Dekonstruktion – Beziehungen der Philosophie & Architekturtheorie ...
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<strong>Dekonstruktion</strong> <strong>–</strong> <strong>Beziehungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> & <strong>Architekturtheorie</strong><br />
„Das engliche Sprichwort sagt, die Qualität eines Rezepts erweise sich im Pudding, nicht im Rezept.<br />
An<strong>der</strong>erseits stellt sich das Kochen eines Puddings, zumal eines, <strong>der</strong> englischen<br />
Qualitätsmaßstäben standhalten soll, ohne Rezept als schwierig heraus <strong>–</strong> eine Rechtfertigung<br />
jeglicher theoretischen Erörterung und Reflexion im Hinblick auf die konkrete Architektur.“ (Kähler<br />
1993 8)<br />
Vorwort<br />
In <strong>der</strong> folgenden Arbeit geht es um <strong>Dekonstruktion</strong>en. Bei dem Versuch dieses Thema zu<br />
erörtern, entsteht sofort die Schwierigkeit, eine logische Erklärung für etwas zu finden, was<br />
sich <strong>der</strong> Logik im Inneren entzieht. Auf diesem offenen Feld werden Gedanken <strong>der</strong><br />
<strong>Philosophie</strong> und <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong> in Bezug zur <strong>Dekonstruktion</strong> nachgegangen und ihre<br />
<strong>Beziehungen</strong> diskutiert.<br />
Das vorangestellte Zitat von Gert Kähler umreißt die Problematik allegorisch, die mich in<br />
meiner theoretischen Auseinan<strong>der</strong>setzung beschäftigt. Wie gestalten wir unser menschliches<br />
Dasein und dem entsprechende Lebensräume? Wie entwickeln wir Kultur weiter? Wie hängt<br />
das zusammen mit unserem Selbstverständnis und unserer Sicht auf die Welt?<br />
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Schriften des französischen Philosphen<br />
Jaques Derridas und des amerikanischen Architekten und Architekturtheoretikers Peter<br />
Eisenman. Beide waren Zeitgenossen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts aus jüdischen Familien, die man<br />
mit dem Begriff <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> in Verbindung bringt. Derridas frühe Hauptwerke<br />
Grammatologie und Die Schrift und die Differenz, in denen er den Gedanken <strong>der</strong><br />
<strong>Dekonstruktion</strong> verwendet, wurden erstmals 1967 veröffentlicht. Eisenmann gebraucht in<br />
seinen Theorien seit den 1980er Jahren teilweise die gleiche Terminologie wie Derrida, wobei<br />
er klar sagt, dass er die <strong>Dekonstruktion</strong> Derridas nicht einfach auf die Architektur überträgt.<br />
Die <strong>Dekonstruktion</strong> wurde erst durch die Debatte in den Medien als Begriff geprägt.<br />
Das Verlassen <strong>der</strong> Grenzen, die die abendländische Kultur ordneten, war bekanntermaßen<br />
Ende <strong>der</strong> 1960er/ Anfang <strong>der</strong> 1970er Jahre eine Bewegung auf allen Gebieten. Am<br />
populärsten sind die <strong>der</strong> Kunst und Politik. Daher ist es unmöglich und wi<strong>der</strong>sprüchlich, die<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> einer Wissenschaft eindeutig zuzuordnen. Die <strong>Philosophie</strong> versucht eine<br />
theoretische Grundlage für die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Welt, die Sicht auf die Welt und sich selbst zu<br />
erarbeiten. In dieser Zeit werden festgelegte Grundlagen als totalitär kritisiert. Die<br />
<strong>Philosophie</strong> sieht sich vielmehr als ein Aufzeichnen von Bewegungslinien theoretischer<br />
Voraussetzungen.<br />
Derrida und Eisenman beschäftigen sich mit <strong>der</strong> von Heidegger angesprochenen<br />
Überwindung <strong>der</strong> Metaphysik. Als Metaphysik wird die philosophische Lehre o<strong>der</strong> das duale<br />
System, das einen wahren Sinn hinter o<strong>der</strong> über den physischen, sinnlich erfahrbaren Dingen<br />
des Seins zuordnet, bezeichnet. Das, worauf sich ein metaphysisches System in seinem<br />
Zentrum gründet, liegt außerhalb vom System, welches es begründet. Zum Beispiel ist Gott<br />
als transzendentaler Grund o<strong>der</strong> Ursprung eines metaphysischen Systems.<br />
Jaques Derrida kritisiert die Metaphysik <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (die Begründung eines festgelegten<br />
wahren Sinns im Sein) und ihre abendländischen Geschichte. Peter Eisenmann verfolgt die<br />
Überwindung <strong>der</strong> Metaphysik <strong>der</strong> Architektur und dementsprechend ihren traditionellen<br />
Grundsätzlichkeiten.<br />
Der Dialog Derridas und Eisenmans über <strong>Dekonstruktion</strong> und ihre Möglichkeiten in <strong>der</strong><br />
Architektur am Ende <strong>der</strong> 1980er/ Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre ist <strong>der</strong> Anlass, die thematischen<br />
Schnittstellen und Abgrenzungen ihrer philosophischen und architekturtheoretischen<br />
Beiträge zu erörtern.<br />
Derrida verwendet in seinem Diskurs den Begriff <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong>, <strong>der</strong> als solcher auf den<br />
Konstruktivismus verweist. Die Russische Avantgarde, um 1910 bis zur Machtübernahme<br />
Stalins, hatte begonnen, mit den traditionellen Kompositionsregeln in <strong>der</strong> Kunst zu brechen.
Die Malerei hörte auf naturalistisch zu sein und wurde gegenstandslos. Man wandte sich<br />
innerhalb <strong>der</strong> Kunst praktischen und gesellschaftlichen Fragen des Hier und Jetzt zu. Es ging<br />
darum, die Welt von Grund auf neu zu entwerfen. Die Architektur gewann im<br />
Konstruktivismus eine neue Bedeutung innerhalb <strong>der</strong> Kunst.<br />
Aus dieser Richtung kommen Derridas Gedanken zu Kunst und Ästhetik, welche in dieser<br />
Arbeit aber nicht weiter untersucht werden sollen. Der russische Formalismus in <strong>der</strong><br />
Literaturtheorie um 1915 gilt „als frühe Ausprägung des von Ferdinand de Saussure<br />
begründeten Strukturalismus“(wiki 2009) Diesen nutzt Derrida als Ausgang seiner Arbeit und<br />
entwickelt ihn weiter.<br />
Den Dekonstruktivismus in <strong>der</strong> Architektur beschreibt Mark Wigley als aus dem<br />
Konstruktivisms schöpfend und ihn radikal umwandelnd. (vgl. Wigley 1988 16) Wigley<br />
organisierte 1988 mit Philip Johnson die Ausstellung Dekonstruktivistische Architektur in New<br />
York, was für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Architektur und <strong>der</strong> architekturtheoretischen<br />
Diskussion bedeutend war. Eisenman war als Architekt an <strong>der</strong> Ausstellung beteiligt. Keiner <strong>der</strong><br />
ausgestellten Architekten war <strong>der</strong> Ansicht, Vertreter einer neuen Stilrichtung o<strong>der</strong> Epoche zu<br />
sein. Alle sind sehr verschieden, gemein ist ihnen aber eine neue, offene Art des Entwerfens<br />
und des Verständnisses für Architektur.<br />
Eisenman hat sich seit den1980er Jahren mit den Schriften Derridas beschäftigt, was seine<br />
philosophische <strong>Architekturtheorie</strong> beinflusst hat. Der Architekt Bernard Tschumi läd 1985<br />
Jaques Derrida ein, an dem Projekt Parc de la Villette in Paris mitzuarbeiten. Auf dieses Projekt<br />
bezieht sich das Essay Derridas: Am Nullpunkt <strong>der</strong> Verrücktheit - Jetzt die Architektur. (Derrida<br />
1988a) Er artikuliert darin „das vielschichtige Verhältnis zwischen einer bestimmten Art des<br />
Denkens und einer bestimmten Art von Raum“.(Wigley 1994 13)<br />
Derrida und Eisenman arbeiten gemeinsam im Auftrag von Tschumi an diesem Projekt.<br />
Daraus entsteht ein Buch: Chora L Works (Derrida, Eisenman 1991). Darin sind<br />
Arbeitsgespräche, Gedanken Derridas über chora und ein Briefwechsel <strong>der</strong> beiden, Skizzen<br />
und Modellfotos veröffentlicht. Außerdem ist ein späteres Gespräch Derridas und Eisenmans<br />
in Eisenmans Aura und Exzess (Eisenman 1995 295,ff) zu finden.<br />
Der Inhalt dieser literarischen Quellen und die heterogene Diskussion über <strong>Dekonstruktion</strong> in<br />
<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong> werden in <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit erörtert. Es ist <strong>der</strong><br />
Versuch, sich von beiden Seiten, aus philosophischer und aus architekturtheoretischer Sicht,<br />
ihren Überschneidungen und Grenzen zu nähern. Dabei wird im ersten Teil das Verständnis<br />
von <strong>Dekonstruktion</strong>, wie Derrida es erläutert hat, dargelegt. Daran schließt sich eine<br />
Betrachtung von dekonstruktivistischer Architektur und <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong> Eisenmans an.<br />
Der dritte Teil widmet sich dem Hauptthema: Derridas <strong>Dekonstruktion</strong>en <strong>der</strong> Architektur, den<br />
Problemen im Dialog und in <strong>der</strong> Zusammenarbeit von Eisenman und Derrida, sowie <strong>der</strong><br />
Diskussion in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong> über Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong>.<br />
Daraus ergibt sich am Ende die Darstellung <strong>der</strong> gegenwärtigen architekturtheoretischen<br />
Debatte über die Bedeutung <strong>der</strong> dekonstruktivistischen Bemühungen vor 20 Jahren für die<br />
heutige Architektur und <strong>Architekturtheorie</strong>.<br />
Die Kritik <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> auf philosophischer Seite, wie sie zum Beispiel Jürgen<br />
Habermas o<strong>der</strong> Peter V. Zima hervorbringen, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter<br />
thematisiert. Beide sehen das Problem <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> in ihrer Kritik einer unvollendeten<br />
Mo<strong>der</strong>ne. Sie werfen Derrida vor, daß seine <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Grenzüberschreitung <strong>der</strong><br />
Wissenschaften zu unseriösen Äußerungen führt, <strong>der</strong>en Sinn aus <strong>der</strong> fachlicher Sicht nicht<br />
haltbar ist. In Bezug auf die Derridas Behandlung sozialer und wirtschaftlicher Vorgänge sagt<br />
Zima: „Denn Derridas Darstellung <strong>der</strong> zeitgenössischen Problematik erreicht nicht einmal das<br />
Niveau eines gründlichen journalistischen Kommentars und hat wenig mit <strong>Dekonstruktion</strong> zu<br />
tun.“ ( Zima 200) Für Zima hört die <strong>Dekonstruktion</strong> auf, <strong>Dekonstruktion</strong> zu sein, sobald sie es<br />
versucht. Ihr Sinn, außerhalb ihres eigenen philosophischen Diskurses, ist für ihn nicht<br />
ersichtlich, sie bleibt abstrakt und auf an<strong>der</strong>e Bereiche unanwendbar.<br />
Die Hauptfage zum Thema <strong>Dekonstruktion</strong> scheint sich in allen Diskussionen um ein<br />
Verständnis zu bemühen,was <strong>Dekonstruktion</strong> sein kann.
Glie<strong>der</strong>ung zum wissenschaftlich- theoretischen Thema:<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> <strong>–</strong> <strong>Beziehungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> & <strong>Architekturtheorie</strong><br />
Vorwort<br />
1.<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> Jacques Derridas<br />
1.1. über die Bedeutung Derridas für die zeitgenössische Kultur<br />
1.2. über den Strukturalismus nach Ferdinand de Saussure<br />
1.3. über die Grammatologie Derridas<br />
1.4. an <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> Wissenschaften<br />
2.<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong><br />
2.1. über <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur und Kunst<br />
2.2. Peter Eisenman<br />
2.2.1. über die <strong>Architekturtheorie</strong> Peter Eisenmans<br />
2.2.2. ein Projektbeispiel Peter Eisenmans: Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas<br />
3.<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> - <strong>Beziehungen</strong> zwischen <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong><br />
3.1. Parc de La Villette, Bernard Tschumi<br />
3.1.1. über das Projekt allgemein<br />
3.1.2. Chora L Works: über die Zusammenarbeit Derridas und Eisenmans<br />
3.1.3. über Derridas Gedanken zur <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur<br />
3.1.4. Interpretationsversuche<br />
3.2. über die Auseinan<strong>der</strong>setzung Derridas und Eisenmans (1989)<br />
3.3. über die Diskussion <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und<br />
<strong>Architekturtheorie</strong><br />
3.4. über <strong>Architekturtheorie</strong> und Eisenman <strong>der</strong> 1990er Jahre bis heute<br />
Nachwort
1.<br />
1.1.<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> Jacques Derridas<br />
über die Bedeutung Derridas für die zeitgenössische Kultur<br />
Das Denken Jaques Derridas ist nicht als geschlossenes System zu analysieren. Seine Kritik<br />
<strong>der</strong> Metaphysik entwickelt er aus seiner Kritik <strong>der</strong> Zeichentheorie, die auf seine Auffassung<br />
von Schrift verweist. Das entspricht Derridas Strategie ohne Anfang und Ende zu denken.<br />
Somit ist keine eindeutige Lösung auf geradem Weg zu erwarten.<br />
Im folgenden wird versucht, Derrida als Person in seinem zeitlichen und weltlichen Kontext<br />
zu skizzieren. Daraus ergibt sich das Umfeld seiner gedanklichen Arbeit.<br />
<strong>Philosophie</strong> hat schon immer versucht, die Welt zu erklären, was grundlegend für die<br />
Entwicklung von Kultur ist. Wie Adorno und Horkheimer in Deutschland, stellt Derrida Fragen<br />
zu den Erfahrungen unserer aufgeklärten Kultur des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Die Philosophen<br />
suchen nach Strukturen in unserem Denken, die so grundsätzlich sind, daß sie totalitäre<br />
Ideologien, denen Kalter Krieg, <strong>der</strong> Zweiten Weltkrieg und Holocaust folgen, überhaupt<br />
ermöglichen.<br />
Jaques Derrida wurde 1930 in Algerien, damals eine französische Kolonie, geboren. Als Kind<br />
einer jüdischen Familie wurde er aus antisemitischen Gründen vom Schulbesuch<br />
ausgegrenzt. Derrida studierte <strong>Philosophie</strong> in Algier und Paris. In Paris hörte er Vorlesungen<br />
Michel Foucault, mit dem er später befreundet war. Derrida war von 1964 -84 Professor für<br />
<strong>Philosophie</strong>geschichte in Paris. Er lehrte ebenfalls in den USA sowie nach 1990 auch in<br />
Moskau. Jaques Derrida starb im Jahre 2004 in Paris.<br />
Sein ursprüngliches Forschungsgebiet ist die <strong>Philosophie</strong> Husserls und Heideggers sowie die<br />
<strong>der</strong> Aufklärung. Derrida kritisiert in seinen Untersuchungen eine angenommene Objektivität<br />
des Denkens von Rationalität und Wahrheit. Dadurch stellt er die traditionelle Wissenschaft<br />
mit <strong>der</strong> Trennung von Theorie und Praxis in Frage.<br />
Die Kritik <strong>der</strong> Metaphysik ist seit Marx Thema in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, was auf politischer Ebene<br />
<strong>der</strong> Kritik des Totalitarismus entspricht. Nietzsche hat in seiner Kulturkritik die Verbindung<br />
zwischen unserem metaphysischen Denken und unseren gesellschaftlichen Strukturen<br />
gezeigt. Auf <strong>der</strong> Suche nach Denkweisen, die nicht weiterhin <strong>der</strong> Tradition folgen, entstehen<br />
Mitte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts vor allem in Frankreich die Differenztheorien, die sich um<br />
Alternativen zur Metaphysik bemühen. Dazu gehören die voneinan<strong>der</strong> unabhängigen<br />
philosophischen Konzepte von Foucault, Deleuze, Lyotard und Derrida.<br />
Bei <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Struktur unseres Denkens wenden sich einige Theoretiker <strong>der</strong> Sprache<br />
zu. Weil Gedanken durch Sprache hervorgebracht werden, beeinflusst die Struktur <strong>der</strong><br />
Sprache unser Denken. Sprache ist nun nicht mehr nur ein Instrument wissenschaftlicher<br />
Erkenntnis, son<strong>der</strong>n wird selbst zum Gegenstand wissenschaftlicher Analysen. Diese<br />
Strömung in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und den Geschichts-, Sozial- und Kulturwissenschaften des 20.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts bezeichnet Robert Rorty 1967 als linguistic turn. (vgl.Metzler 234) In diesem<br />
Zusammenhang entstehen theoretische Ansätze, die das Strukturdenken <strong>der</strong> allgemeinen<br />
Sprachphilosophie auf an<strong>der</strong>e Bereiche übertragen. Dazu gehören die psychoanalytische<br />
<strong>Philosophie</strong> Jaques Lacans und die strukturale Ethnologie von Caude Lévy-Strauss.<br />
Bis dahin galt Sprache traditionell nur als Ausdruck des Denkens. Utopische, vormo<strong>der</strong>ne und<br />
mo<strong>der</strong>ne Sprachstrukturen, wie zum Beispiel christliche und marxistische, sind metaphysisch<br />
begründet. Sie weisen gleichermaßen auf ein Jenseits hin.<br />
Weil Sprache unser Denken hervorbringt und begrenzt, muss Metaphysikkritik für Lyotard<br />
und Derrida Sprachkritik sein. Diese Linie zieht sich aus Hegels Lehre, die sagt, dass es kein<br />
außerhalb von Sprache geben kann, von dem aus Sprache kritisierbar wäre.<br />
Den Ansatz für seine spezifische Kritik <strong>der</strong> Metaphysik findet Jaques Derrida in <strong>der</strong> Semiotik<br />
Ferdinand de Saussures, die als Grundlage des Strukturalismus gilt. (vgl. Engelmann 2004 14)<br />
Unter an<strong>der</strong>em setzt sich Derrida auch mit <strong>der</strong> strukturalen Ethnologie von Caude Lévy-
Strauss und <strong>der</strong> Psychoanalyse Freuds auseinan<strong>der</strong>. Derrida dekonstruiert diese Texte von<br />
innen, weshalb er auch zum Poststrukturalismus gezählt wird, <strong>der</strong> den Stukturalsmus von<br />
innen her reformiert.<br />
1.2.<br />
über den Strukturalismus nach Ferdinand de Saussure<br />
Im Strukturalismus geht es grundlegend um die Darstellung einer parallelen Wirklichkeit, die<br />
die sinnlich erfahrbare inhaltlich eindeutig erklärt. (vgl. Metzler 366) Der Strukturalismus<br />
begründet sich aus <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> Sprachwissenschaft durch den Schweizer Linguisten<br />
Ferdinand de Saussure (1875-1913). Diese bricht mit <strong>der</strong> historisch-etymologischen<br />
Herleitung von Sprache. Das Neue an Saussures Theorie ist, daß nur die Konvention innerhalb<br />
einer Gesellschaft das Wort an seine Bedeutung bindet. Inhalt und Ausdruck eines Wortes<br />
wird nicht länger als eine ursprüngliche, außersprachliche o<strong>der</strong> von Gott gegebene<br />
Verbindung angesehen. Saussure bestimmt somit die Beliebigkeit (Arbitrarität) des Zeichens.<br />
Er betrachtet in seiner Theorie drei Aspekte <strong>der</strong> Sprache: den Sprechakt: parole,<br />
die Sprachfähigkeit: faculté de langage und die Sprache als Zeichensystem: langue.<br />
Das Untersuchungsobjekt in Saussures Semiologie ist die Struktur des Zeichens als kleinstes<br />
bedeutendes Element des Zeichensystems langue. Das Zeichen verweist innerhalb dieses<br />
Systems über seine materielle Gestalt hinaus auf etwas an<strong>der</strong>es. Saussure legt die<br />
Terminologie des Zeichens als Signifikat (das Bedeutete, die Vorstellung) und Signifikant (das<br />
Bedeutende, das Lautbild) fest. Innerhalb des Zeichensystems bilden Signifikant und<br />
Signifikat eine Einheit. Sie sind untrennbar, wie zum Beispiel die zwei Seiten eines Blatt<br />
Papiers. Durch das Sprechen vollzieht sich <strong>der</strong> Gedanke, welcher ohne Sprache aber nicht<br />
denkbar ist.<br />
Ein kulturspezifischer Code regelt die Zuweisung von Inhalt und Ausdruck. Das heißt, dass das<br />
Zeichen nur innerhalb des Codes Gültigkeit besitzt. Das Beispiel des Wortes gift verdeutlicht<br />
es: Im Englischen kann man sich darüber freuen, wovor man sich im Deutschen in Acht<br />
nehmen muss. Dieser Code ist als geschlossenes System analysierbar. Die Struktur dieses<br />
Systems bildet sich aus <strong>der</strong> Relation <strong>der</strong> Elemente (Wörter). Die Bedeutung dieser Elemente<br />
ergibt sich aus den internen Differenzen untereinan<strong>der</strong>. Dementsprechend können we<strong>der</strong> die<br />
einzelnen Elemente noch das Systemganze unabhängig voneinan<strong>der</strong> existieren.<br />
Das Schachspiel ist ein bekanntes Beispiel, um dieses zu veranschaulichen: Die Spielregeln<br />
sind die Beziehung <strong>der</strong> Elemente (Spielsteine) untereinan<strong>der</strong>. Sie definieren die Funktion <strong>der</strong><br />
Elemente und damit die Spielsteine selbst.<br />
Die strukturalistische Sprachwissenschaft versteht sich als synchrone Betrachtungsweise.<br />
Diese geht von einem angenommenen Idealzustand aus. Die Spielregeln sind entscheidend.<br />
Wenn man die Spielregeln kennt, ist es einem zu jedem Zeitpunkt des Spiels möglich, daran<br />
teilzunehmen.<br />
Daraus ergibt sich die Grundlage des Strukturalismus: Jedes System ist eine autonome,<br />
abgeschlossene, methodisch isolierbare Entität (Seinsheit). Die Struktur eines Systems bildet<br />
die Gesamtmenge <strong>der</strong> Relationen zwischen den Elementen. Diese Annahme ist notwendig,<br />
um überhaupt einen Untersuchungsgegenstand definieren zu können.<br />
Im Unterschied zu Hermeneutik, die nach <strong>der</strong> Bedeutung eines Textes fragt, untersucht <strong>der</strong><br />
Strukturalismus, welche Strukturen im Text die Bedeutung erzeugen.
