Öl im Transparenz-Check - MWV
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<strong>MWV</strong> Jahresbericht/Mineralöl-Zahlen 2011<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong><br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong><br />
Jahresbericht<br />
Mineralöl-Zahlen<br />
2011<br />
Wahrnehmung<br />
Wahrnehmung<br />
und Realität<br />
und Realität<br />
Ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte<br />
Ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte<br />
um Rohöl, Raffinerien und Kraftstoffe<br />
um Rohöl, Raffinerien und Kraftstoffe<br />
MINERALÖLWIRTSCHAFTSVERBA<br />
Georgenstraße 25 · 10117 Be
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong><br />
Wahrnehmung<br />
und Realität<br />
Ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte<br />
um Rohöl, Raffinerien und Kraftstoffe<br />
Mineralölwirtschaftsverband e.V.
1. Auflage April 2013<br />
Herausgeber:<br />
MINERALÖLWIRTSCHAFTSVERBAND E.V.<br />
Abteilung Volkswirtschaft<br />
Georgenstraße 25<br />
10117 Berlin<br />
Telefon: 030 - 202 205 30<br />
Telefax: 030 - 202 205 55<br />
Email: info@mwv.de<br />
Internet: www.mwv.de<br />
Gesamtherstellung:<br />
Oeding print GmbH<br />
Wilhelmstraße 1<br />
38100 Braunschweig<br />
Telefon: 0531 - 480 150<br />
Internet: www.oedingprint.de<br />
Titelbilder:<br />
BP Europa SE, Shell International Ltd.
Vorwort<br />
<strong>Öl</strong> hat für die Entwicklung der modernen Gesellschaft so viel beigetragen wie kaum ein anderes Wirtschafts-<br />
gut. Gleichzeitig waren und sind Diskussionen um <strong>Öl</strong> oft kontrovers. Dies kann nicht überraschen, kommt<br />
diesem Energieträger doch weltweit eine herausragende Bedeutung zu.<br />
Die Kontroversen finden nicht nur auf der großen weltpolitischen Bühne statt. Bundes- und Länderparlamen-<br />
te befassen sich ebenso mit dem Thema wie das gesamte Spektrum der deutschen Medienlandschaft. Und<br />
auch die Tankstelle und der Stammtisch in der Nachbarschaft sind oftmals Schauplatz intensiver Diskussio-<br />
nen.<br />
Ein wesentlicher Grund für die zum Teil kritische Haltung gegenüber dem Energieträger <strong>Öl</strong> sind die zahlrei-<br />
chen Vorurteile, mit denen die <strong>Öl</strong>industrie heute belastet ist. Viele dieser Vorurteile haben historischen Ur-<br />
sprung. Sie sind aber mittlerweile längst überholt. Vieles hat sich in den vergangenen vier Dekaden geän-<br />
dert. Die heutigen Marktakteure und das aktuelle Marktgeschehen haben mit den Zeiten bis zu den <strong>Öl</strong>krisen<br />
in den 1970er Jahren kaum etwas gemeinsam.<br />
Die vorhandene Wahrnehmung der <strong>Öl</strong>industrie verhindert eine faktenbasierte Debatte und damit die drin-<br />
gend notwendige Grundlage für eine intelligente, klare und umfassende Energiepolitik. Doch gerade eine<br />
solche fundierte Basis ist heute für die richtigen politischen Weichenstellungen nötig. Denn Deutschland<br />
steht an einem historischen Wendepunkt in der Energiepolitik.<br />
Es ist höchste Zeit, den enormen Herausforderungen mit einer ehrlichen Debatte zu begegnen. Der Mineral-<br />
ölwirtschaftsverband (<strong>MWV</strong>) möchte mit dieser Publikation mehr <strong>Transparenz</strong> schaffen und damit eine in-<br />
formierte Beurteilung des Energieträgers Mineralöl ermöglichen.<br />
Berlin, <strong>im</strong> April 2013<br />
Dr. Klaus Picard<br />
Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes<br />
Mineralölwirtschaftsverband e.V.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 3
Inhalt<br />
Wahrnehmung 1:<br />
„Das <strong>Öl</strong>zeitalter geht zu Ende“ 5<br />
Wahrnehmung 2:<br />
„Die <strong>Öl</strong>industrie entzieht sich dem Wettbewerb“ 13<br />
Wahrnehmung 3:<br />
„Die Oil-Majors dominieren den Markt“ 19<br />
Wahrnehmung 4:<br />
„Die <strong>Öl</strong>industrie ist schuld am hohen Benzinpreis“ 23<br />
Wahrnehmung 5:<br />
„Früher war das Autofahren viel billiger“ 31<br />
Wahrnehmung 6:<br />
„Die <strong>Öl</strong>industrie wirtschaftet in die eigene Tasche“ 35<br />
Wahrnehmung 7:<br />
„Raffinerien verdienen besser als behauptet wird“ 41<br />
4 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Realität ist:<br />
Wahrnehmung 1<br />
„Das <strong>Öl</strong>zeitalter geht zu Ende“<br />
Noch nie waren die <strong>Öl</strong>reserven so groß wie heute. Das bedeutet: Die<br />
<strong>Öl</strong>versorgung ist langfristig gesichert. Und das ist eine gute Nachricht,<br />
denn <strong>Öl</strong> wird in den kommenden Jahren wichtigster Energieträger<br />
und unverzichtbar <strong>im</strong> Verkehrssektor bleiben.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 5
Die <strong>Öl</strong>versorgung ist langfristig gesichert<br />
Nichts weist gegenwärtig auf ein bevorstehendes Fördermax<strong>im</strong>um oder gar auf eine Erschöpfung der <strong>Öl</strong>reserven<br />
hin. Im Gegenteil: Noch nie waren die sicheren <strong>Öl</strong>reserven so hoch wie heute. Das belegen Daten<br />
der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die als Oberbehörde wichtigste geowissenschaftliche<br />
Beratungseinrichtung der Bundesregierung. Nach Analysen der BGR haben sich die weltweit<br />
bestätigten <strong>Öl</strong>reserven innerhalb der vergangenen zwölf Jahre um beinahe die Hälfte erhöht – trotz eines<br />
enorm gestiegenen globalen Verbrauchs infolge des Wirtschaftswachstums in Schwellenländern wie China<br />
und Indien. Das Gesamtpotenzial der derzeit bekannten <strong>Öl</strong>vorkommen liegt nach Berechnungen der BGR<br />
bei 627 Milliarden Tonnen. Das bedeutet: Erdöl wird auch in den nächsten Jahrzehnten ausreichend zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Weltweite Reserven und Ressourcen von Erdöl<br />
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Datenstand: Ende 2010<br />
Vor allem aufgrund des Potenzials an unkonventionellen Quellen werden die <strong>Öl</strong>vorräte der Welt aus heutiger<br />
Sicht ausreichen, um auch einen steigenden Bedarf für weit mehr als 100 Jahre zu decken. Zu dieser Einschätzung<br />
kamen die rund 5000 Experten be<strong>im</strong> World Petroleum Congress 2011 <strong>im</strong> arabischen Doha. Ihr<br />
Fazit: Es ist eher davon auszugehen, dass das Zeitalter des <strong>Öl</strong>s zu Ende geht, weil das <strong>Öl</strong> nicht mehr gebraucht<br />
wird, und nicht, weil es keine Reserven mehr gibt. Auch angesehene Kl<strong>im</strong>awissenschaftler erkennen<br />
zunehmend die langfristige Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe an. Professor Ottmar Edenhofer, Potsdam-<br />
Institut für Kl<strong>im</strong>afolgenforschung (PIK): „Der Höhepunkt der <strong>Öl</strong>förderung ist nicht in Sicht. Kohlenstoffe sind<br />
der Energieträger für das 21. Jahrhundert schlechthin“ 1<br />
Neben der Entdeckung und Erschließung neuer Felder sind es vor allem technisch-wissenschaftliche Fortschritte,<br />
die das Ende des <strong>Öl</strong>zeitalters sehr weit in die Zukunft verschoben haben. Neue Explorations- und<br />
Produktionstechniken ermöglichen die Erdölförderung auch in schwerer zugänglichen Lagerstätten. Insbesondere<br />
in den vergangenen zehn Jahren haben innovative Entwicklungen die <strong>Öl</strong>suche und <strong>Öl</strong>förderung<br />
geradezu revolutioniert. So hat in den USA eine neue Fördermethode, mit der sich Erdöl aus Schiefer und<br />
anderen dichten Gesteinen wirtschaftlich gewinnen lässt, die <strong>Öl</strong>produktion wieder deutlich erhöht und einen<br />
regelrechten <strong>Öl</strong>-Boom ausgelöst. Vor wenigen Jahren noch galten diese <strong>Öl</strong>quellen als wirtschaftlich unerreichbar.<br />
1 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.11.2012.<br />
6 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
<strong>Öl</strong> bleibt wichtigster Energieträger der Welt<br />
Der Energiemix von morgen wird breiter. Dennoch sagen die Analysen der wichtigsten Expertengruppen<br />
übereinst<strong>im</strong>mend voraus, dass <strong>Öl</strong> in den kommenden rund 25 Jahren weltweit der zentrale Energieträger<br />
bleiben wird. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) 2 liefert <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> Jahr 2035 mit<br />
27 Prozent den größten Beitrag zur Deckung des zukünftig weiter dynamisch steigenden globalen Energiebedarfs.<br />
Entwicklung des globalen Pr<strong>im</strong>ärenergieverbrauchs<br />
Quelle: Internationale Energieagentur, World Energy Outlook 2012 (new policy scenario)<br />
Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts ist <strong>Öl</strong> unverzichtbares Element <strong>im</strong> globalen Energiemix und wichtigster<br />
Rohstoff der Welt. Die beiden <strong>Öl</strong>preiskrisen 1973/74 und 1979/80 konnten Veränderungen in der Verbrauchsstruktur<br />
und Effizienzfortschritte forcieren, aber den stetigen Verbrauchsanstieg langfristig nicht substanziell<br />
beeinflussen. Projektionen über die zukünftige Verbrauchsentwicklung sagen übereinst<strong>im</strong>mend<br />
voraus, dass <strong>Öl</strong> weltweit der zentrale Energieträger bleiben wird 3 . Nach Berechnungen der IEA 4 steigt der<br />
<strong>Öl</strong>bedarf bis 2035 um 14 Prozent auf rund 100 Mio. Barrel pro Tag an und trägt dann mit einem Anteil von<br />
27 Prozent weiterhin die Hauptlast zur Deckung des globalen Energieverbrauchs, gefolgt von Kohle (25 Prozent)<br />
und Erdgas (24 Prozent). Somit wird der anhaltende globale Energiehunger – mit einem Verbrauchszuwachs<br />
um rund 35 Prozent zwischen 2010 und 2035 – auch zukünftig in erster Linie durch fossile Energieträger<br />
gedeckt werden.<br />
2 Die Internationale Energieagentur wurde als unabhängige Organisation <strong>im</strong> November 1974 <strong>im</strong> Rahmen der OECD (Organisation for<br />
