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Denn Sie (wollen) wissen, was Sie tun... - Angehörigenberatung e.V.

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Tagungsdokumentation<br />

zum<br />

5. Fachtag Gerontopsychiatrie<br />

„<strong>Denn</strong> <strong>Sie</strong> (<strong>wollen</strong>) <strong>wissen</strong>, <strong>was</strong> <strong>Sie</strong><br />

<strong>tun</strong>...“<br />

- Anregungen für die Versorgung von demenzkranken Menschen -<br />

29. März 2006<br />

Caritas-Pirckheimer-Haus<br />

Nürnberg<br />

Veranstalter:<br />

Angehörigenbera<strong>tun</strong>g e.V. Nürnberg /<br />

Gerontopsychiatrische Fachkoordination (GeFa) Mittelfranken


Uhrzeit Programm Seite<br />

09.30 Stehkaffee und Büchertisch<br />

10.00 Begrüßung 2<br />

Hans-Dieter Mückschel,<br />

Angehörigenbera<strong>tun</strong>g e.V. Nürnberg<br />

Einführung 3<br />

Elfi Ziebell, GeFa Mittelfranken<br />

bei der Angehörigenbera<strong>tun</strong>g e.V.<br />

10.15 Wohngemeinschaften für demenzkranke Menschen<br />

- wehe, wenn sie losgelassen? 5<br />

Klaus-W. Pawletko, Dipl. Soziologe und Geschäfts-<br />

führer des Vereins „Freunde alter Menschen“, Berlin<br />

11.00 Autonomia GmbH – Idee und Verwirklichung von<br />

Wohngemeinschaften (nicht nur) für demenzkranke Menschen 8<br />

Margarete Decher, RN u. BScN, Castrop-Rauxel<br />

Ausgefallen! Anstelle dessen Wortbeitrag von Heiner Dehner, WG<br />

Obersteinbach im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim mit<br />

Filmbeitrag über die WG<br />

11.45 Qualitätssiegel Demenz- ein Angebot der Alzheimer Gesellschaft<br />

Mittelfranken für stationäre Einrich<strong>tun</strong>gen 10<br />

PD Dr. Elmar Gräßel, Vorstand der Alzheimer Gesellschaft<br />

Mittelfranken, Erlangen<br />

12.30 Mittagspause<br />

13.15 Milieutherapeutische Aspekte 12<br />

Angela Wiech, Innenarchitektin und Gerontologin (FH), Altdorf<br />

14.0 Konzeptentwicklung und Umsetzung im<br />

personenzentrierten Ansatz 17<br />

Workshop Teil 1<br />

Karla Kämmer, Lehrerin für Pflegeberufe und<br />

Gerlinde Strunk-Richter, Dipl. Pädagogin;<br />

KK-Training, Bera<strong>tun</strong>g, Weiterbildung, Essen<br />

15.00 Kaffeepause<br />

15.20 Workshop Teil 2<br />

16.20 Perspektiven der Weiterentwicklung in der Gerontopsychiatrie<br />

aus Sicht des Bezirks Mittelfranken 26<br />

Bezirkstagspräsident Richard Bartsch, Ansbach<br />

16.45 Verabschiedung<br />

2


Begrüßung zum 5. Fachtag Gerontopsychiatrie<br />

Hans-Dieter Mückschel<br />

Geschäftsführer der Angehörigenbera<strong>tun</strong>g e.V. Nürnberg<br />

Sehr geehrter Herr Regierungsdirektor Rauh, sehr geehrte Damen und Herren aus den<br />

Fraktionen des Bezirkstags und des Nürnberger Stadtrates,<br />

liebe Kolleginnen und Kollegen aus den ambulanten und stationären Einrich<strong>tun</strong>gen der<br />

Altenhilfe und der gerontopsychiatrischen Versorgung in Mittelfranken.<br />

Die Angehörigenbera<strong>tun</strong>g e.V. Nürnberg lädt nun schon zum 5. Mal zu einem Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie ein und Ihr zahlreiches Erscheinen zeigt, dass es Frau Ziebell von der<br />

Gerontopsychiatrischen Fachkoordination wieder gelungen ist, mit dem aktuellen<br />

Programm Ihr Interesse zu wecken.<br />

Das heutige Motto „<strong>Denn</strong> <strong>Sie</strong> (<strong>wollen</strong>) <strong>wissen</strong>, <strong>was</strong> <strong>Sie</strong> <strong>tun</strong> ..“ unterstreicht den<br />

Anspruch des bewussten Handelns unter Berücksichtigung von unterschiedlichen und<br />

auch veränderten Rahmenbedingungen, um die eigene gerontopsychiatrische Arbeit<br />

weiterzuentwickeln und damit vielleicht neue Möglichkeiten einer angepassten Pflege<br />

und Betreuung zu realisieren, aber auch Grenzen zu erkennen und akzeptieren zu lernen.<br />

Ich wünsche Ihnen einen informativen Tagungsverlauf, spannende Diskussionen und<br />

Gespräche und hoffe, dass <strong>Sie</strong> et<strong>was</strong> für Ihr Praxisfeld mitnehmen können.<br />

3


Einführung<br />

Elfi Ziebell, Gerontopsychiatrische Fachkoordination (GeFa) Mittelfranken bei der<br />

Angehörigenbera<strong>tun</strong>g e.V. Nürnberg<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,<br />

es freut mich sehr, dass <strong>Sie</strong> wie zu den bisherigen Fachtagen der GeFa wieder in so<br />

großer Anzahl erschienen sind. Der 5. Fachtag, den die GeFa heute veranstaltet, ist fast<br />

ein kleines Jubiläum. Im November 2001 fand der erste GeFa-Fachtag statt, in et<strong>was</strong><br />

kleinerem Rahmen als heute, Vernetzung war das Thema. Kurz vorher am Welt-<br />

Alzheimer-Tag im September 2001 wurde bereits das Thema Wohngemeinschaften für<br />

Alzheimerkranke aufgegriffen. Der damalige Referent Herr Pawletko hatte so anregend<br />

referiert, dass der Funke gezündet hat und daraufhin ein Initiativkreis zum Aufbau dieser<br />

Art von Wohngemeinschaften hier in Nürnberg gegründet wurde. Mittlerweile existieren<br />

in Mittelfranken und anderen Bezirken Bayerns mehrere dieser Wohngemeinschaften für<br />

demenzkranke Menschen und weitere sind in Planung. Böse Zungen behaupten zwar,<br />

dass über Wohngemeinschaften mehr geredet als darin gewohnt wird. Ich denke aber, die<br />

von Berlin und Nordrhein-Westfalen angestoßene Entwicklung ist auch in Bayern nicht<br />

mehr aufzuhalten. Jetzt geht es um die Klärung entscheidender Fragen: die nach den<br />

Finanzierungsmöglichkeiten und nach der Qualität dieses Modells einer alternativen<br />

Versorgung.<br />

Zwei Beispiele zur Finanzierung:<br />

- In Berlin gibt es seit September 2005 eine neu geschaffene Tagespauschale für die<br />

ergänzende Versorgung, Betreuung und psychosoziale Leis<strong>tun</strong>g.<br />

- Die Stadt München wird für 20 Wohngemeinschaften eine Anschubfinanzierung<br />

von 50.000 Euro pro Wohngemeinschaft zur Verfügung stellen.<br />

Auf einer Tagung der Deutschen Alzheimer Gesellschaft im Februar dieses Jahres wurde<br />

besonders auf die Frage der Qualität der Versorgung in den Wohngemeinschaften<br />

eingegangen. Es geht ja darum, dass diese neue Form der Versorgung Demenzkranker<br />

nicht in Misskredit gerät durch unseriöse oder inkompetente Anbieter.<br />

- In Berlin werden z.B. allen Angehörigen der Bewohner und Bewohnerinnen von<br />

Wohngemeinschaften vom Verein „Selbstbestimmt Wohnen im Alter“ die von<br />

diesem Verein formulierten Qualitätskriterien ausgehändigt.<br />

- Die Alzheimer Gesellschaft Brandenburg hat ebenfalls Qualitätskriterien<br />

entwickelt.<br />

Sind die Fragestellungen nach der Finanzierung und den Qualitätsstandards ausreichend<br />

und hoffentlich positiv beantwortet, stellt sich als weiteres Problem die Suche nach<br />

geeignetem Wohnraum und dem Vermieter – viele strukturelle Voraussetzungen müssen<br />

geklärt sein.<br />

Ich denke, das sind Inhalte, die viele von Ihnen beschäftigen und zu denen <strong>Sie</strong> heute<br />

sicher Aufschlussreiches hören werden durch Herrn Pawletko und Herrn Dehner von der<br />

Wohngemeinschaft Obersteinbach, der in Vertre<strong>tun</strong>g für Frau Decher kurzfristig<br />

eingesprungen ist, da diese auf dem Herweg einen Unfall erlitten hat.<br />

Eine Demenz-Erkrankung bringt es mit sich, dass die Versorgung in einer stationären<br />

Einrich<strong>tun</strong>g unumgänglich werden kann – auch mangels anderer Alternativen. Für die<br />

Einrich<strong>tun</strong>gslei<strong>tun</strong>gen und die MitarbeiterInnen stellt sich die Frage, wie die<br />

zunehmende Zahl hochbetagter demenzkranker Menschen in ihren Einrich<strong>tun</strong>gen<br />

angemessen versorgt werden kann. Eine Anregung zur Weiterentwicklung der<br />

Versorgung in den Einrich<strong>tun</strong>gen bietet sicher das „Qualitätssiegel Demenz“ der<br />

4


Alzheimer Gesellschaft Mittelfranken, das Ihnen heute Dr. Gräßel, der Vorstand der<br />

Alzheimer Gesellschaft Mittelfranken, vorstellen wird.<br />

Es geht um die Anpassung der personellen und dinglichen Umwelt an die Bedürfnisse<br />

der Erkrankten. Wichtig ist vor allem die Umgestal<strong>tun</strong>g und Umstrukturierung des<br />

Bestehenden, <strong>was</strong> z.T. mit relativ geringem finanziellen Aufwand zu leisten ist.<br />

Anregungen erhalten sie in dem Beitrag über die milieutherapeutischen Aspekte durch<br />

Frau Wiech.<br />

In der Bestandsaufnahme, die die GeFa zur gerontopsychiatrischen Versorgung in<br />

Mittelfranken durchgeführt hat, wurde stets ein hoher Fortbildungsbedarf zu den<br />

Krankheitsbildern Demenz und Depression geäußert. Bereits an dritter Stelle wurde<br />

Bedarf an Fortbildung zur Konzeptentwicklung genannt.<br />

Diesem von Ihnen geäußerten Bedarf soll heute durch den zweiteiligen Workshop am<br />

Nachmittag Rechnung getragen werden. Ich hoffe, dass viele Ihrer Fragen geklärt werden<br />

können und <strong>Sie</strong> Anregungen mitnehmen, an denen <strong>Sie</strong> in Ihren Einrich<strong>tun</strong>gen weiter<br />

arbeiten können.<br />

Wie geht es weiter mit der Gerontopsychiatrie im Bezirk Mittelfranken? Herr<br />

Bezirkstagspräsident Richard Bartsch wird in einem Schlusswort Stellung dazu nehmen,<br />

<strong>was</strong> von Seiten des Bezirks bereits getan wird und getan werden kann.<br />

Bevor wir beginnen, möchte ich mich vor allem noch bei meinen Kolleginnen und den<br />

ehrenamtlichen Helferinnen bedanken, die mit zu einem möglichst reibungslosen Ablauf<br />

des Fachtags beitragen.<br />

Bedanken möchte ich mich auch bei den Sponsoren des heutigen Fachtags, der Firma<br />