1.3.<br />
über die Grammatologie Derridas<br />
An dieser Stelle setzt <strong>der</strong> Poststrukturalismus, in den 1960er Jahren in Frankreich, seine Kritik<br />
von innen an. Die Theorie des Strukturalismus wird übernommen und radikalisiert. Das<br />
Fragen des Strukturalismus endet bei <strong>der</strong> klaren Annahme des Vorhandenseins von<br />
Bedeutung, <strong>der</strong> durch die Differenz <strong>der</strong> Elemente konstituiert wird. Die Bedeutung wird aber<br />
erst mit dem Vorgang des Bezeichnens konstituiert (Jaques Lacan).<br />
Von außen richtet sich die Kritik grundlegend gegen jegliche Vorstellung von Repräsentation.<br />
Es kann nicht von einem absoluten Dasein von Sinn o<strong>der</strong> Bedeutung ausgegangen werden.<br />
Dementsprechend ist nicht objektiv festzustellen ist, was Vernunft bedeutet. An dieser Stelle<br />
wird die Unzulänglichkeit des strukturalistischen Systems deutlich. Vernunft wird im<br />
poststrukturalistischen Denken als gesellschaftlich festgesetzte Machtwirkung verstanden.<br />
Die Kritik gilt weiterhin <strong>der</strong> Ausgrenzung von Historizität im Strukturalismus. Das meint, daß<br />
<strong>der</strong> Strukturalismus die Verhältnisse <strong>der</strong> Elemente zueinan<strong>der</strong> in einem bestimmten Moment<br />
untersucht, was die Sichtweise eines in sich geschlossenen Systems ohne Zentrum<br />
ermöglicht. Die Kritik gilt dieser Betrachtung, weil sie Geschichte als Objekt kategorisiert. Es<br />
kann aber nicht die Überwindung <strong>der</strong> Metaphysik sein, den Ursprung einfach auszugrenzen.<br />
Die einfache Negation <strong>der</strong> Metaphysik verbleibt in <strong>der</strong> Anerkennung des traditionell<br />
metaphysischen Denkens.<br />
Um nach dem Sinn von Sein zu fragen, bedarf es einer Art des Fragens, die unsere<br />
Geschichtlichkeit, in <strong>der</strong> wir uns befinden, mit einschliesst. Michel Foucault entwickelt die<br />
Diskursanalyse. Er fragt nach den historischen Bedingungen für die Entstehung von Wissen<br />
und Zusammenhängen, ohne dabei einer hierarchischen Richtung zu folgen.<br />
Der allgemeine Diskurs als dezentrierte Rede entscheidet darüber, was überhaupt ist. Das<br />
meint, daß sich die Welt nicht auf das Subjekt als Ursprung o<strong>der</strong> Zentrum gründet. Das<br />
Subjekt versteht Foucault als Produkt, das eine Epoche am Übergang von <strong>der</strong> Klassik zur<br />
Mo<strong>der</strong>ne hervorgebracht hat. Diese Sicht betrifft auch die Literatur, bei <strong>der</strong> Text und Autor<br />
getrennt betrachtet werden. Der Autor steht nicht im Vor<strong>der</strong>grund. Der Kontext, die Regeln<br />
und Normen, unter denen Literatur entsteht, bestimmen die Literatur als geregeltes, aber<br />
auch als regelndes Ordnungssystem. Im Poststrukturalismus findet die <strong>Philosophie</strong>, die einen<br />
Sinn verfolgt, ihr Ende.(vgl. Metzler 305)<br />
In diesem Kontext und aus <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> Sprachwissenschaft von Saussure entwickelt<br />
Derrida die Grammatologie. (Derrida 1967a) Diese beinhaltet die <strong>Dekonstruktion</strong> des Begriffs<br />
Zeichen und dementsprechend des ganzen logischen Zeichensystems. Es ist Derridas<br />
Annerkennung und Radikalisierung <strong>der</strong> Theorie des Zeichens von Saussure. Derrida sieht die<br />
Zeichentheorie Saussures innerhalb des Systems <strong>der</strong> Metaphysik verhaftet. Die<br />
strukturalistische Differenztheorie geht von dem Vorhandensein von Sinn o<strong>der</strong> Bedeutung,<br />
beziehungsweise einem Signifikat aus, was unabhängig vom Bedeutungsprozess existiert.<br />
Das Signifikat wird als dem Bedeutungsprozess vorausliegend angenommen. Derrida sieht<br />
diese Annahme entsprechend <strong>der</strong> eines transzendentalen o<strong>der</strong> von Gott gegebenen<br />
Signifikats. Der Sinn ist aber nicht die Ursache <strong>der</strong> Bezeichnung, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> sich<br />
aufschiebende Effekt. Wenn sich die Bedeutung erst im Bedeutungsprozess aufschiebt, kann<br />
die Theorie des Zeichens nicht feststehend sein. Da das System des Zeichens und damit <strong>der</strong><br />
Metaphysik nicht einfach verlassen werden kann, sucht Derrida nach einer Lösung, die den<br />
Prozess o<strong>der</strong> die Bewegung an <strong>der</strong> Stelle des ursprünglichen Sinns beinhaltet.<br />
Es gibt keine gesicherte Existenz. Nur aus dem Bedürfnis nach Sicherheit konstruieren und<br />
hantieren wir mit Modellen, die eine solche als wahr annehmen. Das betrifft die Existenz des<br />
Signifikats in Bezug auf das Zeichen und den Sinn des Seins in Bezug auf die <strong>Philosophie</strong>.<br />
Derrida entwickelt aus <strong>der</strong> Kritik des Zeichens die Kritik unseres metaphysischen Welt- und<br />
Selbstverständnises.<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> bezeichnet eine Art des Befragens <strong>der</strong> Texte nach ihren Begriffen, <strong>der</strong>en<br />
Herkunft, nach textimanenten und über den Text hinaus weisenden Zusammenhängen. Die
Kritik von innen meint Texte zu determinieren, sie neu zu lesen und von innen her aufzulösen.<br />
Ihre Konstruktion wird freigelegt.<br />
Derrida fragt nach <strong>der</strong> Stelle, an <strong>der</strong> Bedeutung konstituiert wird. Wir können von keiner<br />
absoluten Kongruenz von Signifikat und Signifikant ausgehen. Die Differenz, die bei Saussure<br />
die Bedeutung eines Zeichens definiert, kann nicht als feststehend angenommen werden.<br />
Damit kritisiert Derrida den Logozentrismus des Strukturalismus, <strong>der</strong> von einem<br />
Zeichenbegriff ausgeht, <strong>der</strong> sich selbst bestätigt. Es stellt sich die Frage nach dem Ursprung,<br />
wenn die Bedeutung eines Zeichens dadurch definiert wird, was es nicht ist, durch die<br />
Differenz zu an<strong>der</strong>en Zeichen. Das heißt, daß ein ursprünglicher Sinn als feststehend<br />
angenommen werden müsste. Dieser bestimmt den Inhalt des Zeichens und damit die Logik<br />
im Zentrum des Zeichens. Das wird verständlich, wenn es um den Inhalt <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, um<br />
den Sinn von Sein geht.<br />
Weiterhin dekonstruiert Derrida in <strong>der</strong> Semiotik Saussures den Phonozentrismus. Die als<br />
ursprünglich angenommene Verknüpfung <strong>der</strong> Entstehung von Bedeutung mit <strong>der</strong><br />
gesprochenen Sprache eines Subjekts ist phonozentristisch. In gleicher Weise muss die Form<br />
des Verhältnisses von Stimme und Schrift, dekonstruiert werden. Es kann keine Hierarchie<br />
geben, in <strong>der</strong> die Stimme die Schrift beherrscht. Die Schrift stellt nicht nur ein sekundäres<br />
Hilfsmittel dar, welches auf das gesprochene Wort als Selbstpräsenz des Bewußtseins<br />
verweist. Derrida versteht auch die Sprache als eine Art Schrift.<br />
Schon im Begriff des Zeichens ist die Abwesenheit dessen, worauf es verweist, angelegt. Das<br />
Zeichen bleibt aber traditionell an die Vorstellung <strong>der</strong> Anwesenheit des Sinns gebunden. Das<br />
Zeichen wird selbst zum Vermittler von etwas, das nie andauernd anwesend war, bevor es<br />
erneut bezeichnet wurde. (vgl. Menke 245) Derrida denkt das Zeichen als aufgeschobene, zu<br />
erwartende, Anwesenheit von Sinn. An die Stelle des Signifikats tritt ein Signifikant des<br />
Signifikanten. Der Sinn ist nicht eindeutig festzustellen. Er ist auch nicht kongruent<br />
wie<strong>der</strong>herstellbar.<br />
„Signifikant des Signifikanten beschreibt ...die Bewegung <strong>der</strong> Sprache- in ihrem<br />
Ursprung;aber man ahnt bereits, daß ein Ursprung, dessen Struktur als Signifikant des<br />
Signifikanten zu entziffern ist, sich mit seiner eigenen Hervorbringung selbst hinwegrafft<br />
und auslöscht. Das Signifikat fungiert darin je als Signifikant.“ (Derrida 1967a 17)<br />
Erst durch die notwendige Ergänzung, das Supplement, wird das Eigentliche hervorgebracht.<br />
Die Schrift ist eine Kette von sich ablösenden Verweisungen. Darin löst sich das Zeichen aus<br />
dem zweiseitigen Modell, <strong>der</strong> Einheit von Signifikat und Signifikant des Strukturalismus.<br />
Wir schieben den Sinn unendlich vor uns her, wenn wir etwas bezeichnen wollen. Der Effekt<br />
ist die Spur eines unendlichen Diskurses. Die Spur deutet auf die Abwesenheit von etwas und<br />
beinhaltet somit die Erinnerung daran, die Vorstellung <strong>der</strong> Anwesenheit von diesem.<br />
Derrida spricht von <strong>der</strong> Spur des An<strong>der</strong>en im Selben. Das bezieht sich auf die Differenz<br />
innerhalb <strong>der</strong> Struktur, wie sie Saussure definiert. Durch die Negation als Begründung <strong>der</strong><br />
Bedeutung eines Elements ist noch keine Übereinstimmung von Signifikat und Signifikant<br />
garantiert. Der gesprochene Laut, sowie die geschriebenen Buchstaben bringen die Spur des<br />
Abwesenden hervor.<br />
„Daß das Signifikat ursprünglich und wesensmäßig (...) Spur ist, daß es sich immer schon in <strong>der</strong><br />
Position des Signifikanten befindet...“ (ebd.129)<br />
Derrida zeigt damit die Differenzen von Signifikat und Signifikant, die vor je<strong>der</strong> Identität<br />
durch Unterscheidung liegen. Die so genannte Vorläufigkeit des Zeichens verdeutlicht, dass<br />
<strong>der</strong> ursprüngliche Sinn nie einholbar bleibt, weshalb <strong>der</strong> Gebrauch <strong>der</strong> Zeichen immer<br />
vorläufig ist. Derrida überträgt hier das Beispiel des Gebrauchs von Werkzeugen, die eben da<br />
sind und benutzt werden, weil nichts passen<strong>der</strong>es zur Hand ist. ( Derrida 1967b 430)<br />
Jede Wie<strong>der</strong>holung des Sinns in <strong>der</strong> Benutzung <strong>der</strong> Zeichen ist eine neue Andichtung von
Inhalt. Der Signifikant ist keine eindeutige Repräsentation, keine Wie<strong>der</strong>herstellung son<strong>der</strong>n<br />
eine Neuauflage. Sprechen ist Neuerschaffen von Gedanken.<br />
Deshalb können Texte nicht einen Sinn haben, den <strong>der</strong> Autor in diesen eingeschrieben hat.<br />
Genauso wenig kann <strong>der</strong> Autor den Sinn, <strong>der</strong> sich bei <strong>der</strong> Lektüre anheftet, kontrollieren.<br />
Lesen ist das Nachvollziehen <strong>der</strong> Spuren des Textes.<br />
An die Stelle des ursprünglich angenommenen Sinns setzt Derrida die différance. (vgl. Derrida<br />
2004) Dies ist ein formales Kunstwort, das Derrida eingeführt hat, um die Stelle des Signifikats<br />
zu ersetzen. Er zeigt so einen Lösungsweg, <strong>der</strong> einerseits im zur Verfügung stehenden<br />
Zeichensystem bleibt und es doch gleichzeitig in seinem Inneren überwindet.<br />
Différance weist auf différence (Unterscheidung, Aufschiebung) und auf die Partizipalform<br />
différant ( Unterscheidendes, Aufschiebendes). Die Endung -ance tritt an die Stelle des -ence.<br />
Dieser Unterschied ist nur im Schriftbild festzustellen. Im Lautbild ist eine Differenzierung<br />
unmöglich. Das Wort steht somit für einen Bruch und die Verbindung zugleich. Es bezeichnet<br />
den Aufschub, nicht identisch aber erkennbar zu sein. Différance zeigt die Möglichkeit, das<br />
Zeichensystem nicht als geschlossenes System son<strong>der</strong>n als ein unendlich offenes Gewebe<br />
von Differenzen zu denken.<br />
Das Zentrum hat auch keine Gestalt und keinen Ort, „ son<strong>der</strong>n eine Funktion, eine Art von<br />
Nicht-Ort, worin sich ein unendlicher Austausch von Zeichen abspielt.“ (Derrida 1967b 424)<br />
„Es gibt kein Signifikat, das dem Spiel aufeinan<strong>der</strong> verweisen<strong>der</strong> Signifikanten entkäme,<br />
welches die Sprache konstituiert,.... Die Heraufkunft <strong>der</strong> Schrift ist die Heraufkunft des Spiels;...“<br />
(Derrida 1967a 17)<br />
„Die Abwesenheit eines transzendentalen Signifikats erweitert das Feld und das Spiel des<br />
Bezeichnens ins Unendliche.“ (Derrida 1967b 424)<br />
Gleichzeitig besetzt die différance aber eine traditionelle Rolle im Zeichensystem und erkennt<br />
es somit an. Derrida entwickelt ein Modell, um zwei sich ausschließende Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten,<br />
zugleich denken zukönnen.<br />
„es ist sinnlos, auf die Begriffe <strong>der</strong> Metaphysik zu verzichten, wenn man die Metaphysik<br />
erschüttern will. Wir verfügen über keine an<strong>der</strong>e Sprache- über keine Syntax und Lexik-, die<br />
nicht an dieser Geschichte beteiligt wäre.“ (ebd.425)<br />
Damit schließt Derrida seine eigene Arbeit in seine Kritik des Zeichens und <strong>der</strong> Metaphysik<br />
ein ein. Er veröffentlicht Bücher, weil man sie so nennt. Aber er glaubt nicht an sie als Bücher<br />
mit Anfang und Ende. Derrida stellt mit <strong>der</strong> Einheit des Buches die Einheit <strong>der</strong> Kultur in Frage.<br />
In Das Ende des Buches und <strong>der</strong> Anfang <strong>der</strong> Schrift (vgl. Derrida 1967a) erörtert er, daß Texte<br />
nicht abgeschlossen o<strong>der</strong> linear sind. Die Schrift „stellt vielmehr ein Text- ,Verfahren` dar.“<br />
(Derrida 1972 15)<br />
In Texten werden Begriffe verwendet, die nicht für sich stehen. Ihre ganze Geschichte spielt<br />
im Moment ihrer Verwendung mit. Derrida stellt Text als vielfältiges Gewebe vor. In ihm<br />
befinden sind einerseits Zusammenhänge mit Lektüren von an<strong>der</strong>en Texten und an<strong>der</strong>erseits<br />
ermöglicht <strong>der</strong> Text vielfältige Lesarten. Es werden Fragen aufgegriffen und neu gestellt.<br />
Bedeutungen die bisher verborgen waren, werden sichtbar. Derrida zeigt anhand von<br />
Begriffen, die nicht einer Wissenschaft zuzuordnen sind, daß ihnen schon eine vielfältige<br />
Lesart innewohnt. Die <strong>Dekonstruktion</strong> von Texten bleibt unabschliessbar. <strong>Dekonstruktion</strong> ist<br />
keine Methode und keine Technik. Diese können sich aber durch <strong>Dekonstruktion</strong> bilden:<br />
„Sie befaßt sich mit Texten, beson<strong>der</strong>en Situationen, Signaturen, mit <strong>der</strong> Gesamtheit <strong>der</strong>