Economic Cooperation and Development) eingerichtet. Sie vereint 28 Mitglieder darunter Deutschland und andere europäische sowie<br />
außereuropäische Staaten wie z. B. USA und Japan (Stand 2012).<br />
3 Die Modellrechnungen anerkannter Organisationen und Experten unterscheiden sich in der Größenordnung und den Kernaussagen<br />
zur globalen Verbrauchsentwicklung kaum (vgl. Analysen von International Energy Agency (IEA), Energy Information Administration<br />
(EIA), World Energy Council (WEC), Cambridge Energy Research Associates (IHS CERA) etc.).<br />
4 World Energy Outlook 2012.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 7
Die Wachstumsregionen sind Treiber der zukünftigen <strong>Öl</strong>nachfrage<br />
Die internationale Energieagentur (IEA) sieht bis zum Jahr 2035 insbesondere infolge von Effizienzsteigerungen<br />
eine um 21 Prozent sinkende <strong>Öl</strong>nachfrage in den Staaten der OECD 5 . Dem steht ein deutlicher Verbrauchsanstieg<br />
in den Wachstumsregionen außerhalb der OECD gegenüber. Allein in China wird ein Verbrauchszuwachs<br />
von zwei Dritteln bis 2035 erwartet, Indien wird seinen Energieverbrach voraussichtlich<br />
mehr als verdoppeln. Der Anstieg des gewerblichen Verkehrs und der Nachholbedarf nach individueller Mobilität<br />
best<strong>im</strong>men die dortige Dynamik. Die globale <strong>Öl</strong>nachfrage wird daher in erster Linie durch die Entwicklung<br />
in den Wachstumsregionen getrieben.<br />
Entwicklung der <strong>Öl</strong>nachfrage in ausgewählten Weltregionen<br />
Quelle: Internationale Energieagentur, World Energy Outlook 2012 (new policy scenario)<br />
Den hohen Verbrauchszuwächsen in den Wachstumsregionen außerhalb der OECD steht eine sinkende<br />
lokale Förderung gegenüber. Ohne die Nutzung innovativer Technologien zur Rohölförderung wird die dortige<br />
<strong>Öl</strong>versorgung nur durch deutlich höhere Importe bereitgestellt werden können. In den OECD-Staaten<br />
vollzieht sich hingegen eine andere Entwicklung. Effizienzverbesserungen führen dazu, dass der <strong>Öl</strong>bedarf in<br />
der Europäischen Union wie auch in den USA <strong>im</strong> OECD-Vergleich überdurchschnittlich stark zurückgehen<br />
wird. Besonders bemerkenswert ist die Situation in den USA: Durch den Einsatz modernster Fördertechnologien<br />
steigt die lokale Förderung unkonventioneller <strong>Öl</strong>- und Gasvorkommen <strong>im</strong> Gegensatz zu anderen Weltregionen<br />
erheblich an. Die Internationale Energieagentur erwartet, dass die USA innerhalb der kommenden<br />
rund 10 Jahre zum größten <strong>Öl</strong>produzenten der Welt aufsteigen wird, und sich die ehemals größte <strong>Öl</strong><strong>im</strong>portnation<br />
ab 2030 zum Nettoölexporteur entwickelt.<br />
5 Organisation for Economic Co-operation and Development (= Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung),<br />
34 Mitgliedsländer darunter Deutschland und andere europäische sowie außereuropäische Staaten wie z. B. USA und Japan.<br />
8 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Mineralöl bleibt zentraler Bestandteil <strong>im</strong> deutschen Energiemix<br />
Mineralöl ist mit einem Anteil von 33 Prozent am Pr<strong>im</strong>ärenergieverbrauch <strong>im</strong> Jahr 2012 der wichtigste Energieträger<br />
in Deutschland, gefolgt von Erdgas, Steinkohle und Braunkohle. Trotz sinkender Nachfrage ist zu<br />
erwarten, dass Mineralöl auch in Zukunft seine zentrale Bedeutung <strong>im</strong> deutschen Energiemix behalten wird.<br />
Selbst die Energieszenarien der Bundesregierung, die ambitionierte Marktanteile für Erneuerbare Energien<br />
festsetzen, sehen Mineralöl mit einem Anteil von 30,5 Prozent <strong>im</strong> Jahr 2030 und 20 Prozent <strong>im</strong> Jahr 2050<br />
weiterhin als wichtigen Bestandteil <strong>im</strong> deutschen Energiemix.<br />
Pr<strong>im</strong>ärenergiemix in Deutschland in den Jahren 2012 und 2030<br />
Quelle: AG Energiebilanzen, Energieverbrauch 2012; EWI, Prognos, GWS, Energieszenarien 2011<br />
Die aus Rohöl gewonnenen Mineralölprodukte, sind aus dem Alltag einer modernen Gesellschaft nicht mehr<br />
wegzudenken. Der Hauptanteil von rund 60 Prozent wird in Form von Kraftstoffen, wie Benzin, Diesel und<br />
Kerosin, <strong>im</strong> Mobilitätssektor verbraucht. Weitere knapp 20 Prozent gehen als Heizöl in den Wärmesektor.<br />
Mineralölprodukte dienen auch als wichtige Einsatzstoffe in der chemischen Industrie und finden sich in vielen<br />
Produkten des Alltags wieder: Zahnbürsten, Kugelschreiber, Textilien, Kosmetik, Waschmittel, Spielzeug,<br />
Küchengeräte und Medikamente. Darüber hinaus werden aus Rohöl Bitumen für den Bausektor oder<br />
Schmieröle für Maschinen hergestellt.<br />
<strong>Öl</strong> ist der Garant für bezahlbare Mobilität und Wärme. Die Mineralölverarbeitung als Teil der Realwirtschaft<br />
ist unverzichtbar für die lokale Wertschöpfung, den Industriestandort und die wirtschaftliche Entwicklung in<br />
Deutschland insgesamt. Im Gegensatz zu alternativen Energieträgern ist Mineralöl ohne Subventionen wettbewerbsfähig<br />
und trägt zudem die höchste Steuerlast aller Energieträger. Das jährliche Steueraufkommen<br />
von über 50 Mrd. Euro ermöglicht es dem Staat seinen sozialen Verpflichtungen nachzukommen. Die effiziente<br />
Nutzung von Mineralölprodukten ist die Grundvoraussetzung für die Leistungsfähigkeit jeder modernen<br />
Volkswirtschaft, die Wohlstand sichern und <strong>im</strong> globalen Wettbewerb bestehen will.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 9
<strong>Öl</strong>produkte sind auch 2030 <strong>im</strong> Verkehrssektor unverzichtbar<br />
Mineralöl wird in den kommenden rund 20 Jahren der mit Abstand wichtigste Energieträger <strong>im</strong> Verkehrssektor<br />
in Deutschland bleiben. Selbst bei einem hohen Anteil regenerativer Energien bestätigen Analysen der<br />
Deutschen Energieagentur (dena) sowie anderer einschlägiger Think Tanks diesen Befund. Aktuelle Szenarien<br />
weisen eine Bandbreite für den Mineralölanteil <strong>im</strong> Jahr 2030 von 58 bis 84 Prozent aus.<br />
Struktur des Endenergieverbrauchs <strong>im</strong> Verkehrssektor (Vergleich von Ziel-Szenarien)<br />
Quelle: Deutsche Energieagentur (dena), 2011; eigene Berechnungen<br />
Trotz einer weiterhin hohen Bedeutung <strong>im</strong> Verkehrssektor wird der Mineralölbedarf in Deutschland in Zukunft<br />
vor allem durch Effizienzsteigerung und alternative Energieformen in Nischenmärkten weiter zurückgehen.<br />
Ziel-Szenarien legen darüber hinaus eine geringere Verkehrsleistung <strong>im</strong> Pkw-Sektor fest. Demgegenüber<br />
steht eine deutliche Zunahme des gewerblichen Verkehrs. Der damit verbundene Mehrverbrauch schlägt<br />
aber nicht voll auf den Kraftstoffverbrauch an deutschen Tankstellen durch, da der internationale Güterverkehr<br />
wegen der vergleichsweise hohen deutschen Mineralölsteuer <strong>im</strong> benachbarten Ausland tankt. Verbrauchsdämpfend<br />
wirken kraftstoff- und fahrzeugseitige Effizienzverbesserungen. Insgesamt wird der Mineralölbedarf<br />
in Deutschland sinken. Zuletzt veröffentlichte Ziel-Szenarien zeigen Maßnahmen 6 auf, die mit<br />
teilweise massiven Eingriffen in das heutige Mobilitätsverhalten der Bürger, den Endenergieverbrauch <strong>im</strong><br />
Verkehrssektor bis 2030 um bis zu 39 Prozent senken könnten.<br />
6 Z.B. Renewbility II-Kl<strong>im</strong>aschutz: Anstieg des Rad- und Fußverkehrs um 15% bis 2030, Wegfall der Pendlerpauschale, Tempol<strong>im</strong>it 120<br />
km/h auf Bundesautobahnen.<br />
10 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Die <strong>Öl</strong>abhängigkeit Deutschlands sinkt<br />
<strong>Öl</strong>verbrauch und Wirtschaftswachstum haben sich entkoppelt. Innovative Entwicklungen haben marktgetriebene<br />
Effizienzsteigerungen ermöglicht, so dass der <strong>Öl</strong>verbrauch von 1996 bis 2009 durchschnittlich um<br />
1,7 Prozent pro Jahr gesunken ist. Damit ist Deutschland heute weitaus besser in der Lage, Versorgungs-<br />
oder Preisrisiken und deren ökonomische Auswirkungen abzufedern als noch vor 30 oder 40 Jahren. Mit der<br />
niedrigsten <strong>Öl</strong>intensität 7 aller großen Industrie- und auch Schwellenländer n<strong>im</strong>mt Deutschland international<br />
eine Spitzenstellung ein.<br />
Entwicklung der <strong>Öl</strong>intensität in wichtigen <strong>Öl</strong><strong>im</strong>portländern<br />
Quelle: Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Raffineriestandortes Deutschland, 2010<br />
Innovation und die Weiterentwicklung von Kraft- und Schmierstoffen <strong>im</strong> Zusammenspiel mit <strong>im</strong>mer verbrauchsärmeren<br />
Verbrennungsmotoren führen zur Effizienzsteigerung <strong>im</strong> Mobilitätssektor. Energieverbrauch<br />
und CO2-Emissionen des Straßenverkehrs sind seit 1999 stark rückläufig und bei gestiegener Fahrleistung<br />
niedriger als 1990. Auch die hocheffizienten <strong>Öl</strong>heizungen tragen zur Reduktion des <strong>Öl</strong>verbrauchs bei. Obwohl<br />
die Zahl der <strong>Öl</strong>heizungen seit 1990 mit sechs Millionen konstant geblieben ist, hat sich der Verbrauch<br />
von Heizöl in Deutschland <strong>im</strong> selben Zeitraum nahezu halbiert. Im Strombereich spielt <strong>Öl</strong> als Energieträger<br />
praktisch keine Rolle mehr. Noch 1973 wurden 13 Prozent des Stroms aus Mineralöl erzeugt, dieser Anteil<br />
ist bereits bis zum Anfang der 1980er-Jahre auf das heutige Niveau von unter 2 Prozent zurückgegangen.<br />
Im Ergebnis haben diese Entwicklungen marktgetriebene Effizienzsteigerungen ermöglicht, sodass der <strong>Öl</strong>verbrauch,<br />