Janssen-Cilag und der Fa. Merz. Deren Broschüren finden <strong>Sie</strong> in reicher Anzahl im<br />

Foyer. Die Buchhandlung Büttner kann diesmal nicht wie sonst an den Fachtagen ein<br />

Angebot an Fachliteratur für <strong>Sie</strong> bereithalten. Wir haben deshalb für sie kostenlose<br />

Leseexemplare einiger Fachzeitschriften ausgelegt.<br />

Jetzt begrüße ich unseren ersten Referenten Herrn Pawletko, der schon gestern angereist<br />

ist und i.R. des Initiativkreises Wohngemeinschaften für Demenzkranke mit einem<br />

kleineren Kreis Interessierter über Fragen der Organisation und Planung diskutiert hat.<br />

Herr Pawletko ist u.a. Autor der Broschüre „Ambulant betreute Wohngemeinschaften“,<br />

die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Jahr 2003<br />

herausgegeben wurde. An der Tatsache, dass bereits die 2. Auflage der Broschüre<br />

erschienen und mittlerweile schon wieder vergriffen ist, kann man sehen, dass das Thema<br />

Wohngemeinschaften bundesweit immer mehr auf Interesse stößt.<br />

Deshalb bitte ich nun Herrn Pawletko als ersten Redner um seinen Vortrag.<br />

5


Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz<br />

– Wehe, wenn sie losgelassen?<br />

Klaus-W. Pawletko, Geschäftsführer des Vereins „Freunde alter Menschen“, Berlin<br />

1.1 Prolog<br />

In diesem Jahr feiert die erste ambulant betreute Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz<br />

in Berlin ihr 10-jähriges Jubiläum. Gleichzeitig erleben wir im ganzen Land eine regelrechte<br />

Gründungswelle von ambulant betreuten Wohngemeinschaften (nicht nur) für Menschen mit<br />

Demenz.<br />

Anlass genug, Resümee zu ziehen und einen Ausblick in die Zukunft zu wagen.<br />

In Bezug auf den absichtlich et<strong>was</strong> provokant gewählten Titel des Referats heißt das:<br />

1.) Für die etablierten vollstationären Pflegeeinrich<strong>tun</strong>gen: Ach<strong>tun</strong>g, es kommt massive<br />

Konkurrenz.<br />

2.) Für die Ordnungsbehörden, vor allem die Heimaufsichten: Ach<strong>tun</strong>g, es kommen immer<br />

mehr Pflegearrangements, die nicht ohne weiteres eindeutig zuzuordnen sind.<br />

3.) Für die potenziellen Nutzer: mehr Auswahl, aber eine größere Unsicherheit, <strong>was</strong> die<br />

Qualität der Angebote anbelangt.<br />

Im Regelsystem angekommen<br />

Nach anfänglichen Irritationen und Widerständen bei Aufsichtsbehörden und Kostenträgern sind<br />

ambulant betreute Wohngemeinschaften in der Normalität des sozialpflegerischen Regelsystems<br />

angekommen.<br />

Allerdings haben sie – entgegen meinen eigenen Prognosen am Beginn ihrer Etablierung – eine<br />

deutliche Metamorphose erfahren: Ursprünglich als nutzergesteuertes Modell der Versorgung<br />

von Menschen mit Demenz gedacht, bei dem Angehörige und gesetzliche Betreuer (und ihre<br />

Organisationen) als Initiatoren auftreten, haben sich ambulant betreute Wohngemeinschaften<br />

mittlerweile als „ganz normales“ Angebot ambulanter Dienste etabliert.<br />

Bis auf wenige Ausnahmen geht die Initiative zur Einrich<strong>tun</strong>g einer Wohngemeinschaft heute in<br />

der Regel von den Anbietern ambulanter Pflegeleis<strong>tun</strong>gen aus, die damit ein Instrument entdeckt<br />

haben, auf dem Markt der Versorgung fortgeschritten demenzkranker Menschen präsent zu sein.<br />

Bei Trägern vollstationärer Pflegeangebote für diese Zielgruppe ist denn auch eine zunehmende<br />

Nervosität zu spüren, war doch dieses Klientel bisher ein sicherer Kundenstamm für stationäre<br />

Pflegeeinrich<strong>tun</strong>gen.<br />

Neue Akteure auf dem Pflegemarkt<br />

Möglich ist diese Entwicklung vor allem geworden, weil sich identische bzw. sich ergänzende<br />

Interessenkonstellationen bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen entwickelt haben.<br />

1. Die alten Menschen selbst, bzw. ihre Angehörigen zeigen zunehmend größere<br />

Abneigung gegenüber einer Versorgung in einer stationären Pflegeeinrich<strong>tun</strong>g. Ob diese<br />

in jedem Fall gerechtfertigt ist, darf getrost bezweifelt werden, aber das Image der<br />

Pflegeheime ist derzeit so schlecht wie nie.<br />

2. Es hat sich ein Wertewandel bei der älteren Generation vollzogen. Autonomie,<br />

Selbstbestimmtheit und Transparenz (Verbraucherschutz) werden höher bewertet als<br />

(vermeintliche) Ordnung und Sicherheit.<br />

3. Ambulante Dienste kämpfen um jeden Patienten. In dem Maße, in dem die Margen für<br />

SGB V-Leis<strong>tun</strong>gen immer kleiner werden, gewinnen Patienten mit Demenz, die<br />

allesamt potentielle Langzeitpatienten sind, eine immer größere Bedeu<strong>tun</strong>g.<br />

4. Eine ähnliche Entwicklung ist bei einem gesellschaftlichen Akteur zu verzeichnen, den<br />

bislang kaum jemand „auf der Rechnung“ hatte: Die deutsche Wohnungswirtschaft hat<br />

– verstärkt durch die demographische Entwicklung und zum Teil erheblichen<br />

Wohnungsleerstand – ihr Herz für die Alten entdeckt. Mit ihr bekommen ambulante<br />

6


Dienste einen mächtigen Partner, der – so meine Prognose – in den nächsten<br />

Jahrzehnten den Trägern stationärer Pflegeangebote den Rang ablaufen wird.<br />

Ausnahmen bilden Ballungsräume in Süddeutschland (Stuttgart, München), das Rhein-<br />

Main-Gebiet und andere Regionen mit Bevölkerungszuwachs. Für alle anderen<br />

Landesteile gilt: die Wohnungswirtschaft ist auf der Suche nach Partnern, die ihr die<br />

alten Mieter so lange wie möglich erhält und sie ist nur zu gern bereit, entsprechenden<br />

Wohnraum für betreute Wohngruppen zur Verfügung zu stellen.<br />

Die Rahmenbedingungen zur Initiierung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften sind also<br />

so günstig wie nie. Diese Konstellation ruft allerdings Initiatoren auf den Plan, die im<br />

Windschatten der erfolgreichen Projekte und der positiven Grundstimmung offenbar primär<br />

wirtschaftliche Interessen verfolgen. Natürlich wird auch mit den qualitativ guten Projekten Geld<br />

verdient, das soll und muss so sein. Aber die enorme Zahl von ambulanten Diensten und – stark<br />

zunehmend – Einzelpersonen, die sich berufen fühlen, fachgerechte Versorgung von Menschen<br />

mit Demenz zu leisten, gibt mir zu denken. Die statistisch häufigste Anfrage in unserer<br />

Bera<strong>tun</strong>gspraxis lautet mittlerweile: „ Ich will mich mit einer Wohngemeinschaft selbständig<br />

machen; <strong>was</strong> muss ich beachten“. Dahinter steckt im günstigsten Fall die Inhaberin eines<br />

privaten Pflegedienstes (häufig mit einem Ehemann, der in Immobilien macht!). Häufiger sind<br />

mittlerweile die Fälle, in denen es eine zu vermarktende Immobile gibt. Die Auswahl ist dabei so<br />

bunt wie erschreckend: Alter Bahnhof, schlecht laufende Pension, Bauernhof „janz weit<br />

draußen“ etc.<br />

Der Wunsch nach dem eigenen (Heim-)Betrieb<br />

Was alle diese Initiatoren verbindet, ist meiner Ansicht nach der Wunsch, ein (Heim-)Betreiber<br />

zu sein. Aber Menschen mit Demenz als Zielgruppe für Existenzgründungen auszuwählen,<br />

erscheint mir zumindest fragwürdig, wenn nicht ausgewiesene Kompetenz dahinter steht. Auch<br />

wenn das Motiv in vielen Fällen durchaus ehrenwert ist: Gut gemeint ist leider häufig genug das<br />

Gegenteil von gut gemacht.<br />

Ich will hier nicht den vielen seriösen und pflegefachlich versierten ambulanten Diensten Unrecht<br />

<strong>tun</strong>. Wir können diese Entwicklungen aber auch nicht einfach ignorieren, denn sie könnte das<br />

ganze Konzept der ambulant betreuten Wohngemeinschaften diskreditieren. Im Heimbereich<br />

haben wir diese Entwicklung erlebt und erfahrungsgemäß verbreiten sich schlechte Nachrichten<br />

nun mal wesentlich schneller als gute. Die ambulante Szene tut also gut daran, freiwillige<br />

Selbstkontrolle zu etablieren und notfalls auch schwarze Schafe zu entlarven. Nachahmenswerte<br />

Strukturen haben sich bereits in Berlin etabliert:<br />

Der Verein „Selbstbestimmtes Wohnen im Alter“ (www.swa-berlin.de) hat mit einer sog.<br />

Qualitätsbroschüre, Selbstverpflich<strong>tun</strong>gserklärungen der ambulanten Dienste und einer<br />

Schiedsstelle Instrumente etabliert, die ein hohes Maß an Transparenz und Verbraucherschutz für<br />

Interessenten und Bewohner/innen von Wohngemeinschaften bieten. Gleichzeitig profitieren die<br />

angeschlossenen ambulanten Dienste von den Serviceleis<strong>tun</strong>gen den Vereins (Bera<strong>tun</strong>g,<br />

Platzbörse etc.).<br />

1.2 Der Markt wird sich für Betreiber von Wohngruppen öffnen<br />

Für alle Möchtegern-Betreiber von Wohngruppen gilt: Es wird in Zukunft leichter werden,<br />

betreute Wohngruppen unter dem Dach des Heimgesetzes zu etablieren, ohne gleich den ganzen<br />

Kanon an Vorschriften (Heimpersonalverordnung, Heimmindestbauverordnung) erfüllen zu<br />

müssen. Das geht zwar bereits heute (festgeschrieben durch die sog. Erprobungsregelung im<br />

Heimgesetz – HeimG § 25a -) wird aber wegen des Experimentalcharakters selten ausprobiert.<br />

Aus der Erprobungsregelung soll nun in diesem Jahr eine echte Regelung werden, die<br />

ambulanten Diensten ermöglichen soll, Pflegeeinrich<strong>tun</strong>gen mit Wohngemeinschaftscharakter zu<br />

initiieren, wenn <strong>Sie</strong> denn ein überzeugendes Konzept haben. Interessant wird dabei die Frage, ob<br />

solcherart angebotene Wohn- und Betreuungsleis<strong>tun</strong>gen dem Bewohner sozialrechtlich noch den<br />

Status eines eigenen Haushalts bieten und ihm damit die Möglichkeit eröffnen, Leis<strong>tun</strong>gen der<br />

Behandlungspflege über seine Krankenversicherung abzurechnen.<br />

7


Alles Heim oder <strong>was</strong>?<br />

Die mühsam gefundenen Unterscheidungskriterien zwischen Heim und Nicht-Heim werden in<br />

Zukunft also noch differenzierter betrachtet werden müssen. Es wird bei neuen Projekten immer<br />

wichtiger werden zwischen den „echten“ ambulant betreuten Wohngemeinschaften zu<br />

unterscheiden, bei denen die ambulanten Dienste deutlich erkennbar die Rolle des abwählbaren<br />

