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pdf-download - Achim Beier

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Vielschichtige Sehnsucht<br />

Beatrice Buscaroli Fabbri<br />

Er war ein hoher Würdenträger des Imperiums, auch Stadtpräfekt von Rom und<br />

entstammte dem gallischen Beamtenadel. Rutilius Namatianus begab sich auf<br />

seine Heimreise von Rom nach Gallien, als Italien schon in der Hand der Barbaren<br />

war. Rom war am Ende.<br />

Das Reisetagebuch dieses Dichters, der als letzter die Schönheit des klassischen<br />

Roms besingt, ist ein Gedicht in elegischen Distichen, das Rutilius vermutlich<br />

für eine Gruppe von Freunden geschrieben und nach seiner Rückkehr<br />

in Gallien vorgetragen hatte. Im Winter 415 oder 417 zieht er durch die verlassenen<br />

Straßen, vorbei an zerstörten Brücken, durchquert die von den Invasoren<br />

bis hin zum Meer verwüsteten ländlichen Gebiete.<br />

Es ist ein großes Rom, das, wenn auch in Trümmern, überlebt. Augenscheinlich<br />

zwar geschlagen, besiegt von Tempel und Statuen überwucherndem<br />

Unkraut, wird es zum ewigen Rom der Dichter und Geschichtsschreiber, zum<br />

Mythos der Jahrhunderte und der Nationen. Die Verse von Rutilius Namatianus<br />

sprechen von Trümmern und Verfall, doch aus den Ruinen ersteht eine Art rückblickender<br />

Stolz, von dem die unabwendbare Gewißheit vom gegenwärtigen<br />

Ende fast völlig verdrängt wird; denn schließlich hat es ja existiert.<br />

Höre mich an, herrlichste Königin der Welt, die<br />

dein eigen ist, in den gestirnten Himmel<br />

aufgenommene Roma; höre mich an, Stammutter<br />

der Menschen und Stammutter der Götter, sind<br />

wir doch durch deine Tempel dem Himmel<br />

nicht fern; dich besinge ich und werde ich<br />

allzeit besingen, solange das Geschick es<br />

zuläßt: wer heil und unversehrt ist,<br />

muß stets dein gedenken. Eher soll<br />

frevelhaftes Vergessen die Sonne verfinstern,<br />

als daß dein Glanz aus meinem Herzen<br />

schwände … 1<br />

Die Westgoten sind in Gallien eingefallen, die Provinzen sind von Horden von<br />

Barbaren, Vandalen, Sweben, Alanen besetzt. Namatianus zieht vorbei, entwirft<br />

rasch seine Verse – Skizzen großer Verheerung, eingefangen vom gleichmäßigen<br />

Rhythmus der Distichen des ersten Buches und der sechzig Versen des zweiten<br />

Buches, De Reditu Suo. Nach und nach verdunkelt sich die antike Welt, wird<br />

wieder von der Erde aufgenommen, aus der sie erwachsen war. Der letzte<br />

Dichter Roms wird Zeuge eines Prozesses, der sich noch über Jahrhunderte hinziehen<br />

sollte. Er erlebte die ersten Zusammenbrüche, sah die ersten Ruinen aus<br />

Marmor, der wieder das Aussehen des von der Natur geschaffenen Steins<br />

annahm.<br />

Jahrhunderte vergehen. Rom und Griechenland, von der Zeit und der<br />

Geschichte geprägt, kehren in die Sammlungen der Museen zurück. Gesichter,<br />

Torsi von Statuen, Fragmente, Splitter vergangener Schönheit werden erneut, in<br />

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