trotz Wirtschaftswachstum, von 1996 bis 2009 durchschnittlich um 1,7 Prozent pro Jahr gesunken<br />
ist.<br />
7 <strong>Öl</strong>verbrauch bezogen auf die Wirtschaftsleistung.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 11
12 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Wahrnehmung 2<br />
„Die <strong>Öl</strong>industrie entzieht sich dem Wettbewerb“<br />
Realität ist:<br />
Der Wettbewerb in der <strong>Öl</strong>wirtschaft ist härter denn je. Vom Bohrloch<br />
bis zur Zapfsäule – in allen Marktsegmenten wird um Marktanteile<br />
und Kunden gerungen.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 13
Die Segmente des <strong>Öl</strong>geschäfts bilden getrennte Märkte<br />
Der Mineralölsektor umfasst drei Hauptbereiche: die Erdölsuche und -förderung („Upstream“), die Rohölverarbeitung<br />
sowie den Vertrieb der Endprodukte wie Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin („Downstream“). Die<br />
damit verbundenen Geschäftsaktivitäten finden auf unterschiedlichen Märkten statt. Denn Benzin und andere<br />
Endprodukte werden auf den jeweiligen globalen Produktmärkten unabhängig vom Rohölmarkt gehandelt.<br />
Wesentliche Marktsegmente in der Mineralölwirtschaft<br />
Das Upstream-Geschäft (Fachbegriff: Exploration & Produktion, E&P) umfasst dabei alle Aktivitäten zur<br />
Rohstoffgewinnung von der Suche und geologischen Erschließung von Erdölvorkommen über deren Förderung<br />
bis hin zur Bereitstellung des aufbereiteten Rohöls zum weiteren Transport in die Verbrauchermärkte.<br />
Wichtigste Handelsplätze für das global gehandelte Rohöl sind die NYMEX 8 in New York und die ICE 9 in<br />
London. Ein erfolgreiches Upstream-Geschäft setzt keine nachfolgenden Geschäftsfelder wie die Rohölverarbeitung<br />
oder den Endproduktvertrieb voraus, nicht zuletzt da die Produkte auf unterschiedlichen und voneinander<br />
unabhängigen Märkten mit hoher Liquidität gehandelt werden. Dies belegt die steigende Zahl der<br />
auf ein Marktsegment spezialisierten Unternehmen.<br />
Raffinerien zählen zum Downstream-Bereich. Hier erfolgt die Umwandlung und Veredlung des Rohöls. Die<br />
Produkte werden an den globalen Märkten zu Weltmarktpreisen gehandelt. Wichtigster Handelsplatz für<br />
Deutschland ist der Rotterdamer Spotmarkt. Das zweite Downstream-Segment bildet der Produktvertrieb an<br />
die Endkunden beispielsweise an Tankstellen oder über Heizöl-Händler.<br />
Darüber hinaus gibt es weitere Geschäftsfelder auf dem Weg vom Bohrloch bis zum Endverbraucher, die<br />
überwiegend von spezialisierten Unternehmen oder Unternehmenskooperationen betrieben werden. So sind<br />
etwa Tanklager überwiegend <strong>im</strong> Besitz spezialisierter und unabhängiger Unternehmen oder werden als Gemeinschaftslager<br />
offen für alle Marktteilnehmer betrieben. Hinzu kommen unabhängige Akteure wie die<br />
Bahn, Schiffsreeder und Tankwagenspeditionen.<br />
8 New York Mercantile Exchange.<br />
9 Intercontinental Exchange.<br />
14 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Die Geschäftsfelder sind bei integrierten Unternehmen faktisch getrennt<br />
Die vertikal integrierte Organisationsform einiger privatwirtschaftlicher <strong>Öl</strong>gesellschaften ist historisch gewachsen<br />
und beschleunigte den Aufbau der Mineralölwirtschaft. Die Mineralölgesellschaften förderten nicht<br />
nur den neuen Rohstoff, sondern sorgten mit ihrer Kapitalkraft für den Aufbau von Verarbeitungskapazitäten<br />
und einer Vertriebsstruktur. Mit zunehmendem Angebot an Mineralölprodukten wurden die Märkte liquider.<br />
Sowohl <strong>im</strong> Geschäftsfeld Exploration & Produktion als auch <strong>im</strong> Raffinerie- und <strong>im</strong> Tankstellengeschäft haben<br />
sich intensive Wettbewerbsmärkte gebildet. Vertikal integrierte Unternehmen von heute betreiben diese Geschäftsfelder<br />
operativ getrennt. Neben den integrierten <strong>Öl</strong>gesellschaften sind <strong>im</strong> heutigen <strong>Öl</strong>markt auch Unternehmen<br />
tätig, die auf einen Geschäftsbereich spezialisiert sind. Die bevorzugte Organisationsform ist eine<br />
unternehmerische Entscheidung und unterliegt einem ständigen Wandel, wie zuletzt die Trennung von Upstream-<br />
und Downstream-Geschäft be<strong>im</strong> drittgrößten US-amerikanischen <strong>Öl</strong>unternehmen ConocoPhilips<br />
zeigt.<br />
Von der operativ vertikalen Integration zu unabhängigen Wettbewerbsmärkten<br />
Aus ihren Ursprüngen als Lieferant von Lampenöl war es für die Mineralölwirtschaft notwendig – parallel zur<br />
Motorisierung der Gesellschaft – schrittweise den geänderten Anforderungen eines Massenprodukts wie<br />
Kraftstoff zu begegnen. Rohölproduzenten mussten Raffinerien und Vertriebsstrukturen aufbauen, um veredelte<br />
Rohölprodukte überhaupt in nennenswerten Mengen vermarkten zu können. Daher war für Unternehmen<br />
der <strong>Öl</strong>wirtschaft die vertikale Integration 10 typisch und sinnvoll.<br />
Bei oberflächlicher Betrachtung scheinen die in Deutschland tätigen internationalen <strong>Öl</strong>unternehmen auch<br />
heute noch weitgehend vertikal integriert zu sein. Die Marktrealität unterscheidet sich aber grundsätzlich von<br />
früheren Jahren. Nach Verstaatlichung vieler <strong>Öl</strong>vorkommen und begünstigt durch die starken Preisausschläge<br />
infolge der beiden <strong>Öl</strong>krisen in den 1970er Jahren haben die privatwirtschaftlichen Unternehmen neue<br />
Fördergebiete (z.B. Nordsee) erschlossen. Hierdurch konnte die weggefallene Produktion ersetzt und eine<br />
OPEC-unabhängige Förderung sichergestellt werden. Weitere Marktteilnehmer kamen stetig hinzu.<br />
10 Zusammenfassen von Betrieben unterschiedlicher Produktionsstufen unter einer einheitlichen Unternehmensführung mit dem Ziel,<br />
die Wertschöpfungs- und Lieferketten eines Unternehmens zu opt<strong>im</strong>ieren und externe Abhängigkeiten und Risiken zu reduzieren.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 15
Infolge dieser kontinuierlichen Weiterentwicklung zählt der Rohölmarkt von heute zu den funktionsfähigsten<br />
Rohstoffmärkten weltweit. Er gilt als Lehrbuchbeispiel eines globalen Marktes mit weltweiten Handelsströmen,<br />
einer breit diversifizierten globalen Transportinfrastruktur, verschiedenen Handelsplattformen und einer<br />
sehr hohen Zahl von Marktteilnehmern. Daher dient der Rohölmarkt für viele andere Handelsgüter als Leitmarkt.<br />
Die hohe Zahl von Anbietern und Nachfragern führte zu einer enorm hohen Liquidität und vergleichsweise<br />
geringen Transaktionskosten 11 . Somit bietet er den Marktakteuren eine effiziente Plattform für Handelsaktivitäten.<br />
Aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks nutzen heute praktisch alle vertikal integrierten Unternehmen die<br />
Mechanismen der Weltmärkte, um das Geschäft so effizient wie möglich zu führen. Dazu gehört auch die<br />
operative Trennung von Upstream- und Downstream-Geschäft. Eigenes Rohöl wird auf dem Weltmarkt zu<br />
Marktpreisen angeboten und verkauft. Der Rohöl- und Produktenbezug für die eigenen Raffinerien wird davon<br />
unabhängig über die entsprechenden Weltmärkte opt<strong>im</strong>iert. Ökonomen 12 sprechen auch von einem<br />
Wandel von den ehemals operativ vertikal integrierten Unternehmen hin zu finanziell vertikal integrierten<br />
Unternehmen. Letztgenannte steuern lediglich die internen Finanzströme ihrer Konzerngesellschaften. Davon<br />
losgelöst wird der Fluss der eigenen physischen Güter (Rohöl, Produkte) unter Nutzung der Effizienzvorteile<br />
der jeweiligen Märkte opt<strong>im</strong>iert.<br />
Die jüngsten Entwicklungen in der Mineralölwirtschaft stützen diesen Befund. Mit dem US-Unternehmen<br />
ConocoPhillips, Betreiber des Jet-Tankstellennetzes in Deutschland, hat ein vertikal integriertes Unternehmen<br />
<strong>im</strong> Mai 2012 die Ausgliederung seiner Downstream-Aktivitäten (jetzt Philips66) vollendet und nunmehr<br />
unternehmerisch vollkommen vom Upstream-Geschäft getrennt.<br />
11 European Central Bank: Oil Market Structure, Network Effects and the Choice of Currency for Oil Invoicing, 2007.<br />
12 Stevens, P.J.; University of Dundee: Oil Markets, Oxford Review of Economic Policy, Vol. 21, No. 1. 2005.<br />
16 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Die <strong>Öl</strong>förderung ist für das eigene Tankstellennetz viel zu gering<br />
Die Vertriebsprodukte an der Tankstelle stammen in aller Regel nicht aus der Förderung privatwirtschaftlicher<br />
<strong>Öl</strong>gesellschaften. Die Unternehmen sind schon aufgrund der Mengenverhältnisse nicht in der Lage, ihr<br />
Produktvertriebsvolumen aus eigener Förderung zu bedienen. Für das Berichtsjahr 2011 geht aus den Geschäftsberichten<br />
der Unternehmen hervor, dass rein rechnerisch eine Eigenversorgung von bis zu 30 Prozent<br />
möglich wäre. Dieser Wert ist aber rein theoretisch, da in der Praxis die Unternehmen das Rohöl für ihre<br />
Raffinerien in erster Linie nach Qualitätseigenschaften, logistischen Kriterien und Preisen opt<strong>im</strong>iert beziehen.<br />
Raffinerien haben eine standortbedingte Lieferanbindung und sind für best<strong>im</strong>mte Rohölsorten ausgelegt, die<br />
nur selten mit der eigenen Förderung <strong>im</strong> Einklang steht. In der Marktrealität wird das selbst geförderte Rohöl<br />
am Weltmarkt verkauft und die Versorgung der eigenen Raffinerien mit geeignetem Rohöl über den Weltmarkt<br />
opt<strong>im</strong>iert.<br />
Rohölförderung, Raffineriedurchsatz und Vertriebsvolumen der privaten <strong>Öl</strong>unternehmen<br />
Quelle: Unternehmensberichte 2011: BP, ConocoPhilips, ExxonMobil, Shell, Total<br />
Beispielrechnung: Die Konzerngesellschaften der fünf großen Tankstellenbetreiber in Deutschland wiesen<br />
