jahres-Zeitraum gegeben ist,<br />
sorgt regelmäßig – auch vor Gericht – für Diskussionsstoff.<br />
Gerade auch aufgrund der teilweise sehr formalistischen<br />
Anforderungen ist die Konstruktion<br />
einer Organschaft immer exakt zu planen.<br />
Insbesondere der GAV muss den steuerlichen<br />
Anforderungen genügen und erfordert daher<br />
eine sorgfältige Gestaltung. Da eine Organschaft<br />
nur in <strong>Wirtschaft</strong>sjahren wirksam wird, in denen<br />
die Voraussetzungen von Beginn an erfüllt sind,<br />
müssen Organschaftsmodelle außerdem rechtzeitig<br />
auf den Weg gebracht werden.<br />
Ausblick<br />
Derzeit ist nicht absehbar, wie sich die deutschen<br />
Regelungen zur Organschaft zukünftig entwickeln<br />
werden. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass<br />
geplante Vereinfachungen zeitnah umgesetzt<br />
werden, damit zumindest die Zahl der aus formalen<br />
Gründen aberkannten Organschaften sinkt.<br />
So ist beispielsweise vorgesehen, dass ein Verweis<br />
auf das Aktiengesetz genügen soll und die<br />
notwendigen Regelungen nicht mehr textlich im<br />
GAV aufgenommen werden müssen. Damit gäbe<br />
es nach Änderungen der zugrunde liegenden<br />
Regelungen im Aktiengesetz keinen Überarbeitungsbedarf<br />
für den GAV mehr. Solche „vergessenen“<br />
Änderungen haben schon zur Versagung<br />
von Organschaften geführt.<br />
Mittelfristig stellt sich in Deutschland die Frage,<br />
ob die deutsche Organschaft erhalten bleibt oder<br />
durch eine neue Form der Gruppenbesteuerung<br />
ersetzt wird. Eine solche Reform würde wohl mit<br />
geänderten Voraussetzungen und veränderten<br />
Verrechnungsmöglichkeiten einhergehen. Für<br />
einige Unternehmen kann dies nachteilig sein<br />
– nämlich dann, wenn zwar bisher die Voraussetzungen<br />
für eine Organschaft erfüllt sind, die<br />
Voraussetzungen für eine Gruppenbesteuerung<br />
dagegen nicht vorliegen. So ist beispielsweise<br />
damit zu rechnen, dass für eine Gruppenbesteuerung<br />
eine höhere Beteiligungsquote erforderlich<br />
sein wird. Viele andere Unternehmen würden<br />
aber wohl profitieren – insbesondere weil eine<br />
Gruppenbesteuerung wahrscheinlich eine Verbesserung<br />
für grenzüberschreitend tätige Unternehmensgruppen<br />
bedeuten würde.