Dienstleisters einnehmen und solchen, bei denen sich der ambulante Dienst deutlich erkennbar<br />

als Betreiber ausweist. Das ist wohlgemerkt keine Aussage über die Betreuungsqualität! Es ist<br />

allerdings eine deutliche Aussage zu der Stellung der Bewohner und ihrer Angehörigen im Sinne<br />

einer praktizierten demokratischen Struktur und eines ausgewiesenen Verbraucherschutzes!<br />

Zu diesem Themenkomplex gibt es zwei bemerkenswerte Aussagen:<br />

1. Das Landessozialgericht in Berlin hat im Mai 2004 (Az: L 9 KR 759/01) für recht<br />

erkannt, dass im Falle von zwei in ambulant betreuten Wohngemeinschaften lebenden<br />

Menschen mit Demenz ein eigener Haushalt vorliegt. In diesem Verfahren ging es um<br />

die seitens der AOK strittige Frage, ob die beteiligten ambulanten Dienste Leis<strong>tun</strong>gen<br />

der Behandlungspflege mit der Krankenkasse der besagten Patienten abrechnen dürfen.<br />

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens in diesem Sinne war die Tatsache, dass<br />

das LSG in beiden Wohngemeinschaften den Status der Bewohner als „Herr im Haus“<br />

gewürdigt hat.<br />

2. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen<br />

hat in seinen „Kriterien zur Abgrenzung von Einrich<strong>tun</strong>gen im Sinne des § 1 Abs. 1<br />

Heimgesetz zu betreuten Wohnformen...“ formuliert, dass eine Nichtanwendung des<br />

Heimgesetzes voraussetzt:<br />

„dass die durch die Aufnahme in eine Wohnung gebildete natürliche Gemeinschaft eine<br />

selbstständige und unabhängige Gruppe ist, die in allen das Zusammenleben<br />

betreffenden Fragen eigenverantwortlich entscheidet und autonom über ihre Betreuung<br />

und die damit zusammenhängenden Fragen bestimmt. Dies ist nicht dadurch<br />

ausgeschlossen, dass die Bewohner dement sind. Für sie handeln ihre Angehörigen und<br />

Betreuer. Es darf keine Einflussmöglichkeit von außenstehenden Dritten, insbesondere<br />

von Vermietern geben. Angehörige und Betreuer sind nicht außenstehende Dritte.“<br />

Es muss also erkennbar sein, dass die in einer Wohngemeinschaft lebenden Menschen de facto<br />

über ihren Alltag bestimmen, wenn sie als Nicht-Heim gewertet werden will (auch wenn dies<br />

vermittelt über ihre Angehörigen/Betreuer geschieht). Genau das scheint mir aber in Betreiber-<br />

Modellen nicht gegeben.<br />

Fazit:<br />

Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind in der Marktwirtschaft angekommen. Damit<br />

einher geht die Feststellung, dass nicht immer drin ist, <strong>was</strong> draufsteht.<br />

Positiv ist zu bemerken, dass der Gesetzgeber offensichtlich bereit ist, für alle potentiellen<br />

Wohngruppen-Betreiber eine Brücke zu bauen, die es ihnen ermöglicht, auch offen als solche<br />

aufzutreten.<br />

Eindeutig erkennbar nutzergesteuerte Versorgungskonzepte von Menschen mit Demenz werden<br />

wohl zukünftig in der Minderheit bleiben.<br />

Kleinräumige Versorgungskonzepte (nicht nur) für Menschen mit Demenz werden sich weiter<br />

verbreiten, nicht zuletzt durch ein zunehmendes Engagement der Wohnungswirtschaft. Zu<br />

hoffen bleibt, dass sich hierdurch auch eine noch größere Verankerung im Gemeinwesen einstellt.<br />

Träger stationärer Pflegeeinrich<strong>tun</strong>gen müssen sich in Zukunft wesentlich mehr auf die<br />

veränderten Wünsche von alten Menschen und – vor allem – deren Angehörige einstellen, wenn<br />

sie in dieser Konkurrenz bestehen <strong>wollen</strong>. Diese Konkurrenz überhaupt etabliert zu haben, darin<br />

liegt eine der größten Errungenschaften der ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Man darf<br />

gespannt sein, wie diese Entwicklung weitergeht.....<br />

BERLIN, im Februar 2006<br />

© Klaus-W. Pawletko<br />

8


Ausgefallen:<br />

Autonomia GmbH - Idee und Verwirklichung von Wohngemeinschaften<br />

(nicht nur) für demenzkranke Menschen<br />

Margarete Decher, Pflege<strong>wissen</strong>schaftlerin / BScN, Castrop-Rauxel<br />

Als Ersatz: Vorstellung des ZDF-Films „Lulu und der Herr Professor“ über<br />

die WG in Obersteinbach mit Wortbeitrag von Heiner Dehner, Fürth<br />

(s. www.wg-obersteinbach.de)<br />

Der Text über Autonomia bleibt in der Dokumentation , da grundlegende Gedanken enthalten<br />

sind, die für andere WGs ebenfalls Bedeu<strong>tun</strong>g haben können.<br />

AUTONOMIA baut ambulant betreute Wohngemeinschaften von Menschen mit Demenz und<br />

Gesundheitseinschränkungen auf. Unser Ziel ist es, die Lebensqualität dieser Menschen<br />

nachhaltig zu verbessern und ihre Selbstbestimmung zu fördern.<br />

Unsere Konzepte verbinden zweierlei:<br />

1. Schaffung eines Ortes, an dem die Menschen sich zu Hause fühlen können und nicht nur<br />

verwahrt werden.<br />

2. Sicherstellung höchster Pflege- und Betreuungsqualität.<br />

Wohngemeinschaften von Menschen mit einer Demenz<br />

Menschen mit einer Demenz sollten die Chance haben, solange wie möglich in ihrem vertrauten<br />

häuslichen Umfeld zu bleiben. 2/3 der Betroffenen benötigen jedoch mit fortschreitender<br />

Demenz eine Betreuung rund-um-die-Uhr und können irgendwann nicht mehr in ihrer bisherigen<br />

Wohnung bleiben. Für diese Menschen besteht in Deutschland bislang ein großer Mangel an<br />

qualifizierten Wohn- und Lebensräumen. Im Rahmen des AUTONOMIA-Projektes wird ihnen<br />

das Leben in überschaubaren, ambulant betreuten Wohngemeinschaften ermöglicht. Dabei<br />

bieten wir jeweils acht demenzbetroffenen Menschen den nötigen Wohnraum zur Gründung<br />

einer Wohngemeinschaft.<br />

Wir beraten und unterstützen die Angehörigen und gesetzlichen Betreuer im gesamten<br />

Gründungsprozess und in der Folgezeit. Darüber hinaus empfehlen wir für die rund-um-die-Uhr<br />

Betreuung in den Wohngemeinschaften speziell qualifizierte ambulante Pflegedienste.<br />

Ziele des AUTONOMIA-Projekts für Menschen mit einer Demenz:<br />

• So viel Normalität, Vertrautheit und Raum für selbstbestimmtes Handeln wie möglich<br />

• So viel Sicherheit wie nötig<br />

- aber kein Leben in einem "Hochsicherheitstrakt"<br />

• Rund-um-die-Uhr-Betreuung ausgerichtet am individuellen Bedarf<br />

• Hohe Beziehungsdichte und stetige Qualitätsentwicklung durch von der AUTONOMIA<br />

speziell geschulte Präsenzkräfte<br />

• Gleichberechtigte Beteiligung der Angehörigen nach Wunsch,<br />

z. B. am Alltag, an Entscheidungen, etc.<br />

Lebensqualität ist möglich<br />

Am Beispiel unserer Wohngemeinschaften von Menschen mit einer Demenz wird deutlich, wie<br />

ein konsequenter Theorie-Praxis-Transfer die Lebensqualität von Menschen mit Demenz<br />

nachhaltig verbessern kann. Wir sind immer wieder selbst überrascht, dass es bei konsequenter<br />

Umsetzung unserer Schulungsinhalte möglich ist, den Betroffenen die gefürchteten<br />

"Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz" zu ersparen. Durch die erlernten Kommunikations- und<br />

9


Betreuungsmethoden gelingt es den Pflegenden in den AUTONOMIA-WGs mit der Zeit, eine<br />

Situation relativen Wohlbefindens zu gestalten:<br />

• Aus "ständigem Rufen" wird miteinander Reden,<br />

• "Weglaufen" und "Umherirren" weicht Ankommen und sich aufgehoben fühlen,<br />

• Angst und Erstarrung löst sich in einem bewegten Alltag auf.<br />

Wohngemeinschaften von Menschen mit Gesundheitseinschränkungen<br />

Nach erfolgreicher Konzipierung der ersten 20 Wohngemeinschaften von Menschen mit Demenz<br />

bietet AUTONOMIA nun auch Menschen, die nicht von einer Demenz betroffen sind, ein zu<br />

Hause in einer Wohngemeinschaft an. Trotz schwerer Gesundheitseinschränkungen können<br />

hilfe- und pflegebedürftige Menschen hier dauerhaft ein selbstbestimmtes Leben führen.<br />

Angesprochen werden mit diesem Angebot Menschen, die z. B.<br />

• an Parkinson erkrankt sind,<br />

• ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten haben,<br />

• nach einem Schlaganfall intensive Unterstützung brauchen,<br />

• unter Multipler Sklerose leiden<br />

• oder eine andere neurologische oder internistische Erkrankung haben, z.B. schweres<br />

Rheuma, eine chronische Herzinsuffizienz etc.<br />

Ihnen soll mit dem Umzug in eine WG ein Weiterleben in einer eigenen Häuslichkeit ermöglicht<br />

werden.<br />

AUTONOMIA verfolgt dabei einen differenzierten Ansatz im Umgang mit dem Thema<br />

Barrierefreiheit. Die Wohnungen sind natürlich so ausgestattet, dass auch Rollstuhlfahrer alle<br />

Räumlichkeiten nutzen können, dabei wird aber großer Wert auf den Erhalt der Normalität des<br />

Wohnmilieus gelegt. Nicht technische Lösungen stehen im Vordergrund, sondern die Befähigung<br />

der Betroffenen und der Pflegenden zur ergebnisorientierten Lösung aller anstehenden<br />

Bewegungsprobleme. In den von der AUTONOMIA angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen<br />

spielt daher die Bewegungsförderung nach dem Konzept der Kinästhetik® eine besondere Rolle.<br />

In den von der AUTONOMIA initiierten Wohngemeinschaften von Menschen mit<br />

Gesundheitseinschränkungen stehen die Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer Familien im<br />

Mittelpunkt. Es geht darum, die Selbstbestimmung, Selbständigkeit und Integration dieser<br />

Menschen in normale Lebensbezüge soweit wie möglich wiederherzustellen, auszubauen<br />

und/oder solange als möglich zu erhalten. Ein besonderer Fokus von AUTONOMIA ist dabei,<br />

Wege aus einer defizitorientierten Herangehensweise in der Pflege und angrenzenden Bereichen<br />

zu entwickeln (Salutogenese). Die Betroffenen und ihre Angehörigen werden in diesem Konzept<br />

als gleichberechtigte Partner angesehen.<br />

Für die Pflege in den Wohngemeinschaften empfiehlt AUTONOMIA ambulante Pflegedienste,<br />

die ein speziell auf die Zielgruppe ausgerichtetes Qualitätsentwicklungs- und -sicherungskonzept<br />

umsetzen.<br />

Schulungen<br />

AUTONOMIA wurde insbesondere mit dem Ziel gegründet, neue Erkenntnisse aus der<br />