<strong>im</strong> Jahr 2011 in ihren Geschäftsberichten ein Vertriebsvolumen ihrer Produkte weltweit von 25,2 Mio. Barrel<br />
pro Tag aus. Die eigenen weltweiten Raffineriekapazitäten dieser Unternehmen wären nicht in der Lage<br />
gewesen, dieses Vertriebsvolumen herzustellen. Sie hatten einen deutlich geringeren Rohöldurchsatz von<br />
14,4 Mio. Barrel pro Tag. Selbst wenn die eigenen Raffinerieprodukte ausschließlich an die eigenen Vertriebsstellen<br />
weiterverkauft würden, hätten noch 43 Prozent der Produkte auf dem Weltmarkt zugekauft werden<br />
müssen. Hinzu kommt, dass die gesamte Eigenförderung der fünf Unternehmen bei weitem nicht ausreichte,<br />
um den eigenen Raffineriedurchsatz zu bedienen. Die Rohölförderung lag mit 8,2 Mio. Barrel pro<br />
Tag deutlich darunter. Die fünf betrachteten Unternehmen wären damit nicht ansatzweise in der Lage, ihr<br />
gesamtes Vertriebsvolumen aus eigener Förderung zu bedienen. 13<br />
13 Raffinerieeigenbedarf von 6 bis 8%, Volumenänderungen und Produkte für chemische Industrie nicht eingerechnet.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 17
18 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Realität ist:<br />
Wahrnehmung 3<br />
„Die Oil-Majors dominieren den Markt“<br />
Big Oil ist Geschichte. Heute kontrollieren staatliche <strong>Öl</strong>unternehmen<br />
den Zugang zum <strong>Öl</strong> und damit den Markt. Nur durch ihr Know-how<br />
und ihre Finanzkraft können die Oil-Majors <strong>im</strong> Wettbewerb um den<br />
Zugang zu <strong>Öl</strong>feldern bestehen.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 19
Staatliche <strong>Öl</strong>unternehmen kontrollieren heute den Zugang zum <strong>Öl</strong><br />
Die weltweiten <strong>Öl</strong>reserven sind heute fast vollständig in der Hand von Staatsunternehmen (National Oil<br />
Companies, NOC). Im Jahr 2007 wurden 88 Prozent der weltweiten <strong>Öl</strong>reserven von NOC kontrolliert. Demgegenüber<br />
haben die privaten <strong>Öl</strong>unternehmen (Investor Owned Companies, IOC) Zugang zu rund 6 Prozent<br />
der weltweiten <strong>Öl</strong>quellen. Der Einfluss der IOC auf den globalen Rohölmarkt ist also weitaus geringer als oft<br />
angenommen. „Big Oil“ ist Geschichte.<br />
Zugang zu <strong>Öl</strong>reserven in den Jahren 1970 und 2007<br />
Quelle: American Petroleum Institute, Energizing America, 2011<br />
Bis zur ersten <strong>Öl</strong>preiskrise 1973 hielten wenige multinationale, privatwirtschaftliche Unternehmen westlicher<br />
Industrieländer 14 auf dem globalen <strong>Öl</strong>markt einen hohen Marktanteil. Referenz für den globalen Handel mit<br />
<strong>Öl</strong> war der sogenannte „Posted Price“. Er beinhaltete Konzessionsabgaben an den Staat, auf dessen Territorium<br />
das <strong>Öl</strong> gefördert wurde. Im Jahr 1970 hatten die privatwirtschaftlichen <strong>Öl</strong>unternehmen durch langfristige<br />
Lizenzvereinbarungen Zugang zu rund 85 Prozent der weltweiten <strong>Öl</strong>reserven.<br />
Nach Auslaufen der Lizenzvereinbarungen und Verstaatlichung der <strong>Öl</strong>vorkommen sowie einer substanziellen<br />
Steigerung der nachgewiesenen <strong>Öl</strong>reserven verschoben sich die Verhältnisse entscheidend. Den Zugriff<br />
auf das <strong>Öl</strong> kontrollieren heute fast vollständig (2007: 88 Prozent) die Staaten bzw. Staatsunternehmen, sogenannte<br />
NOC, in den Ländern, auf deren Gebiet die <strong>Öl</strong>vorkommen liegen. Nur noch rund 6 Prozent der<br />
weltweiten <strong>Öl</strong>reserven stehen den IOC mittels Lizenzvereinbarungen grundsätzlich für eine Förderung zur<br />
Verfügung. Weitere bis zu 10 Prozent, der unter Kontrolle der NOC stehenden <strong>Öl</strong>vorkommen, sind prinzipiell<br />
<strong>im</strong> Rahmen von Joint-Ventures zwischen IOC und NOC verhandelbar.<br />
14 Besonderes Gewicht hatten die sogenannten „Seven Sisters“: Standard Oil of New Jersey (später ExxonMobil); Royal Dutch Shell;<br />
Anglo-Persian Oil Company (später BP); Standard Oil Co. of New York (später ExxonMobil); Standard Oil of California (später Chevron);<br />
Gulf Oil (später Chevron, BP und Cumberland Farms); Texaco (später Chevron).<br />
20 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Private <strong>Öl</strong>unternehmen sind <strong>im</strong> globalen Maßstab kleine Player<br />
Im Jahr 2007 zählten von den sogenannten „Oil-Majors“ gerade noch drei zu den Top-20-Unternehmen mit<br />
den weltweit größten <strong>Öl</strong>vorkommen. Ihr jeweiliger Anteil an den <strong>Öl</strong>reserven lag deutlich unter 1 Prozent.<br />
Ähnlich ist die Situation bei der Weltölproduktion. Diese Größenverhältnisse machen deutlich, dass auf dem<br />
Rohölmarkt von einer überragenden Marktmacht der „Oil-Majors“ keine Rede sein kann. Es stellt sich <strong>im</strong><br />
Gegenteil die Frage, ob es <strong>im</strong> Sinne einer Stärkung der Marktkräfte und der Verbreitung effizienter und<br />
nachhaltiger Produktionstechniken nicht wünschenswert wäre, wenn die Bedeutung privatwirtschaftlicher<br />
Unternehmen künftig wieder wachsen würde.<br />
Erdölreserven 2007: Die 20 wichtigsten Unternehmen<br />
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Energierohstoffe 2009<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 21
Im Wettbewerb um <strong>Öl</strong>felder entscheiden Know-how und Finanzkraft<br />
Für private <strong>Öl</strong>unternehmen (IOC) sind technische Kompetenz und Finanzkraft entscheidende Faktoren eines<br />
erfolgreichen und nachhaltigen Upstream-Geschäfts. Nur so können sie <strong>im</strong> harten Wettbewerb um Explorations-<br />
und Förderlizenzen untereinander und mit staatlichen <strong>Öl</strong>gesellschaften (NOC) bestehen. Doch auch<br />
bei der <strong>Öl</strong>förderung privater Unternehmen profitieren die <strong>Öl</strong>staaten am stärksten. Denn sie erheben bei der<br />
Erschließung der <strong>Öl</strong>felder hohe Steuern und Abgaben.<br />
Beispielkonstellationen für die Förderung und Vermarktung von Rohöl (schematische Darstellung)<br />
Im Rahmen der Exploration & Produktion (E&P) stellt die Förderung des Rohöls an die Erdoberfläche einen<br />
der letzten Prozessschritte dar. Der wesentliche Teil des Upstream-Prozesses ist die Suche nach Erdöllagerstätten<br />
und deren geologische Analyse. Dabei werden hochkomplexe Analysemethoden eingesetzt und<br />
teure Versuchsbohrungen mit Hilfe modernster Technik durchgeführt. Gerade in diesem Segment weisen die<br />
privaten <strong>Öl</strong>unternehmen ein hohes Maß an Expertise auf und investieren enorme Summen. Je höher der<br />
<strong>Öl</strong>preis langfristig eingeschätzt wird, umso größer ist der Anreiz, auch in aufwändigere E&P-Projekte zu investieren.<br />
Damit werden technisch anspruchsvolle und vormals unwirtschaftliche Projekte realisierbar, die<br />
gleichzeitig die einzige Möglichkeit für private <strong>Öl</strong>unternehmen darstellen, Zugang zu <strong>Öl</strong>vorkommen zu erlangen.<br />
22 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Wahrnehmung 4<br />
„Die <strong>Öl</strong>industrie ist schuld am hohen Benzinpreis“<br />
Realität ist:<br />
Vom Bohrloch bis zur Zapfsäule verdienen die privaten <strong>Öl</strong>unternehmen<br />
in Deutschland durchschnittlich 3 Eurocent pro Liter Benzin.<br />
Die wahren Nutznießer sind die Staaten. Be<strong>im</strong> Rohöl profitieren<br />
die <strong>Öl</strong>staaten am stärksten, an der Tankstelle ist es der deutsche<br />
Fiskus.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 23
Viele Faktoren best<strong>im</strong>men den Benzinpreis<br />
Die Preisbildung für Kraftstoffe ist transparent, aber dennoch für Außenstehende sehr komplex. Neben dem<br />
Rohölpreis als größtem Einflussfaktor ist die Angebots- und Nachfragesituation am weltweiten Produktmarkt<br />
für Benzin und Diesel entscheidend. Da der Handel mit Rohöl, Raffinerieprodukten sowie der Verkauf von<br />
Benzin auf unterschiedlichen Märkten stattfinden, ist der Wechselkurs zwischen US-Dollar und Euro ebenfalls<br />
von großer Bedeutung. Hinzu kommt die hohe Steuer- und Abgabenlast, die den Endkundenpreis an<br />
der Tankstelle in Deutschland entscheidend mitbest<strong>im</strong>mt (zuletzt bis zu 60 Prozent des Benzinpreises). Das<br />
heißt, eine Vielzahl von Faktoren best<strong>im</strong>mt den Preis an der Tankstelle.<br />
Preisbildung <strong>im</strong> Mineralölmarkt<br />
Die Ursachen für best<strong>im</strong>mte Preisniveaus oder -entwicklungen von Rohöl können vielfältig sein. Grundsätzlich<br />
entscheidend ist die aktuelle und künftig erwartete Angebots- und Nachfragesituation. Sie wird in erster<br />
Linie durch Fundamentaldaten etwa zu Reserven, Fördermengen und langfristiger Wirtschaftsentwicklung<br />
best<strong>im</strong>mt. Hinzu kommen weitere marktrelevante Faktoren sowie eine schwer abschätzbare Markt-<br />
Psychologie, die z. B. durch Markterwartungen, geopolitische Entwicklungen oder Versorgungs-/Nachfrageausfälle<br />
getrieben werden. Ergebnis des Zusammenspiels dieser Faktoren sind die weltweiten Rohölnotierungen.<br />
Aufgrund des hohen Anteils der OPEC 15 an der weltweiten <strong>Öl</strong>förderung von rund 40 Prozent sowie<br />
der Möglichkeit, als einziger Akteur durch freie Förderkapazitäten 16 die Produktion nach oben oder unten zu<br />
variieren, ist die OPEC grundsätzlich in der Lage, die Angebotsmenge in erheblichem Maße zu steuern und<br />
damit direkte Preiseffekte zu erzeugen. Somit kommt der „OPEC-Politik“ bei der Preisbildung für Rohöl eine<br />
Schlüsselrolle zu.<br />
Die Rohölnotierungen sind aber nur ein Preisbestandteil auf dem Weg zur Tankstelle. Es kommen weitere<br />
Best<strong>im</strong>mungsfaktoren hinzu. Neben dem Rohölpreis ist vor allem die Angebots- und Nachfragesituation am<br />
