BWGZ 1 - Gemeindetag Baden-Württemberg
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<strong>BWGZ</strong> 1 | 2012 Bilanz und Perspektiven<br />
te und Gemeinden, aber auch für die<br />
Landkreise und andere Verbände würde<br />
damit für den Haushaltsausgleich die<br />
Liquiditätssicht im Vordergrund stehen<br />
(Erwirtschaftung der Kredittilgung aus<br />
laufenden Mitteln), ohne dass dadurch<br />
den doppisch planenden und buchenden<br />
Körperschaften der ressourcenorientierte<br />
Ausgleich verwehrt würde; er<br />
wäre nur nicht Pflicht.<br />
Es wird nun spannend, wie schnell und<br />
mit welchen inhaltlichen Vorstellungen<br />
das Land in den Dialog mit der kommunalen<br />
Seite bezüglich der Umsetzung<br />
des Wahlrechts aus dem Koalitionsvertrag<br />
gehen wird. Der <strong>Gemeindetag</strong> wird<br />
in diese Diskussion auch die Erfahrungen<br />
und Evaluierungsergebnisse aus anderen<br />
Bundesländern, wo die flächendeckende<br />
Umstellung zum Teil schon<br />
abgeschlossen ist oder sich dem Ende<br />
nähert, einbringen. Denn die sind, was<br />
ein neues Haushaltsrecht auf doppischer<br />
Grundlage angeht, keinesfalls nur<br />
positiv und bestätigen die bisherige Einschätzung<br />
seitens des <strong>Gemeindetag</strong>s.<br />
Eine völlig ernüchternde Bilanz zieht<br />
beispielsweise der Kommunalbericht<br />
2011 des Rechnungshofs Rheinland-<br />
Pfalz für die flächendeckende Umstellung<br />
der Kommunen in Rheinland-Pfalz<br />
in den Jahren 2007 bis 2009. „Kommunale<br />
Doppik – Nutzen noch nicht feststellbar“<br />
ist sein Fazit. Seine wesentlichen<br />
Feststellungen:<br />
• Die organisatorische und technische<br />
Komplexität der Umstellung (2007<br />
bis 2009) sowie der hierfür erforderliche<br />
Zeitbedarf seien erheblich unterschätzt<br />
worden. Die gesetzlichen<br />
Fristen für die Feststellung von Eröffnungsbilanzen<br />
und Jahresabschlüssen<br />
seien im Regelfall deutlich überschritten<br />
worden.<br />
• Eine den gesetzlichen Anforderungen<br />
entsprechende örtliche Prüfung<br />
von Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüssen<br />
durch Rechnungsprüfungsausschüsse<br />
finde weitgehend<br />
nicht statt.<br />
• Mit der Umstellung des Rechnungswesens,<br />
die landesweit einen Einführungsaufwand<br />
von hochgerechnet<br />
mindestens 140 Mio. Euro (das sind<br />
<strong>Gemeindetag</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
rund 35 Euro/Einwohner) verursacht<br />
habe und einen zusätzlichen Personalaufwand<br />
von überschlägig 14<br />
Mio. Euro (rund 3,50 Euro pro Einwohner)<br />
im Jahr erfordere, seien bisher<br />
keine geldwerten Steuerungsvorteile<br />
verbunden. Ein positiver Einfluss<br />
auf die Entwicklung der kommunalen<br />
Haushalte sei noch nicht<br />
erkennbar.<br />
• Durch die Umsetzung des Haushaltsrechts<br />
würden die Haushaltspläne im<br />
Vergleich zur Kameralistik vielfach<br />
deutlich umfangreicher. Transparenz<br />
und Steuerungsnutzen der Pläne seien<br />
empfindlich beeinträchtigt.<br />
• Die Mehrzahl der Gemeinden und<br />
Gemeindeverbände habe die doppischen<br />
Steuerungsinstrumente (Ziele,<br />
Leistungsmengen, Kennzahlen, Kosten-<br />
und Leistungsrechnung sowie<br />
Berichtswesen) noch nicht eingeführt.<br />
Soweit sie zum Einsatz kämen,<br />
sei ihre Ausgestaltung für eine Steuerung<br />
weitgehend ungeeignet.<br />
• Nach einer bei den kommunalen Entscheidungsträgern<br />
durchgeführten<br />
Befragung schätzten fast 48 Prozent<br />
der Befragten den Nutzen der Doppik<br />
als „sehr gering“ und „eher gering“<br />
ein. Auf die Bewertungen „eher hoch“<br />
und „sehr hoch“ entfielen knapp 30<br />
Prozent der Antworten.<br />
• Die Zahl der in den Haushaltsplänen<br />
ausgewiesenen Produkte und Leistungen<br />
sowie Kennzahlen müsse, so der<br />
Rechnungshof, deutlich reduziert<br />
werden, da zu detaillierte Informationen<br />
für eine Gesamtsteuerung nicht<br />
hilfreich seien.<br />
Darüber hinaus<br />
sei eine Vereinheitlichunginnerhalb<br />
der Gebietskörperschaftsgruppen<br />
angebracht, um<br />
einen interkommunalenVergleich<br />
der Daten<br />
überhaupt zu<br />
ermög lichen.<br />
• Zusammenfassend:<br />
Die mit<br />
der Reform verbundenen<br />
Ziele<br />
seien noch<br />
nicht erreicht worden. Damit das<br />
mit hohem Aufwand eingeführte<br />
neue Rechnungswesen den Informationsstand<br />
über die Finanzlage<br />
der Kommunen verbessern könne,<br />
bedürfe es noch erheblicher Anstrengungen.<br />
Es werde sich zudem<br />
nur dann durch eine finanzielle<br />
„Rendite“ zugunsten der kommunalen<br />
Familie legitimieren, wenn<br />
die erweiterten Informationen auch<br />
auf das Interesse der zuständigen<br />
Entscheidungsträger stoßen und<br />
von ihnen konsequent im Sinne<br />
wirtschaftlicheren Handelns genutzt<br />
würden.<br />
Rechnet man die Schätzung des Rechnungshofs<br />
Rheinland-Pfalz zu den Umstellungs-<br />
und Betriebskosten auf die<br />
Kommunen in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
hoch, so entspräche dies Umstellungskosten<br />
bei den Städten und Gemeinden<br />
im Lande von mehr als 350 Mio. Euro<br />
– weit mehr, als in bisherigen Schätzungen<br />
vom <strong>Gemeindetag</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
angenommen. 2004 hatte der<br />
<strong>Gemeindetag</strong> noch eine einmalige Kostenbelastung<br />
aus der Umstellung von<br />
zirka 235 bis 255 Mio. Euro (einschließlich<br />
der Kreise) veranschlagt und für die<br />
Gemeinden überschlägig einen Schätzwert<br />
von etwa 13 bis 15 Euro je Einwohner<br />
genannt. Die laufende Kostenbelastung<br />
wurde seinerzeit auf zirka 56 Mio.<br />
Euro pro Jahr geschätzt (bei den Gemeinden<br />
etwa 3 Euro/Einwohner). Dies<br />
steht zu den Werten für Rheinland-Pfalz<br />
in Relation.<br />
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