21.07.2013 Aufrufe

Helmwart Hierdeis Über den „cultural lag“ universitärer Bildung ...

Helmwart Hierdeis Über den „cultural lag“ universitärer Bildung ...

Helmwart Hierdeis Über den „cultural lag“ universitärer Bildung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

8<br />

umsetzen soll, reicht das allerdings nicht aus. Und wenn unsere Universität unter <strong>den</strong> Gesetzestext<br />

schreibt „Diesen Grundsätzen und Zielsetzungen dient auch das Studium an der Universität<br />

Innsbruck“ (42) , dann weiß sie offenbar nicht, was sie sagt.<br />

Aus einer Reihe von Indizien leite ich ab, dass die Universität ihren gesetzlichen Auftrag zur<br />

„<strong>Bildung</strong> durch Wissenschaft“ nicht erfüllt. Mein Bild von der <strong>Bildung</strong>swirklichkeit der<br />

Universität ist naturgemäß ein Konstrukt. Ich hoffe, es ist plausibel genug, um nicht als Phantom<br />

abgetan zu wer<strong>den</strong>.<br />

Erstes Indiz: Die Universität hat sich ihre sog. Autonomie durch eine historisch beispiellose<br />

Abhängigkeit von der Wirtschaft erkauft. Das hat nicht nur eine ökonomische Fernsteuerung zur<br />

Folge, die der grundgesetzlichen Zusicherung der Freiheit von Forschung und Lehre zuwiderläuft,<br />

sondern auch die interne <strong>Über</strong>nahme der Kriterien Kostenersparnis, Drittmittelbeschaffung,<br />

„Verschlankung“ der Entscheidungsstrukturen und „Effizienz“. Mittelumschichtungen und<br />

Geldzuflüsse von außen begünstigen vor allem jene Disziplinen und Einrichtungen, die<br />

wirtschaftlich verwertbares Wissen produzieren und damit für die Beschleunigung der<br />

„materiellen Kultur“ arbeiten, während die Kulturwissenschaften im Rahmen der<br />

inneruniversitären Umverteilung als Pool für Mittel- und Personalressourcen gelten – und<br />

zynischerweise gleichzeitig von allen Seiten versichert bekommen, wie unverzichtbar sie sind.<br />

Zweites Indiz: Die Universität vertritt die Organisationsprinzipien „Rationalität“ und „Ökonomie“<br />

in dem Sinne, dass möglichst viele Studierende durch möglichst wenig Lehrende auf möglichst<br />

engem Raum mit dem Einsatz von möglichst wenig Lernhilfen in möglichst kurzer Zeit und<br />

unterstützt durch eine möglichst kleine Verwaltung mit einer möglichst hohen Qualifikation<br />

ausgestatten wer<strong>den</strong>. Die Komprimierung von Studienzeiten, Studieninhalten und Prüfungen führt<br />

neben einer mentalen Fixierung der Lernen<strong>den</strong> auf <strong>den</strong> von anderen definierten Studienerfolg zur<br />

Verringerung von Verarbeitungs-, Reflexions- und Entwicklungszeiten. Zudem geht der<br />

Ausgleich in <strong>den</strong> unterrichtsfreien Zeiten verloren, besonders dann, wenn das Studium auch noch<br />

selbst verdient wer<strong>den</strong> muss.<br />

Drittes Indiz: Was die Universität für wichtig hält, das evaluiert sie. Bei <strong>den</strong> „Performances“ der<br />

Fächer stehen Publikationen, Drittmittelprojekte, internationale Verbindungen und<br />

Studienabschlüsse im Vordergrund. „<strong>Bildung</strong> durch Wissenschaft“ ist zwar deklariertes Ziel der<br />

Universität, aber kein Gegenstand von Evaluation. Daraus kann geschlossen wer<strong>den</strong>, dass sie - im<br />

Gegensatz zum gesetzlichen Auftrag und zu ihrem Bekenntnis – ihre <strong>Bildung</strong>saufgabe ignoriert.<br />

Es wirft im übrigen kein gutes Licht auf das Selbstverständnis der Pädagogik, wenn Evaluatoren,<br />

die aus diesem Fach kommen, selbstreflexive, praxisreflexive und psychoanalytische Inhalte<br />

sowie Lehrangebote, die der Verbindung der Erziehungswissenschaft mit der Vielfalt<br />

gegenwärtiger Kultur nachgehen, aus dem Studienplan des Instituts für Erziehungswissenschaften<br />

eliminiert sehen möchten. Entgegen manchen Anschauungen ist die Untersuchung von<br />

<strong>Bildung</strong>swirkungen kein methodisches, sondern allenfalls ein finanzielles Problem.<br />

Viertes Indiz: Die Universität hat für sich kein <strong>Bildung</strong>skonzept entworfen, sondern erwartet<br />

offenbar, dass die regelmäßige Wiedergabe des Gesetzestextes mit einem verkürzten<br />

<strong>Bildung</strong>sverständnis ihre I<strong>den</strong>tifizierung mit einer <strong>Bildung</strong>sidee hinlänglich zum Ausdruck bringt<br />

und vertraut ansonsten darauf, dass sich schon irgend eine Wirkung <strong>universitärer</strong> Lehre einstellen<br />

wird.<br />

Fünftes Indiz: Der Universität fehlt konsequenter Weise ein angemessenes Konzept der<br />

Wissensvermittlung. Die letzten Bemühungen um die Verbreitung einer reflexiven<br />

Hochschuldidaktik an der Universität Innsbruck sind vor etwa fünfzehn Jahren gescheitert, als die

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!