<strong>Philosophie</strong>geschichte, in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Methode konstituiert hat. Wenn die<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> die Geschichte <strong>der</strong> Metaphysik und die des Methodenbegriffs untersucht,<br />
kann sie sich nicht einfach selbst als Methode darstellen.“ (Derrida 1987a 70)<br />
Derrida setzt für diese möglichen <strong>Dekonstruktion</strong>en eine Erweiterung <strong>der</strong> Begriffe Text und<br />
Schrift voraus, die somit nichts ausschliessen:<br />
„Ich habe aus strategischen Gründen... den Begriff des Textes verallgemeinert und als Text<br />
ebenso eine Institution wie eine politische Situation, einen Körper, einen Tanz usw.<br />
bezeichnet...“ (ebd.)<br />
„Das was ich also Text nenne, ist alles, ist praktisch alles. (...) Ich habe gegelaubt, daß es<br />
notwendig wäre, diese Erweiterung, diese strategische Verallgemeinerung des Begriffs des<br />
Textes durchzuführen, um <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> ihre Möglichkeit zu geben, <strong>der</strong> Text<br />
beschränkt sich folglich nicht auf das Geschriebene, auf das, was man Schrift nennt im<br />
Gegensatz zur Rede. Die Rede ist ein Text, die Geste ist ein Text, die Realität ist ein Text in<br />
diesem neuen Sinne.“ (Derrida 1987b 107, f)<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> hat nicht das Ziel, „eine neue Ordnung von Vernunft hervorzubringen. Doch sie<br />
ist ein Symptom für die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ordnung von Rationalität, in <strong>der</strong> wir leben.“ ( Derrida<br />
1987a 71) Derrida untersucht das Prinzip <strong>der</strong> Vernunft und nutzt dazu die Möglichkeit, die<br />
ihm das Verlassen <strong>der</strong> Grundsätze, die das Vernunftsprinzip selbst bestimmen, eröffnet.<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> ist aber we<strong>der</strong> rational noch irrational. Irrationalität gibt es erst seit es den<br />
Begriff <strong>der</strong> Rationalität gibt, den Leibniz im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t prägte. Durch bloßes Negieren<br />
von rationalem Denken ist darüber kein Überblick zu erhalten. Der Philosoph ist sich seiner<br />
Verantwortung bewußt, wenn er den Vernunftsbegriff hinterfragt: Welchen geschichtlichen<br />
Weg ist das Verständnis von Vernunft gegangen, und was kann klassische und mo<strong>der</strong>ne<br />
Rationalität sein? Die Fragen nach <strong>der</strong> Wahrheit, <strong>der</strong> Vernunft, <strong>der</strong> Verantwortlichkeit sowie<br />
dem Sinn, die selbst in ihrer Art des Fragens geprüft werden, sind <strong>der</strong> Antrieb dafür.<br />
Bei <strong>der</strong> „Erfahrung <strong>der</strong> Wahrheit“ (ebd. 73) gibt es keine Sicherheit, die wissenschaftlich fest<br />
abgesteckt ist. Der Wahrheitswert hat eine relative Wirksamkeit. Derrida vergleicht ihn mit<br />
einem Werkzeug mit begrenzter Brauchbarkeit. Gerechtigkeit kann in <strong>der</strong> Vielfältigkeit des<br />
Lebens nicht als geschlossenes System existieren.<br />
1.4.<br />
an <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> Wissenschaften<br />
Die <strong>Dekonstruktion</strong> durchquert alle Disziplinen. Sie ist selbst we<strong>der</strong> eine Disziplin, ein Wissen<br />
noch eine Metadisziplin. Weil <strong>Dekonstruktion</strong> keinem geschlossenen System angehört, läßt<br />
sie sich auch nicht kritisieren. Im Gegensatz dazu ist aber alles, was durch <strong>Dekonstruktion</strong><br />
entsteht, kritisierbar. Es ergeben sich Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit Dingen, die Ordnungen<br />
angehören, <strong>der</strong>en innere Bestimmungen eine Kritik ermöglichen.<br />
Derrida vergleicht die Sprache <strong>der</strong> Kunst und die Sprache <strong>der</strong> Wissenschaften. So wie sie<br />
etwas zum Vorschein bringen, verbergen sie auch immer etwas. Wir können keine absolute<br />
Sprachform bilden, auch in <strong>der</strong> Mathematik ist die integrale Formalisierung unmöglich.<br />
Wir haben nur die Möglichkeit, in unserer natürlichen Sprache zu denken, und mit dieser zu<br />
arbeiten. Das bedeutet aber keine Negation <strong>der</strong> Wissenschaften und den darin genutzten<br />
Fachsprachen. Es meint eher eine Relativierung im übergeordneten Sinn, die eine<br />
Hierarchisierung <strong>der</strong> Wissenschaften aufhebt. Darin unterscheidet sich Derrida von<br />
Heidegger, <strong>der</strong> sagte: „Die Wissenschaft denkt nicht.“ (ebd. 83)
Neben <strong>der</strong> wissenschaftlichen Sprachkritik versucht Derrida die klassische Form <strong>der</strong><br />
<strong>Philosophie</strong> durch eine literarische Schreibweise aufzulösen. In einem Text sind immer<br />
literarische und philosophische Schichten enthalten. Ein Text ist nicht ausschließlich<br />
philosophisch o<strong>der</strong> literarisch. Derrida sieht die abgeschlossenene Einteilung als<br />
Beschränkung <strong>der</strong> Vielfältigkeit eines Textes. (vgl. Derrida 1972 30)<br />
Wie schon Schopenhauer und Nietzsche versucht er auf an<strong>der</strong>en Wegen Lösungen für<br />
philosophische Probleme zu finden. Derridas Texte entsprechen we<strong>der</strong> einer traditionellen<br />
Definition von <strong>Philosophie</strong> noch <strong>der</strong> von Literatur. Es entsteht ein eigener Texttypus mit<br />
eigenen Regeln, <strong>der</strong> diese Trennung von <strong>Philosophie</strong> und Literatur thematisiert. Ein neuer<br />
Kontext , zum Beispiel die Verbindung zur Ästhetik, <strong>Philosophie</strong>, Sozialwissenschaft, Physik<br />
o<strong>der</strong> Politik, ermöglicht die Übersetzung von Texten verschiedener Genre und<br />
Wissenschaften ineinan<strong>der</strong> ohne diese an sich aufzulösen.<br />
„Nennt man Bastelei die Notwendigkeit, seine Begriffe dem Text einer mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
kohärenten o<strong>der</strong> zerfallenen Überlieferung entnehmen zu müssen, dann muß man zugeben,<br />
daß je<strong>der</strong> Diskurs Bastelei ist.“ (Derrida 1967b 431)<br />
Derrida übernimmt die Gegenüberstellung des Bastlers und des Ingenieurs aus <strong>der</strong> Lektüre<br />
eines Textes von Lévi-Strauss. Er radikalisiert diese und stellt heraus, daß <strong>der</strong> Ingenieur seine<br />
eigene Sprache selbst konstruiert und sich damit als Ursprung seiner selbst annimmt: „<strong>der</strong><br />
Ingenieur ein Mythos“<br />
„Die Vorstellung eines Ingenieurs, <strong>der</strong> mit je<strong>der</strong> Bastelei gebrochen hätte, ist daher eine<br />
theologische Vorstellung; da Lévi-Strauss uns an an<strong>der</strong>er Stelle mitteilt, daß die Bastelei<br />
mythopoethisch sei, kann man ganz sicher sein, daß <strong>der</strong> Ingenieur ein vom Bastler erzeugter<br />
Mythos ist.“ (ebd.)<br />
Derrida zeigt weiter, dass je<strong>der</strong> endliche Diskurs zu einer Art Bastelei genötigt ist, und somit<br />
<strong>der</strong> Ingenieur o<strong>der</strong> Wissenschaftler von <strong>der</strong> Art des Bastlers sind. Diesen Gedanken tragen<br />
auch Künstler und Philosophen <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne, die sich ihre Regeln selbst schaffen, denen<br />
sie sich unterwerfen.<br />
Die <strong>Philosophie</strong>, die sich traditionell um die Sinnfrage des Seins bemüht, wird über ihre<br />
wissenschaftlichen Grenzen hinaus erweitert. Derrida sieht in dem Gebiet, das sich zwischen<br />
Literatur und <strong>Philosophie</strong> ergibt, neue Möglichkeiten sich dem nicht festzulegenden<br />
Ursprung vom Sein zu nähern. Die Neubestimmung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ist ein Thema <strong>der</strong><br />
Postmo<strong>der</strong>ne. Auch Lyotard setzt philosophisches und künstlerisches Schaffen gleich;<br />
Foucault rät den Philosophen, Journalisten zu werden. Es geht um den Sinn <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />
selbst. Was hat sie hervorgebracht? Welche Rolle spielt sie heute in unserer Welt?<br />
„Eine Schrift, die sich für sich selbst interessiert und die uns auch die Philosopheme- und in<br />
<strong>der</strong> Folge aller zu unserer Kultur gehörenden Texte als eine Art von Symptomen lesen läßt,<br />
Symptomen von etwas, das sich in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> nicht präsentieren<br />
konnte, das übrigens nirgends präsent ist, weil es ja in <strong>der</strong> ganzen Angelegenheit darum<br />
geht, diese vorwiegende Bestimmung des Sinns von Sein als Präsenz, in <strong>der</strong> Heidegger das<br />
Schicksal <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> erkannt hat, in Frage zu stellen.“( Derrida 1972 39)<br />
Das bleibt strukturell eine logische Frage. Welchen Sinn hat eine <strong>Philosophie</strong> für uns, die sich<br />
auf sich selbst gründet, sich von den an<strong>der</strong>en Lebensbereichen abgegrenzt? Sie muss in alle<br />
Bereiche des Lebens hineinreichen. Umgekehrt bestimmen an<strong>der</strong>e Gebiete des Lebens<br />
ebenso die <strong>Philosophie</strong>. Da es um die Strukturen unseres Denkens geht, muss es um Alles<br />
gehen. Diese Fragen berühren die Psychologie, wenn sie nach Bewußtsein und<br />
Unbewußtsein fragen o<strong>der</strong> die Politik, wenn es um Verantwortung innerhalb unserer
Gesellschaftsstrukturen geht. Wie gehen wir mit einer Welt um, in <strong>der</strong> ein Finanzmarkt nicht<br />
mehr zu fassen ist, auf dem es keinen rationalen Gegenwert mehr gibt? Von hier aus kann<br />
man sehen, dass es schon immer Konstruktionen waren, die die Menschen hervorbrachten,<br />
um sich Sicherheiten zu schaffen. Die Unsicherheit ist eine Voraussetzung des Lebens an sich,<br />
durch die wir lebendig sind und <strong>der</strong> wir an<strong>der</strong>erseits nicht entkommen können. Alle<br />
Orientierungshilfen, die erfunden wurden und immer weitergeben werden, bestehen aus<br />
diesem unsicheren Grund. Sie funktionieren immer nur unter Ausschluss des An<strong>der</strong>en, wie<br />
<strong>der</strong> Unsicherheit, die aber im Grund des ganzen Sicherheitssystems enthalten ist.<br />
Wenn Derrida von innen und von außen nach <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> fragt, geht er einerseits dem<br />
eigentlichen Sinn vom Sein nach und fragt gleichzeitig von außen, was <strong>Philosophie</strong><br />
überhaupt ist, sein kann und war:<br />
„Ich versuche mich, an <strong>der</strong> Grenze des philosophischen Diskurses aufzuhalten. Ich sage<br />
Grenze und nicht Tod, weil ich an das, was man heutzutage den Tod <strong>der</strong> Metaphysik zu<br />
nennen pflegt, ganz und gar nicht glaube(...). Eine Grenze also, von <strong>der</strong> aus die <strong>Philosophie</strong><br />
erst möglich geworden ist und sich als Episteme definiert hat, wobei sie sich innerhalb<br />
eines Systems fundamentaler Zwänge und begrifflicher Gegensätze bewegt, außerhalb<br />
<strong>der</strong>er sie gar nicht betrieben werden kann.“ (ebd. 12)<br />
Ein Text ist nur lesbar, weil er einerseits formal geschrieben ist und an<strong>der</strong>erseits vielfältige<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Lektüre beinhaltet.<br />
„Er wird von seiner Grenze nicht umgeben, son<strong>der</strong>n durchzogen, in seinem Innern von <strong>der</strong><br />
vielfachen Furche seines Randes markiert.“ (Paul de Man 1976, zit.n. Menke 250)<br />
Der Mangel an eindeutiger Bezeichnung ist nicht negativ. Er ist in dem Augenblick negativ, in<br />
dem er ausgeschlossen werden soll, um ein vollständiges Ganzes herzustellen. Es ist aber<br />
gerade <strong>der</strong> Mangel, <strong>der</strong> miteinbezogen, das unendliche Spiel des Bezeichnens ermöglicht,<br />
welches im Innern das Äußere hervorbringt. Durch Mitdenken <strong>der</strong> Anwesenheit des<br />
Abwesenden, <strong>der</strong> Differenz im Bezeichnen selbst, ist ein sich äußerndes Bezeichnen möglich,<br />
was in Bewegung und nicht ausschließlich ist, welches das anfängliche Außen beinhaltet.<br />
Derrida bezeichnet das als doppelte Geste.<br />
Derrida versucht mithereinzuholen, was eine rationale Untersuchung nicht kann, weil sie<br />
dadurch bestimmt ist, zum Beispiel die Sinnlichkeit auszuschließen. Das Leben findet aber<br />
unfeststellbar dazwischen statt. Deshalb müssen die Theorien, die das Leben nicht<br />
ausschließen wollen, offen bleiben. Die Bewegung des Bezeichnens ist ein unvorhersehbares<br />
Ereignisses im Gegensatz zum vorhersagbaren Programm.<br />
„Derridas philosophische Arbeit schreibt sich nun in die Reihe <strong>der</strong> Versuche ein, gegen die<br />
Kraft dieser scheinbar perfekten Aneignungsmaschine <strong>der</strong> An<strong>der</strong>sheit des An<strong>der</strong>en Raum<br />
zu lassen.“ (Engelmann in Derrida 1972 14)<br />
Derrida hat durch seine Arbeit Gesellschafts-, Kunst- und Architekturbetrachtungen<br />
vorangetrieben. Ihm geht es um die Annäherung an die Ursprünge, die Grundlagen und<br />
Grenzen <strong>der</strong> Werte, Normen und Vorschriften unserer Kulturgesellschaft. Derrida thematisiert<br />
die Unmöglichkeit, sich die Welt gänzlich als Objekt anzueignen o<strong>der</strong> sie in einer objektiven<br />
Wahrheit zu begreifen. Er entwickelt eine philosophische Relativitätstheorie, in <strong>der</strong> das Spiel<br />
<strong>der</strong> Bezeichnung die Lösung aus <strong>der</strong> Totalität des Systems im Innern des Systems selbst<br />
ermöglicht. Es geht in die Richtung einer lebendigen Bewegung.<br />
In <strong>der</strong> Architektur äußert sich Sein. Das menschliche Dasein wird in seiner Art sichtbar. Die<br />
Architektur macht Kultur präsent und gleichzeitig umgibt, gestaltet sie das Leben <strong>der</strong><br />
Menschen. Architektur entsteht an <strong>der</strong> Grenze und bildet die Grenze von Innen und Außen.<br />
Deshalb muss sie auch in dieser Art und Weise gedacht werden. Die Architektur ist nicht nur<br />
Teil unserer Kulturentwicklung, sie berührt alle Bereiche des menschlichen Daseins.
