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FOLGEN KRANKER NIEREN<br />
Coverstory<br />
Linz ist eine Reise wert<br />
Interview mit Prof. DDr. Walter Hörl zum Symposium am 10.Oktober<br />
Am Samstag, den 10. Oktober, findet<br />
von 9–14 Uhr ein Update zur Analyse<br />
der Nierenfunktion im ARS Electronica<br />
Center statt. Weil die Nieren ein unterschätzter<br />
Dirigent schwerer Krankheiten<br />
sind, sprach Der Mediziner mit dem<br />
Wiener Experten Professor DDr.Walter<br />
Hörl.<br />
Herr Professor, warum kann die Niere<br />
in der Praxis Nerven kosten?<br />
Die Probleme sind vielschichtig: Erstens<br />
kann ein Patient eine normale Nierenfunktion<br />
haben, aber dennoch nierenkrank<br />
sein. Er kann eine Albuminurie,<br />
eine Proteinurie oder eine Erythrozyturie<br />
haben.<br />
Ein weiteres Problem ist, dass die Proteinurie<br />
zu einem nephrotischen Syndrom<br />
voranschreiten kann. Dieses macht<br />
die Behandlung der Eiweißausscheidung<br />
für den niedergelassenen Arzt noch<br />
schwieriger.Außerdem:Wie gehe ich mit<br />
dem nephrotischen Syndrom im Einsatz<br />
mit Diuretika um? Wie muss ich sie<br />
dosieren? Wann ist ein Zutransfer zum<br />
Nephrologen indiziert, damit man rasch<br />
zu einer Diagnose kommt?<br />
Diese Fragen wollen wir in<br />
Linz diskutieren.<br />
Überdies gibt es auch<br />
viele Patienten mit einem<br />
Nierenproblem im Rahmen<br />
einer Systemerkrankung wie<br />
Diabetes, Lupus oder eine Vaskulitis.<br />
Da muss man ganz schnell zu einer<br />
Diagnose kommen und bei rasch progredienter<br />
Glomerulonephritis so früh<br />
wie möglich mit einer immunsuppressiven<br />
Therapie beginnen.<br />
Wie prüft man eine mögliche Nierenfunktionseinschränkung?<br />
Es gibt mehrere Parameter zur Nierenfunktion.<br />
Kreatinin ist ein guter Indikator<br />
für die Nierenleistung in der Routine,<br />
allerdings erst in der Spätphase<br />
einer Nierenerkrankung erhöht. In<br />
einem früheren Stadium kann beispielsweise<br />
ein Patient, abhängig von Alter<br />
und Muskelmasse, trotz einem Serumkreatinin<br />
von 1,5 mg/dL, also auf den<br />
ersten Blick mit einer geringen Nierenfunktionseinschränkung,<br />
eine Reduktion<br />
der Nierenfunktion von 50% oder<br />
mehr haben. Der niedergelassene Arzt<br />
braucht Informationen über die tatsächliche<br />
Nierenfunktion, damit er Medikamente,<br />
die renal eliminiert werden,<br />
adäquat reduzieren kann. Es gibt aber<br />
auch das andere Extrem, dass der Arzt<br />
Medikamente unterdosiert. Das wird<br />
ein wichtiges Thema in Linz.<br />
Ist das Harnsammeln heute noch die<br />
Methode der Wahl?<br />
Wenn der Patient das zuverlässig<br />
macht, ist es für mich nach wie vor die<br />
genaueste Form der Quantifizierung<br />
von Protein-, Albumin- sowie Natriumausscheidung.<br />
Ich kann die tatsächliche<br />
Kochsalzmenge, die der Patient in 24<br />
Stunden konsumiert hat, nachrechnen.<br />
Neueste Studien weisen darauf hin, dass<br />
der Kochsalzkonsum mit der Endotheldysfunktion<br />
zusammenhängt – je mehr<br />
Kochsalz man isst, desto steifer werden<br />
die Gefäße. Ich sehe zum Beispiel bei<br />
einem Patienten, der 170 mmol Natrium<br />
pro Tag ausgeschieden hat, dass er etwa<br />
10 g Kochsalz gegessen hat. Die meisten<br />
Österreicher essen 12–15 g, ein Hyper-<br />
toniker sollte aber nicht mehr als 5–6 g<br />
pro Tag essen. Ich erhalte somit aus dem<br />
Harn viele wertvolle Informationen,<br />
auch in Hinblick auf ein Ansprechen<br />
einer Therapie mit ACE-Hemmern oder<br />
Angiotensin II-Blockern bei proteinurischen<br />
Patienten.<br />
Die amerikanischen Nephrologen<br />
sind in den letzten Jahren von der 24-<br />
Stunden Harnanalyse abgekommen.<br />
Argumentiert wird, dass dies viele<br />
Patienten nur ungern machen, viele<br />
sammeln den Harn unzuverlässig. Empfohlen<br />
wird daher einfach den Spontanharn<br />
zu nehmen und die Eiweißausscheidung<br />
so zu quantifizieren. Da hier<br />
natürlich (in Abhängigkeit von der<br />
Trinkmenge) ein Verdünnungseffekt<br />
möglich ist, weil der eine mehr oder<br />
weniger getrunken hat, braucht man<br />
eine Bezugsgröße und diese Bezugsgröße<br />
ist die Kreatinin-Konzentration<br />
im Harn. Man gibt also die Eiweißausscheidung<br />
in mg pro g Kreatinin, das<br />
ausgeschieden wird, als Quotient an.<br />
Auf der Nephrologie kombinieren wir<br />
beide Untersuchungsverfahren, weil sie<br />
nicht deckungsgleich sind. Die 24 Stunden-Harnuntersuchung<br />
wenden wir bei<br />
Patienten an, die zuverlässig und bereitwillig<br />
den Harn sammeln.<br />
Gibt es in der Praxis noch nicht entdeckte<br />
Nierenpatienten?<br />
Genaue Zahlen kann ich Ihnen nicht<br />
nennen. Aber man hört immer wieder,<br />
dass dies nur wenige Patienten seien.<br />
Das ist aber sicher nicht richtig. Pro Praxis<br />
gibt es häufig mehr als 200 Hypertoniker,<br />
mehr als 50 Diabetiker und viele<br />
seite 6 DER MEDIZINER 9/20<strong>09</strong>