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HBB-Nr. 92.pdf - Der Bote

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Thüringer Mädchen in Mazedonien<br />

ein Erlebnisbericht von Ronja Kindler Teil2<br />

Februar 2013 - Nun sind schon vier Monate vergangen,<br />

seit dem ich in Mazedonien angekommen bin.<br />

Diese Zeit habe ich genutzt, um andere Regionen<br />

des Landes kennenzulernen. Ich bin sehr oft in<br />

Skopje gewesen, die Hauptstadt Mazedoniens, die<br />

etwa 50 km westlich von meinem Ort liegt. (1)<br />

Skopje ist keineswegs eine Metropole, wie man<br />

es vielleicht von einer Hauptstadt erwarten würde.<br />

Und genau das versucht die Regierung jetzt aktiv<br />

mit dem Projekt SKOPJE14 zu verändern, das<br />

eine vollständige Innenstadtrenovierung vorsieht.<br />

Millionen von Euro werden für Renovierung<br />

zahlreicher Statuen und Gebäude ausgegeben.<br />

Die mazedonische Bevölkerung hingegen steht<br />

sehr kritisch zu diesem Projekt, da die Menschen<br />

Arbeit und Essen benötigen – nicht Statuen von<br />

Nationalhelden. Die Kosten für das Projekt sind<br />

seit dem Beginn der Maßnahmen um das Sechsfache<br />

gegenüber die ursprünglichen Planung und<br />

Ankündigung gestiegen.<br />

In Skopje habe ich mittlerweile auch Kontakt zur<br />

deutschen Botschaft aufgenommen und bisher<br />

an mehreren Veranstaltungen der Botschaft teilgenommen,<br />

zum Beispiel an einer Veranstaltung<br />

und Podiumsdiskussion zum 50jährigen Jubiläum<br />

des Elysée-Vertrages. In der Diskussion wurde<br />

der Fokus darauf gelegt, wie man die Entwicklung<br />

der deutsch-französischen Beziehung auf<br />

den Balkan übertragen und davon lernen kann.<br />

Ich finde es interessant, wie versucht wird, die<br />

geschichtlichen Erfahrungen von Deutschland<br />

und Frankreich im Umgang mit den wiederholten<br />

Grenzverschiebungen und den sozialen Folgen in<br />

Mazedonien zu nutzen.<br />

Doch hatte ich bisher nicht nur die Möglichkeit,<br />

einen tieferen Einblick in die mazedonische und<br />

albanische Kultur zu bekommen, seit Dezember<br />

wohne und arbeite ich noch mit einer amerikanischen<br />

Freiwilligen zusammen. Mein Englisch<br />

wird jetzt sehr von einer amerikanischen Aussprache<br />

geprägt und ich kann auch viel über die amerikanische<br />

Kultur lernen. Gerade interessant wird<br />

es, wenn wir beide mit etwas Neuem konfrontiert<br />

werden, was uns aus unseren Kulturen unbekannt<br />

ist und wie sich jeder von uns unterschiedlich damit<br />

auseinandersetzt.<br />

60<br />

Ich habe in den letzten Wochen sehr viel an der<br />

mazedonischen Kultur teilhaben dürfen und wurde<br />

von Freunden zu vielen Feiertagen eingeladen.<br />

So war am 6. Januar in Mazedonien Weihnachten.<br />

Am Abend gab es eine Zeremonie auf dem<br />

Kirchhof. Es wurde warmer Rakia ausgeteilt, der<br />

Priester hat einen Baum mit Honig bestrichen und<br />

jeder hat sich einen Ast abgebrochen, der dann<br />

über die Haustür gehängt wird, um Glück im neuen<br />

Jahr zu bringen. Es wurde ein großes Feuer<br />

angezündet und die Menschen haben zusammen<br />

gegessen, ein großes Brot wurde aufgeteilt. Es<br />

war ein schönes Beisammensein. Anschließend<br />

sind wir nach Tetovo gefahren, wo überall Maskenball<br />

war. Alle Menschen waren verkleidet auf<br />

den Straßen unterwegs. Jemand hatte sich sogar<br />

als Hitler verkleidet. Ich wurde dafür belächelt,<br />

dass ich mich darüber echauffierte.<br />

Zwei Wochen später wurde Wodniza (Taufe Jesus)<br />

gefeiert. Die Veranstaltung begann am Morgen,<br />

es gab eine Zeremonie, der Priester hat gepredigt<br />

und anschließend sind drei Jungs ins Wasser gesprungen,<br />

um ein Kreuz herauszuholen. <strong>Der</strong>jenige,<br />

der das Kreuz als Erster erreichte, entzündete<br />

um Mitternacht ein sehr hohes Feuer. Viele junge<br />

Menschen versammelten sich am Feuer und es<br />

wurde traditionell getanzt. Vorher zogen die Jungs<br />

mit ihren Freunden und Instrumenten von Haus zu<br />

Haus und sammelten Geld. (2)<br />

Auch zur albanischen Kultur und Lebensgewohnheiten<br />

konnte ich viele interessante Erfahrungen<br />

machen. Beispielsweise wollten mich viele meiner<br />

Freunde davon überzeugen hier zu bleiben, in<br />

dem ich einfach heirate. Mein Gastvater hat mir<br />

sogar vorgeschlagen, dass wir verschiedene Männer<br />

zu unserem Haus einladen könnten und ich<br />

mir denjenigen aussuchen sollte, der mir am besten<br />

gefällt und der auch noch viel Geld mitbringt.<br />

Die Spannungen zwischen Mazedoniern und Albanern<br />

beschäftigen mich immer noch sehr. Gerade,<br />

wenn ich etwas mit Freunden unternehmen<br />

möchte und sie unterschiedlichen Nationalitäten<br />

angehören, bin ich verunsichert, ob ich mich mit<br />

ihnen treffen kann oder ob das unangenehm für<br />

den Einen oder Anderen sein würde. Ich bin jedes<br />

Mal darüber verblüfft, dass viele junge Men-

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