Produktmarkt von entscheidender Bedeutung. Kurzfristig können die Preise für Benzin aufgrund saisonaler<br />
15 Organization of the Petroleum Exporting Countries; Mitglieder 2012: Algerien, Angola, Ecuador, Iran, Irak, Katar, Kuwait, Libyen,<br />
Nigeria, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Venezuela.<br />
16 2011 betrug die freie Förderkapazität der OPEC mit ca. 3 Mio. Barrel pro Tag etwa 3 % des weltweiten <strong>Öl</strong>verbrauchs.<br />
24 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
und marktspezifischer Besonderheiten deutlich vom Preistrend des Rohöls abweichen. Beginnt z.B. in den<br />
USA die Fahrsaison, erhöht sich die Nachfrage nach Benzin und der Weltmarktpreis steigt. Denn mit rund<br />
9 Mio. Barrel pro Tag ist der Benzinverbrauch in den USA rund 20-mal so groß wie in Deutschland und der<br />
größte weltweit. Veränderungen der Nachfrage in den USA haben daher einen besonders großen Einfluss<br />
auf den Weltmarktpreis. Andererseits kann eine schwache Benzinnachfrage dazu führen, dass der Benzinpreis<br />
zwischenzeitlich unter den Einstandspreis für Rohöl fällt.<br />
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Preisbildung sind die Wechselkurse. Rohöl und auch Mineralölprodukte<br />
wie Benzin und Diesel werden auf den jeweiligen Weltmärkten in US-Dollar gehandelt. Die Endkundenpreise<br />
an einer deutschen Tankstelle werden aber in Euro bezahlt. Das bedeutet, bei schwächerem Euro müssen<br />
selbst bei konstanten Rohöl- und Produktpreisen am Weltmarkt mehr Euro pro Einheit Produkt ausgegeben<br />
werden. Dies führt zu höheren Einkaufspreisen für die Tankstellen. Vergleiche von Rohöl-, Produkt-, und<br />
Endkundenpreisen sollten daher stets in Euro vorgenommen werden, um den Einfluss des Wechselkurses<br />
zu neutralisieren. Ganz wesentlich für die Tankstellenpreise sind Steuern und Abgaben, die auf der letzten<br />
Ebene, der Vertriebsebene, hinzukommen und zuletzt mit rund 90 Eurocent pro Liter (inkl. MwSt) bis zu<br />
60 Prozent des Endpreises für Benzin ausmachen.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 25
Der Rohölpreis ist durch die <strong>Öl</strong>staaten getrieben<br />
Hauptprofiteure hoher <strong>Öl</strong>preise sind die <strong>Öl</strong>förderländer, allen voran die Mitglieder der OPEC. Der Abstand<br />
zwischen dem Weltmarktpreis und den durchschnittlichen Förderkosten für Rohöl steigt seit einigen Jahren<br />
an. Dadurch erzielen die <strong>Öl</strong>staaten zunehmend höhere Einnahmen. Besonders deutlich wird dies in den<br />
OPEC-Staaten des Nahen Ostens, wo die Förderkosten mit ca. 5-10 US-Dollar pro Barrel besonders niedrig<br />
sind. Gleichzeitig hat die expansive Ausgabepolitik in den arabischen Staaten dazu geführt, dass <strong>im</strong>mer<br />
mehr Geld aus der <strong>Öl</strong>förderung zur Staatsfinanzierung benötigt wird. So lag der „Budget-breakeven“ <strong>im</strong> Jahr<br />
2002 bei rund 25 US-Dollar pro Barrel, <strong>im</strong> Jahr 2006 bei bis zu 55 US-Dollar pro Barrel. Im Jahr 2011 bezifferte<br />
die IEA den „Budget-breakeven“ bereits mit über 80 US-Dollar pro Barrel 17 . In der ersten Hälfte des<br />
Jahres 2012 nannten Medienberichten zufolge verschiedene OPEC-Mitglieder, darunter Saudi Arabien,<br />
100 US-Dollar pro Barrel als „fairen“ Preis für <strong>Öl</strong>. Mit anderen Worten: Auch der deutsche Autofahrer wird<br />
<strong>im</strong>mer stärker für die Haushaltspolitik der <strong>Öl</strong>staaten zur Kasse gebeten.<br />
Förderkosten, notwendige Einnahmen der Staatshaushalte und kommerzielle Attraktivität<br />
Quelle: Internationale Energieagentur, World Energy Outlook 2011<br />
17 World Energy Outlook 2011, International Energy Agency.<br />
26 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Die Rohölversorgung Deutschlands ist stark diversifiziert<br />
Deutschland verfügt nur über geringe he<strong>im</strong>ische <strong>Öl</strong>vorkommen. Die inländische <strong>Öl</strong>förderung von jährlich<br />
rund 3 Mio. Tonnen kann nur einen kleinen Teil des Verbrauchs decken. Die Importquote liegt bei 97 Prozent.<br />
Ungeachtet dessen ist die Versorgungssicherheit hoch, denn die Importstruktur ist nach Lieferländern<br />
stark diversifiziert. So wurde Rohöl <strong>im</strong> Jahr 2011 aus rund 40 Ländern eingeführt.<br />
Rohölversorgung Deutschlands <strong>im</strong> Jahr 2011<br />
Quelle: <strong>MWV</strong>-Jahresbericht Mineralölzahlen 2011<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 27
Staaten profitieren von steigenden Benzinpreisen<br />
Vom Bohrloch bis zur Zapfsäule verdienen die privaten Mineralölunternehmen in Deutschland durchschnittlich<br />
3 Eurocent pro Liter Benzin. Richtig teuer wird es für den Tankkunden erst durch Steuern und andere<br />
Staatsabgaben, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Staaten erhoben werden, in denen das<br />
Rohöl gefördert wird. Auf das Konto des deutschen Fiskus gingen <strong>im</strong> Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2011<br />
fast 90 Eurocent pro Liter Benzin. Die <strong>Öl</strong>staaten profitierten ebenfalls erheblich – und zwar unabhängig davon,<br />
ob der Staat über seine staatliche <strong>Öl</strong>gesellschaft das Erdöl selbst fördert oder Förderlizenzen an private<br />
<strong>Öl</strong>gesellschaften (Investor Owned Companies, IOC) vergibt. Denn als Lizenznehmer leisten die IOC hohe<br />
Steuer- und Abgabenzahlungen an die <strong>Öl</strong>staaten.<br />
Kosten, Steuern und Gewinn – vom Bohrloch bis zur Zapfsäule – für einen Liter Benzin<br />
(Durchschnitt der Jahre 2009 - 2011)<br />
An dem weit überwiegenden Teil des in Deutschland verarbeiteten Rohöls aus Russland, den GUS-Staaten<br />
und der OPEC verdienen praktisch nur diese <strong>Öl</strong>staaten. Nur etwa 20 Prozent der deutschen Rohölversorgung<br />
stammt aus der Förderung durch IOC. Durch hohe Abgaben und Steuern verdienen die <strong>Öl</strong>staaten als<br />
Lizenzgeber auch dabei kräftig mit. Grundsätzlich ist die Zuordnung des Gewinns einzelner Stufen auf Raffinerieprodukte<br />
nicht möglich, weil dem die Gegebenheiten an den Märkten und die Koppelproduktion in der<br />
Raffinerie entgegenstehen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat mit vereinfachenden Annahmen eine<br />
Abschätzung vorgenommen, die zumindest eine Orientierung über die Größenordnung zulässt. Danach verbleibt<br />
vom gesamten Upstream-Gewinn aus der <strong>Öl</strong>förderung der IOC <strong>im</strong> Zeitraum 2009 bis 2011 eine durchschnittliche<br />
Gewinnspanne von rund 0,8 bis 1,6 Eurocent pro Liter Benzin, das an Tankstellen in Deutschland<br />
verkauft wird. Im zyklischen Rohöl-Verarbeitungsgeschäft konnten die Raffinerien in den Jahren 2009<br />
bis 2011 keinen Gewinn erwirtschaften, wie die Berechnungen des Energie-Informationsdienstes zeigen 18 .<br />
Die Tankstellen verdienten <strong>im</strong> Zeitraum 2009 bis 2011 rund 1 bis 2 Eurocent pro Liter. Insgesamt betrug der<br />
Gewinn für die privaten <strong>Öl</strong>unternehmen vom Bohrloch bis zur Zapfsäule rund 3 Eurocent pro Liter Benzin.<br />
Das heißt: Die Hauptverantwortlichen für hohe Benzinpreise und deren Profiteure sind die Staaten.<br />
18 Im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre lag der Gewinn bei etwa 0,5 Eurocent pro Liter verarbeiteten Rohöls.<br />
28 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Erläuterung zur Berechnung des Upstream-Segmentes:<br />
Die nachfolgende Darstellung beschreibt die Annahmen und den Rechenweg,<br />
um den Gewinn privater <strong>Öl</strong>gesellschaften aus der weltweiten Erdölexploration<br />
und -förderung, auf einen in Deutschland verkauften Liter Benzin herunter zu<br />
brechen. Grundsätzlich stehen einer solchen Zuordnung die Gegebenheiten an<br />
den Märkten und die Koppelproduktion in der Raffinerie entgegen. Um dennoch eine Orientierung über die<br />
Größenordnung der Gewinnspanne zu geben, wurde eine Abschätzung auf Basis vereinfachender Annahmen<br />
durchgeführt, die auch eine Größenordnung für die Upstream-Einnahmen der <strong>Öl</strong>staaten ableitet.<br />
1. Gewinn aus privatwirtschaftlicher <strong>Öl</strong>förderung (IOC) 19<br />
Die jährlichen Unternehmensberichte weisen den Upstream-Gewinn nach Steuern für die gesamte <strong>Öl</strong>-<br />
und Gasförderung als Gesamtwert aus. Anhand des Verhältnisses der <strong>Öl</strong>- und Gasfördermengen lässt<br />
sich daraus der Upstream-Gewinn für Rohöl ableiten. Mit diesem Ansatz wird vereinfachend angenommen,<br />
dass der finanzielle Aufwand zur Förderung von <strong>Öl</strong> und Gas gleich groß ist. Dividiert man diesen<br />
Gewinnanteil durch die Rohöl-Jahresproduktion, erhält man den Gewinn pro gefördertem Liter Rohöl.<br />
Daraus ergibt sich für die fünf betrachteten IOC <strong>im</strong> Zeitraum 2009 bis 2011 ein Upstream-Gewinn von<br />
durchschnittlich 5,6 Eurocent/Liter Rohöl. Als Differenz zwischen dem errechneten Gewinn und dem <strong>Öl</strong>preis<br />
verbleiben <strong>im</strong> Zeitraum 2009 bis 2011 durchschnittlich 33 Eurocent/Liter. Dieser Wert reflektiert<br />
nicht nur die Explorations- und Förderkosten, sondern auch sämtliche Abgaben, wie beispielsweise Lizenzgebühren,<br />
Royalties und Steuern, die private <strong>Öl</strong>gesellschaften an den Staat zu zahlen haben, in<br />
dessen Besitz sich das <strong>Öl</strong>vorkommen befindet. Eine Differenzierung zwischen Kosten und Abgaben ist<br />
mangels öffentlich zugänglicher Daten nicht möglich.<br />
2. Gewinn aus staatlicher <strong>Öl</strong>förderung (NOC)<br />
Da staatseigene <strong>Öl</strong>gesellschaften in der Regel keine detaillierten Unternehmensergebnisse veröffentlichen,<br />
