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Manuelle Lymphdrainage: Auf die sanfte Tour Manuelle ...

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PERSÖNLICH: Leserportrait<br />

Leserportrait<br />

Meine positive Lebenseinstellung hat<br />

mir über viel Schweres Schweres<br />

hinweg geholfen<br />

Marlies Heller, 65, pens.<br />

medizinische Laborantin,<br />

4142 Münchenstein<br />

<strong>Auf</strong> der vita sana sonnseitigleben-Adventsreise<br />

2004 wurde uns<br />

auf der Führung durch Würzburg<br />

erzählt, dass <strong>die</strong> Stadt am<br />

16. März 1945 von Bombern<br />

innert 20 Minuten in<br />

Schutt und Asche gelegt<br />

worden war. Für<br />

mich war <strong>die</strong>ser Hinweis<br />

aufwühlend,<br />

habe ich doch <strong>die</strong><br />

Zerstörung der Stadt<br />

miterlebt.<br />

Mein Vater, Berufs-<br />

offizier, befand sich<br />

während der Kriegsjahre<br />

an der Front.<br />

Einige Jahre vor<br />

dem Krieg hatte er bei einem<br />

Besuch seiner Stiefschwester in<br />

der Schweiz meine Mutter kennen<br />

gelernt – meine Grossmutter<br />

soll nicht begeistert gewesen<br />

sein, «e Schwob» zum<br />

Schwiegersohn zu bekommen.<br />

Schliesslich kam es im Sommer<br />

1937 doch zur Heirat. Meine<br />

Mutter schreibt in einem Gedicht,<br />

das sie hinterlassen hat,<br />

dass <strong>die</strong> kurze Zeit bis zum Beginn<br />

des Krieges <strong>die</strong> glücklichste<br />

ihres Lebens gewesen sei.<br />

Nach einer Fehlgeburt wurde<br />

meine Mutter mit mir schwanger,<br />

ich kam als Kriegskind zur<br />

Welt.<br />

Im Januar 1945 wurde ich<br />

wegen Scharlach und des Verdachts<br />

auf Diphterie in <strong>die</strong> Isolierstation<br />

des Spitals gebracht.<br />

Ich erinnere mich, dass meine<br />

Mutter nur durch ein Fensterchen<br />

in der Türe mit mir spre-<br />

40 vita sana sonnseitig leben 1/2005<br />

chen konnte, das Krankenzimmer<br />

durfte sie nicht betreten.<br />

Bei Luftangriffen wurden alle<br />

Patienten in den Luftschutzkeller<br />

gebracht – wenn immer ich<br />

heute im Fernsehen Bilder von<br />

Bombenangriffen sehe, stellen<br />

sich mir schreckhaft <strong>die</strong> Haare<br />

auf. Bei jenem finalen Bombardement<br />

suchte mich meine Mutter.<br />

Sie fand mich und trug mich<br />

durch <strong>die</strong> brennende Stadt.<br />

Noch heute sehe ich ein zerstörtes<br />

Brückengeländer vor<br />

mir und brennende Menschen,<br />

<strong>die</strong> sich ins Wasser stürzten und<br />

dort unten weiter brannten. Ich<br />

weiss, dass ich dachte: «Es<br />

heisst doch, Feuer könne mit<br />

Wasser gelöscht werden, weshalb<br />

brennen <strong>die</strong> Leute denn?»<br />

Mutter erzählte später, wie sie<br />

in einen Schutzraum hatte<br />

flüchten wollen. Ein Pole riss<br />

sie zurück, «du Frau, du nix<br />

hier, komm mit mir!» Sie fürchtete<br />

sich, der Pole aber wurde<br />

ihr Retter: Alle, <strong>die</strong> sich im<br />

Schutzraum befunden hatten,<br />

waren tot und durch <strong>die</strong> Einwirkung<br />

von Phosphor zur<br />

Grösse von Puppen zusammen<br />

geschrumpft, in den Strassen<br />

herrschte teilweise eine Temperatur<br />

von über 1000 Grad.<br />

Nach dem Krieg kam ich mit<br />

meiner Mutter in <strong>die</strong> Nähe von<br />

Tübingen. Man hatte wenig zu<br />

essen, schlug sich schlecht und<br />

recht durch. Nachdem ich eine<br />

Hirnhautentzündung überstanden<br />

hatte, riet ein Arzt, mich mit<br />

einem Kindertransport in <strong>die</strong><br />

Schweiz zu schicken, da wir ja<br />

dort Verwandte hätten. So landete<br />

ich denn im Sommer 47<br />

nach zwei Tagen Fahrt von<br />

Stuttgart aus in Basel. Am Badischen<br />

Bahnhof stand meine<br />

Tante, <strong>die</strong> ich überhaupt nicht<br />

kannte. Mit <strong>die</strong>ser fremden<br />

Frau wollte ich nicht weg gehen.<br />

Schliesslich überzeugte<br />

mich eine Kinderschwester,<br />

dass es keine andere Lösung<br />

gebe. Nachdem mir <strong>die</strong> Tante<br />

dann in einem Warenhaus<br />

Schuhe gekauft und wildfremde<br />

Leute mich Kriegskind mit<br />

Schoggi, Orangen, Bananen<br />

und anderen Herrlichkeiten beschenkt<br />

hatten, fand ich, dass<br />

man es in der Schweiz wohl<br />

doch aushalten konnte.<br />

Über mein Leben könnte ich<br />

ein Buch schreiben. Ich denke,<br />

dass mir meine positive Lebenseinstellung<br />

über viel Schweres<br />

hinweggeholfen hat, über Entbehrungen<br />

und ebenso über<br />

schwere Enttäuschungen in<br />

meinen Beziehungen. Obwohl<br />

mir eine höhere Schulbildung<br />

verwehrt blieb, konnte ich mich<br />

in den wirtschaftlich günstigen<br />

Sechzigerjahren zur medizinischen<br />

Laborantin hocharbeiten.<br />

Später war ich in der Lage,<br />

meinem Vater beizustehen und<br />

ebenso meiner Mutter, <strong>die</strong> einmal<br />

in ihrer Verzweiflung gesagt<br />

hatte, sie werde sich in den<br />

Fluss Neckar stürzen. Das Ausmass<br />

all dessen, was meine<br />

Mutter erlitten hat, ist mir auf<br />

der Adventsreise ganz deutlich<br />

bewusst geworden.

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