Pflege<strong>wissen</strong>schaft und der Reflexion des Pflegealltags zeitnah in die Praxis zu bringen. Zu<br />

diesem Zweck arbeiten wir mit dem Institut für Pflege<strong>wissen</strong>schaft der Universität<br />

Witten/Herdecke zusammen.<br />

Insbesondere zu Themen im Bereich der Pflege chronisch kranker und alter Menschen wurde ein<br />

umfangreiches Schulungsangebot entwickelt. Zur Sicherstellung einer nachhaltigen Umsetzung<br />

bieten wir zu allen Schulungsinhalten auch auf das konkrete Handlungsfeld abgestimmte<br />

Maßnahmen der Praxisbeglei<strong>tun</strong>g an.<br />

10


Nur das Ergebnis zählt<br />

Angesichts des "Wohngemeinschafts-Booms" der zur Zeit in Deutschland um sich greift, ist es<br />

notwendig darauf hinzuweisen, dass es nicht ausreicht ein paar Wohnungen zusammenzufassen<br />

und einen Pflegedienst darin zu installieren. Mini-Heime, die sich Wohngemeinschaft nennen,<br />

stellen keine wirkliche Alternative zur Heimunterbringung dar. Entscheidend ist, <strong>was</strong> für die<br />

Menschen, die auf fremde Hilfe angewiesen sind, dabei herauskommt.<br />

11


Qualitätssiegel Demenz (QS-Demenz)<br />

– ein Angebot der Alzheimer Gesellschaft Mittelfranken e.V. für<br />

stationäre Einrich<strong>tun</strong>gen der Altenhilfe in Mittelfranken<br />

Elmar Gräßel 1 und Hans-Dieter Mückschel 2<br />

1 Vorsitzender der Alzheimer Gesellschaft Mittelfranken e.V. und der Angehörigenbera<strong>tun</strong>g<br />

e.V. Nürnberg, Leiter des Bereichs Med. Psychologie und Med. Soziologie der<br />

Psychiatrischen Universitätsklinik Erlangen<br />

2 Geschäftsführer der Angehörigenbera<strong>tun</strong>g e.V. Nürnberg, 1. stellvertretender Vorsitzender<br />

der Alzheimer Gesellschaft Mittelfranken e.V.<br />

1. Hintergrund<br />

Die AGM versteht sich als regionale Vertre<strong>tun</strong>g der Interessen der demenziell<br />

Erkrankten und deren Angehörigen. Deshalb setzt sich die AGM insbesondere für die<br />

Erhal<strong>tun</strong>g und Förderung der Lebensqualität und Lebenszufriedenheit demenziell<br />

erkrankter Menschen ein. Da der Anteil der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner<br />

mit einer Demenz weiter ansteigt, aktuelle Schätzungen gehen von einem Anteil von<br />

mindestens 60% aus, besteht auf diesem Versorgungsgebiet Handlungsbedarf.<br />

2. Zweck des Qualitätssiegel Demenz („QS-Demenz“)<br />

Mit dem QS-Demenz möchte die Alzheimer Gesellschaft Mittelfranken e.V. (AGM) einen<br />

Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität für Demenzkranke in Pflegeheimen<br />

leisten. Dies soll unabhängig von der Prüfung der gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Mindeststandards der Versorgungsqualität durch den Medizinischen Dienst der<br />

Krankenkassen (MDK) und der Heimaufsicht geschehen.<br />

Deshalb möchte die AGM mit dem QS-Demenz interessierten Einrich<strong>tun</strong>gen, die sich<br />

in besonderem Maße für eine dem Krankheitsbild angepasste Betreuung und Pflege<br />

engagieren, die Möglichkeit bieten, mit dem Erwerb des Qualitätssiegels dieses<br />

besondere Engagement nach außen transparent und sichtbar zu machen. Bei den<br />

Prüfkriterien handelt es sich um eigens entwickelte Merkmale der Alzheimer<br />

Gesellschaft Mittelfranken e.V. <strong>Sie</strong> geben die fachliche, multiprofessionelle<br />

Kompetenz der Arbeitsgruppe „QS-Demenz“ wieder. Ein wesentliches Element zur<br />

Prüfung ist dabei die Beobach<strong>tun</strong>g der Betreuungs- und Pflegesituation vor Ort.<br />

3. Der Weg zum QS-Demenz<br />

Die Begutach<strong>tun</strong>g wird durch zwei unabhängige, von der AGM bestelle Prüfer vor Ort<br />

durchgeführt. Dabei ist auch eine Befragung von Angehörigen der Heimbewohner<br />

vorgesehen. Ein durch den Vorstand der AGM verifiziertes Prüfungsinstrument führt bei<br />

Erfüllen der Kriterien zur Vergabe des QS-Demenz. Die letztendliche Entscheidung trifft der<br />

Vorstand der AGM.<br />

4. Zielvorstellungen der stationären Versorgung demenzkranker Menschen<br />

Die Prüfkriterien berücksichtigen folgende Zielvorstellungen der stationären<br />

Versorgung:<br />

• Anerkennung der Individualität.<br />

• Bewahrung der Identität unter Berücksichtigung ihrer Lebensgeschichte.<br />

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• Bereithalten einer angepassten Umwelt, die eine angstfreie, selbstbestimmte<br />

Lebensführung unterstützt.<br />

• Gestal<strong>tun</strong>g eines ansprechenden Wohnmilieus, das Sicherheit, Privatsphäre und soziale<br />

Einbindung fördert.<br />

• Beglei<strong>tun</strong>g, Entlas<strong>tun</strong>g und Stützung der Angehörigen.<br />

• Altersgerechte Beschäftigungen und Aufgaben, die das Selbstwertgefühl fördern und<br />

erhalten.<br />

• Betreuung und Interaktion, welche die Menschenwürde beachtet.<br />

• Kontinuierliche Selbstreflexion und Evaluation des Handelns der Betreuenden,<br />

Pflegenden und des Managements der Einrich<strong>tun</strong>g zur Förderung der Lebensqualität der<br />

ihnen anvertrauten Menschen.<br />

5. Allgemeine Prüfbereiche des QS-Demenz<br />

• Versorgungskonzept<br />

• Wohnbereich<br />

• Tagesgestal<strong>tun</strong>g und Tagesstruktur<br />

• Interaktions- und Interventionsformen zwischen den Betreuenden und den Erkrankten<br />

• Personalqualifikation<br />

• Medizinische Versorgung<br />

6. Gliederung des Prüfbogens<br />

a) Fragen zur Einrich<strong>tun</strong>g.<br />

b) Zielsetzung der Einrich<strong>tun</strong>g hinsichtlich der Bewohner.<br />

c) Milieugestal<strong>tun</strong>g und Wohnumgebung (Beobach<strong>tun</strong>g).<br />

d) Erleichterung des Übergangs von Zuhause in das Heim.<br />

e) Qualität der psychosozialen Betreuung (Dokumentation und Beobach<strong>tun</strong>g).<br />

f) Zielsetzung der Einrich<strong>tun</strong>g im Hinblick auf das Verhalten der Pflegekräfte.<br />

g) Interaktion von Pflegekräften und Bewohner (Beobach<strong>tun</strong>g).<br />

h) Zielsetzung der Einrich<strong>tun</strong>g hinsichtlich des Angehörigen (Angehörigeninterviews).<br />

i) Qualitätssicherung beim Personal.<br />

j) Organisation und Kundenorientierung.<br />

Innerhalb dieser Bereiche werden besondere Gewich<strong>tun</strong>gen insbesondere auf die<br />

Milieugestal<strong>tun</strong>g und den Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern gelegt.<br />

7. Gültigkeit des QS-Demenz<br />

Nach Erteilung durch die AGM gilt das Zertifikat für drei Jahre. Danach verfällt das Zertifikat<br />

oder es muss eine Nachprüfung beantragt werden.<br />

Kontaktadresse:<br />

Alzheimer Gesellschaft Mittelfranken e.V.<br />

„QS-Demenz“<br />

Adam-Klein- Str. 6<br />

90429 Nürnberg<br />

Tel: 0911/ 266126<br />

Fax: 0911/ 287 60 80<br />

www.alzheimer-mittelfranken.de<br />

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Milieutherapeutische Aspekte<br />

Angela Wiech, Innenarchitektin und Gerontologin (FH)<br />

Milieutherapeutische Aspekte<br />

Um wen geht es<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

Mittwoch, 29. März 2006<br />

Menschen mit leichter Demenz können in der integrierten<br />

Versorgung durch Selektion, Optimierung und<br />

Kompensation ihr Leben gut bewältigen.<br />

(Alterstheorien SOK-Modell)<br />

Bei Menschen mit mittlerer und schwerer Demenz soll die<br />

Umgebung die sog. Sekundärsymtomatik also Ängste,<br />

Nervosität, psychomotorische innere Unruhe,<br />

Wahnvorstellungen und Halluzinationen reduzieren.<br />

Die schwere Demenz, mit vollkommener Immobilität, ist<br />

eine absolut stille Phase, mit schwerstpflegebedürftigen<br />

Menschen.<br />

bauliche + räumliche Kriterien 1<br />

Aus großen Stationsbereichen kleinere Wohnbereiche<br />

durch bauliche Veränderungen schaffen.<br />

Die Überschaubarkeit in der räumlichen Dimension<br />

gewährleisten und keine Durchgangsbereiche nutzen.<br />

Raumbedarf:<br />

Gemeinschaftsraum + Wohnküche - das Zentrum<br />

Rückzugsraum<br />

(Pro Bewohner stehen zwischen 6 und 12 qm<br />

Gemeinschaftsfläche zur Verfügung)<br />

WC (gut erreichbar vom Gemeinschaftsraum)<br />

Kurze Flure<br />

Ein Garten, eine Terrasse<br />

(selbstständig von den Bewohnern erreichbar)<br />

Pflegestützpunkt<br />

Funktionsräume<br />

Bewohnerzimmer<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

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auliche + räumliche Kriterien 2<br />

Leichte Orientierung bieten<br />

– durch einfache Gebäudestruktur, kurze Flure<br />

Selbstständigkeit und Kompetenz unterstützen<br />

– durch Bewegungsraum und unterschiedliche Angebote<br />

Privatheit ermöglichen<br />

– durch Rückzugsmöglichkeit<br />

Sozialen Rückzug verhindern<br />

– durch Gemeinschaftsräume und Wohnküche<br />

Sinnesanregungen schaffen<br />

– durch Materialien Farbe, Licht, Geräusche<br />

Farbe<br />

Mit Farbe gestalten, im Sinn von Individualität,<br />

Lebendigkeit, freundliche Atmosphäre, Abwechslung.<br />

Mit Farbe et<strong>was</strong> verstärken, hervorheben.<br />

Mit Farbe einen Ausgang, der nicht benutzt werden<br />

soll, in die Wandfläche integrieren.<br />

Mit Farbe ein Ziel bieten.<br />

Mit Farbe Geborgenheit und Vertrautheit vermitteln.<br />

Beleuch<strong>tun</strong>g<br />

Licht sorgt für die Normalisierung des Schlaf-Wach-<br />

Rhythmuses.<br />

Gute Beleuch<strong>tun</strong>g ist ein wichtiges Element der<br />

Sturzprophylaxe.<br />

Die erhöhte Blendungsempfindlichkeit bei älteren<br />

Menschen ist zu berücksichtigen, denn die Adaption von<br />

helldunkel dauert viel länger.<br />

Schatten und dunkle Ecken vermeiden.<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

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29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