2. <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong><br />
2.1. über <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur und Kunst<br />
Die Bezeichnung <strong>der</strong> Dekonstruktivistischen Architektur ist durch die gleichnamige<br />
Ausstellung, 1988 im MOMA in New York ,zur Etikette für einige bekannte Architekten<br />
geworden. Dekonstruktivismus ist als architektonischer Stil nur in <strong>der</strong> Diskussion über<br />
Architektur in den 1990er Jahren aufrecht erhalten worden. Die damaligen Teilnehmer <strong>der</strong><br />
Ausstellung führen gegenwärtig aber international erfolgreiche Architekturbüros.<br />
Es wurden folgende Projekte ausgestellt (s. Abb.):<br />
− Frank O. Gehry mit seinem Privathaus in Santa Monica in Kalifornien, was von einigen als<br />
das erste dekonstruktivistische Haus gesehen wird<br />
− Daniel Libeskind mit dem Projekt Stadtkante in Berlin, mit dem er den ersten Preis beim<br />
Wettbeweb Stadtkante <strong>der</strong> Internationalen Bauaustellung (IBA) 1987 gewinnt<br />
− Rem Koolhaas mit dem Mietshaus und Aussichtsturm in Rotterdam<br />
− Peter Eisenman mit dem Biozentrum für die Universität in Frankfurt am Main<br />
− Zaha M. Hadid mit The Peak ( Der Gipfel) ein Club in den Bergen oberhalb des Hafens in<br />
Hongkong<br />
− Coop Himmelblau mit ihrer berühmten Dachgeschoss- Umgestaltung eines Mietshauses<br />
in Wien<br />
− Bernard Tschumi mit dem<br />
Der Park de La Villette in Paris ist <strong>der</strong> Anlass für Jaques Derridas Schriften zur Architektur und<br />
seine Zusammenarbeit und Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Peter Eisenman, die das Thema <strong>der</strong><br />
vorliegenden Arbeit hauptsächlich bestimmen.<br />
Philip Johnson und Mark Wigley sind die Kuratoren <strong>der</strong> Ausstellung Dekonstruktivistische<br />
Architektur. Diese stellen sie nicht als Bewegung o<strong>der</strong> Glaubensbekenntnis vor, son<strong>der</strong>n das<br />
Schaffen einiger Architekten <strong>der</strong> 1980er Jahre, die in ähnlicher Vorgehensweise ähnliche<br />
Formen entwerfen. Die neuen Formen, <strong>der</strong> von ihnen bezeichneten dekonstruktivistischen<br />
Architekten, sehen Johnson und Wigley als auf den russischen Konstruktivismus <strong>der</strong> 1910er<br />
und -20er Jahre zurückgreifend. Das diagonale Übereinan<strong>der</strong>greifen von Qua<strong>der</strong>n und<br />
trapezoiden Blöcken sehen sie sowohl bei den Arbeiten von Malewitsch, Tatlin, Rodtschenko<br />
bis Lissitzky als auch bei den ausgestellten Entwürfen. Die russische Avantgarde hat mit den<br />
klassischen Kompositionsregeln gebrochen und verwendet reine geometrische Formen in<br />
schiefen Kompositionen. Tatlin (s. Abb.) und die Brü<strong>der</strong> Wesnin beginnen auch Architektur in<br />
dieser Weise formal zu entwerfen. Das traditionelle Verständnis von Architektur wird<br />
angezweifelt. Es bleibt aber bei den Entwürfen. Nach <strong>der</strong> Revolution 1917 wird die Kunst in<br />
den Dienst <strong>der</strong> Gesellschaft gestellt. So werden aus den formal instabilen Entwürfen<br />
maschinenartige Montagen mit stabiler Struktur, bei denen die ursprüngliche Idee nur noch<br />
Ornament ist. Sie verfolgen bestimmte Funktionen.<br />
An dieser Stelle wird <strong>der</strong> Dekonstruktivismus als Radikalisierung des Konstruktivismus<br />
gesehen. Die reine Form wird gestört und dadurch auch die Garantie <strong>der</strong> architektonisch<br />
stabilen Struktur. Unsere Vorstellung über Form und Struktur wird irritiert. Aus diesen<br />
Gründen bezeichnet Wigley die ausgestellten Architekturprojekte als dekonstruktiv.<br />
„Ein dekonstruktiver Architekt ist deshalb nicht jemand, <strong>der</strong> Gebäude demontiert,<br />
son<strong>der</strong>n jemand, <strong>der</strong> den Gebäuden inhärente Probleme lokalisiert. Der dekonstruktive<br />
Architekt behandelt die reinen Formen <strong>der</strong> architektonischen Tradition wie ein<br />
Psychiater seine Patienten <strong>–</strong> er stellt die Symptome einer verdrängten Unreinheit fest.<br />
Diese Unreinheit wird durch eine Kombination von sanfter Schmeichelei und<br />
gewalttätiger Folter an die Oberfläche geholt: Die Form wird verhört.“(Wigley1988 11)
Wigley macht deutlich, daß die dekonstruktivistische Architektur keine Anwendung<br />
dekonstruktiver <strong>Philosophie</strong> ist. Schon 1988 wurde international darüber debattiert, was<br />
die dekonstruktivistische Architektur mit <strong>Dekonstruktion</strong> zu tun hat.<br />
James Wines beschreibt die Ausstellung im MOMA als Politikum, dazu bestimmt eine<br />
Auswahl an Architektur entgegen <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>nen Architektur marktfähig zu machen. Das<br />
Problem an dieser ausgewählten Bestimmung von Dekonstruktivistischer Architektur sieht er<br />
vor allem in einer rein formalen Interpretation von <strong>Dekonstruktion</strong>. (vgl. Wines 135) Die Idee<br />
einer Ausstellung <strong>der</strong> Architekturmodelle zerfallen<strong>der</strong>, aufgelöster und verzogener Bauten,<br />
mit dem Titel Gestörte Perfektion: Die Bedeutung des architektonischen Fragments, hatten<br />
an<strong>der</strong>e mit weniger Geld und politischem Einfluß. James Wines nennt in diesem<br />
Zusammenhang Designer wie Paul Florian, Stephan Wierzbowski Aaron Betsky.<br />
Die Übertragung des Begriffes <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong>, wie ihn Derrida prägte, auf eine<br />
architektonische Bewegung, die als dekonstruktivistisch ausgelegt wird, hält Wines schon für<br />
schwierig. Mark Wigley weist aber im Ausstellungskatalog Dekonstruktivistische Architektur auf<br />
formale Charakteristiken hin, die er als dekonstruktivistisch bezeichnet. Er schliesst damit die<br />
Arbeiten von Gordon Matta-Clark, Nigel Coates und SITE , fragmentierte und<br />
entmaterialisierte Elemente in Gebäuden, aus. Sie scheinen für Wigley den<br />
Dekonstruktivismus falsch verstanden zu haben, weil sie formal nicht direkt auf den<br />
Konstruktivismus zurückzuführensind. Wines kann <strong>der</strong> Herleitung Wigleys nicht vollends<br />
zustimmen, da er die früheren russischen Formen als einem klaren ideologischen Tenor<br />
folgend ansieht.<br />
Für Wines legt Wigley den Sinn <strong>der</strong> künstlerischen Arbeiten nur nach dem äußeren Schein<br />
aus, wenn er Fragmente nur als Zerstörung und Verfall deutet. Wines stellt die Kunstsprache<br />
als Mittel <strong>der</strong> Bezeichnung dar, <strong>der</strong>en oberflächliche Vorstellung nicht als Inhalt ausgelegt<br />
werden kann. „Dem Dekonstruktivismus geht es nicht um Form, son<strong>der</strong>n um Einstellung.“<br />
( Wines 137) Die Intention <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> ist für Wines eine Än<strong>der</strong>ung unserer<br />
Wahrnehmung. Dementsprechend sieht er den „zum Architekten gewordenen Künstler“ (ebd.<br />
138), Gordon Matta- Clark, entgegen formalistischen Entwüfen eher als dekonstruktivistisch.<br />
Obwohl Wines den Begriff des Dekonstruktivismus` fragwürdig findet, sobald er aus seinem<br />
legitimen literarischen Kontext herausgelöst ist.<br />
Zur gleichen Zeit <strong>der</strong> MOMA Ausstellung veranstaltet das Brooklyn Museum eine<br />
bedeutende Retrospektive seines Werks. Gordon Matta- Clark nutzt bestehende Gebäude, in<br />
<strong>der</strong>en Konstruktion er skulpturale Einschnitte setzt. (s.Abb.) Er öffnet völlig neue Sichten auf<br />
Architektur und den Zustand des menschlichen Lebens. Die Wahrnehmung von<br />
Funktionalität und Privatheit wird verän<strong>der</strong>t. Matta-Clark arbeitet mit einem sozialpolitischen<br />
Bewußtsein und dem Narrativen ( Erzählerischen) <strong>der</strong> Architektur als Mittel <strong>der</strong><br />
Architekturkritik.<br />
Ein weiteres Beispiel aus <strong>der</strong> Kunst, das mit mo<strong>der</strong>ner Architektur arbeitet und mit<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> zu tun hat: Im verlorenen Raum, dem freien Erdgeschoss unter dem auf<br />
Pilotis gestützten Baukörper des Carpenter Centers for Visual Arts von Le Corbusier in Havard,<br />
hat die Japanerin Ristuko Taho 1991 einen großen holzgeflochtenen Korb, mit eiernen<br />
Gipsformen gefüllt, installiert. Sie nennt die Installation Geo- Luminiscence ( Erd- Aufleuchten).<br />
Der kalte Zement verwandelt sich in einen Wärmespen<strong>der</strong>. Adolf Max Vogt interpretiert die<br />
Kunst von Ristuko Taho als Aufdecken eines verborgenen Inhalts <strong>der</strong> Architektur Le<br />
Corbusiers. Le Corbusiers Faszination des schwebenden Baukörpers ließ eine Kehrseite, den<br />
unwirtschaftlichen Schattenraum darunter, unbeachtet.<br />
Vogt führt weiter, daß die Architektur den Anlass für das Ende <strong>der</strong> Utopie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />
gegeben hat. Gerade im Städtebau wird <strong>der</strong> Mangel deutlich, den <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Utopie mit<br />
sich bringt. „Das Prinzip Hoffnung bleibt ein Prinzip, aber nun mit geschärfter Unterscheidug<br />
zwischen offenem Horizont und punkthaft verengtem , starr fixierten, daher illusorischem<br />
Horizont.“ ( Vogt 18)
2.2. Peter Eisenman<br />
2.2.1. über die <strong>Architekturtheorie</strong> Peter Eisenmans<br />
Charles Jencks bezeichnet Peter Eisenman den „ positive(n) Nihilist(en)“, <strong>der</strong> sich wie kein<br />
an<strong>der</strong>er Architekt auf das Glaubensbekenntnis des Dekonstruktivismus festgelegt hat. ( vgl.<br />
Jencks 263) Alois M. Müller sagt über ihn: Peter Eisenman „ist <strong>der</strong> kulturelle und<br />
psychoanalytische Schichtarbeiter unter den Architekten.“ (Müller 47)<br />
Peter Eisenman wird1932 geboren und lebt und arbeitet in New York, USA.<br />
Eisenman gründet 1967 das "Institute for Architecture and Urban Studies". In den 1970er<br />
Jahren gehört er <strong>der</strong> Architektengruppe "New York Five" gemeinsam mit Richard Meyer, John<br />
Hejduk , Michael Graves und Charles Gwathmey an.<br />
Peter Eisenman hat an den Universitäten Harvard, Princeton und an <strong>der</strong> Ohio State University<br />
gelehrt. Zurzeit hat er einen Lehrstuhl an <strong>der</strong> Universität Yale. Seine Dissertation im Fach<br />
<strong>Philosophie</strong> mit dem Thema Die formale Grundlegung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Architektur hat er 1963 an<br />
<strong>der</strong> Universität in Cambridge (England) vorgelegt.<br />
Ullrich Schwarz: „Eisenmans theoretisches Programm war radikal: Die Architektur, so seine<br />
These, war intellektuell noch gar nicht in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne angekommen und hatte sich<br />
im Unterschied zu Literatur, bilden<strong>der</strong> Kunst, Film und Musik nie wirklich den<br />
geistigen Herausfor<strong>der</strong>ungen des metaphysikkritischen Denkens seit Nietzsche<br />
gestellt. Architektur war im Gegenteil ein obsoletes Bollwerk <strong>der</strong> Metaphysik<br />
geblieben, je<strong>der</strong> grundsätzlichen Selbstreflexion trotzend.“ ( Schwarz 2009 2)<br />
Eisenman wird als „<strong>der</strong> theoretisch ehrgeizigste Vertreter <strong>der</strong> sogenannten Dekonstruktivisten“<br />
gesehen. ( Schwarz 199512) Seine Tätigkeit als Architekt ist eher von theoretischer als in<br />
Gebäuden manifestierter Bedeutung. Er ist ein wichtiger Initiator des internationalen<br />
architektutheoretischen Diskurses. Eisenman ist von 1973-1982 Herausgeber <strong>der</strong> Zeitschrift<br />
Oppositions. Seine Gegenposition bezieht sich auf die hedonistische Postmo<strong>der</strong>ne <strong>der</strong><br />
Architektur.<br />
Eisenmans Anspruch ist die Schaffung einer zeitgenössischen Architektur. Dazu erachtet er<br />
eine „radikale Anwendung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne auf die Architektur selbst“ als notwendig. ( ebd. 13)<br />
Eisenman sieht die Aufgabe darin, ein neuzeitliches Verhältnis von Subjekt und Objekt, in<br />
Bezug auf die theoretische Grundlage <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Architektur, zu bestimmen.<br />
Er betreibt, wie er es nennt, eine Selbstaufklärung <strong>der</strong> aufgeklärten Mo<strong>der</strong>ne über ihre<br />
unreflektierten Traditionsbestände. Eisenman will auf diese Weise die Metaphysik <strong>der</strong><br />
Architektur überwinden, die er als eindeutige Begründung <strong>der</strong> Architektur auf ihre<br />
bestimmte Funktion für den Menschen versteht.<br />
Eisenman bezieht die philosophischen und gesellschaftstheoretischen Argumente <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ne auf die Mo<strong>der</strong>ne Architektur. Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t verän<strong>der</strong>t sich das Verhältnis des<br />
Menschen zur physischen Welt und zu seinen erzeugten Produkten. Das betrifft eine<br />
ästhetische, kulturelle, soziale, ökonomische, philosophische und wissenschaftliche<br />
Entwicklung, die den Menschen aus dem humanistischen Selbstverständnis, dem Mittelpunkt<br />
seiner Welt, verschiebt. „In <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Dezentrierung und Depotenzierung des Subjekts<br />
schliesst Eisenman an Foucaults Kritik des Humanismus an.“( ebd.15) Das Subjekt ist nicht<br />
eindeutig definierbar und die Systeme in denen es sich befindet, stehen nicht fest zur<br />
Verfügung. Der Mensch gilt nicht mehr als Herr und Eigentümer <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> Rationalität und<br />
Geschichte selbst erzeugt. Dafür stehen sowohl Darwin, Nietzsche und Freud als auch die<br />
künstlerische Mo<strong>der</strong>ne seit Baudelaire. Nur die Architekturist,so Eisenman, bis in die<br />
Gegenwart von <strong>der</strong> Metaphysik des Humanismus beherrscht und repräsentiert diese<br />
weiterhin. Dadurch wird eine Erfahrung <strong>der</strong> Dezentrierung des Subjekts in <strong>der</strong> Architektur<br />
nicht ermöglicht. Der mo<strong>der</strong>nen Architektur fehlt eine angemessene theoretische Grundlage.<br />
Diese muß erst noch hergestellt werden. Darum bemüht sich die architekturtheoretische
Arbeit Eisenmans.<br />
Er sieht Architektur nicht als Realität, die innerhalb des vorgefundenen Rahmens produziert<br />
wird. Eisenman kritisiert jede Architektur, die konventionelle Nutzungsmuster nur wie<strong>der</strong>holt<br />
und das formal auch noch repräsentiert. Dieser Funktionalismus, gegen den er sich wendet,<br />
dominiert die Architektur, sie unterliegt ungeprüften gesellschaftlichen Normen und bezieht<br />
sich auf ein verfestigtes anthropozentrisches Menschheitsbild.<br />
„ Die Vorstellung, Architektur müsse in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Wahrheit stehen, müsse ihre<br />
Schutzfunktion repräsentieren und müsse das Gute und das Schöne darstellen, ist eine primitive<br />
unbemerkte Repression. In Wirklichkeit ist gerade die Wahrheit <strong>der</strong> Instabilität unterdrückt<br />
worden.“( Eisenman, blaue Linie S.150)<br />
Eine wirklich zeitgenössische Architektur muß von dem Verlust des Zentrums, <strong>der</strong> inneren<br />
Unsicherheit und <strong>der</strong> Entfremdung des mo<strong>der</strong>nen Lebens ausgehen. Die Objekte und damit<br />
auch die Architektur werden nicht länger vom Menschen und seiner Bedeutungsgebung<br />
beherrscht. Die Objekte „stehen dem Subjekt eigenmächtig, fremd und schweigend gegenüber.“<br />
(ebd.18) Eisenman nennt sie autonome selbstreferentielle Objekte, weil sie als einzige<br />
Bezugspunkte, befreit von allen konventionellen Verweisen, übrig bleiben.<br />
Das betrifft folglich auch die Darstellungsform von Architektur, die er entsprechend<br />
untersucht: In <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Darstellung präsentieren sich die Prinzipien, nach denen<br />
Architektur definiert wird. Sie reflektieren dadurch die sich verän<strong>der</strong>nden Vorstellungen von<br />
Bedeutung und Nutzen <strong>der</strong> Architektur und somit die Verän<strong>der</strong>ung des menschlichen<br />
Bewußtseins. In dieser Art findet Eisenman in den Grundrissdarstellungen von Palladio,<br />
Bramante und Scamozzi den Übergang vom theozentrischen zum anthropozentrischen<br />
Weltbild ablesbar. In <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne wird gerade die humanistische Position des Menschen<br />
kritisiert. So verdecken Grundriss und Vertikalschnitt ,die primären Ausdrucksformen in <strong>der</strong><br />
Architekturdarstellung im Humanimus, viele an<strong>der</strong>e Aspekte <strong>der</strong> Architektur. Das analysiert<br />
Eisenman anhand <strong>der</strong> Maison Dom-ino von Le Corbusier. (s.Abb.) In <strong>der</strong> klaren<br />
Bauteilglie<strong>der</strong>ung ohne Ornamentik repräsentiert die Architektur nicht weiter den Menschen<br />
und seine Bedeutungen. Der Mensch reflektiert sein eigenes Zuordnungsverhältnis zum<br />