muss der Upstream-Gewinn auf andere Weise abgeschätzt werden. Vereinfachend wird daher der<br />
Gewinn aus der Differenz der internationalen Rohölpreisnotierung und den durchschnittlichen Rohölförderkosten<br />
nach Angaben des Münchener ifo-Instituts 20 von 11,4 US-Dollar/Barrel abgeleitet. Daraus ergeben<br />
sich für die NOC <strong>im</strong> Zeitraum 2009 bis 2011 durchschnittliche Förderkosten von 5,2 Eurocent/Liter<br />
Rohöl und ein Upstream-Gewinn von durchschnittlich 33,4 Eurocent/Liter Rohöl.<br />
Upstream-Kosten, -Abgaben und -Gewinn bezogen auf 1 Liter Rohölförderung (weltweit)<br />
19 Hier betrachtete Unternehmen: BP, ConocoPhilips, ExxonMobil, Shell, Total.<br />
20 Abschätzung der Förderkosten für Energierohstoffe, ifo-Schnelldienst 2/2010.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 29
3. Um den abgeschätzten Upstream-Gewinn einzelnen Produkten (wie Benzin) zuweisen zu können,<br />
sind weitere Berechnungsschritte mit vereinfachenden Annahmen erforderlich:<br />
a) Rohöl wird in der Raffinerie fast vollständig in verschiedene nutzbare Produkte umgewandelt. Vereinfachend<br />
werden Upstream-Kosten und –Gewinn bei Vernachlässigung des Eigenverbrauchs gleichmäßig<br />
auf alle Produkte verteilt. Diese Annahme ermöglicht es, die Upstream-Ergebnisse privater <strong>Öl</strong>gesellschaften<br />
unabhängig von der jeweiligen Produktausbeute 1:1 einzelnen Produkten zuzuweisen.<br />
b) Raffinerien in Deutschland beziehen ihr Rohöl in erster Linie aus ihrem Handelsgeschäft, bei dem der<br />
Bezug nach Qualitätseigenschaften, logistischen Kriterien und Preisen opt<strong>im</strong>iert wird.<br />
Fall 1: Die Rohölversorgung deutscher Raffinerien erfolgt etwa zu 20% aus privater <strong>Öl</strong>förderung (IOC)<br />
und zu 80% aus staatlicher <strong>Öl</strong>förderung (NOC). Bei diesen Mengenverhältnissen errechnet sich von<br />
2009 bis 2011 ein anteiliger Upstream-Gewinn für IOC von durchschnittlich 1,1 Eurocent/Liter<br />
(20% von 5,6 Eurocent/Liter) sowie für NOC von durchschnittlich 26,7 Eurocent/Liter (80% von<br />
33,4 Eurocent/Liter).<br />
Fall 2: Variiert man die Rohölversorgung deutscher Raffinerien und legt die globalen Mengenverhältnisse<br />
zu Grunde, wären die IOC theoretisch in der Lage, ihren globalen Raffineriedurchsatz zu rund<br />
60% aus eigener Rohölförderung zu bedienen. Die restlichen 40% müssten auf dem Weltmarkt beschafft<br />
werden. Daraus errechnet sich ein Upstream-Gewinnanteil für private <strong>Öl</strong>gesellschaften von<br />
durchschnittlich 3,4 Eurocent/Liter (60% von 5,6 Eurocent/Liter) sowie für staatliche <strong>Öl</strong>gesellschaften<br />
von durchschnittlich 13,3 Eurocent/Liter (40% von 33,4 Eurocent/Liter).<br />
Upstream-Kosten, -Abgaben sowie -Gewinn bezogen auf 1 Liter Benzin (Deutschland)<br />
30 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Realität ist:<br />
Wahrnehmung 5<br />
„Früher war das Autofahren viel billiger“<br />
Gemessen an der Kaufkraft ist Benzin kaum teurer als früher. Weil<br />
auch die Autos <strong>im</strong>mer sparsamer geworden sind, ist eine Tankfüllung<br />
für eine Strecke von 100 Kilometern heute deutlich schneller<br />
erarbeitet als noch vor 30 oder 40 Jahren.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 31
Die aktuelle Hochpreisphase ist vergleichbar mit den 1980er Jahren<br />
Die 1990er-Jahre waren durch eine längere Phase niedriger <strong>Öl</strong>preise mit einem Tiefpunkt von knapp oberhalb<br />
10 US-Dollar je Barrel 1998 gekennzeichnet. Eine rasante Zunahme der Weltölnachfrage, die vor allem<br />
aus dem kräftigen Wachstum der Schwellenländer Asiens resultierte, war die Ursache für den Preisauftrieb<br />
in den Jahren 1998 bis 2008. Nach der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise wurde das Spitzenniveau<br />
zeitweise wieder erreicht. Doch trotz der zuletzt zu beobachtenden Hochpreisphase liegt der <strong>Öl</strong>preis real<br />
betrachtet etwa auf vergleichbarem Niveau wie zu Anfang der 1980er-Jahre.<br />
Entwicklung der Preise für Rohöl (real und nominal)<br />
Quelle: Jahresdurchschnittspreise Brent nach EIA (bis 1975 OPEC-Korb); deflationiert mit CPI nach US Labor Department<br />
Zu Beginn der 1970er-Jahre 21 bildeten die Rohölpreise die Förderkosten für leicht zugängliches <strong>Öl</strong> ab und<br />
lagen unter 5 US-Dollar je Barrel. Durch Verstaatlichung von <strong>Öl</strong>feldern innerhalb der OPEC-Mitgliedstaaten<br />
konnte der <strong>Öl</strong>preis 1973 auf einem deutlich höheren Niveau („Official Selling Price“) festgelegt werden 22 . Die<br />
Preise entwickelten sich seither nicht linear. Im Verlauf der beiden <strong>Öl</strong>preiskrisen der 1970er-Jahre hat sich<br />
der Rohölpreis aufgrund der durch die OPEC gesteuerten Angebotsverknappungen kurzfristig erhöht. In den<br />
1980er-Jahren gab es dann einen deutlichen Rückgang der <strong>Öl</strong>preise. Den Anstoß dazu gab Saudi-Arabien<br />
Ende 1985 mit der Entscheidung, die restriktive Produktionspolitik aufzugeben und die Fördermengen deutlich<br />
zu erhöhen.<br />
Auch die 1990er-Jahre sind durch vergleichsweise niedrige <strong>Öl</strong>preise gekennzeichnet, die ihren Tiefpunkt von<br />
knapp über 10 US-Dollar je Barrel während der Asienkrise Ende 1998 erreichten. Mit Produktionsbeschränkungen<br />
erzwangen die OPEC-Länder wieder einen Preisanstieg. Eine rasante Zunahme der Weltölnachfrage,<br />
die aus dem kräftigen Wachstum der Schwellenländer Asiens resultierte, führte schließlich Mitte 2008 bei<br />
Rohöl, wie bei anderen Rohstoffen auch, zu neuen Höchstständen, die in der Spitze 147 US-Dollar pro Barrel<br />
erreichten. Im Jahr 2011 erreichte der Rohölpreis mit 111 US-Dollar pro Barrel den höchsten nominalen<br />
Jahresdurchschnittswert seit Beginn der Rohöl-Notierungen. Dennoch liegt real betrachtet, d.h. bei Berücksichtigung<br />
der Inflation, dieser aktuelle Rohölpreis etwa auf dem Niveau der frühen 1980er-Jahre.<br />
21 Zu dieser Zeit richtete sich der <strong>Öl</strong>handel am „Posted Price“ aus, der die Abgaben an die Förderländer und damit letztlich deren<br />
Staatshaushalt best<strong>im</strong>mte. Zur Absicherung ihrer Staatseinnahmen und Vermeidung eines Preisverfalls be<strong>im</strong> Rohöl gründeten die <strong>Öl</strong><br />
besitzenden Staaten 1960 die OPEC.<br />
22 Als Reaktion auf die höheren <strong>Öl</strong>preise der OPEC suchten die <strong>Öl</strong> <strong>im</strong>portierenden Staaten bereits in den 1970er-Jahren nach Möglichkeiten<br />
zur Verringerung ihres <strong>Öl</strong>bedarfs – etwa durch Energieeinsparung oder alternative Energieträger. Zudem wurden <strong>Öl</strong>felder erschlossen,<br />
die bei niedrigen Preisen nicht wirtschaftlich waren (z.B. Nordsee).<br />
32 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Die hohen Steuern machen Benzin erst teuer<br />
Der harte Wettbewerb um preissensible Kunden sowie hohe Umwelt- und Sicherheitsanforderungen haben<br />
zu höchst kosteneffizienten Strukturen in der Mineralölwirtschaft geführt. Der Verbraucher profitiert von einer<br />
preisgünstigen, sicheren und umweltverträglichen Versorgung mit Kraftstoffen. Vor Steuern lag der Benzinpreis<br />
einschließlich Vertriebskosten <strong>im</strong> Jahr 2011 bei rund 63 Eurocent pro Liter. Langfristig sind die Preise<br />
an den deutschen Tankstellen ein Spiegelbild der Preisentwicklung auf den internationalen Märkten: Beschaffungskosten<br />
und Verbraucherpreise bewegen sich <strong>im</strong> Gleichklang. Richtig teuer wird es erst, wenn der<br />
Fiskus die hohe Steuerbelastung mit rund 90 Cent pro Liter aufschlägt.<br />
Entwicklung der Preise und Steuern für Benzin (nominal) in Deutschland<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, Energie-Informationsdienst, <strong>MWV</strong>-Berechnungen, Tankstellenpreise ab 2010: www.clever-tanken.de<br />
Bei einem Tankstellenpreis von durchschnittlich 152,7 Eurocent pro Liter Benzin entfielen 2011 in Deutschland<br />
rund 40 Prozent des vom Verbraucher zu zahlenden Betrages auf das Produkt. Seit den 1980er Jahren<br />
hat sich der nominale Produktpreis zwar um mehr als die Hälfte erhöht. Allerdings sind gleichzeitig die steuerlichen<br />
Belastungen durch Energie- und Mehrwertsteuer um das Vierfache gestiegen. Sie betragen heute<br />
beinahe 60 Prozent des Tankstellenpreises. Der größte Profiteur an der Tankstelle ist also der Staat, der<br />
vom Tankstellenpreis rund 90 Eurocent pro Liter Benzin einbehält. Dabei wird auf die mit derzeit 65,45 Eurocent<br />
pro Liter Benzin ohnehin schon hohe Energiesteuer zusätzlich Mehrwertsteuer erhoben (Steuer auf die<br />
Steuer). Die Autofahrer werden dadurch jedes Jahr insgesamt mit mehr als 50 Milliarden Euro belastet.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 33
Die tatsächlichen Mobilitätskosten sind geringer als vor 40 Jahren<br />
Eine Tankfüllung für eine Strecke von 100 Kilometern ist heute deutlich schneller erarbeitet als früher. Im<br />
Jahr 2011 betrug der Arbeitsaufwand, bezogen auf den durchschnittlichen Nettoverdienst, rund 50 Minuten.<br />
Bis in die 1980er Jahre hinein war es noch über eine Stunde. Das heißt, trotz nominal zuletzt stark gestiegener<br />
<strong>Öl</strong>- und Benzinpreise sind die tatsächlichen Kosten für die individuelle Mobilität mit dem Auto weitaus<br />
geringer als noch vor 30 oder 40 Jahren.<br />
Benzinpreis und Kaufkraft: Benzinpreisentwicklung und Arbeitsaufwand für 100 km Tankfüllung<br />
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, 2012<br />
Für diese Entwicklung sind zwei Effekte best<strong>im</strong>mend: Zum einen ist Benzin gemessen an der heutigen Kaufkraft<br />
gegenwärtig kaum teurer als damals. Denn nicht nur Preise, sondern auch Löhne und Gehälter sind<br />