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Flure 1<br />

Ein Flur sollte immer der Weg zur Gemeinschaft sein.<br />

Flure erlauben es Menschen, die als Wanderer<br />

bezeichnet werden, ihre motorische Unruhe auszuleben.<br />

Interessante Flure fördern körperlicher Aktivität.<br />

Flure sollten keinen Anreiz bieten den Bereich zu<br />

verlassen. Die Bewohner sollten sich nicht verlaufen<br />

können.<br />

Nischen in den Fluren sind attraktive Bereiche auch zum<br />

Verweilen.<br />

Flure 2<br />

Flure brauchen gute Beleuch<strong>tun</strong>g.<br />

Flurenden sollen keine Sackgassen bilden.<br />

Flure sollen Orientierung durch klare<br />

Formensprache ermöglichen.<br />

Brandschutz<br />

Flure sind Ret<strong>tun</strong>gswege<br />

Senkung der Brandlast durch geeignete<br />

Materialauswahl<br />

Gemeinschaftsräume 1<br />

Bei Demenz ist nicht der Komfort im Individualbereich,<br />

sondern das Angebot an Gemeinschaftsflächen<br />

ausschlaggebend für die Lebensqualität.<br />

Die milieugestaltenden Maßnahmen müssen mit dem<br />

Betreuungskonzept übereinstimmen.<br />

Gemeinschaftsbereiche sollten offen sein, denn auch<br />

vertraute Geräusche erleichtern die Orientierung.<br />

Keine Einrich<strong>tun</strong>g ist mit der anderen vergleichbar.<br />

Auch wenn baulich keine „Idealsituation“ erreichbar ist,<br />

zeigen sich deutlich positive Wirkungen bei den<br />

Bewohnern.<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

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29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

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Gemeinschaftsräume 2<br />

Die Wohnküche<br />

Der Geruch von frischem Kaffee oder frischen Brötchen<br />

fungiert als Wegweiser in die Gemeinschaft.<br />

Die Wohnküche dient nur als Satelitenküche.<br />

Ein Küchentisch bietet die Möglichkeit für<br />

unterschiedliche Tätigkeiten.<br />

Die Fähigkeiten der Menschen entdecken und fördern.<br />

Teilhabe an einer Gemeinschaft ist wichtig, auch wenn<br />

man nur dabeisitzt.<br />

Gemeinschaftsräume 3<br />

Der Aufenthalts- Gemeinschaftsraum<br />

Für jeden Bewohner sollte ein Platz am Tisch in der<br />

Gemeinschaft vorhanden sein.<br />

Es wirkt sich günstig aus, wenn sich immer eine<br />

betreuende Person mit den Bewohnern zusammen in<br />

diesem Raum aufhält.<br />

Anreize bieten aber Reizüberflu<strong>tun</strong>g vermeiden.<br />

Eine ruhige Umgebung schaffen, auch hier ist die<br />

Materialauswahl wichtig.<br />

Der Weg zur Toilette sollte möglichst kurz sein.<br />

Gemeinschaftsräume 4<br />

Die Bewohner müssen die Umgebung zu ihrer Heimat<br />

machen können.<br />

Entweder ein Teil des Gemeinschaftsraumes oder ein<br />

separater Raum sollte eine Rückzugsmöglichkeit bieten.<br />

Es ist wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse der<br />

Bewohner eingehen zu können.<br />

Flexible Lösungen erleichtern den Umgang mit einer sich<br />

ständig verändernden Bewohnerstruktur der Gruppe.<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

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29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

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Gemeinschaftsräume 5<br />

Der Garten<br />

Jedem Bewohner sollte selbstständig der Aufenthalt im<br />

Freien ermöglicht werden.<br />

Es ist gut, wenn der Garten, die Terrasse vom<br />

Gemeinschaftsraum eingesehen werden kann.<br />

Der Garten sollte weglaufsicher sein.<br />

Auch vom Garten sollte es einen möglichst kurzen Weg<br />

zur Toilette geben.<br />

5. Fachtag<br />

Gerontopsychiatrie<br />

29. März 2006<br />

Angela Wiech<br />

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Konzeptentwicklung und Umsetzung im personenzentrierten Ansatz<br />

Gliederung:<br />

Karla Kämmer und Gerlinde Strunk-Richter<br />

KK- Training, Bera<strong>tun</strong>g, Weiterbildung, Essen<br />

1. Die Arbeit an der Hal<strong>tun</strong>g und an der Selbstreflexion<br />

1.1 Das Konzept<br />

1.2 Die Hal<strong>tun</strong>g<br />

1.3 Werteorientierung<br />

1.4 Messbarkeit<br />

2. IST-Erhebung<br />

2.1 Fremderhebung<br />

2.2 Selbsterhebung<br />

3. Arbeitsablauforganisation<br />

3.1 Selbstaufschreibung<br />

3.2 Plantafel<br />

4. Beziehungsgestal<strong>tun</strong>g organisieren<br />

4.1 Bezugspflege<br />

4.2 Steuerung<br />

4.3 Aufgabenteilung<br />

5. Alltagsgestal<strong>tun</strong>g anpassen<br />

5.1 Förderung der alltagspraktischen Fähigkeiten<br />

5.2 Bedeu<strong>tun</strong>g der Assessments<br />

5.3 Lebenswelten gestalten<br />

6. Angehörige und Freiwillige<br />

7. Evaluation<br />

7.1 Kundenbefragung<br />

7.2 Arbeitszufriedenheit<br />

8. Nachhaltigkeit sicherstellen<br />

8.1 Befähigung der Befähiger<br />

8.2 Zielkonflikte auflösen<br />

8.3 Praxisworkshops<br />

9. Qualitätsmanagement<br />

9.1 DCM – Dementia Care Mapping<br />

9.2 RiP® - Risikopotenzialanalyse<br />

9.3 Fachaufsicht sicherstellen<br />

10. Anpassung<br />

10.1 Konzeptreflexion<br />

10.2 Zielvereinbarungen<br />

10.3 Audits<br />

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1. Die Arbeit an der Hal<strong>tun</strong>g und an der Selbstreflexion<br />

1.1 Das Konzept<br />

Beglei<strong>tun</strong>g und Pflege von Menschen mit Demenz im Sinne eines personen-<br />

zentrierten Ansatzes bedeutet, dass angemessene Pflege ...<br />

� befähigt und ermächtigt,<br />

� tröstet und ermutigt,<br />

� unterstützt und aufrecht hält,<br />

� Gefühlen Gültigkeit verleiht,<br />

� Freiräume schafft,<br />

� Beziehungen fördert<br />

und<br />

� zur Stabilität der von Demenz betroffenen Person beiträgt.<br />

Für die Mitarbeitenden bedeutet dies ...<br />

� - sich selbst sorgfältig betrachten und zu<br />

� - reflektieren:<br />

- Wie habe ich mich als Person entwickelt?<br />

- Wo bin ich stark und fähig?<br />

- Wo bin ich geschädigt und unzulänglich?<br />

- Reichen eigene Erfahrungsressourcen aus, um anderen Menschen in ihrer<br />

Bedürftigkeit zu helfen?<br />

1.2 Die Hal<strong>tun</strong>g<br />

Unter „Positiver Personenarbeit“ (nach Tom Kitwood) ist im Wesentlichen Interaktion<br />

(Beziehung) zwischen Menschen mit Demenz und den Mitarbeitenden zu verstehen.<br />

Die Interaktion gestaltet sich entsprechend den Bedürfnissen, der Persönlichkeit<br />

und den Fähigkeiten einer jeden Person.<br />

Grundlagen eines angemessenen Umganges mit Menschen mit Demenz sind im<br />

Wesentlichen eine fördernde, wertschätzende und reflektierte Hal<strong>tun</strong>g und ein entsprechendes<br />

Verhalten.<br />

1.3 Werteorientierung<br />

Die Beglei<strong>tun</strong>g und Pflege von Menschen mit Demenz erfordert mehr als rein körper-<br />

bezogenes Fach<strong>wissen</strong>. Mit fortschreitender Demenz benötigen diese Menschen<br />

eine Umgebung, ein Milieu, das ihnen Personsein ermöglicht und Beziehung und<br />

Interaktion aktiv gestaltet.<br />

Der personenzentrierte Ansatz nach Tom Kitwood basiert auf den Schwerpunkten<br />

Anerkennung, Wertschätzung, Respekt und Vertrauen. Damit einher geht die aktive<br />

Gestal<strong>tun</strong>g von Interaktion und Beziehung im Sinne von Martin Bubers<br />

„ICH-DU-Beziehung“.<br />

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1.4 Messbarkeit<br />

Der Grad der Umsetzung des personenzentrierten Ansatzes kann mit Hilfe von<br />

DCM, Dementia Care Mapping, überprüft werden. DCM ist eine in England von<br />

Tom Kitwood und Kathleen Bredin entwickelte Beobach<strong>tun</strong>gsmethode, die es<br />

ermöglicht, eine Abbildung der Pflege und Beglei<strong>tun</strong>g von Menschen mit Demenz<br />

vorzunehmen. Es handelt sich dabei um eine begründete Einschätzung der<br />

Pflegekultur.<br />

DCM erlaubt eine Differenzierung zwischen der Annahme, <strong>was</strong> für diese Menschen<br />

gut ist und <strong>was</strong> ihnen ihrem offensichtlichen Verhalten nach wirklich gut tut.<br />

Pflegende werden mit dem Außenbild ihrer Pflegekultur konfrontiert und erhalten<br />

dadurch die Chance, sich damit auseinander zu setzen.<br />

Die Interaktion zwischen den BewohnerInnen und Pflegenden ist ein elementarer<br />

Faktor einer guten Pflegekultur.<br />

2. IST - Erhebung<br />

2.1 Fremderhebung<br />

Mittels einer Erhebung durch einen externen Auditor werden die eigenen Produkte,<br />

Dienstleis<strong>tun</strong>gen und Prozesse gemessen. Ziel ist es, aus der Einschätzung zu<br />

lernen, die wirkungsvollsten Methoden (Best Practice) herauszufinden und die<br />

Leis<strong>tun</strong>gsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu steigern.<br />

Die Entwicklung und Durchführung des Audits basieren auf einer maximalen Praxis-<br />

nähe. Die Prüf- oder Evaluierungsmethoden, bzw. -instrumente sind eine Mischung<br />

aus Datenüberprüfung (Struktur und Inhalt), Befragung und Einschätzung<br />

durch nicht teilnehmende Beobach<strong>tun</strong>g.<br />

Durch das Audit kann die Institution ihre Stärken herausfinden und gleichzeitig<br />

Verbesserungspotenziale erschließen. Dadurch können nicht nur externe Qualitätsprüfungen<br />

durch den MDK und / oder der Heimaufsicht gelassener bewältigt werden,<br />

es entwickelt sich auch schrittweise eine gemeinsame Grundlage für<br />

� die Absicherung des Trägers hinsichtlich der Sicherstellung des Versorgungs-<br />

vertrages,<br />

� den Prüfrahmen zur Gewährleis<strong>tun</strong>g bzw. Garantie der Qualität der Dienstleis<strong>tun</strong>g<br />

für den Kunden,<br />

� die mögliche Vorberei<strong>tun</strong>g für eine Zertifizierung sowie für die Leis<strong>tun</strong>gs- und<br />

Qualitätsvereinbarungen.<br />

2.2 Selbsterhebung<br />

Anhand eines Fragenkataloges, der auf den Grundelementen des personenzentrierten<br />

Ansatzes basiert, schätzen die Mitarbeitenden der einzelnen Teams ihre<br />

Dienstleis<strong>tun</strong>g ein. Der Vorteil liegt in der Reflexion der durch die Fragen<br />

aufgegriffenen Themen und Fragestellungen, so z.B. Milieugestal<strong>tun</strong>g oder<br />