Objekt und gewinnt daraus ein an<strong>der</strong>es Verhältnis zu ihm.<br />
Dementsprechend vollzieht sich die Trennung zwischen dem Endprodukt des Gebäudes (in<br />
seiner Erscheinung und Bedeutung) und den zugrunde liegenden Konzepten und<br />
Entwurfsverfahren <strong>der</strong> Architekten. Das Interesse verlagert sich weg vom ausgeführten Werk<br />
hin zum Entwerfen selber und dem Vorgang des Bauens.<br />
Die Künstler <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> 1920er Jahre fanden die axonometrische Darstellung von<br />
Objekten und Architektur geeigneter als die Perspektive. (s.Abb.) Diese ist zu begrenzt in <strong>der</strong><br />
Abhängigkeit <strong>der</strong> Subjektivität des Blickpunkts. Die perspektivische Darstellung stellt das<br />
Subjekt in ihren Mittelpunkt. Sie bildet die Anschauungsform des Betrachters nach. Darüber<br />
hinaus ist sie symbolisch als Selbsterfahrung für eine kulturelle Zeit zu verstehen. Das Objekt<br />
wird dargestellt, wie es zu sehen ist.<br />
Im Gegensatz dazu rückt die axonometrische Darstellung das Objekt ins sein Zentrum.<br />
Der Fluchtpunkt <strong>der</strong> Axonometrie ist in die Unendlichkeit verlegt, wodurch die<br />
Begrenzungslinien des dargestellten Körpers planparallel verlaufen. Diese Darstellungsweise<br />
erlaubt eine gleichzeitige Lektüre aller Teile des Hauses im richtigen Längenverhältnis, ohne<br />
perspektivische Verzerrung. (vgl. Reichlin 67)<br />
Die Axonometrie folgt keiner Seherfahrung und stellt das dar, was man vom Objekt weiß.<br />
„ Die Perspektive weiß etwas vom Betrachter, die Axonometrie weiß etwas vom<br />
Gegenstand.“ ( Schnei<strong>der</strong> 81) Dabei erscheint das perspektivische Abbild eines Objekts, wie<br />
die Sache selbst. In <strong>der</strong> Axonometrie stolpert <strong>der</strong> Betrachter über die Abstraktion o<strong>der</strong> das<br />
befremdliche Bild, welches mehrere Vorstellungen des gleichen Gegenstands ermöglicht.<br />
Die post- anthropozentrische Konstellation von Subjekt und Objekt enthält neue
Möglichkeiten. Die Axonometrie kann außerdem im Entwurfsprozess als Arbeitsinstrument<br />
verwendet werden, wodurch sie den Arbeitsprozess selbst vergegenständlicht. Die<br />
Beziehung zwischen Projekt und Darstellung wird dadurch wechselseitig. Das ist<br />
beispielsweise in Eisenmans axonometrischem Modell des Projekts Haus X (s.Abb.)<br />
thematisiert. Aus verschiedenen Perspektiven wirkt es deutlich an<strong>der</strong>s. Überhaupt spielt <strong>der</strong><br />
Entwurfsprozess am Modell, eine wichtige Rolle. Dadurch wird die Realität eines Objekts erst<br />
erzeugt.<br />
Eisenmans Thematisierung sowohl <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Architektur als auch des<br />
architektonischen Objekts behandelt offensichtlich ein ganz ähnliches Problem wie Derrida<br />
in seiner Kritik des Zeichens in <strong>der</strong> Sprachwissenschaft.<br />
Eisenman sieht die Architektur als Objekt, das von seinem Besucher eher erfahren als genutzt<br />
wird. In diesem Sinne können Eisenmans Arbeiten an <strong>der</strong> Grenze zur „concept art“<br />
verstanden werden. (vgl. Reichlin 62)<br />
Filiberto Menna formulierte zur Analytischen Linie <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kunst: „ Was zählt, ist nicht nur<br />
das Werk an sich, sein formaler Wert, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> intellektuelle Prozeß, den das Werk im Kopf des<br />
Betrachters auslöst.“ ( zit.n.Reichlin 63)<br />
Eisenmans frühe Entwürfe, Ende <strong>der</strong> 1960er und in den 1970er Jahren, sind eine Reihe<br />
kubischer weißer Häuser. Damit schließt er an die frühe Mo<strong>der</strong>ne Architektur <strong>der</strong> 1920er<br />
Jahre an. Eisenman nennt diese Reihe auch „cardoard architecture“. Er verfolgt in diesen<br />
Entwürfen die Auflösung <strong>der</strong> Hierarchie von realisiertem Gebäude und Modell. Deren<br />
Unterschied ist auf Fotos vom Pappmodell und Fotos vom gebauten Haus in einer<br />
Schneelandschaft kaum auszumachen. (s.Abb.)<br />
Im Projekt Cannaregio (1978 in Venedig, s.Abb.) verwendet Eisenman Variationen eines<br />
früheren Projekts (Haus 11a) in unterschiedlichen Maßstäben. Das kleinste Objekt ist zu klein,<br />
um als Unterkunft zu dienen, könnte aber das Modell eines Hauses sein. Es befindet sich in<br />
einem Objekt, das <strong>der</strong> menschlichen Hausgröße entspricht, was dadurch als Hausmuseum<br />
interpretiert werden kann. Das größte Objekt ist doppelt so groß und entspricht keiner<br />
existierenden Funktion von Architektur für den Menschen. Eisenmn will damit genau die<br />
Vorstellung von Bedeutung, als eine Wirkung von Funktion, thematisieren.<br />
Seine Architektur ist eher poetisch, wie Skulpturen erlebbar.<br />
Er setzt sich in dieser Hausserie mit dem traditionellen architektonischen Zeichen, was als<br />
formaler Ausdruck auf eine enthaltene Bedeutung hinweist, auseinan<strong>der</strong>. Er verfolgt Formen,<br />
die nicht explizit auf etwas an<strong>der</strong>es weisen. Eisenman versteht Architektur als Signal, welches<br />
nur in Beziehung zu an<strong>der</strong>en Signalen zum selbstreferentiellen Zeichen wird.<br />
Die Kunsthistoriker Rosalind Krauss und Clement Greenberg sehen Eisenmans rein<br />
formalistische Projekte in den späten 1970er Jahren (House III,IV,X, s.Abb.) sowohl von<br />
Strukturalisten wie Claude Levi- Strauss und Chomsky als auch von Minimalisten wie Donald<br />
Judd (s.Abb.) beeinflusst. Die Grenze zwischen minimalistischer Skulptur und analytischformalistische<br />
Architektur löst sich hier so gut wie auf. Der umgebende Raum, sowie <strong>der</strong> sich<br />
darin bewegende Besucher werden in die Definition <strong>der</strong> Skulptur einbezogen. Dieses<br />
Überschreiten <strong>der</strong> traditionellen Grenzen führt immer wie<strong>der</strong> in die 1920er Jahre zurück. Die<br />
Malerei hat schon ihren Bil<strong>der</strong>rahmen überwunden und Rauminstallationen, wie Kurt<br />
Schwitters Märzbau (s.Abb.), o<strong>der</strong> die Innenraumgestaltung des Café Pittoresque, in Moskau<br />
von Jakulow, Rodtschenko, Tatlin und an<strong>der</strong>en, haben als Skulptur ihren Sockel verlassen. Die<br />
Kunst steht nicht länger im Dienst <strong>der</strong> Abbildung <strong>der</strong> Wirklichkeit. Sie stellt neue Bezüge her<br />
und schafft autonome Realitäten.<br />
Der Anspruch Eisenmans, die Architektur in dieser Zeit als selbstreferentielles Objekt zu<br />
begreifen, lässt sich in dieser Linie nachvollziehen. Für ihn hinkt die Architektur hinter den<br />
an<strong>der</strong>en Künsten hinterher. Dementsprechend thematisiert Eisenman in seinem gesamten<br />
Werk das Verhältnis von Form und Bedeutung, was die Leere als Raum gegenüber <strong>der</strong> Form<br />
immer mitdenkt.<br />
Wenn Derrida seine Arbeit an <strong>der</strong> Grenze von <strong>Philosophie</strong> und Literatur sieht, ist Eisenmans
Arbeit an <strong>der</strong> Grenze von Architektur und Skulptur vergleichbar. Gemeinsam versuchen sie<br />
die Grenze von <strong>Philosophie</strong> und Architektur zu dekonstruieren, Derrida als Philosoph und<br />
Eisenman als Architekt.<br />
Eisenman gibt die Vorstellung des selbstreferentiellen Objekts am Ende <strong>der</strong> 1970er Jahre auf.<br />
Durch die Beschäftigung mit Derridas Schriften zum Logozentrismus sieht er das essentielle<br />
Objekt als Präsenz eines Zentrums, die eine Metaphysik <strong>der</strong> Architektur begründet, die er<br />
aber überwinden will. Er verfolgt im weiteren, nach Derrida, einen textuellen<br />
Architekturbegriff, <strong>der</strong> von keinem Zentrum wie Sinn, Autor o<strong>der</strong> Objekt beherrscht wird.<br />
An dieser Stelle wird die Idee Eisenmans verständlicher, dass Entwurfssubjekt als Zentrum des<br />
Entwurfsprozesses aufzugeben, sodaß ein Objekt entstehen kann, was nicht länger dem<br />
Anthropozentrismus unterworfen ist. „ ...<strong>der</strong> Künstler/ Entwerfer büßt zwangsläufig seine<br />
auktoriale Rolle als zentraler Sinn- und Strukturerzeuger ein und löst den Entstehungsprozess des<br />
Werks aus dem Abbleitungssystem eines vorgefaßten Plans. Zugleich ist die Autonomie des<br />
Objekts nichts Vorgefundenes, son<strong>der</strong>n Ergebnis eines Herstellungsprozesses“. (ebd.18)<br />
Für Eisenman existiert keine Ursprungsintention am Beginn des architektonischen Prozesses.<br />
Die Bedeutung eines Gebäudes liegt dem Entwurf nicht schon voraus, son<strong>der</strong>n ist <strong>der</strong> Effekt<br />
des Erzeugens selbst. Der Beginn eines Entwurfs ist von daher beliebig. Das heißt, er ist<br />
künstlich o<strong>der</strong> fiktiv und nicht naturgegeben o<strong>der</strong> einer universellen Norm folgend. Der<br />
Entwurfsprozess wird nicht durch ein Ziel festgelegt. Entwerfen wird als Schreiben von<br />
Architektur aufgefaßt. Eisenman versteht Architektur als ein „über jede Sinnverfügung<br />
hinausgehende(n) Text.“ (ebd.20)<br />
Eisenman dekonstruiert entsprechend auch die traditionelle Vorstellung einer stabilen<br />
Identität des Ortes. Er verwendet zunehmend fiktive Bezüge, wie zum Beispiel erfundene<br />
Vergangenheiten eines Ortes. Eisenman entwickelt eine <strong>Architekturtheorie</strong> in <strong>der</strong> Architektur<br />
als Text, einer geordneten Menge von Zeichen fungiert. Die Zeichen weisen als Signifikanten<br />
auf etwas Abwesendes. Das heißt, daß die Präsenz von Architektur, Abwesendes mit<br />
einschließt und gleichzeitig als Objekt anwesend ist.<br />
Beispielsweise geht es in Eisenmans Projekt Haus Guardiola (s. Abb.) um die Idee von Abdruck<br />
und Spur. Diese sind die Form einer Vorstellung von <strong>der</strong> Reziprozität von Körper und Leere<br />
und die Idee einer Präsenz <strong>der</strong> Abwesenheit.<br />
„Architektur als Erfahrung... thematisiert das neuzeitliche Verhältnis von Subjekt und<br />
Objekt“ (Schwarz 1991 48) Eisenman entwickelt architekturtheoretisch das Konzept<br />
<strong>der</strong> Anerkennung des Unverfügbaren, des An<strong>der</strong>en. Er arbeitet „seit Jahren an einem<br />
Konzept <strong>der</strong> Architektur als Erfahrungsraum des An<strong>der</strong>en“ ( Schwarz 1993 48)<br />
Eisenman kritisiert die Vorstellung einer natürlichen Schönheit, die als wahre Schönheit in <strong>der</strong><br />
Ästhetik die Regeln bestimmt. Er vollzieht die Entwicklung <strong>der</strong> Ästhetik des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
vom Objekt zum Subjekt, von <strong>der</strong> Schönheit zur Wirkung, noch einmal nach. (vgl. Schwarz<br />
1991 54) Die Architekturästhetik sieht Eisenman in Bezug auf das Schönheitsideal erneut<br />
hinter <strong>der</strong>, <strong>der</strong> Ästhetik <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, zurückliegend. Er versucht sie zeitgemäß wie<strong>der</strong><br />
anzuschliessen. Dabei spielen „die Anerkennung des Nicht-mehr-Schönen, des Hässlichen,<br />
Schreckenerregenden, Dissonantischen und Inkommensurablen als ästetisches<br />
Phänomen“ (ebd.,f) eine Rolle. Eisenman verwendet Begriffe wie das Erhabene und das<br />
Groteske und schließt hier an die Ästhetische Theorie Adornos (1970) an.<br />
Das Erhabene demontiert „das Herrschaftsgefüge <strong>der</strong> instrumentellen Rationalität“ ( Schwarz<br />
1995 24) und ermöglicht die befreiende Erfahrung des Unverfügbaren. „ Im Erhabenen<br />
resituiert sich ästhetisch auf nicht subjekt-zentrierte Weise ein An<strong>der</strong>es <strong>der</strong> Vernunft.“ ( ebd.23)<br />
In diesem Sinne will Eisenman die Architektur als Manifestation des Ungewissen<br />
reformulieren. Die Architektur als Erfahrung entspricht nach Eisenman <strong>der</strong> Unmöglichkeit<br />
<strong>der</strong> Besitzergreifung des Gegenstandes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Architektur. Mit <strong>der</strong> Anerkennung des<br />
Unverfügbaren wächst die Freiheit und Gewaltlosigkeit für das Subjekt gegenüber seinem
An<strong>der</strong>en und damit sich sellbst und seiner eigenen inneren Natur. (vgl. ebd.)<br />
2.2.2. ein Projektbeispiel Peter Eisenmans: Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas<br />
Das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas ist ein in den Jahren 2003-2005 realisiertes<br />
Projekt in Berlin und von daher relativ bekannt. Dementsprechend ist es ein Beispiel für<br />
erfahrbare Architektur o<strong>der</strong> eine Architektur des Ereignisses.<br />
Das Mahnmal ist ein Stelenfeld aus Betonpfeilern, zwischen denen sich <strong>der</strong> Besucher seinen<br />
Weg selber bahnt. (s. Abb.) Die Struktur ist nach allen vier Seiten, die die Grundfläche<br />
begrenzen, geöffnet. Das heißt, daß <strong>der</strong> Besucher von allen Seiten kommen kann, um in das<br />
wellenförmig gestaltete Feld hineinzugehen. Die Wahrnehmung des Mahnmals ist<br />
entsprechend immer eine an<strong>der</strong>e. Die Wege zwischen den 2711 Betonstelen zeigen die<br />
Gitterstruktur, die dem Entwurf zugrunde liegt. Die Stelen sind 2,375 Meter lang, 0,95 Meter<br />
breit sowie unterschiedlich von 0 bis 4 Meter hoch. Der Abstand zwischen ihnen beträgt<br />
ebenfalls 0,95 Meter, sodaß <strong>der</strong> Durchgang nur einzeln möglich ist.<br />
Die Stelen stehen auf einem sanft, aber unregelmäßig abgesenkten Gelände von ca. 19.000<br />
m². Zwei unterschiedliche und ganz zufällig geformte Flächen sind übereinan<strong>der</strong> gelegt und<br />
durch die Stelen miteinan<strong>der</strong> verbunden. Die untere Fläche bildet den Boden des Mahnmals<br />
und die an<strong>der</strong>e ergibt die Oberkante <strong>der</strong> Stelen in unterschiedlicher Höhendifferenz. Dadurch<br />
entsteht eine Unsicherheit in <strong>der</strong> Orientierung zu den Bezugsgrößen von Grund und<br />
Horizont für den Besucher, <strong>der</strong> sich im Inneren des Stelenfeld bewegt, obwohl er an<strong>der</strong>erseits<br />
einem eigentlich strengen Raster folgt. Man kann sich verloren und beunruhigt fühlen.<br />
„Es verdeutlicht, dass ein vorgeblich rationales und geordnetes System den Bezug zur<br />
menschlichen Vernunft verliert, wenn es zu groß wird und über seine ursprünglich<br />
intendierten Proportionen hinauswächst. Dann beginnen die allen scheinbar geordneten<br />
Systemen eigenen Störungen und Chaospotentiale offen zu Tage zu treten und es wird klar,<br />
dass alle geschlossenen Systeme mit einer geschlossenen Ordnung versagen müssen.“<br />
( Eisenman 2009)<br />
Das Wegeraster <strong>der</strong> Gedenkstätte erscheint dem Besucher in Bezug zum umgebenden<br />
Straßennetz etwas verschoben. An den Schnittpunkten <strong>der</strong> beiden Strukturen nimmt man<br />
dadurch ein nicht ganz eingeordnetes Verhältnis im größeren urbanen Kontext von Berlin<br />
wahr. Die Erfahrung des Ortes ist auf jedem Punkt <strong>der</strong> Feldstruktur eine an<strong>der</strong>e. So än<strong>der</strong>n<br />
sich die Gedanken beim Durchlaufen des Mahnmals. Es gibt kein eigentliches Ziel, kein Ende,<br />
keinen Weg hinein o<strong>der</strong> heraus. In <strong>der</strong> Zeit, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Besucher diese Architektur primär<br />
körperlich erfährt, eröffnet sich die Möglichkeit seines individuellen Gedenkens. Es entsteht<br />
ein unbestimmter Raum für Verlust und Kontemplation, für Elemente <strong>der</strong> Erinnerung. Diese<br />
können nicht vorher bestimmt sein. Es ist die gegenwärtige Erfahrung <strong>der</strong> Erinnerung, die<br />
stattfindet. Die Vergangenheit ist zeitlich abgetrennt von <strong>der</strong> Gegenwart des Gedenkens.<br />
Eisenman sagt, daß es keine Erinnerung an die Vergangenheit gibt, und deshalb ein<br />
Verstehen des Holocaust unmöglich ist. Heute ist die Vergangenheit nur durch ihre<br />
Manifestation in <strong>der</strong> Gegenwart zu verstehen. Deshalb können die Schrecken des Holocausts<br />
nicht zu einem erkennbaren Symbol erstarren. „ Wir können das, was geschehen ist, nicht<br />
begreifen. Es macht uns hilflos. Und von dieser Hilflosigkeit lässt sich im Mahnmal etwas<br />
erfahren.“ (Eisenman 2004b 1) Der Entwurf schließt somit eine radikale Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit dem herkömmlichen Begriff eines Denkmals ein.<br />
»Ausmaß und Maßstab des Holocaust machen jeden Versuch, ihn mit traditionellen<br />
Mitteln zu repräsentieren, unweigerlich zu einem aussichtslosen Unterfangen. [...] Unser
Denkmal versucht, eine neue Idee <strong>der</strong> Erinnerung zu entwickeln, die sich deutlich von<br />
Nostalgie unterscheidet. [...] Heute können wir die Vergangenheit nur durch eine<br />
Manifestation in <strong>der</strong> Gegenwart verstehen.« (1998, Eisenman 2009)<br />
„Ich sage nur, dass wir die übliche Metaphysik fallen lassen<br />
müssen, um ins Dunkle zu gelangen. Das ist es, was das Mahnmal versucht:<br />
Es schweigt, so wie ein Psychoanalytiker schweigt <strong>–</strong> auf dass wir in diesem<br />