kontinuierlich gestiegen. Zum anderen führen <strong>im</strong>mer verbrauchsärmere Fahrzeuge dazu, dass Benzin heute<br />
wesentlich effizienter eingesetzt werden kann. Seit den 1970er-Jahren hat sich der Kraftstoffverbrauch um<br />
etwa 40 Prozent verringert. Erst die massive Erhöhung der Energiesteuer auf Benzin und Diesel in den Jahren<br />
1999 bis 2003 (damals noch Mineralölsteuer) hat den gewonnenen Vorteil für die Autofahrer aus gestiegener<br />
Kaufkraft und effizienteren Motoren teilweise wieder zunichtegemacht.<br />
34 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Wahrnehmung 6<br />
„Die <strong>Öl</strong>industrie wirtschaftet in die eigene Tasche“<br />
Realität ist:<br />
Die Rentabilität der <strong>Öl</strong>wirtschaft liegt be<strong>im</strong> Vergleich verschiedener<br />
Branchen <strong>im</strong> Mittelfeld. Vom wirtschaftlichen Erfolg profitieren<br />
ganz normale Bürger, denn Pensionsfonds zählen zu den wichtigsten<br />
Aktionären. Die enormen Investitionen sichern gleichzeitig die<br />
Energieversorgung von morgen.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 35
Die Rohölförderung ist das mit Abstand wichtigste Geschäftsfeld<br />
Im Jahr 2011 wurden von den großen Mineralölunternehmen 82 Prozent des Gewinns <strong>im</strong> Upstream-Bereich<br />
erzielt. Damit ist die Rohöl- und zunehmend auch Erdgasgewinnung das mit Abstand ertragsreichste Geschäftsfeld<br />
der privatwirtschaftlichen <strong>Öl</strong>unternehmen. Den Ertragschancen steht jedoch ein hohes wirtschaftliches<br />
Risiko gegenüber: <strong>Öl</strong> muss in den entlegensten Regionen der Erde und mit hohen technischen Aufwand<br />
aufgesucht, erschlossen und gefördert werden. Dementsprechend hoch sind die Investitionen für die<br />
Unternehmen: 2011 sind rund 85 Prozent aller investierten Mittel in den Upstream-Bereich geflossen. Für ein<br />
erfolgreiches Upstream-Geschäft sind mögliche weitere Betätigungsfelder wie die Rohölverarbeitung oder<br />
der Verkauf von Mineralölprodukten keine Voraussetzung, die Ergebnisse werden unabhängig voneinander<br />
erzielt. Das Downstream-Geschäft (Raffinerien, Tankstellen) kann zusätzlich zum Gesamtergebnis beitragen.<br />
Zusammensetzung von Gewinn und Investitionen <strong>im</strong> Jahr 2011<br />
Quelle: Unternehmensberichte 2011: BP, ConocoPhilips, ExxonMobil, Shell, Total<br />
Im vergangenen Jahr erzielten die Konzerngesellschaften der fünf großen deutschen Premiumanbieter <strong>im</strong><br />
Tankstellenmarkt 23 ca. 82 Prozent ihres Gewinns bei der Exploration & Produktion (E&P), also <strong>im</strong> Upstream-<br />
Geschäft. Ihr hohes Spezialwissen bei der Erdölsuche sowie ihre Möglichkeiten der Projektfinanzierung sind<br />
die wesentlichen Grundlagen für Explorations- und Förderlizenzen und damit die Basis für den wirtschaftlichen<br />
Erfolg. Die Downstream-Geschäftsfelder wie etwa das Raffineriegeschäft oder die Produktvermarktung<br />
an der Tankstelle hingegen sind keine Voraussetzung für das Upstream-Ergebnis. Sie sind vielmehr davon<br />
vollständig abgekoppelt und müssen ihre Wirtschaftlichkeit auf eigenständigen Märkten unter Beweis stellen.<br />
Ähnlich bedeutsam ist der E&P-Bereich bei den Investitionsaktivitäten. Mit rund 85 Prozent floss <strong>im</strong> Jahr<br />
2011 der weit überwiegende Teil der Investitionen in die Entwicklung des Upstream-Geschäfts. Die Reinvestitionsquote<br />
der fünf betrachteten Unternehmen lag 2011 <strong>im</strong> Durchschnitt bei ca. 110 Prozent. Das heißt, die<br />
Unternehmen investierten rein rechnerisch mehr als den gesamten Jahresgewinn in künftige Geschäftsaktivitäten.<br />
Im langjährigen Durchschnitt liegt die Reinvestitionsquote bei über 80 Prozent. Mit ihren hohen Investitionen<br />
kommen die Mineralölunternehmen ihrer Verantwortung für die zukünftige Sicherung der Versorgung<br />
nach.<br />
23 BP, ConocoPhilips, ExxonMobil, Shell, Total.<br />
36 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Private <strong>Öl</strong>gesellschaften sind Taktgeber der Innovationsdynamik<br />
Die privatwirtschaftlichen <strong>Öl</strong>unternehmen nutzen ihre Erträge, um in die Sicherung der zukünftigen Energieversorgung<br />
zu investieren. Allein <strong>im</strong> Jahr 2012 gaben die fünf größten in Deutschland aktiven Mineralölunternehmen<br />
für das Upstream-Segment ihres weltweiten <strong>Öl</strong>- und Gasgeschäfts mehr als 100 Mrd. US-Dollar<br />
aus. Sie sind somit der Taktgeber für innovative Analyse- und Produktionstechniken und deren Anwendung.<br />
Upstream-Investitionen <strong>im</strong> <strong>Öl</strong>- und Gasgeschäft <strong>im</strong> Jahr 2012, nach Unternehmen<br />
Quelle: Internationale Energieagentur, World Energy Outlook 2012 (nominale Werte)<br />
Für den Energiesektor – besonders den <strong>Öl</strong>sektor – sind hohe und langfristige Investitionen charakteristisch.<br />
Die internationale Energieagentur beziffert die gesamte Investitionssumme <strong>im</strong> Upstream-Bereich einschließlich<br />
Erdgas <strong>im</strong> Jahr 2012 mit 619 Mrd. US-Dollar. Die privaten <strong>Öl</strong>gesellschaften (IOC) spielen – anders als<br />
bei der Förderung – <strong>im</strong> Vergleich zu den staatlichen (NOC) hier eine Hauptrolle. Ihr finanzielles Engagement<br />
ist überproportional hoch. Als Treiber für Innovation verfügen die fünf größten in Deutschland vertretenen<br />
Mineralölgesellschaften über eine hohe technische Expertise. Sie ist der entscheidende Erfolgsfaktor <strong>im</strong><br />
intensiven globalen Wettbewerb um Förderlizenzen.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 37
Die Rentabilität der <strong>Öl</strong>wirtschaft ist vergleichbar mit anderen Branchen<br />
Im Jahr 2011 betrug die Umsatzrendite der großen <strong>Öl</strong>unternehmen <strong>im</strong> Durchschnitt 6,8 Prozent. <strong>Öl</strong>unternehmen<br />
sind also ganz normale Wirtschaftsunternehmen. Ihre Rentabilität liegt <strong>im</strong> Vergleich zu anderen<br />
Branchen <strong>im</strong> Mittelfeld. Das Downstream-Geschäft des Mineralölsektors, also die Verarbeitung von Rohöl<br />
und die Vermarktung von Mineralölprodukten, gehört mit einer durchschnittlichen Umsatzrendite von<br />
2,3 Prozent sogar zu den Branchen mit besonders geringen Renditen.<br />
Umsatzrendite verschiedener Wirtschaftszweige <strong>im</strong> Jahr 2011<br />
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Die 100 Größten“, Juli 2012<br />
Unternehmen sind nur dann erfolgreich und überlebensfähig, wenn sie nachhaltig Gewinn erwirtschaften.<br />
Absolute Zahlenwerte geben Aufschluss über die Unternehmensgröße, sind aber für solide Unternehmensbewertungen<br />
kaum geeignet. Auch die absolute Höhe des Gewinns ist meist wenig aussagekräftig, wenn es<br />
darum geht zu bewerten, wie „rentabel“ ein Unternehmen geführt wird. Dafür werden üblicherweise spezifische<br />
Unternehmenskennzahlen genutzt. Nur diese sind für fundierte Bewertungen oder Unternehmens- bzw.<br />
Branchenvergleiche sinnvoll. Ein anerkannter Vergleichsmaßstab ist die Umsatzrentabilität 24 , die für Unternehmensbewertungen<br />
oder Branchenvergleiche häufig genutzt wird. Hier zeigt sich, dass die privaten <strong>Öl</strong>gesellschaften<br />
<strong>im</strong> Branchenvergleich der 100 umsatzstärksten Unternehmen der Welt auf dem Niveau anderer<br />
Wirtschaftszweige liegen.<br />
24 Gewinn <strong>im</strong> Verhältnis zu Umsatz.<br />
38 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Der wirtschaftliche Erfolg von <strong>Öl</strong>unternehmen sichert Renten<br />
Entgegen der allgemeinen Vorstellung profitiert vom wirtschaftlichen Erfolg der privaten <strong>Öl</strong>unternehmen vor<br />
allem die Allgemeinheit. Private und betriebliche Pensionsfonds gehören zu den wichtigsten Anteilseignern<br />
der großen internationalen <strong>Öl</strong>unternehmen. Allein diese beiden Anlegergruppen vereinen fast die Hälfte der<br />
Anteile. Weitere wichtige Anlegergruppen sind Investmentfonds, private Anleger und andere institutionelle<br />
Investoren. Die Ausschüttung von Dividenden an die Anteilseigner der Unternehmen sichert also in erster<br />
Linie die Renten von Durchschnittsbürgern.<br />
Anteilseigner der privaten US-amerikanischen <strong>Öl</strong>unternehmen <strong>im</strong> Jahr 2011<br />
Quelle: American Petroleum Institute, Energy in Charts, 2013<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 39
40 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Wahrnehmung 7<br />
„Raffinerien verdienen besser als behauptet wird“<br />
Realität ist:<br />
Das Raffineriegeschäft ist vom Weltmarkt abhängig und sehr zyklisch.<br />
Guten Geschäftsjahren folgen <strong>im</strong>mer wieder Verlustphasen.<br />
Die geringen Gewinnspannen führen in Europa zunehmend zu Raffinerieschließungen.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 41
Der Markt für Mineralölprodukte ist eigenständig<br />
Die Zeiten, in denen <strong>Öl</strong>förderung, Raffinerien und Tankstellen unter einem unternehmerischen Dach gebündelt<br />
sein mussten, um die Märkte zu entwickeln, sind lange vorbei. Der breite Zugang zu Rohöl über die<br />
Rohölhandelsplätze schafft die Voraussetzung zum Bau und Betrieb von Raffinerien, ohne dass diese ihre<br />
Versorgung durch eine eigene Rohölförderung absichern müssten. Über die Jahrzehnte hat sich auf diese<br />
Weise ein eigenständiger, hochliquider Markt für Mineralölprodukte mit einer Vielzahl von Marktteilnehmern<br />
entwickelt. Heute ist diese Marktstruktur wiederum Voraussetzung dafür, dass sich auch Tankstellenbetreiber<br />
mit Benzin und Diesel eindecken können, ohne ihrerseits eigene Raffinerien zu betreiben. Die Eigenständigkeit<br />
des Marktes für Kraftstoffe bildet damit auch die Existenzgrundlage für mittelständische, freie<br />
Tankstellen.<br />