Kommunikation.<br />

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Die Mitarbeitenden reflektieren im Team und schätzen die Qualität ihrer Arbeit<br />

selbst ein. Dies ist für die Teamentwicklung ein sehr bedeutendes Element.<br />

Die Selbsterhebung zeigt ergänzend zur Fremderhebung die Eigenwahrnehmung<br />

und das Selbstbild innerhalb der Einrich<strong>tun</strong>g. Durch einen Vergleich von Fremd-<br />

und Selbsterhebung zeigen sich Übereinstimmungen, aber auch Abweichungen.<br />

Diese können für die Prioritätensetzung im Implementierungsprozess entscheidend<br />

sein, weil der Beglei<strong>tun</strong>gs- und Unterstützungsbedarf präziser benannt werden kann.<br />

3. Arbeitsablauforganisation<br />

3.1 Selbstaufschreibung<br />

Mit entsprechenden Hilfsmitteln werden Selbstaufschreibungen zu den Arbeitsabläufen<br />

und –schwerpunkten erstellt und ausgewertet.<br />

3.2 Plantafel<br />

Die unter den Aspekten Bewohnerorientierung und Effizienz optimierten Abläufe<br />

werden auf eine Plantafel gesteckt, bzw. in der PC-gestützten Arbeitsplanung<br />

verankert.<br />

4. Beziehungsgestal<strong>tun</strong>g organisieren<br />

4.1 Bezugspflege<br />

Unter Bezugspflege verstehen wir eine auf Verantwortlichkeit und Beziehungs-<br />

orientierung abzielende Organisation der Pflege.<br />

4.2 Steuerung<br />

Die Steuerung der Prozesse in Pflege und Beglei<strong>tun</strong>g obliegt den Bezugspflegefachkräften<br />

(Verantwortliche Pflegefachkräfte gem. Referentenmodell NRW).<br />

4.3 Aufgabenteilung<br />

Die Aufgabenteilung zwischen Pflegefachkräften, Präsenzkräften und Pflege-<br />

assistentInnen wird handlungsleitend und kompetenzorientiert geregelt.<br />

5. Alltagsgestal<strong>tun</strong>g anpassen<br />

5.1. Förderung der alltagspraktischen Fähigkeiten<br />

Die Unterstützungsleis<strong>tun</strong>g ist so ausgelegt, dass die / der BewohnerIn vorhandene<br />

Fähigkeiten und Ressourcen möglichst lange beibehält. Für die Praxis gilt somit:<br />

� Die Bedeu<strong>tun</strong>g von Selbst – und Eigenständigkeit reflektieren.<br />

� Unordnung oder eine unkonventionelle Abfolge der Speisen zulassen können<br />

(z. B. bei den Mahlzeiten Zeit lassen).<br />

� Geeignete Ess- und Trinkhilfen zur Verfügung stellen.<br />

� Einfache Tätigkeiten anbieten (z. B. Tisch abwischen, etc.).<br />

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� Durch musikalische Beglei<strong>tun</strong>g Bewegungsabläufe fördern.<br />

� Lockerungsübungen vor den Mahlzeiten anbieten.<br />

� Eine angemessene Kommunikation leben (z.B. langsameres Sprachtempo,<br />

einfache Sätze, immer nur eine Aufforderung usw.).<br />

5.2 Bedeu<strong>tun</strong>g der Assessments<br />

Zur Konkretisierung der Anforderungen der BewohnerInnen an die Milieus kommen<br />

Assessments zum Einsatz.<br />

5.3 Lebenswelten gestalten<br />

Die Lebensumwelt der BewohnerInnen soll in hohem Maße ihrem Bedarf entsprechend,<br />

möglichst widerspruchsarm, homogen und kontinuierlich sein.<br />

6. Angehörige und Freiwillige<br />

Eine optimale Kooperation mit Angehörigen und Freiwilligen ist Teil des konzep-<br />

tuellen Handelns.<br />

7. Evaluation<br />

7.1 Kundenbefragung<br />

Mittels regelmäßig durchgeführter Kundenbefragungen erhält die Einrich<strong>tun</strong>g<br />

Aussagen über die Zufriedenheit der BewohnerInnen und deren Angehörigen. Die<br />

Ergebnisse werden in der Steuerungsgruppe vertiefend bearbeitet und fließen in die<br />

tägliche Arbeit ein.<br />

7.2 Arbeitszufriedenheit<br />

Die regelmäßige Evaluation zur Arbeitszufriedenheit des Teams bietet sich prozessbegleitend<br />

an. Entsprechende Instrumente werden im Workshop vorgestellt.<br />

8. Nachhaltigkeit sicherstellen<br />

8.1 Befähigung der Befähiger<br />

Steuerungsgruppe<br />

Die Steuerungsgruppe wird von den Entscheidungsträgern der Einrich<strong>tun</strong>g und von<br />

ausgewählten Mitarbeitenden aus den Wohnbereichen gebildet. <strong>Sie</strong> steuern und<br />

gestalten den Implementierungsprozess, indem sie die Rahmenbedingungen<br />

festlegen.<br />

<strong>Sie</strong> begleiten und unterstützen die Teams vor Ort. Die Steuerungsgruppe trägt die<br />

Verantwor<strong>tun</strong>g für den Prozess.<br />

Pioniergruppe<br />

Die Pioniergruppe setzt sich aus den WBLs, der PDL, der HWL, der KL und Mitarbei-<br />

tenden aus den Wohnbereichen zusammen. Diese nehmen schwerpunktmäßig<br />

an den Seminaren/Treffen teil und sind für die Weitergabe / Einführung des neuen<br />

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Wissens mit je einem Team-Tandem-Partner ihrer Wahl verantwortlich (Prinzip:<br />

Schneeballsystem).<br />

Die Pioniere erhalten feste Arbeitsaufträge, die in Zusammenarbeit mit der Steuerungsgruppe,<br />

der Einrich<strong>tun</strong>gslei<strong>tun</strong>g und dem Beraterteam abgestimmt werden.<br />

Die Arbeitsaufträge werden gemeinsam mit dem Tandempartner ausgeführt.<br />

Tandem<br />

Als Tandems werden Mitarbeitende aus den Wohnbereichen bezeichnet, die von<br />

einem festgelegten Mitglied der Pioniergruppe in die Themen eingewiesen werden.<br />

<strong>Sie</strong> lösen gemeinsam die gestellten Arbeitsaufträge. Durch dieses System wird<br />

die Gruppe der informierten und aktiven Mitarbeitenden deutlich vergrößert.<br />

8.2 Zielkonflikte auflösen<br />

Fallbesprechungen dienen der strukturierten, systematischen und gleichzeitig<br />

fachlich - sachlichen Bearbei<strong>tun</strong>g von Problemen und Fragestellungen innerhalb des<br />

Pflegeprozesses. An diesen Besprechungen nehmen die Mitarbeitenden teil und<br />

ziehen bei Bedarf Experten hinzu.<br />

Die Durchführung einer Fallbesprechung zeichnet sich durch die Abfolge folgender<br />

Schritte aus:<br />

1. Eine Person stellt das Problem kurz, knapp und präzise vor.<br />

2. Klärung:<br />

� Wer hat das Problem?<br />

- BewohnerIn oder Mitarbeitende<br />

� Was wurde bisher ausprobiert, mit welchen Erfolgen?<br />

� Was ist zum Thema bekannt?<br />

3. Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten.<br />

4. Festlegen, welcher Lösungsvorschlag umgesetzt wird.<br />

5. Erarbeiten einer Umsetzungsplanung:<br />

� Wer macht <strong>was</strong> bis wann mit wem?<br />

Zu einem späteren Zeitpunkt wird der Lösungsvorschlag evaluiert und ggf. ein<br />

Termin für eine Nachbesprechung festlegt.<br />

8.3 Praxisworkshops<br />

Praxisworkshop bedeutet, dass der / die TrainerIn an zwei Tagen Training durchführt.<br />

Die Mitarbeitenden sind jeweils nur einen Tag in der Schulung gebunden. Im Sinne<br />

einer intensiven Praxis-Theorie-Vernetzung finden die Schulungssituationen direkt in<br />

den Wohnbereichen vor Ort statt. Durch die örtliche und situative Verbindung der<br />

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Lernsituation mit der Praxis werden die Transferleis<strong>tun</strong>gen minimiert und die<br />

Effizienz optimiert. Durch die Maßnahme direkt vor Ort werden die vorhandenen<br />

ökonomischen Ressourcen zielgerichteter und effizienter eingesetzt. Die<br />

Mitarbeitenden können direkt in real existierenden Situationen Kompetenzen<br />

erwerben und die Lerninhalte ohne zusätzliche Transferleis<strong>tun</strong>g übernehmen und<br />

anwenden.<br />

Es werden Strategien vermittelt, die erworbenen Kenntnisse an andere Kolleginnen<br />

weiterzugeben und somit als Multiplikatoren zu wirken.<br />

Die Pflegedienstlei<strong>tun</strong>g begleitet das Seminar durch die Pflegevisite "vor Ort". Das<br />

heißt, dass so die wirklich wichtigen Fragen gestellt, Ressourcen hervorgehoben,<br />

Problempunkte bearbeitet und Lösungen direkt "maßgeschneidert" werden können.<br />

9. Qualitätsmanagement<br />

9.1 DCM – Dementia Care Mapping<br />

Mittels DCM wird überprüft in welchem Ausmaß der personenzentrierte Ansatz<br />

umgesetzt und gelebt wird. Dazu wird / werden ...<br />

� das Verhalten von Menschen mit Demenz beobachtet und anhand von<br />

vierundzwanzig definierten Verhaltenskategorien kodiert.<br />

� „Personal Detractions“ (PD) aufgezeichnet. Hierbei handelt es sich um<br />

Umgangsformen bzw. Verhaltensweisen, die dazu beitragen, dass Personsein<br />

untergraben wird.<br />

� positive Ereignisse, d. h. eine einfühlsame und wahrnehmende Pflegepraxis<br />

festgehalten.<br />

Die Beobach<strong>tun</strong>g findet in öffentlichen Räumen statt. Alle fünf Minuten wird eine<br />

Verhaltenskategorie pro beobachteter/m BewohnerIn notiert und mit einem Wohlbe-<br />

findlichkeitswert versehen. Die erwähnten PD’s und die positiven Ereignisse werden<br />

je nach Beobach<strong>tun</strong>g festgehalten.<br />

Die erhobenen Daten werden nach einem festgelegten Verfahren ausgewertet und<br />

das Ergebnis dem Team in einer Feedbackrunde vorgestellt und mit ihm diskutiert.<br />

DCM macht nur Sinn, wenn die erhobenen Daten analysiert und interpretiert werden<br />

und daraus dann ein Handlungsplan entsteht. Es geht um das Verstehen dessen,<br />

<strong>was</strong> geschieht. Womit verbringt ein/e BewohnerIn seine / ihre Zeit und wie geht es<br />

ihm / ihr dabei? Welche Verhaltenskategorien herrschen vor? Die passiven oder die<br />

aktiven? Auf welche Intervention reagiert wer und wie? Wie ist die Atmosphäre im<br />

Wohnbereich?<br />

Wie sehen die Kontakte der BewohnerInnen untereinander aus? Welche<br />

Interaktionen gibt es?<br />

Handeln vollzieht sich dann auf der Basis reflektierter Einstellung und Hal<strong>tun</strong>g.<br />

25


9.2 RiP®- Risikopotenzialanalyse<br />

Die Risikopotenzialanalyse (RiP®) ist ein Verfahren, das eine Risikoeinschätzung für<br />

die häufigsten Risiken in der Pflege alter Menschen ermöglicht. Die zentralen Risiken<br />

werden in einer gestuften Tabelle während der Überprüfung der Pflegedokumentation<br />

zeitsparend erfasst und systematisch eingeschätzt.<br />

Eine darauf aufbauende, gestufte Entscheidungshilfe im Sinne eines generalisierten<br />

