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Diagnostische und therapeutische Aspekte sekundärer ... - APA

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Moderne soziale Psychiatrie sollte zwar gewaltfrei sein, ist aber allenfalls gewaltarm.<br />

Der italienische Soziologe Alonzo (2000) 15 hat den Prozess der »sek<strong>und</strong>ären<br />

Traumatisierung« durch eine schwerwiegende (internistische) Erkrankung in<br />

Verbindung mit einer erforderlichen invasiven Behandlung beschrieben <strong>und</strong> dabei<br />

einen Begriff verwendet, der die Lebenssituation psychiatrieerfahrener Schizophrener<br />

passend beschreibt.<br />

Das infernalische Doppelpack einer ängstigenden Krankheit <strong>und</strong> einer gewaltsame<br />

Eingriffe beinhaltenden Therapie bezeichnete er als »accumulated burden<br />

of adversity«, übersetzbar mit »sich anhäufende Unglückslast«. Außerdem wies<br />

Alonzo darauf hin, dass die im Rahmen der Therapie erzeugten psychischen Störungen,<br />

d.h. iatrogen begründete Belastungsreaktionen oder Ängste, äußerst ungünstige<br />

Effekte im Sinne nachlassender Therapietreue (Compliance) haben.<br />

Welche Belastungen kumulieren mit Blick auf die psychiatrische Behandlung auf<br />

einer Akutstation?<br />

Um Ihnen einzelne traumatogene <strong>Aspekte</strong> psychiatrischer Einflußnahme vor Augen<br />

zu führen, möchte ich Angaben von 110 schizophren Erkrankten einer Berliner<br />

Klinik vorstellen, die ich 1993 ausführlich befragt habe.<br />

Unter anderem sollten sie berichten, welche Erfahrungen <strong>und</strong> Erlebnisse im Zusammenhang<br />

mit der psychiatrischen Behandlung als extrem negativ in Erinnerung<br />

geblieben sind.<br />

psychiatrische Klinik ist/war negativ (nnb) 43%<br />

Belastung durch Mitpatienten 40%<br />

Monotonie des Tagesablaufs (Leerlauf, Langeweile) 26%<br />

in Psychiatrie abgeschoben (von der Gesellschaft) 18%<br />

entwürdigende/menschenunwürdige Situationen<br />

(z.B. ausgezogen werden, keine Privatsachen mitnehmen) 18%<br />

anstrengende Atmosphäre (räum-<br />

liche Bedingungen, Lautstärke, Unruhe) 17%<br />

nicht besucht/unterstützt von Verwandten/Fre<strong>und</strong>en 14%<br />

schlechte Unterbringung 11%<br />

von d. Außenwelt abgeschnitten 6%<br />

Tragen von Anstaltskleidung 5%<br />

wenig/keine Aussicht auf Entlassung 5%<br />

unhaltbare Zustände bzw. schlechte Infrastruktur<br />

(Essen, Eßsitten) 5%<br />

keine bzw. zu wenig Privatsphäre 3%<br />

Anonymität, zwischenmenschliche Kälte in der Klinik 3%<br />

Abb. 10: Allgemeine beeinträchtigende Bedingungen psychiatrischer Anstalten.<br />

15) Alonzo, A.A. (2000). The experience of chronic illness and post-traumatic stress disorder: The consequences of<br />

cumulative adversity. Social Science and Medicine, 50(10), 1475-1484.<br />

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