Unternehmen <strong>im</strong> US-amerikanischen Raffineriemarkt<br />
Quelle: Energy Information Administration (EIA), Refinery Capacity Report, Juni 2012<br />
Infolge des Zugangs zu Rohöl über offene Handelsplätze besteht ein eigenständiger Markt für Mineralölprodukte.<br />
In den vergangenen rund 30 Jahren sind in den USA wie auch in Europa zunehmend konzernunabhängige<br />
Unternehmen in einzelnen Marktsegmenten aktiv geworden. Besonders rasant ist die Entwicklung<br />
in den USA, dem mit einer Gesamtkapazität von 17,32 Mio. Barrel pro Tag (mb/d) größten und am weitesten<br />
entwickelten Raffineriemarkt der Welt (mehr als acht Mal so groß wie der deutsche Raffineriemarkt). Dort ist<br />
mit der Valero Energy Corp. mittlerweile ein unabhängiges Unternehmen Marktführer. Im europäischen Raffineriegeschäft<br />
vollzieht sich eine ähnliche Entwicklung. So etablierten sich in den vergangenen Jahren auch<br />
hier unabhängige Anbieter wie ERG, Gunvor, Klesch, Motor Oil und Saras.<br />
Gleichzeitig weiten die <strong>Öl</strong>staaten ihr Geschäft zunehmend auf den Downstream-Sektor aus. Sie errichten<br />
stetig neue große Raffineriekomplexe vorwiegend als Exportanlagen, um neue Marktgebiete zu erschließen.<br />
Durch die Ausnutzung von Größenvorteilen (Economies of scale) in Kombination mit vorteilhaften staatlichen<br />
Rahmenbedingungen haben sie eine starke Wettbewerbsposition auf dem Weltmarkt und erhöhen den<br />
Druck auf US-amerikanische und europäische Raffinerien erheblich.<br />
42 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Der Weltmarkt best<strong>im</strong>mt den Erfolg des Raffineriegeschäfts<br />
Die Rohölverarbeitung in Raffinerien ist ein typisches Margengeschäft, das durch Märkte und Preise für<br />
Rohöl und Mineralölprodukte global best<strong>im</strong>mt wird. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg einer Raffinerie<br />
ist die Differenz zwischen dem Rohölpreis und den Preisen für raffinierte Produkte (Bruttomarge). In<br />
beiden Fällen sind die jeweiligen Weltmarktpreise und damit Wettbewerbspreise maßgebend. Die Möglichkeiten<br />
der Raffinerien sind daher auf eine kosteneffiziente Betriebsführung als Erfolgsfaktor beschränkt.<br />
Schematische Darstellung des margengetriebenen Raffineriegeschäfts (Fallbeispiel: Nettomarge > 0)<br />
Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, 2008<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 43
Die Koppelproduktion begrenzt die Spielräume der Raffinerien<br />
Raffinerien können nur begrenzt auf Nachfrageschwankungen einzelner Mineralölprodukte reagieren, da die<br />
Verarbeitung von Rohöl zu Benzin und Diesel technisch voneinander abhängig ist. Der Raffinerieprozess<br />
wird deshalb als Koppelproduktion bezeichnet, bei der <strong>im</strong>mer Benzine, Mitteldestillate (Diesel, Kerosin, leichtes<br />
Heizöl) gasförmige und schwere Produkte nebeneinander entstehen.<br />
Koppelproduktion einer typischen europäischen Musterraffinerie<br />
(*) HEATING, SOLID FUELS, LUBRICANTS, ASPHALTS, PACKAGING<br />
Quelle: Europia<br />
Rohöleigenschaften, Anlagenkonstellation und Weiterverarbeitungskapazität entscheiden darüber, in welchem<br />
Verhältnis die Mineralölprodukte erzeugt werden können. Selbst eine für die größtmögliche Erzeugung<br />
von stark nachgefragten Mitteldestillaten opt<strong>im</strong>ierte Raffinerie und bei Einsatz des dafür am besten geeigneten<br />
Rohöls erreicht der Anteil von Mitteldestillaten an der Gesamtproduktion der Raffinerie max<strong>im</strong>al 40 bis 50<br />
Prozent.<br />
Die Raffinerien haben sich in den letzten Jahren den Herausforderungen der geänderten Nachfrage gestellt<br />
und jährlich über eine Milliarde Euro in die Opt<strong>im</strong>ierung der Mitteldestillatproduktion investiert 25 . Investitionen<br />
in Anlagen zur Änderung der Ausbeutestruktur bedeuten dennoch in der Regel keine Flexibilisierung, sondern<br />
eine erneute Festlegung auf ein Ausbeutemuster.<br />
25 Roland Berger Strategy Consultants, 2008.<br />
44 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Hohe Benzin- oder Dieselpreise sind kein Garant für Raffineriegewinn<br />
Die jeweiligen Weltmarktpreise für Rohöl und für Mineralölprodukte liefern die Basis für das Geschäftsergebnis<br />
der Raffinerien. Gleichzeitig gibt die Anlagenkonfiguration weitgehend die Mengenverhältnisse und die<br />
Kostenstruktur der hergestellten Produkte vor. Raffinerien sind daher nur begrenzt in der Lage, die Herstellung<br />
von Produkten, die aufgrund der aktuellen Marktsituation höhere Margen ermöglichen könnten, zu Lasten<br />
von Produkten mit niedriger Marge nennenswert zu steigern. Dies kann bei schwacher Nachfrage dazu<br />
führen, dass Produkte zu einem niedrigeren Preis verkauft werden, als das Rohöl gekostet hat, aus dem die<br />
Produkte hergestellt worden sind. Im ungünstigsten Fall überwiegen die negativen Ergebnisbeiträge einzelner<br />
Produkte, und die Raffinerie macht insgesamt Verlust.<br />
Produkt-Preisspannen (Crack-Spreads 26 ) und Raffinerie-Nettomarge<br />
Langfristige Entwicklungen wie beispielsweise der gegenläufige Nachfragetrend bei Benzin und Diesel werden<br />
häufig von saisonalen Effekten überlagert. Wenn die he<strong>im</strong>ische Benzinnachfrage nach den üblicherweise<br />
nachfrageschwachen Wintermonaten ab März wieder zun<strong>im</strong>mt und mit der Sogwirkung des US-<br />
Marktes – des größten Benzinmarktes der Welt – zusammentrifft, können die Benzinnotierungen relativ zum<br />
Rohölpreis stark ansteigen. Diese Preisphasen als Beleg für hohe Raffineriegewinne zu deuten, missachtet<br />
die komplexe Realität des Raffineriegeschäfts. So wenig wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht,<br />
führt der temporär positive Brutto-Ergebnisbeitrag des Benzins nicht automatisch zu einem Raffineriegewinn.<br />
Der Gewinn einer Raffinerie ergibt sich aus der Addition der Erlöse aus den Produktverkäufen abzüglich aller<br />
Kosten, inklusive 6 bis 8 Prozent Energiekosten durch das eingesetzte Rohöl. Selbst wenn best<strong>im</strong>mte Produkte<br />
teurer verkauft werden, als das Rohöl gekostet hat, aus dem diese Produkte hergestellt worden sind,<br />
bedeutet dies nicht, dass die Raffinerie insgesamt Gewinn erzielt. Denn von diesem Erlös müssen noch die<br />
gesamten Kosten der Rohölverarbeitung und des Vertriebs bezahlt werden.<br />
26 Crack-Spread: Produktpreis abzüglich Rohölpreis (Brent).<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 45
Das Raffineriegeschäft ist von Zyklen geprägt<br />
Raffinerieprodukte werden in einem globalen Markt gehandelt. Die Preise richten sich nach Angebot und<br />
Nachfrage. Innerhalb dieses engen Rahmens zwingt der Wettbewerb die Raffinerien zur permanenten Kostenopt<strong>im</strong>ierung.<br />
Im zyklischen Rohölverarbeitungsgeschäft wurden die vergangenen zwei Jahrzehnten je zur<br />
Hälfte mit Verlusten und Gewinnen abgeschlossen. Selbst in den positiven sechs Jahren von 2003 bis 2008<br />
lag das Ergebnis für eine Muster-Cracker-Raffinerie <strong>im</strong> Durchschnitt kaum höher als rund 2 Eurocent pro<br />
Liter. Im langjährigen Durchschnitt sind die Raffineriemargen mit 0,56 Eurocent pro Liter eher schwach.<br />
Gewinn- und Verlustrechnung einer deutschen Raffinerie<br />
Quelle: Vereinfachte Beispiel-Berechnung der durchschnittlichen Raffineriemarge einer Muster-Cracker-Raffinerie nach Energie-<br />
Informationsdient (EID).<br />
Ergebnisschwache Jahre und die gleichzeitig hohen Investitionskosten zur Erfüllung der gesetzlichen Rahmenbedingungen,<br />
die <strong>im</strong> Durchschnittsgewinn der Beispielsraffinerie noch nicht enthalten sind, haben zu<br />
einer Welle von Raffineriestilllegungen oder Raffinerieverkäufen geführt. Seit 2000 hat sich die Zahl der Raffinerien<br />
in den Staaten der heutigen EU-27 von 121 auf 88 <strong>im</strong> Jahr 2011 reduziert 27 .<br />
27 Oil & Gas Journal, Europia.<br />
46 <strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong>
Deutsche Raffinerien sind in Sachen Effizienz Weltspitze<br />
Mineralölprodukte werden in Deutschland mit hoher Effizienz hergestellt. Im Vergleich zum weltweiten<br />
Durchschnitt benötigt eine deutsche Raffinerie für die gleiche Produktion rund 10 Prozent weniger Energie.<br />
Damit zählt der deutsche Raffineriesektor in Sachen Effizienz zur Weltspitze und leistet einen wichtigen Beitrag<br />
zur Energieeinsparung in Deutschland.<br />
Energieintensität von Raffinerien <strong>im</strong> weltweiten Vergleich<br />
Quelle: Deutsche Energieagentur (dena), 2011<br />
Die Deutsche Energieagentur (dena) stellt in ihrer Analyse 28 des Mineralölsektors 2011 fest, dass die zentrale<br />
Rolle, die Mineralölprodukte insbesondere <strong>im</strong> Verkehrssektor in den nächsten Jahrzehnten noch spielen<br />
werden, nicht unterschätzt werden dürfe. „Eine an Energie- und Ressourceneffizienz orientierte Energiepolitik<br />
müsse auch die Mineralölversorgung als integralen Bestandteil des künftigen Energiemix einbeziehen.“ In<br />
der geplanten Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung müsse „die Relevanz fossiler Kraftstoffe<br />
entsprechend berücksichtigt werden“. Die dena folgert daraus, dass bei der Gestaltung politischer Rahmenbedingungen<br />
darauf zu achten sei, die deutsche Mineralölproduktion nicht nur zu erhalten, sondern<br />
auch weiterzuentwickeln, damit sie <strong>im</strong> europäischen und globalen Wettbewerb auch künftig bestehen könne.<br />
28 Deutsche Energieagentur: „Ungeliebt, aber unentbehrlich. Bedarf und Produktion von Mineralöl <strong>im</strong> künftigen Energiemix“, 2011.<br />
<strong>Öl</strong> <strong>im</strong> <strong>Transparenz</strong>-<strong>Check</strong> 47
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