Pflegeplans reduziert systematisch die Häufigkeit von Fehleinschätzungen defizitärer<br />

Hilfeplanung bzw. Überplanung durch die Pflegefachkräfte. Die Angaben in der<br />

Entscheidungshilfe beziehen sich auf die entsprechenden Risikostufen.<br />

Sich langsam entwickelnde Risiken bzw. Veränderungen werden frühzeitig erkannt<br />

und eine adäquate Reaktion erfolgt.<br />

Die Entscheidungshilfe nach RiP® soll die Bezugspflegefachkraft (BPFK) in der<br />

Auswahl geeigneter Maßnahmen zur Risikominderung / -vermeidung in der Pflegeplanung<br />

unterstützen. <strong>Sie</strong> soll das Handeln der Pflegefachkraft sicherer machen und<br />

ergänzen, ersetzt nicht deren individuelle Problemanalyse und Expertise.<br />

Die vorliegende RiP® mit Entscheidungshilfe dient der Sicherung der Pflegequalität.<br />

<strong>Sie</strong> trägt zur Beach<strong>tun</strong>g der somatischen, psychischen als auch psychosozialen<br />

Aspekte einer angemessenen Beglei<strong>tun</strong>g und Pflege bei.<br />

9.3 Fachaufsicht sicherstellen<br />

Lei<strong>tun</strong>gen und Fachkräfte sind gefordert, ihre Fachaufsicht in systematischer Weise<br />

zu strukturieren und transparent zu machen.<br />

10. Anpassung<br />

10.1 Konzeptreflexion<br />

Einmal im, Jahr ist die Umsetzung des Konzeptes vor dem Hintergrund der Ziele<br />

und unter Berücksichtigung der Qualitätskriterien zu reflektieren.<br />

10.2 Zielvereinbarungen<br />

In einem strukturierten Verfahren finden Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitenden<br />

statt, um die prozessbezogenen Ressourcen, Potenziale, Restriktionen und den<br />

Hilfebedarf kontinuierlich im Blick zu haben.<br />

10.3 Audits<br />

Ziel eines Audits ist die Selbsteinschätzung des Qualitätsprofils und der Qualitätsstandards<br />

in Form eines internen Audits. Die Ermittlung von qualitativen Ressourcen<br />

und Potenzialen in Hinblick auf die gültigen rechtlichen Rahmenbedingungen findet<br />

innerhalb des Lebensweltkonzeptes statt.<br />

Das Audit dauert ein bis zwei Tage, je nach Größe der Einrich<strong>tun</strong>g. Die Inhalte orientierten<br />

sich an den rechtlichen und qualitativen Rahmenbedingungen, sowie am<br />

State of the Art der jeweiligen Fachdisziplin und am Leitbild der Einrich<strong>tun</strong>g. Die<br />

26


Begehung der Bereiche erfolgt unter dem Fokus angemessene Pflege und<br />

Betreuung von Menschen mit Demenz und eine darauf abgestimmte<br />

Arbeitsorganisation.<br />

BewohnerInnen mit unterschiedlicher Pflegeunterstützung werden in einer vergleichbaren<br />

Anzahl besucht.<br />

Das Audit orientierte sich am Datensatz für „Management und Organisation“.<br />

Innerhalb der jeweiligen Fachbereiche vermitteln die hier vorliegenden Ergebnisse<br />

viele wichtige Informationen zu Ressourcen, Trends und Potenzialen. Die nächsten<br />

Schritte der Qualitätsprozesse können auf objektiviertem Boden aufbauen.<br />

Erstellung Prüfung/Freigabe: Version: Entwurf Überprüfung Seiten<br />

KK Training Bera<strong>tun</strong>g Karla Kämmer<br />

Weiterbildung KK / GS<br />

1.0 / 2006_03_05 . /. insges. 9<br />

Vortrag: Fachtagung Gerontopsychiatrie, Nürnberg, Konzeptentwicklung und Umsetzung im<br />

personenzentrierten Ansatz<br />

27


„Perspektiven der Weiterentwicklung in der Gerontopsychiatrie<br />

aus Sicht des Bezirks Mittelfranken“<br />

Sehr geehrte Frau Ziebell,<br />

sehr geehrter Herr Mückschel<br />

sehr geehrter Herr Dr. Gräßel,<br />

sehr geehrte Damen und Herren,<br />

Bezirkstagspräsident Richard Bartsch<br />

als Bezirkstagspräsident überbringe ich Ihnen zum 5. Fachtag Gerontopsychiatrie die<br />

herzlichen Grüße des Bezirks Mittelfranken, aller Bezirkstagsmitglieder sowie der<br />

Bezirksverwal<strong>tun</strong>g.<br />

Welche Perspektiven kann ich Ihnen für die Weiterentwicklung in der<br />

Gerontopsychiatrie aus Sicht des Bezirks Mittelfranken aufzeigen?<br />

Zahlen und Fakten der demografischen Entwicklung sind seit einiger Zeit in aller<br />

Munde. <strong>Sie</strong> haben ein Problembewusstsein in uns geweckt, dass von dem bestehenden<br />

Versorgungssystem der Zuwachs an psychisch kranken alten Menschen nicht<br />

aufgefangen werden kann, weil dieses System jetzt schon überall an seinen Grenzen ist.<br />

Das bestehende System für die Versorgung psychisch Kranker ist in weiten Bereichen<br />

derzeit selbst von einer ge<strong>wissen</strong> Orientierungslosigkeit gekennzeichnet, die sich in einem<br />

unstrukturierten und unübersichtlichen Nebeneinander von Angeboten und Anbietern<br />

ausdrückt.<br />

Das Motto des Fachtages heute bringt es auf den Punkt: Für eine Weiterentwicklung der<br />

gerontopsychiatrischen Versorgung müssen wir in erster Linie das Tun in der<br />

Gerontopsychiatrie in einen Gesamtzusammenhang einordnen, mehr Orientierung in die<br />

Entwicklung bringen. Es gibt inzwischen viele Einzelansätze und kreative Insellösungen,<br />

von denen heute sehr interessante Beispiele dargestellt wurden.<br />

Letztlich muss uns unser Problembewusstsein aber zu einem völligen Umdenken führen,<br />

wenn nicht sogar zu einer Bewusstseinsänderung in der gesamten Gesellschaft, weil wir<br />

die jetzigen Bahnen verlassen und eine Neuorientierung finden müssen.<br />

Wie ein System nicht kommunizierender Röhren verlaufen die Finanzströme von<br />

Kranken und Pflegeversicherung nebeneinander und es fehlen Gesamtberechnungen, die<br />

Kosten des einen Systems mit Einsparungen des anderen Systems vergleichen würden<br />

und so vielleicht Anreize schaffen könnten, die Trennung von ambulanter und<br />

stationärer Versorgung zu überwinden.<br />

Die Bedarfsfeststellung und die Hinwirkungsverpflich<strong>tun</strong>g für die Schaffung von<br />

ambulanten, teilstationären und stationären Einrich<strong>tun</strong>gen der gerontopsychiatrischen<br />

Versorgung liegt als Teil der Altenhilfe bei den Städten und Landkreisen. Die Bezirke<br />

jedoch zahlen als überörtliche Sozialhilfeträger die Rechnung immer dann, wenn die<br />

Heimbewohner bei stagnierenden Leis<strong>tun</strong>gen der Pflegeversicherung und Renten die<br />

steigenden Heimkosten nicht mehr aufbringen können. Im Haushaltsentwurf des Bezirks<br />

Mittelfranken sind für steigende Fallzahlen im Bereich der Hilfe zur Pflege 2006<br />

Kostensteigerungen von 1,2 Mio Euro kalkuliert. Mit einer Steigerung um jährlich 5% ist<br />

aufgrund der Entwicklung der Fallzahlen zu rechnen. Über die dann steigende<br />

28


Bezirksumlage werden Städte und Landkreise wieder mit diesen Kosten belastet! Aber<br />

diese Konsequenz muss gedanklich bereits bei der Planung der gerontopsychiatrischen<br />

Versorgung gemeinsam von allen Verantwortlichen mit betrachtet werden, um nicht<br />

plötzlich von einer Kostenlawine überrollt zu werden, die man nicht mehr aufhalten<br />

kann. Bezirke, Städte und Landkreise müssen zusammen mit den Leis<strong>tun</strong>gsträgern auf<br />

der kommunalen Ebene eine gemeinsame Entwicklung für die gerontopsychiatrische<br />

Versorgung in Auge behalten und die vor uns liegende Diskussion von Pflege- und<br />

Gesundheitsreform mitgestalten.<br />

Von welchen Eckpunkten und Leitlinien sind künftige Perspektiven bestimmt?<br />

Vom Koalitionsvertrag, in dem zu lesen steht, dass 2006 tatsächlich die grundlegende<br />

Reform der Pflegeversicherung umgesetzt wird.<br />

Die Pflegeversicherung wird als eigenständiger Baustein beibehalten bleiben. Es ist zu<br />

begrüßen,<br />

� dass der besondere Hilfe- und Betreuungsbedarf zum Beispiel der Demenzkranken<br />

besser berücksichtigt werden und der Pflegebegriff überarbeitet werden soll,<br />

� dass alternative Wohn- und Betreuungsangebote sowie niedrigschwellige<br />

Angebote zu Unterstützung der häuslichen Pflege gefördert werden sollen,<br />

� dass der schon seit 10 Jahren geltende, aber bisher nur unzureichende Grundsatz<br />

der „Reha vor und bei Pflege“ – einschließlich der geriatrischen und<br />

gerontopsychiatrischen Reha- verstärkt durchgesetzt werden soll,<br />

� dass vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ein Gesamtkonzept<br />

der Betreuung und Versorgung pflegebedürftiger, behinderter und alter Menschen<br />

für notwendig erachtet wird, das Leis<strong>tun</strong>gen darauf ausrichtet, Behinderungen,<br />

chronischen Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit entgegen zu wirken,<br />

� dass der Grundsatz „ambulant vor stationär“ gestärkt werden soll…<br />

Auch der 3. Landesplan für Psychiatrie ( = Beschluss des Landtags), der 2006<br />

veröffentlicht werden soll und im Entwurf bereits vorliegt, wird sicherlich der<br />

Gerontopsychiatrie ein besonderes Augenmerk widmen. Er wird Gewicht auf die<br />

Zusammenarbeit der Leis<strong>tun</strong>gserbringer und auf den Ausbau für ambulante und<br />

teilstationäre Behandlungs- und Betreuungseinrich<strong>tun</strong>gen setzen, damit mehr Menschen<br />

so lange wie möglich außerhalb von Heimen versorgt werden können und die Altenhilfe<br />

nicht eine Einbahnstraße in Rich<strong>tun</strong>g Heim bleibt.<br />

Über diese Inhalte sind sich letztlich alle einig.<br />

Manches davon ist schon seit langen Jahren Konsens. Die Debatte, mit welchen<br />

konkreten Finanzierungsmaßnahmen diese Inhalte verwirklicht werden sollen, steht<br />

allerdings erst am Anfang.<br />

Was sich hinter der erforderlichen „Neujustierung der Sachleis<strong>tun</strong>gsbeträge“ zur<br />

Stärkung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ verbirgt, wie es gelingen wird, durch<br />

Präventions- und Rehaleis<strong>tun</strong>gen vermehrt die Krankenversicherung in die Finanzierung<br />

mit einzubeziehen wird, ist noch zu diskutieren.<br />

Ich sehe in dieser Umbruch- und Reformphase auch große Chancen.<br />

Ich sehe allerdings auch, dass von Betroffenen und Angehörigen noch viel zu selten<br />