Schweigen, in dieser Erhabenheit uns selbst als Fremde begegnen können. Das<br />
Mahnmal erlaubt uns, wie<strong>der</strong> über die verdrängten Dinge sprechen zu können.<br />
Zumindest hoffe ich das.“ (Eisenman 2004b 7)
3.1. Parc de La Villette, Bernard Tschumi<br />
3.1.1. über das Projekt allgemein<br />
Im Folgenden werden anhand des Projekts Parc de La Villette im Norden von Paris die<br />
<strong>Beziehungen</strong> zwischen <strong>Philosophie</strong> und Architektur in Bezug auf die <strong>Dekonstruktion</strong> erörtert.<br />
Der Architekt Bernard Tschumi, <strong>der</strong> den internationalen Wettbewerb um eine Parkanlage<br />
gewinnt, wendet sich 1985 an die Philosophen Jaques Derrida und Jean-Francois Lyotard. Er<br />
lädt sie ein, zur gemeinsam Arbeit mit Architekten, die eine dekonstruktivistische<br />
Arbeitsweise verfolgen. Dies ist <strong>der</strong> Anlass für viele Diskussionen, Texte und Entwürfe, die<br />
versuchen, sich mit dem Thema <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> auseinan<strong>der</strong>zusetzen. Die hauptsächliche<br />
Aufmerksamkeit <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit richtet sich auf die Gedanken Derridas zur<br />
Achitektur. Viele architekturtheoretische Beiträge beziehen sich in irgend einer Weise auf<br />
diese. Es scheint unmöglich zu sein, <strong>Architekturtheorie</strong> über <strong>Dekonstruktion</strong> von Derridas<br />
Texten abzugrenzen.<br />
Bernard Tschumi ist ein Architekt und Architekturtheoretiker, <strong>der</strong> in Frankreich und den USA<br />
lebt und arbeitet. Er kombiniert Film- und Literaturtheorie mit Architektur. Sein theoretisches<br />
Werk Manhattan Transcripts (1976) geht dem Parc de la Villette voraus und steht mit ihm in<br />
engem Zusammenhang. Aus einer Lektüre <strong>der</strong> Manhattan Transcripts entsteht Derridas Essay<br />
über Tschumi und die Architektur.<br />
Tschumi baute in den USA, England und den Nie<strong>der</strong>landen mehrere kleinere experimentelle<br />
Modulbauten, die er Folies nennt. ( vgl. wiki ) Folies kann man mit Verrücktheiten übersetzen.<br />
Diese setzt er in <strong>der</strong> Parkanlage des La Villette, <strong>der</strong> mit 35 ha drittgrößten Grünfläche von<br />
Paris, fort. Es ist das Gelände eines ehemaligen Schlachthofs, <strong>der</strong> von 1963-1969 mit großem<br />
Aufwand mo<strong>der</strong>nisiert, aber 1974 als Fehlplanung o<strong>der</strong> eine weitere Verrücktheit geschlossen<br />
wurde.<br />
Der Begriff folies hat viele Bedeutungen: Im 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t bezeichnet er einen<br />
Pavillion in aristokratischen Parks. Eine weitere Verbindung <strong>der</strong> neueren Wortbedeutung<br />
einer fanzösischen Narrheit ist die Behandlung in Foucaults Histoire de la folie. Derrida zeigt,<br />
daß das Wort mit Blättrigkeit zu tun hat und es in seinem Sinne keine Festigkeit versichert.<br />
Das Wort folies ist we<strong>der</strong> eindeutig <strong>der</strong> Kultur noch <strong>der</strong> Natur zuzuordnen.<br />
Tschumi verwendet drei autonome Systeme von Punkten, Linien und Flächen, die er<br />
übereinan<strong>der</strong> schichtet. (s.Abb.) Dieses verwendete Anordnungsprinzip, das Tschumi<br />
Superposition nennt, hat er in den Manhattan Transcripts schon überlegt. Beim<br />
Übereinan<strong>der</strong>legen <strong>der</strong> Systeme entstehen manchmal Verzerrungen durch die Einmischung<br />
des an<strong>der</strong>en, manchmal Verstärkungen und manchmal Indifferenzen. Es ergeben sich<br />
vieldeutige Kreuzungen zwischen den Systemen. Tschumi spricht in Bezug auf die folies vom<br />
Erfinden neuer Bezüge, „ wo die traditionellen Komponenten <strong>der</strong> Architektur zerbrochen und<br />
nach an<strong>der</strong>en Axen rekonstruiert werden.“ ( zit. n. Derrida 1988a 222)<br />
Die Folies bilden ein Punktraster, als gemeinsamen Nenner <strong>der</strong> Parkanlage. Die Punkte<br />
werden als gleichzeitig offen und geschlossen verstanden. Im Abstand von 120 m werden sie<br />
von feuerroten Würfeln des Ausmaßes von 10,8 mal 10,8 Metern aus lackiertem Stahl besetzt.<br />
Sie bieten Platz für unterschiedliche Aktivitäten wie zum Beispiel ein Restaurant, ein Bad, ein<br />
Kino, ein Fitnessklub sowie Musik- und Wissenschaftszentren. (s.Abb.) Die Folies sind<br />
eingebettet in eine Vielzahl kleiner Gärten, das Flächensystem, und verbunden durch einen<br />
drei Kilometer langen willkürlich gewundenen Laufsteg, das Liniensystem. Letzteres wird<br />
auch Filmpromenade genannt, weil <strong>der</strong> Weg durch den Garten wie eine Bildmontage in Form<br />
eines entrollten Films funktioniert.<br />
Tschumi plädiert für eine posthumanistische anstelle einer postmo<strong>der</strong>nen Architektur.<br />
Kulturelle Umstände zeigen die Notwendigkeit, die konventionelle Feststellung von<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Architektur aufzugeben. Er stellt die Strukturen, „die Ordnungen, Techniken<br />
und Verfahrensweisen, die bei jedem architektonischen Werk zu berücksichtigen sind“ in Frage.<br />
( Tschumi 175) Tschumi bezieht die Theorie des Zeichens, mit <strong>der</strong> Verschiebung von
Signifikant und Signifikat, direkt auf die Verschiebung von Form und Funktion in <strong>der</strong><br />
Architektur. Diese „verweist nicht nur auf den Untergang funktionalistischer Theorien, son<strong>der</strong>n<br />
vielleicht auch auf die normative Funktion <strong>der</strong> Architektur selbst.“ (ebd. 176)<br />
Der Parc de La Villette bietet für Tschumi und die beteiligten Architekten die Chance, diese<br />
theoretischen Arbeiten zu prüfen, weiterzuentwickeln und wirklich zu bauen. Das beinhaltet<br />
ganz an<strong>der</strong>e Schwierigkeiten, als ein Buch zu veröffentlichen o<strong>der</strong> eine Austellung zu<br />
organisieren.<br />
„ Es sollte bewiesen werden, daß es möglich ist, eine komplexe Organisation zu bauen,<br />
ohne auf die traditionellen Regeln <strong>der</strong> Komposition, Hierarchie und Ordnung<br />
zurückzugreifen.“ ( ebd.180)<br />
Tschumi stellt den konzeptuellen Status von Ordnungselementen und eine fundamentale<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Architektur überhaupt in Frage. Die Überlagerung dreier unabhängiger<br />
Strukturen kann keine totale Megastruktur bilden. Der Plan la Villettes hebt die Vorstellung<br />
von Begrenzung auf und thematisiert dadurch die Grenzen <strong>der</strong> Architektur. Die Verbindung<br />
zu philosophischen Diskursen ist hier deutlich zu bemerken. Der Park enthält eine Vielzahl<br />
von Bedeutungen und ermöglicht unterschiedliche Realitäten gleichzeitig.<br />
„ denn jegliche „Bedeutung“, die ihm [ dem architektonischen Projekt] beigemessen werden<br />
mag, ist eine Funktion <strong>der</strong> Interpretation und liegt nicht im Objekt selbst o<strong>der</strong> in den<br />
Materialien des Objekts.“ (ebd. 181)<br />
Es geht nicht um das Ziel einer Einheit und nicht um eine Utopie <strong>der</strong> Zukunft. Der Park<br />
ermöglicht eine Gegenwart mit allem Möglichen.<br />
Dementsprechend sind unterschiedliche Architekten und Philosophen an <strong>der</strong> Planung<br />
verschiedener Teile des Gartens beteiligt: John Hejduk, Dan Flavin, Jean Nouvel, Gaetano<br />
Pesce, Daniel Buren zusammen mit Jean-Francois Lyotard und Peter Eisenman mit Jaques<br />
Derrida.<br />
3.1.2. Chora L Works: über die Zusammenarbeit Derridas und Eisenmans<br />
Ihr gemeinsames Projekt, was 1986 beginnt, nennen Eisenman und Derrida Chora L Works.<br />
1991 veröffentlichen sie ein gleichnamiges Buch mit Texten, Gesprächsaufzeichnungen,<br />
Skizzen, Zeichnungen und Modellfotos, den Spuren ihrer Zusamenarbeit.<br />
Der Name Chora L Works beinhaltet mehrere Bedeutungen gleichzeitig. Ein Chorwerk, ein<br />
mehrstimmiges Musikstück, welches in dem Augenblick existiert, da es gesungen wird. Es gibt<br />
keine einzelne Stimme.<br />
Außerdem bringt Derrida ein formales Element in den Entwurf ein: Es ist eine Lyra, die auf<br />
einer Ebene (engl. layer), mitspielt und dadurch im Gesamtwerk mitklingt. Die Analogie des<br />
Chors bezieht sich ebenso auf die Schichtung <strong>der</strong> Ebenen aus dem Vorentwurf Tschumis, mit<br />
<strong>der</strong> Eisenman und Derrida an ihrem Teil weiterarbeiten. Aus <strong>der</strong> Choreographie entsteht eine<br />
mehrstimmige Architektur.<br />
Derridas Beitrag in dieser Arbeit ist am Anfang ein Text über chora aus Platons Dialog:<br />
Timaios. Die Idee von chora wurde zum Programm für die Entwurfsarbeit. Chora ist ein altes<br />
griechisches Wort, was in seiner Bedeutung nicht eindeutig bestimmt werden kann, weil es<br />
das meint, was vor je<strong>der</strong> Einschreibung da ist. Es kann als Ort, als Empfängerin o<strong>der</strong> Amme<br />
allen Werdens beschrieben werden. Schon diese Beschreibung, sagt Derrida, muß aber falsch<br />
sein, da eine Bezeichnung gleichzeitig immer ein Ausschließen ist. (vgl. Derrida 1987c 18)<br />
Chora schließt aber nichts aus, chora ist außerhalb <strong>der</strong> binären Logik des Ja o<strong>der</strong> Nein.
„Denn Chora <strong>–</strong> die alles empfängt, aber von nichts etwas annimmt - gibt allem seinen Ort,<br />
ohne sich selbst je auf einen Ort festlegen zu lassen.“<br />
(ebd. Inhaltsangabe d. Hrsg.)<br />
Chora ist nicht innerhalb <strong>der</strong> Metaphysik, in <strong>der</strong> allem Sinnlichen eine geistige Begründung in<br />
seinem Ursprung zugeordnet wird. Erst die Interpretationen in- formieren die Bedeutung<br />
o<strong>der</strong> den Wert von chora. Die Interpretation Eisenmans und Deridas in ihrem Entwurfsteil des<br />
Gartens beinhaltet keine Vegetation. Eisenman und Derrida arbeitetn nur mit Wasser und<br />
Stein (Mineralien), die miteinan<strong>der</strong> spielen. Das stellt den Besucher sehr deutlich seiner<br />
Vorstellung von Garten gegenüber. Es weist auf das hin, was wir natürlicher Weise<br />
voraussetzen, jedoch nicht bestimmen können.<br />
In seinem Text Warum Peter Eisenman so gute Bücher schreibt (1988) nimmt Derrida erneut<br />
Bezug auf die Musik. Der Titel steht in Verbindung mit dem Text von Nietzsche Warum ich so<br />
gute Bücher schriebe in Ecce Homo. Unter an<strong>der</strong>em nennt Derrida darin Eisenman „ the most<br />
anti-Wagnerian creator of our time“ (Derrida 1988c 99). Das letzte Kapitel in Ecce Homo heißt<br />
Der Fall Wagner , Ein Musikanten- Problem. Eisenman spielt selbst mit Titeln. Sein Vorschlag ist<br />
<strong>der</strong> Projektname Chora L Works.<br />
Derrida beschreibt seine Zusammenarbeit mit Eisenman als „echte Zusammenarbeit“ ( Derrida<br />
1989b 73) . Es entsteht ein Dialog, <strong>der</strong> den Zusammenhang zwischen dem Schreiben Derridas<br />
und dem Entwerfen von Eisenman herstellt. Dabei arbeitet je<strong>der</strong> gleichzeitig, unabhängig<br />
voneinan<strong>der</strong> und benutzt nicht einfach die Arbeit des an<strong>der</strong>en.<br />
Derrida hält eine klare Trennung <strong>der</strong> Arbeitsbereiche zwischen Philosoph und Architekt ein.<br />
Da er sich auf dem Gebiet <strong>der</strong> Architektur zu wenig auskennt, arbeitet er an Texten. Es geht<br />
ihm um die Arbeit an <strong>der</strong> Grenze und den Berührungspunkten zwischen <strong>Philosophie</strong> und<br />
Architektur.<br />
Eisenman dagegen hat erwartet, dass Derrida am Entwurfsprozess direkter teilnehmen<br />
würde. Für ihn hat die Zusammenarbeit noch nicht funktioniert. (vgl. Eisenman 1995 258)<br />
Eisenman erarbeitet den architektonischen Entwurf, <strong>der</strong> nach eineinhalb Jahren soweit ist,<br />
dass er gebaut werden kann. Für ihn gibt es eine Verbindung des Projekts Parc de la Villette in<br />
Paris mit seinem Projekt Cannaregio in Venedig. Beide sind zufälligerweise<br />
Schlachthofgelände. Um den Gedanken <strong>der</strong> Autorität in <strong>der</strong> Präsenz <strong>der</strong> Architektur zu<br />
unterbinden, hat das Projekt mehr als einen Standpunkt. Die Verbindung <strong>der</strong> Orte stellt die<br />
Idee <strong>der</strong> Übertragung des Rasters her (s. Abb.): Le Corbusier hat in Venedig ein Gitter<br />
angelegt, welches Eisenman aufgreift, verlängert und für den Entwurf in Cannaregio<br />
verwendet. Eisenman überträgt nun sein Raster und Bauteile, wie eine Mauer, des<br />
Cannaregioentwurfs auf den Entwurf La Villettes. Tschumi hat in La Villette ein Raster zu<br />
Grunde gelegt, welches mit dem Projekt Joyce´s Garden (Teil aus Manhattan Transkripts)<br />
verbunden ist. Über Tschumis Gitter legt Eisenman nun das, was er von Le Corbusier<br />
genommen hat, und än<strong>der</strong>t dessen Maßstab. Dadurch werden <strong>Beziehungen</strong> sichtbar, die<br />
vorher verborgen waren. Es ergeben sich neue Formen und Interpretationsmöglichkeiten.<br />
Eisenman radikalisiert das Prinzip <strong>der</strong> Überlagerung, das hier durch Tschumi begonnen<br />
wurde, auf seinem Teil La Villettes.<br />
Ähnliche Zusammenhänge ergeben sich durch die zeitliche Geschichte des Ortes Parc de La<br />
Villette selbst. Das Schlachthofgebäude (von 1867) und Teile <strong>der</strong> noch älteren Stadtmauer<br />
(von 1848) bleiben erhalten und zeigen die Verbindung des Ortes zu seiner Vergangenheit. Es<br />
gibt drei Ebenen, die eine Interpretation von Zeit verkörpern (s.Abb.):<br />
Unterirdische Ausgrabungen zeigen gegenwärtig auf die Vergangenheit. Die gekippte Fläche<br />
verdeutlicht die Gegenwart und die erhöhten L-Formen weisen von jetzt in die Zukunft.<br />
Auch die Ideen des Steinbruchs und des Palimpsests, die sich durch den Entwurf ziehen,<br />
haben mit Zeit zu tun. Mit den Steinen <strong>der</strong> vergangenen Projekte, örtlich aus Paris und geistig<br />
aus Venedig, wird La Villette in <strong>der</strong> Gegenwart gebaut. Jemand an<strong>der</strong>s nimmt diese Steine in<br />
<strong>der</strong> Zukunft und baut etwas an<strong>der</strong>es. Ein Palimpsest hat einerseits die Bedeutung eines
antiken o<strong>der</strong> mittelalterlichen Schriftstücks, von dem <strong>der</strong> ursprüngliche Text getilgt und<br />
welches dann wie<strong>der</strong> überschrieben wurde. An<strong>der</strong>erseits kann es ein aus einem alten<br />
Ausgangsgestein umgewandeltes Gestein bedeuten. ( vgl. Duden) Die Idee des Palimpsests<br />
meint die Überlagerung <strong>der</strong> Konzepte, die dann zum Steinbruch wird: Es wird etwas vom<br />
Palimpsest weggenommen und die Spur <strong>der</strong> früheren Überlagerung bleibt erhalten.<br />
Gleichzeitig entsteht die Spur <strong>der</strong> Wegnahme.<br />
Eisenman geht es in <strong>der</strong> Architektur um die Darstellung gleichzeitiger Präsenz und präsenter<br />
Absenz. Er arbeitet mit den Parametern von Ort, Zeit und Maßstab, die er aus ihren<br />
traditionellen Zusammenhängen architektonischen Entwerfens löst und sie in eine neue<br />
Beziehung setzt. Der Ort existiert im Augenblick <strong>der</strong> Gegenwart mit den Spuren <strong>der</strong><br />
Vergangenheit. Im Entwurf wird er auf einer abstrahierten Ebene in <strong>der</strong> jetzt vorgestellten<br />
Zukunft mit Teilen <strong>der</strong> Gegenwart und <strong>der</strong> Vergangenheit erschaffen.<br />
3.1.3. über Derridas Gedanken zur <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur<br />
Derrida hat seine Überlegungen zur Architektur vor allem in dem Text über Tschumis folies:<br />
Am Nullpunkt <strong>der</strong> Verrücktheit - Jetzt die Architektur (1988) dargelegt. Dieser Text ist ebenfalls in<br />
<strong>der</strong> Veröffentlichung von Chora L Works enthalten. Der folgende Teil <strong>der</strong> Arbeit beschäftigt<br />
sich mit diesem, einem Dialog von Eisenman und Derrida Architektur schreiben (1993) und<br />
Ausschnitten aus Gesprächen von Derrida mit Andrew Benjamin und Eva Meyer.<br />
Wenn Derrida über <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur nachdenkt, dekonstruiert er den Sinn<br />
<strong>der</strong> Architektur. Er geht dem nach, was Architektur Architektur sein lässt, was unser<br />
Verständnis von Architektur ausmacht.<br />
„ Eine Architektur des Ereignisses, ist das möglich?... Alles läuft gerade auf die Frage nach dem<br />
Sinn hinaus. Man wird nicht darauf antworten, indem man einen Zugang zum Beispiel in einer<br />
von <strong>der</strong> Architektur gegebenen Form aufzeigt: Präambel, pronaos, Schwelle, methodischer<br />
Weg...Noch weniger in <strong>der</strong> Form des Systems, und zwar des Architektonischen: <strong>der</strong> Kunst <strong>der</strong><br />
Systeme, wie uns Kant sagt.“<br />
( Derrida 1988a 217)<br />
Derrida ist an <strong>der</strong> gemeinsamen Arbeit mit dekonstruktivistischen Architekten interessiert,<br />
weil es ihnen um eine Grundlagenermittlung unserer Tradition geht.<br />
Dekonsruktivismus ist durch das Zusammenspiel von <strong>Philosophie</strong> und Architektur möglich:<br />
Erfragt danach, wie wir Architektur deuten. Das bezieht sich sowohl auf die Seite <strong>der</strong><br />
Architekten, als auch auf die Seite des Betrachters von Architektur, <strong>der</strong> sich im Raum bewegt<br />
und diesen erlebt. Die Konstruktion und das Konstruieren kommen aus <strong>der</strong> Architektur. Das<br />
Sich- erschließen <strong>der</strong> verschiedenen Zusammenhänge o<strong>der</strong> Verbindungen ist philosophisch.<br />
Es wird die Bedeutung von Gründen dekonstruiert. Entsprechend werden Aspekte <strong>der</strong><br />
Architektur, wie das Fundament, <strong>der</strong> soziale Raum und die Hierarchie thematisiert.<br />
Die Kritik gilt <strong>der</strong> festgelegten Bestimmung, konventionellen Unterwerfung <strong>der</strong> Architektur<br />
unter fremde Ziele, die sich außerhalb <strong>der</strong> Architektur befinden, wie zum Beispiel Ästhetik,<br />
Schönheit, Nützlichkeit, Funktionalität o<strong>der</strong> Wohnen. Eine eindeutige Begründung <strong>der</strong><br />
Architektur bestimmt in ihrer Totalität immer gleichzeitig das, was sie nicht ist. Sie reduziert<br />
die Architektur.<br />
Es ergeben sich die Fragen, erstens, ob Architektur überhaupt eindeutig zu begründen ist,<br />
und zweitens worauf. Architektur muss begründbar bleiben, weil das die Architektur<br />
ausmacht. Nun geht es nicht darum, eine reine Architektur wie<strong>der</strong>herzustellen, son<strong>der</strong>n sie<br />
aus ihrer Festlegung befreit, neu mit an<strong>der</strong>en Medien und Künsten zu kombinieren und zu<br />
montieren. Diese Befreiung <strong>der</strong> Architektur bedeutet keine völlige Loslösung von ihrer<br />
Bestimmung, sie ist von ihrer Vorherrschaft befreit. Da Architektur einen Sinn haben muß,
müssen die genannten Werte die Architektur neu beinhalten. In diesem Wie<strong>der</strong>einbringen<br />
sieht Derrida die schöpferische Kraft eines Architekten und seines Entwerfens. Er wird so<br />
seiner Aufgabe und Verantwortung als Architekt gerecht. Daraus ergeben sich<br />
Verhandlungen und Kompromisse mit Normen, praktischen Einschränkungen und früheren<br />
Vorbil<strong>der</strong>n. (vgl. Derrida 1989b 76) Die Achtung des Architekten vor <strong>der</strong> Tradition und <strong>der</strong><br />
Erinnerung gehört dazu, weshalb die dekonstruierten Strukturen klar lesbar sein müssen. Die<br />
<strong>Dekonstruktion</strong>en sind selber immer unvollendet, heterogen und nie rein, vollendet o<strong>der</strong><br />
feststellbar.<br />
Was bedeutet die Architektur für die <strong>Philosophie</strong> und was bedeutet die <strong>Philosophie</strong> in <strong>der</strong><br />
Architektur? In <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> gab es schon immer eine doppelte Beziehung<br />
zur Architektur. Entwe<strong>der</strong> sie war ihr inhaltliches Thema o<strong>der</strong> sie diente formal zum Aufbau<br />
eines philosophischen Gedankens.<br />
„Dekonstruktivismus bedeutet also auch, die Architektur in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> in Frage zu stellen,<br />
und vielleicht sogar die Architektur selbst.“ (Derrida 1989b 74)<br />
Die Struktur unseres Denkens und Bauens und unsere daraus entstehenden und darin<br />
enthaltenen wechselseitigen Inhaltszuweisungen müssen untersucht werden. Derrida nennt<br />
es das Fragen nach <strong>der</strong> Bewohnbarkeit <strong>der</strong> Schrift <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und Architektur.<br />
Er sieht die Architektur als eine Möglichkeit des Denkens. Deshalb lässt sich Architektur nicht<br />
auf eine einfache Verkörperung o<strong>der</strong> formale Repräsentation des Denkens reduzieren.<br />
Ebenso ist die <strong>Dekonstruktion</strong> nicht metaphorisch als Ausdruck eines festgelegten Inhalts zu<br />
verstehen. Sie kann nicht mit einem Gegenteil als Begriffspaar vereint werden. Sie ist also<br />
keine negierte Konstruktion. Sie ist keine Technik, son<strong>der</strong>n stellt die Technik, das Konstruieren<br />
selbst in Frage.<br />
Derrida: „ Das Artefakt, benannt „Architektur“, zu dekonstruieren, sollte vielleicht damit<br />
begonnen werden, daß man es sich zunächst einmal als Artefakt denkt, sich seine<br />
künstliche Erzeugung neu vor Augen führt, und daher die Technik, diesen Punkt an dem es<br />
unbewohnbar bleibt (reste).“ (zit. n. Benjamin 1990 36)<br />
Theorie und Praxis hängen zusammen. Das wird bei dem Projekt des Parc de La Villette<br />
beson<strong>der</strong>s durch die Zusammenarbeit von Architekten und Philosophen deutlich.<br />
Erst seit <strong>der</strong> vom Menschen konstruierten Trennung von Theorie und Praxis wird die<br />
Architektur als einfache Technik vom Denken abgelöst gesehen und verdeckt dadurch ein<br />
architekturales Denken. Derrida interessiert das architekturale Moment im Denken selbst.<br />
(vgl. Derrida, Meyer 97)<br />
„ Ein architekturales Denken kann nur in diesem Sinn dekonstruktiv sein: <strong>der</strong> Versuch, das<br />
zu denken, was die Autorität <strong>der</strong> architekturalen Verkettung in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ausmacht.“<br />
(Derrida, Meyer 101)<br />
Das Infragestellen unseres zweigeteilt konstruierten Verhältnisses von Theorie und Praxis,<br />
betrifft sowohl die Konzeption <strong>der</strong> Architektur als auch die <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>.<br />
Tschumi : „Es ist in erster Linie <strong>der</strong> historische Bruch zwischen <strong>der</strong> Architektur und ihrer Theorie,<br />
<strong>der</strong> durch die Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> untergraben wird.“ (zit. n. Benjamin 1990 37)<br />
Die Einteilung in Theorie und Praxis geht davon aus, dass ein Werk in dieser zielgerichteten<br />
Reihenfolge realisiert o<strong>der</strong> umgesetzt wird. Wenn die Gegenüberstellung von Theorie und<br />
Praxis dekonstruiert wird, stellt man gleichzeitig diese Teleologie (Zielgerichtetheit) in Frage.<br />
„Die <strong>Dekonstruktion</strong> des einen zieht somit die <strong>Dekonstruktion</strong> des an<strong>der</strong>en nach sich.“ ( Benjamin<br />
1990 37) Entsprechend kann das Verhältnis von <strong>Dekonstruktion</strong> und Architektur nicht in <strong>der</strong><br />
einfachen Gegenüberstellung von Theorie und Praxis erklärt werden.
Der <strong>Dekonstruktion</strong> folgt ein Neuüberdenken. Die Architektur kann <strong>Dekonstruktion</strong> nicht<br />
einfach formal darstellen und repräsentieren. Die <strong>Dekonstruktion</strong> hebt die Hierarchie von<br />
Planen und Bauen genauso wie die <strong>der</strong> Sprache gegenüber <strong>der</strong> Schrift auf. Derrida versteht<br />
Denken auch als eine Art Praxis.<br />
„Es gibt, vergessen wir das nicht, eine Architektur <strong>der</strong> Architektur. Bis in seine archaische<br />
Schicht hinein ist <strong>der</strong> fundamentalste Begriff <strong>der</strong> Architektur konstruiert worden. Diese<br />
eingebürgerte Architektur ist uns überliefert, wir bewohnen sie, sie wohnt uns inne, wir<br />
denken, daß sie zur Wohnstatt bestimmt ist, und das ist für uns kein Gegenstand mehr.<br />
Aber man muß darin ein Artefakt, ein Konstrukt, ein Monument erkennen. Es ist nicht vom<br />
Himmel gefallen, es ist nicht natürlich,(...) Diese Architektur <strong>der</strong> Architektur hat eine<br />
Geschichte, sie ist durch und durch historisch.“ ( Derrida 1988a 218 )<br />
Diesem Gedanken folgt Derrida und er durchstreift, wie er es gerne nennt, das Feld <strong>der</strong><br />
Architektur in aller Ausführlichkeit:<br />
Unsere Definition von Orten ergibt sich aus <strong>der</strong> uns vertrauten Funktion, die sie für uns<br />
haben: Krankenhaus, Kirche, Schule, Friedhof, Marktplatz, Heimatort, ... es ist unser System, wie<br />
wir unser Leben einrichten, wie wir es gelernt haben.<br />
In Jaques Derridas Schrift: Feuer und Asche geht es um den Ort, <strong>der</strong> durch Asche<br />
gekennzeichnet ist. Die Brandstätte zeugt von einer vergangenen Gegenwart und benennt<br />
gleichzeitig einen Brennpunkt, eine Feuerstätte im Mittelpunkt als Heimstatt. (vgl. Derrida<br />
1988b 64) Auf diese Weise begründet sich unser System eines Ursprungs, eines familiären<br />
Ursprungs, zu dem man wie<strong>der</strong> zurückkehren kann.<br />
Wir sind darin selbst enthalten, es begründet unser Selbstverständnis und unsere Orte und<br />
Wege zu den Orten, die wir gehen, <strong>der</strong>en Bedeutung wir für uns annehmen. Sie sind <strong>der</strong><br />
Grund für unsere Intention, warum wir überhaupt losgehen.<br />
Die Architektur besteht innerhalb ihrer Entwicklung darin, dass wir für uns ihre<br />
Wertbestimmung immer voraussetzen. Diese nehmen wir als feststehend an und sind<br />
dadurch überhaupt in <strong>der</strong> Lage, etwas zu bauen. Das Gebäude steht dann an einem<br />
bestimmten Ort und bildet unseren kulturellen Lebensraum.<br />
„Diese Hierarchie ist im Stein erstarrt, sie informiert fortan den gesamten sozialen Raum.“<br />
(Derrida 1988a 219)<br />
„Die Architektur muß einen Sinn haben, sie muß ihn darstellen und dadurch bedeuten. Der<br />
signifikante o<strong>der</strong> symbolische Wert dieses Sinns muß die Struktur und die Syntax, die Form<br />
und die Funktion <strong>der</strong> Architektur beherrschen.“ (ebd. 219)<br />
Die Architektur ist ein vom Menschen begründetes metaphysisches System, <strong>der</strong>en Inhalt<br />
immer von einem Zweck o<strong>der</strong> Wert, <strong>der</strong> sich selbst außerhalb <strong>der</strong> Architektur befindet,<br />
bestimmt wird. Sie begründet sich nie selbst. An dieser Stelle sind sich Derrida und Eisenman<br />
uneinig. Eisenman hat zeitweise die Richtung verfolgt, Objekte zu schaffen, die sich nur auf<br />
sich selbst beziehen, die sich selbst entwerfen, um die Metaphysik <strong>der</strong> Architektur zu<br />
überwinden.<br />
Derrida beschreibt im Text Am Nullpunkt <strong>der</strong> Verrücktheit - Jetzt die Architektur vier<br />
Unverän<strong>der</strong>lichkeiten in <strong>der</strong> Architektur, auf die sich unser Verständnis von ihr gründet, die<br />
den Sinn <strong>der</strong> Architektur für uns bestimmen:<br />
1.) Unserer Erfahrung nach muss <strong>der</strong> Sinn von Architektur das Bewohnen durch Menschen<br />
o<strong>der</strong> Götter sein, welches sich in <strong>der</strong> Architektur präsentiert o<strong>der</strong> darstellt.<br />
Somit geht es um den Sinn von Wohnen und dessen immer neue Wie<strong>der</strong>holung, die diesen<br />
bezeichnet. Die Bezeichnung steht sowohl im Gebrauch <strong>der</strong> Sprache, als auch in alltäglichen
Handlungen nicht fest, wie zum Beispiel beim täglichen immer wie<strong>der</strong> neu Kochen und<br />
Waschen. Daraus ergibt sich eine dem entsprechende Einrichtung o<strong>der</strong> Ausstattung.<br />
Warum wohnen wir? Was sind Gewohnheiten und wie entstehen sie? Wie und wodurch sind<br />
wir in unsere Welt und in unsere Vorstellung von <strong>der</strong> Welt eingebunden?<br />
2.) Die Architektur stellt ein politisches und religiöses Gedächtnis dar. Sie bindet uns<br />
offensichtlich in die Geschichte ein. Die Architektur repräsentiert den Aufbau einer<br />
Gesellschaft und <strong>der</strong>en Kultur. Sie bewahrt in ihrer materialisierten Hierarchie ihre<br />
Bestimmung.<br />
3.)Der Endzweck , die Architektur in Dienst zu nehmen, begründet das Ordnungsprinzip <strong>der</strong><br />
Architektur.<br />
4.) Diese Ordnung ist abhängig von <strong>der</strong> Kunst und Mode und den darin herrschenden<br />
Wertvorstellungen <strong>der</strong> Schönheit, Harmonie und Vollkommenheit.<br />
Diese vier zusammengehörenden Punkte begrenzen und definieren das System <strong>der</strong><br />
Architektur, die Metaphysik <strong>der</strong> Architektur. Als übergeordnetes Gefüge ist es in unseren<br />
Zweckmäßigkeiten durch unsere Wertzuweisungen anwesend. Das heißt, das die ganze<br />
Theorie und ebenfalls die Kritik <strong>der</strong> Architektur in diesem Rahmen von diesem beherrscht<br />
wird. Und das betrifft nicht nur die Architektur als Architektur. Die Architektur als gedankliche<br />
Konstruktion und Hierarchie reicht in alle Gebiete, wie zum Beispiel soziale, gesellschaftliche,<br />
kulturelle und politische Strukturen, letztlich in alle wissenschaftlichen Logiken, wie die, <strong>der</strong><br />
<strong>Philosophie</strong>.<br />
„ Aber diese Architektonik <strong>der</strong> unverän<strong>der</strong>lichen Punkte beherrscht auch all das, was man<br />
die abendländische Kultur weit über ihre Architektur hinaus nennt.“ (ebd. 220,f)<br />
Daraus entsteht ein Wi<strong>der</strong>spruch: Diese Architektonik ist allgemein gültig und löst dadurch<br />
eine eindeutige spezifische Abgrenzung <strong>der</strong> Architektur auf. An<strong>der</strong>erseits bezeichnet<br />
Architektur etwas Feststehendes, Monumentales, Steinernes, was grundlegend und<br />
wi<strong>der</strong>ständig ist. Die Architektur wird immer durch etwas bestimmt ,was außerhalb von ihr<br />
ist. Es macht die Architektur zur Architektur, ein Fundament, einen bestimmten Grund zu<br />
haben, zweckbestimmt zu sein. Außerdem verkörpert die Architektur in ihrer Materialität den<br />
Wi<strong>der</strong>stand, das Fortbestehen, die Tradition <strong>der</strong> Zweckbestimmung und die<br />
Zweckbestimmung <strong>der</strong> Tradition. Derrida nennt es den Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Bewußtheiten und<br />
Unbewußtheiten, <strong>der</strong> im architektonischen Objekt erstarrt, versteinert.<br />
„ Eine konsequente <strong>Dekonstruktion</strong> wäre nichts, wenn sie diesen Wi<strong>der</strong>stand und diese<br />
Übertragung nicht berücksichtigt, sie würde wenig ausrichten, wenn sie sich nicht an die<br />
Architektur eben so wie an das Architektonische hielte. Sich an sie halten: nicht sie<br />
angreifen, sie zerstören o<strong>der</strong> irreführen, sie kritisieren o<strong>der</strong> disqualifizieren, son<strong>der</strong>n sie<br />
wirklich denken, sich von ihr genügend ablösen, um sie durch ein Denken zu ergreifen, daß<br />
sich über das Theorem hinaus erstreckt <strong>–</strong> und auf seine Weise zum Werk wird.“<br />
(ebd. 221)<br />
Bezogen auf die folies von Bernard Tschumi geht es für Derrida um die Bedeutung <strong>der</strong><br />
Verrücktheiten für unser Denken:<br />
„ Diese Verrücktheiten lassen den Sinn erzittern, den Sinn des Sinns, die signifikante<br />
Gesamtheit dieser mächtigen Architektonik.“ (ebd.)<br />
Die <strong>Dekonstruktion</strong> findet innerhalb <strong>der</strong> Architektur statt. Sie erkennt die Zuordnung von<br />
Sinn und Zweck an, sie beschäftigt sich mit dem Inhalt von Architektur, um Architektur zu<br />
sein. Eine Negation <strong>der</strong> Architektur kann die Architektur nicht ergründen. Es wäre eben keine<br />
Architektur. Zwecklosigkeit, Fundament-, Hierarche- und symbolische Bedeutungslosigkeit
hätten nur inhumane, unbewohnbare, sinnlose Räume zur Folge. Das würde <strong>der</strong> Metaphysik<br />
<strong>der</strong> Architektur nur auf eine nihilistische Weise weiter folgen.<br />
Derrida beschreibt die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Architektur als ein Zurückgehen vor allen Anfang<br />
<strong>der</strong> Architektur „ zu einem Nullpunkt <strong>der</strong> zur Architektur gehörenden Schrift“. (ebd.)<br />
Er sieht eine grundsätzliche Bejahung vor <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Architektur als Voraussetzung<br />
für eine neue Schrift <strong>der</strong> Architektur, eine erneute Einschreibung in die Architektur. Das<br />
erinnert an das, was Derrida mit chora versucht hat, zu beschreiben. Die Affirmation <strong>der</strong><br />
Architektur und ihrer <strong>Dekonstruktion</strong> ist ihre eigene Voraussetzung. Sie liegt jenseits <strong>der</strong><br />
totalitären Trennung in Ja o<strong>der</strong> Nein <strong>der</strong> Metaphysik, vor dem ganzen System <strong>der</strong> Metaphysik<br />
<strong>der</strong> Architektur, vor <strong>der</strong> eindeutigen Begründung sowohl eines transzendentalen Sinns o<strong>der</strong><br />
einer ausschliesslichen Funktion als auch <strong>der</strong> Negation, <strong>der</strong> Sinnlosigkeit <strong>der</strong> Architektur.<br />
Wenn Architektur nur in dem gezeigten metaphysischen Rahmen Architektur sein kann, dann<br />
ist es genau die Stelle <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Architektur, die nicht fremd bestimmt sein darf,<br />
die nicht ausschließlichen Normen, Funktionen, Bedeutungen unterworfen werden kann. Das<br />
ist <strong>der</strong> Tod <strong>der</strong> Architektur, dann beinhaltet sie nicht länger das menschliche Leben.<br />
Der Entwurf des Parc de La Villette entsteht durch den Wurf von vielen Würfeln. In seiner<br />
Relation <strong>der</strong> Würfel untereinan<strong>der</strong> definiert und eröffnet er ein Feld, die Chance des<br />
Würfelspiels. Die folies bilden eine aufgelöste Serie von roten Punkten. Diese offene Vielheit<br />