Rehaleis<strong>tun</strong>gen und präventive Leis<strong>tun</strong>gen für Pflegebedürftige oder überhaupt für<br />

Senioren eingefordert werden.<br />

Hier ist vor allem auch noch Informationsarbeit gefragt, dass diese Leis<strong>tun</strong>gen dem<br />

Grunde nach für alte Menschen und Pflegebedürftige finanziert werden und vor allem,<br />

dass sie den Pflegebedürftigen und auch der Volkswirtschaft gut <strong>tun</strong>, damit durch<br />

29


Angehörige, Betroffene und Hausärzte und MDK auch eine entsprechende Nachfrage als<br />

Alternative zur Heimeinweisung entsteht und an die Kostenträger weitergetragen wird.<br />

Ich sehe auch, dass die Unterstützung der pflegenden Angehörigen dort Grenzen hat, wo<br />

die entsprechenden Familienstrukturen am Ort nicht oder zunehmend nicht mehr<br />

vorhanden sind, weil zum Beispiel aus Angehörigen durch Scheidung und Trennung Ex-<br />

Angehörige geworden sind oder weil Kinder mit der von der globalisierten Wirtschaft<br />

geforderten Flexibilität und Mobilität weite Entfernungen zwischen sich und die<br />

Angehörigen bringen müssen.<br />

Hier sind auch weiter professionelle ambulante Leis<strong>tun</strong>gen gefragt, für die sich um so<br />

leichter Mitdenker zur Lösung von Finanzierungsfragen finden lassen, um so mehr<br />

Anbieter konkrete Ideen und kreative Konzepte in die Diskussion einbringen und die<br />

Frage nach einer möglichen Finanzierung - auch nach dem Pflegeleis<strong>tun</strong>gs-<br />

Ergänzungsgesetz - stellen. Für die Orientierung an schon bestehenden Modellen und vor<br />

allem für den Austausch der Projekte untereinander ist der Fachtag heute ein wichtiges<br />

Forum.<br />

Welche Ansätze hat der Bezirk gefunden?<br />

Die Gerontopsychiatrie findet sich überall an Schnittstellen, nämlich zwischen<br />

Angehörigenhilfe, allgemeiner medizinischer Versorgung, geriatrischer Versorgung,<br />

Altenhilfe und psychiatrischer Versorgung. Daher schien es dem Bezirk am wichtigsten,<br />

bei der Koordinierung und der gerontopsychiatrischen Qualifizierung anzusetzen, die<br />

sich in alle diese genannten Bereiche hineinziehen muss.<br />

Qualifizierungskonzept Gerontopsychiatrie<br />

Seit 2002 bietet die Angehörigenbera<strong>tun</strong>g Nürnberg e.V. für alle Personalkräfte von<br />

ambulanten Diensten in Mittelfranken die Möglichkeit, sich im Bereich der<br />

Gerontopsychiatrie fortzubilden und rechtzeitig geeignete Hilfen der Alten- und<br />

Gesundheitshilfe einzuleiten. Der Bezirk Mittelfranken finanziert dieses Programm mit<br />

41.160 Euro jährlich.<br />

Gedanke hierbei ist, dass eine Stärkung des ambulanten Bereiches zu einer verzögerten<br />

stationären Unterbringung und somit zu einer Kosteneinsparung führt. Für die<br />

Arbeitgeber entstehen keine Kosten außer der Freistellung der Mitarbeiter. Sobald 50%<br />

der Mitarbeiter eines Dienstes die Qualifizierung durchlaufen haben, erhält die<br />

Einrich<strong>tun</strong>g ein Zertifikat.<br />

Den ambulanten Pflegediensten wird eine immer größere Bedeu<strong>tun</strong>g in dem Bereich der<br />

Gerontopsychiatrie zukommen.<br />

Ich möchte an dieser Stelle auch auf das Qualitätssiegel Demenz hinweisen, das von der<br />

Alzheimergesellschaft für stationäre Einrich<strong>tun</strong>gen entwickelt wurde und Anregungen<br />

zur Weiterentwicklung der Versorgung im stationären Bereich beinhaltet.<br />

ZAPF<br />

Seit November 2005 fördert der Bezirk Mittelfranken befristet für drei Jahre ein halbe<br />

Stelle bei der zentralen Anlaufstelle Pflege mit ca. 24.000 Euro jährlich. ZAPF steht als<br />

Ansprechpartner für Menschen zur Verfügung, die pflegebedürftig, krank oder behindert<br />

sind, und Hilfe oder Unterstützung brauchen bzw. dem vorbeugen <strong>wollen</strong>. Durch die<br />

Optimierung von Versorgungs- und Pflegearrangements soll der Verbleib in der eigenen<br />

Häuslichkeit gesichert werden.<br />

30


Im Lauf des Jahres 2005 konnte neben dem Bezirk Mittelfranken auch die AOK für die<br />

Finanzierung einer halben Stelle und das Klinikum Nürnberg für eine Vollzeitstelle<br />

gewonnen werden.<br />

Verbesserung der Koordinierung:<br />

Seit 1. August 2000 übernimmt der Bezirk die Personalkosten mit einer Fachkraft für die<br />

Gerontopsychiatrische Fachkoordination für den Bezirk Mittelfranken.<br />

Die GeFa arbeitet auf eine zielgerichtete, personenorientierte trägerübergreifende<br />

Kooperation aller im Bereich der Gerontopsychiatrie und Alters- und Gesundheitshilfe<br />

tätigen Leis<strong>tun</strong>gsanbieter hin, um die Versorgung im ambulanten Bereich zu verbessern.<br />

Eine Bestandsaufnahme über die Angebote und vor allem über die Versorgungsdefizite<br />

für den Raum Mittelfranken liegt seit Sommer 2005 vor.<br />

Momentan legt die GeFa den Tätigkeitsschwerpunkt auf ambulantes<br />

gerontopsychiatrisches Fallmanagement im ambulanten Bereich in der Region<br />

Mittelfranken.<br />

Ein frühzeitiges Fallmanagement soll einer verfrühten Heimeinweisung vorbeugen und<br />

diese möglichst lange hinausschieben.<br />

Aus der Bestandsaufnahme der GeFa zur Gerontopsychiatrischen Versorgung ergeben<br />

sich weitere Empfehlungen für Mittelfranken, z.B.:<br />

� Ausbau von weiteren Wohngemeinschaften für gerontopsychiatrisch Erkrankte,<br />

v.a. Demenzkranke. Für diesen Bereich liegt die Zuständigkeit bei den örtlichen<br />

Sozialhilfeträgern. Entscheidend wird es sein, die Kranken- und Pflegekassen<br />

verstärkt in eine Finanzierung einzubeziehen. Die momentane Reformdiskussion<br />

muss hier als gemeinsame Chance von örtlichen und überörtlichen<br />

Sozialhilfeträgern verstanden werden. Die GeFa unterstützt mittelfrankenweit den<br />

Aufbau neuer Projekte.<br />

Ein Initiativkreis Wohnen/Leben im Alter zum Aufbau von ambulanten<br />

Wohngemeinschaften für demenzkranke Menschen besteht.<br />

� Anbindung gerontopsychiatrischer Fachkräfte an die Sozialpsychiatrischen<br />

Dienste<br />

Eine zusätzliche Finanzierung als Erweiterung des Aufgabenspektrums der<br />

Sozialpsychiatrischen Dienste ist derzeit nicht realisierbar. Die pauschale<br />

Personal- und Sachkostenförderung der Dienste geht von einem genehmigten,<br />

förderfähigen Personalkontingent aus, mit dem die Dienste ihre Aufgaben erfüllen<br />

müssen, wobei der Bezirk die einzelnen Schwerpunkte der Aufgabenerfüllung<br />

nicht festlegt. Eine Verlagerung des Bera<strong>tun</strong>gsangebotes in Rich<strong>tun</strong>g<br />

Gerontopsychiatrie könnte somit eine Entscheidung der Träger der<br />

Sozialpsychiatrischen Dienste sein.<br />

� Weiterer Ausbau der Tagespflege<br />

Dieser Ausbau hängt stark an den Finanzierungsmöglichkeiten, die in der<br />

Pflegeversicherungsreform gefunden werden können.<br />

Stationäre Gerontopsychiatrische Versorgung in den „Bezirkskliniken Mittelfranken“<br />

In allen Bezirkskliniken bestehen spezialisierte Stationen für die Gerontopsychiatrie<br />

sowie Tageskliniken in Ansbach mit 15 Plätzen und in Erlangen mit 22 Plätzen zur<br />

Verfügung, in denen umfassende Diagnostik und multiprofessionelle Behandlung<br />

31


ausgehend von den vielschichtigen Problemen des einzelnen Patienten angeboten werden<br />

kann.<br />

Im ambulanten Bereich lässt sich dieser Ansatz bisher nur ungenügend fortsetzen:<br />

Die an der Behandlung und Versorgung älterer Menschen beteiligten zersplitterten<br />

Strukturen müssen dringend besser miteinander und vor allem mit den Kliniken verzahnt<br />

werden, um Informationsverluste zu vermeiden, Behandlungsempfehlungen gemeinsam<br />

umzusetzen und effizienter zu arbeiten.<br />

Die Beteiligung der Kliniken an den Arbeitskreisen „Gerontopsychiatrie“, an den<br />

Demenzforen, die Arbeit mit Angehörigen- und Selbsthilfegruppen sind hier erst ein<br />

Anfang. Es ist hier noch viel zu <strong>tun</strong>.<br />

Die Multimorbidität der gerontopsychiatrischen Patienten erfordert auch eine<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit vor allem mit der Geriatrie für einen erfolgreichen<br />

Therapieansatz.<br />

Das Bezirksklinikum Ansbach ist hier in Verhandlungen mit den Kassen und versucht<br />

den Weg der integrierten Versorgung mit dem Praxisnetz Ansbach in Form des Zentrums<br />

für integrative Altersmedizin.<br />

Zur Verbesserung der Angebote zur Frühdiagnose und Frühbehandlung von<br />

demenziellen Erkrankungen besteht im Bezirksklinikum Ansbach seit 2001 eine<br />

Gedächtnissprechs<strong>tun</strong>de. Das Klinikum am Europakanal beteiligt sich mit einem Arzt an<br />

der Gedächtnisambulanz der Universität Erlangen. Eine Zusammenarbeit mit der<br />

Universität Erlangen auf klinisch machbarer, nicht „abgehobener“ Ebene ist auch für das<br />

Bezirksklinikum Ansbach Ziel.<br />

Für die Perspektiven der Weiterentwicklung der Gerontopsychiatrie ist vor allem auch<br />

entscheidend, wie die öffentliche Meinung sich mit dem Thema auseinandersetzt. Die<br />

Grundsätze „Reha vor und bei Pflege“ und „ambulant vor stationär“ stehen seit vielen<br />

Jahren in den Gesetzbüchern, aber es scheint, als seien sie nur einem speziellen<br />

Fachpublikum bekannt, denn es ist bislang weder eine ernsthafte Nachfrage entstanden<br />

noch ein entsprechendes Angebot. Es haben offensichtlich die richtigen Anreize oder die<br />

Information gefehlt.<br />

Fachtage wie der heutige sind daher wichtiger denn je, weil sie das Forum für ein<br />

gemeinsames Nachdenken bieten: Ich appelliere an <strong>Sie</strong> alle, die gewonnenen<br />

Erkenntnisse über den fachlichen Rahmen hinaus in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir<br />

brauchen eine breite Diskussion über ein neues Altersbild in der Gesellschaft, das nicht<br />

an den erwarteten Defiziten des Alters ansetzt sondern an den Ressourcen. Fragen wir<br />

uns, <strong>was</strong> wir selber für uns erwarten und formulieren wir es.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

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