lässt sich nicht mehr totalisieren. Es sind alle möglichen Inhalte anwesend. Die roten Punkte<br />
bestimmen den Ort <strong>der</strong> selbst teilbaren Zellen. Einerseits weist ein Punkt hin auf sich selbst<br />
als Zentrum, an<strong>der</strong>erseits bildet er in <strong>der</strong> Differenz zu den an<strong>der</strong>en ein Feld. Derrida<br />
beschreibt es als Nullpunkt <strong>der</strong> Verrücktheit, <strong>der</strong> das versammelt, was er gerade zertstreut hat.<br />
(vgl. Derrida 1988a 227) Je<strong>der</strong> Punkt unterbricht die Kontinuität des Rasters und hält<br />
gleichzeitig seine Gesamtheit durch den Bezug zum an<strong>der</strong>en aufrecht. Die Bedeutung ist<br />
vielfältig: In jedem Zentrum finden sich eine eigene Inhalte. Die Punkte definieren Orte und<br />
Räume zugleich. In Derridas Worten ist es die Verräumlichung <strong>der</strong> Zerstreuung.<br />
Der Parc de La Villette ist für Menschen, die von außen kommen, von denen je<strong>der</strong> seinen<br />
eigenen Grund hat, zum Beispiel Kaffee trinken zu gehen. Sie weisen für sich die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> folies wie<strong>der</strong> neu zu. Der Ort gibt die Möglichkeit für das, was sich an seiner Stelle<br />
ereignet.<br />
„Diese roten Würfel werden geworfen wie die Würfel <strong>der</strong> Architektur. Der Wurf gibt<br />
nicht allein das Programm einer Strategie des Ereignisses,..., er geht <strong>der</strong> Architektur, die<br />
kommt, entgegen. Er geht ihr Risiko ein und gibt uns dadurch die Chance.“<br />
(Derrida 1988a 232)<br />
Derrida sieht die folies, als Verrücktheiten, die das Jetzt <strong>der</strong> Architektur bejahen, sie<br />
wie<strong>der</strong>beleben, sich in die Architektur neu einschreiben. Sie wollen Architektur sein, sie<br />
zerstören sie nicht. Die Verrücktheiten erwecken die Architektur zu neuem Dasein.<br />
„Indem man die Architektur an ihre Grenzen stößt, wird man wie<strong>der</strong> Anlaß zu<br />
Vergnügen geben,...“ (Derrida 1988a 223)<br />
„indem sie aufhören, das Werk diesen fremden Normen zu unterwerfen, geben die<br />
Verrücktheiten die Architektur getreu an das zurück, was sie, seit dem Vorabend selbst ihres<br />
Ursprungs, hätte signieren sollen. Das Jetzt, von dem ich spreche, wird jene Signatur sein.“<br />
(Derrida 1988a 222)<br />
In diesem Jetzt ist alles anwesend. Es ergibt sich aus <strong>der</strong> Vergangenheit und aus allen<br />
zukünftigen Möglichkeiten. Die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Architektur kann keine Negation <strong>der</strong><br />
Architekturgeschichte bedeuten. Der Bezug zur Geschichte ist ein an<strong>der</strong>er. Es geht um keine<br />
neue Epoche. Es geht nicht um eine Gegenüberstellung von uns, als stillstehendem Subjekt,
zur Geschichte des Objekts, <strong>der</strong> Architektur.<br />
Die Architektur des Ereignisses bezieht sich für Derrida nicht nur auf die Architektur. Es geht<br />
vielmehr um „eine Schrift des Raumes, eine Weise <strong>der</strong> Veräumlichung, die dem Ereignis seinen<br />
Platz einräumt.“ (Derrida 1988a 216)<br />
Er beschreibt das Entwerfen auch als das Neuschreiben <strong>der</strong> Architektur, als Bezeichnung <strong>der</strong><br />
différance: „All dies gehorcht einem Programm von Übertragungen, Transformationen o<strong>der</strong><br />
Permutationen, <strong>der</strong>en äußere Normen nicht mehr das letzte Wort behalten.“ (ebd. 223)<br />
Entwerfen ist das Erfinden von Kreuzungen von Motiven <strong>der</strong> Architektur und an<strong>der</strong>en<br />
Schriften, das erzählerische Montieren, Übersetzen, Umschreiben, Überschreiten von einem<br />
Ort zum an<strong>der</strong>en. Die Architektur im Dazwischen, <strong>der</strong>en Form woan<strong>der</strong>s neu entsteht, <strong>der</strong>en<br />
Zeichen durch den Einfall kommt und jedes mal erst gefunden wird. Dieses woan<strong>der</strong>s<br />
befindet sich nicht außerhalb <strong>der</strong> Architektur. Das Dazwischen meint „ einen Raum innerhalb<br />
des alten Raums zu „öffnen“. (Wigley 153)<br />
Entwerfen ist kombinierende Transformation. Formal bleibt nur eine Spur <strong>der</strong> Idee, die auf<br />
den Einfall verweist, wie die Linie einer Zeichnung. Die Idee wird übertragen, Architektur<br />
entsteht im Übertragenwerden.<br />
„In diesem Fall bedeutet writing architecture das Schreiben <strong>der</strong> Architektur als Entwerfen,<br />
als Raumbildung. Diese Architektur entsteht nicht allein als Objekt des Schreibens, son<strong>der</strong>n<br />
das Schreiben ist die Planung selbst, ist Entwurf, Öffnung des Raumes,<br />
Wegbahnung.“ (Derrida 1993 298)<br />
„Und innerhalb <strong>der</strong> Singularität dieses Ereignisses wird dieser Diskurs einge-schrieben.“<br />
(ebd.300)<br />
Die Unplanbarkeit des Ereignisses ist seine eigene Voraussetzung. Darum geht es in einem<br />
Vortrag von Derrida: Eine gewisse unmögliche Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen: „Ein<br />
vorausgesagtes Ereignis ist kein Ereignis.“ ( Derrida 1997 35) Er nennt das überraschende<br />
Ereignis auch die unvorhersehbare Ankunft des An<strong>der</strong>en. Das begründet seine<br />
Einzigartigkeit, die Singularität des Ereignisses. Derrida zeigt es in Bezug auf das Schreiben<br />
<strong>der</strong> Architektur an dem Beispiel <strong>der</strong> Signatur: Die persönliche Unterschrift, die ihre<br />
Einzigartigkeit dokumentiert, in dem sie jedes mal neu geschrieben wird. Die Identität eines<br />
Werks besteht auch, wenn das Konzept <strong>der</strong> Totalität aufgegeben wird. „In seiner Beziehung auf<br />
sich selbst ist es differant. Der Selbstbezug ist nicht identisch, son<strong>der</strong>n differant.“ ( Derrida 1993<br />
302)<br />
3.1. 4 Interpretationsversuche<br />
Architekturgeschichtlich blicken wir in unserer Kultur bis zu den griechischen Polis zurück, die<br />
ein absolutes Abgrenzungssystem und somit Architektur in dem Sinn, wie wir sie heute<br />
verstehen, bildeten. Die Ausgrenzung <strong>der</strong> gefährlichen Natur begründet und ermöglicht<br />
dadurch ein heiles, gesichertes Inneres. Es ist unser System <strong>der</strong> Beschränkung, welches unsere<br />
Kulturentwicklung ermöglicht: die Spezialisierung <strong>der</strong> Wissenschaften, die Entwicklung <strong>der</strong><br />
Technik, des Computers o<strong>der</strong> unsere Sprache, ohne die wir nicht kommunizieren können.<br />
Dieser Urgrund, etwas Einzugrenzen, es von etwas auszugrenzen,um es zu ermöglichen wird<br />
immer wie<strong>der</strong> neu bestimmt. Er wandelt sich entsprechend dem immer wie<strong>der</strong> neuen Leben,<br />
welches sich in immer neuer Form aus sich selbst hervorbringt. So än<strong>der</strong>t sich auch die Form<br />
<strong>der</strong> Architektur, in die ihre immer wie<strong>der</strong> neue Begründung neu eingeschrieben wird.<br />
In unserer Kultur stand die Kirche in <strong>der</strong> Dorfmitte. Das begründet bis heute eine<br />
Redewendung, die ein Zentrum <strong>der</strong> Diskussion feststellen möchte. Die absolute Bedeutung
<strong>der</strong> Kirche hat sich gewandelt. Sonst wären weit sichtbare Funktürme auf Kirchen wohl<br />
unmöglich. Auch <strong>der</strong> Stolz auf den industriellen Fortschritt, <strong>der</strong> sich zum Beispiel durch<br />
Schornsteine auf dem Stadtwappen Brandenburgs in <strong>der</strong> DDR darstellte, steht heute nicht<br />
mehr im Mittelpunkt.<br />
In <strong>der</strong> Architektur zeigt sich einerseits unser Ordnungssystem und an<strong>der</strong>erseits sind wir in <strong>der</strong><br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Architektur mit unserem eigenen Ordnungssystem konfrontiert.<br />
Unsere Vorstellung von <strong>der</strong> Welt und wie wir sie in Ordnung finden, wird uns bewusst, wenn<br />
das, was wir in einem Gebäude sehen, nicht mit dieser übereinstimmt. Funktürme auf Kirchen<br />
stören uns nur, wenn sie unsere Vorstellung von einer Unantastbarkeit <strong>der</strong> Tradition, einer<br />
Heiligkeit, die dem Gebäude vorgestellt innewohnt, gestört wird. Diese Bedeutungen sind<br />
erlernt und werden im kulturellen Umkreis weitergegeben. Die Bedeutung von Architektur<br />
bildet sich für jeden erneut und verän<strong>der</strong>t sich dadurch. Sie ist für uns verständlicher<br />
abzulesen und wie<strong>der</strong>herzustellen, wenn wir in den kulturellen Kontext, <strong>der</strong> die Architektur<br />
hervorgebracht hat, eingebunden sind. Das gebräuchliche Orientierungssystem muss uns<br />
dafür geläufig sein. Dann ist es für uns die Zeichenhaftigkeit von Architektur, die uns ein<br />
Rathaus als Rathaus erkennen o<strong>der</strong> lesen lässt.<br />
Das Problem <strong>der</strong> Repräsentation <strong>der</strong> Präsenz <strong>der</strong> Architektur, was Derrida und Eisenman<br />
beschäftigt, ist auch für sie ein kulturelles: Verbunden sind beide durch eine Berührung mit<br />
dem jüdischen Verständnis für Schrift. Die jüdische Schriftauffassung ermöglicht viele<br />
Interpretationen, die ständig praktiziert werden. Es werden nur Eigenschaften Gottes<br />
dargestellt, die Darstellung wird nie als Repräsentation von Gott selbst verstanden. Das<br />
erzeugt ein an<strong>der</strong>es ästhetisches Denken.<br />
Hinzu kommt für Eisenman die Erfahrung <strong>der</strong> Bedeutung des Sichdarstellen und<br />
Repräsentierens <strong>der</strong> amerikanischen Kultur und für Derrida die, einer vielfältig geprägten<br />
Kultur Algeriens.<br />
In <strong>der</strong> französischen Kolonie Algerien wird eine zum größten Teil arabische Kultur von einer<br />
christlich geprägten Kultur beherrscht. Die Geschichte ist dort schon immer von<br />
verschiedenen Kulturen beeinflusst worden. Der Unterschied <strong>der</strong> Bedeutung von<br />
Repräsentation <strong>der</strong> Architektur in den verschiedenen Kulturen ist hier unverkennbar: Eine<br />
Moschee darf nur von Menschen betreten werden, die den muslimischen Glauben teilen. Die<br />
Mauer gegenüber des Eingangs versperrt die Sicht ins Innere <strong>der</strong> Moschee. In <strong>der</strong> arabischen<br />
Baukultur ist das grundsätzlich so. Auch in den privaten Wohnhäusern hat die Wand<br />
gegenüber des Eingangs den Sinn, dass kein Außenstehen<strong>der</strong> sehen kann, wie wohlhabend<br />
eine Familie ist. Nach außen repräsentiert sich niemand den an<strong>der</strong>en gegenüber. Die Häuser<br />
öffnen sich nach Innen. Diese Architektur ist einerseits klimatisch bedingt, aber sie beinhaltet<br />
auch ein völlig an<strong>der</strong>es Verständnis von Gesellschaft und damit ein an<strong>der</strong>es<br />
Selbstverständnis. Das Thema könnte man auch in <strong>der</strong> kulturell verschiedenen Kleidung, die<br />
Verhüllung o<strong>der</strong> Repräsentation bedeuten kann, weiterfolgen.<br />
Diese an<strong>der</strong>e Beziehung zwischen Subjekt und Objekt bestimmt auch ein an<strong>der</strong>es<br />
Verständnis <strong>der</strong> Welt. Das Verhältnis von Subjekt und Objekt hat eine ganz an<strong>der</strong>e Geschichte<br />
als in unser abendländischen Kultur, in <strong>der</strong> erst die Kirche, dann die Industrie und heute die<br />
Wirtschaft und <strong>der</strong> Konsum ihre Macht nach außen demonstrieren.<br />
Die Baukultur ist offensichtlich vielfältig. Es sind die Möglichkeiten, die sich aus den<br />
Gegebenheiten wie Materialien und <strong>der</strong> vorhergegangenen Baukultur ergeben, die ihre<br />
Spuren hinterlassen. Es gibt verschiedene traditionelle Lösungen für unterschiedliche<br />
Bedürfnisse. Es kann keine absolute Interpretation von Architektur geben.<br />
Diese Relativität müssen wir zur Zeit <strong>der</strong> Globalisierung im Blick haben.<br />
Was bedeutet ein Weltkulturerbe? Eine Bewahrung <strong>der</strong> Vielfalt meint man. Für wen bedeutet<br />
es was? Für uns kann es eine Geldquelle bedeuten, um die Fassaden zu rekonstruieren, die<br />
unsere traditionelle Vergangenheit repräsentieren sollen. Das beinhaltet einerseits unser<br />
Verständnis von Baukultur und Repräsentation und Pflege dieses Erbes. Die Bedeutung von<br />
äußerlicher Repräsentation scheint sich aber nicht global anwenden zu lassen.
Und ist es denn an<strong>der</strong>erseits überhaupt möglich? Kann die Vergangenheit wie<strong>der</strong><br />
eingeschrieben werden? Die Grenze zwischen Reparatur, die für eine weitere Nutzung<br />
notwendig ist und einer Fassadenschau, um die Vergangenheit einzumauern, und <strong>der</strong><br />
Bewahrung des Kulturguts ist nicht eindeutig.<br />
An dieser Stelle ist schon aus rein technischer Sicht das Problem deutlich: Mit unseren<br />
heutigen industriell hergestellten profitorientierten Baustoffen können wir die alten<br />
Gebäude nicht wie<strong>der</strong>herstellen, wie sie in <strong>der</strong> Vergangenheit gewesen sind. Erstens ist eine<br />
entsprechende traditionelles Handwerk gar nicht mehr vorhanden. Das hat zur Folge, dass<br />
zum Beispiel oft mit synthetischen Putzen und Farben versucht wird, eine frühere Optik<br />
nachzuahmen. Zweitens ist die Frage welchen Sinn das Ganze überhaupt macht, ein Erbe in<br />
<strong>der</strong> Art zu pflegen, indem man es in seiner ursprünglichen Art und Weise wie<strong>der</strong>herstellen<br />
möchte. Was ist dieses ursprünglich? Und warum muss es erhalten werden?<br />
Es ist wohl immer ein Mitnehmen ins heute. Es ist nur ein Heute, ein Jetzt <strong>der</strong> Architektur<br />
möglich. Dieses Heute und Jetzt ergibt sich aus <strong>der</strong> Vergangenheit, es ist eine Bewegung von<br />
etwas kommend zu etwas gehend als einzige Möglichkeit zu denken, zu schreiben o<strong>der</strong> zu<br />
bauen, gegenwärtig zu sein.<br />
Die Hetrogenität in <strong>der</strong> Architektur spiegelt die Vielfältigkeit <strong>der</strong> Möglichkeiten in diesem<br />
Jetzt unserer Kultur wie<strong>der</strong>. Der Reiz, das, was Architektur und Denkmalpflege spannend<br />
macht, ist ,wenn es gelingt, neue Dinge neben alten noch haltbaren und brauchbaren o<strong>der</strong><br />
bedeutenden Teilen zu entwickeln o<strong>der</strong> neue Nutzungen und Bedeutungen in bestehende<br />
Gebäude zu integrieren, um mit Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite gibt es auch alte Techniken und Materialien, die unter heutigen<br />
Gesichtspunkten sinnvoller erscheinen als neue, die nur auf wirtschaftlichen Umsatz<br />
ausgelegt sind, was bei Putzen und Wandfarben offensichtlich vorkommt.<br />
Es ist ein Spiel <strong>der</strong> Möglichkeiten, die vorhanden sind und gefunden werden. Architektur<br />
entsteht im Prozess des Entwerfens.<br />
3.2. über die Auseinan<strong>der</strong>setzung Derridas und Eisenmans (1989)<br />
Ungefähr zwei Jahre nach <strong>der</strong> gemeinsamen Arbeit am Parc de La Villette wendet sich<br />
Derrida mit seinem Unverständnis gegenüber den theoretischen Veröffentlichungen<br />
Eisenmans mit einem Brief an ihn. Das Thema ist die Architektur <strong>der</strong> Abwesenheit, die<br />
Eisenman in einem Text Moving Arrows,Eros and other Errors zu seinem Entwurfsprojekt<br />
Romeo und Julia in Verona, Italien (1985, s.Abb.) erörtert.<br />
Das Programm dieses Entwurfs ist die Übersetzung <strong>der</strong> dominanten Themen <strong>der</strong> Geschichte<br />
von Romeo und Julia auf den historischen Ort in Verona. Es gibt drei verschiedene<br />
Textversionen aus dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t. Der Ort <strong>der</strong> Geschichte wechselt von <strong>der</strong> ersten<br />
Version in Montecchio zu Verona in <strong>der</strong> zweiten und dritten. Letztere ist die Bekannteste von<br />
Shakespeare. „Mit den verschiedenen Versionen <strong>der</strong> Geschichte wird ein Schauplatz in mehreren<br />
Maßstäben geschaffen...“ (Eisenman in: Davidson 118) Die drei Texte überlagern sich<br />
gegenseitig. Sie implizieren verschiedene Lesarten. Diese Überlagerung überträgt Eisenman<br />
in architektonischen Metaphern in Form von Zeichnungen und Modellen auf die Stadt<br />
Verona. Die Geschichte eines Standorts wird in einem architektonischen Diskurs nacherzählt.<br />
Darin versucht Eisenman die fundamentalen Umbrüche des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
auszudrücken.<br />
Eisenman stellt Aspekte <strong>der</strong> Architektur, wie ihre Präsenz, den Ursprung und das ästhetische<br />
Objekt hinsichtlich des Orts, des Programms und <strong>der</strong> Darstellung in Frage.<br />
Er verfolgt in diesem Projekt das Konzept <strong>der</strong> Destabilisierung und entwickelt<br />
dementsprechend die Entwurfsmethode des scaling. Dabei legt er Bil<strong>der</strong> analog zu den drei<br />
unterschiedlichen Textversionen in unterschiedlichen Maßstäben übereinan<strong>der</strong>. Dieser<br />
Maßstab ist nicht länger ausschließlich auf den Menschen bezogen, son<strong>der</strong>n auf sich selbst.<br />
Auf diese Art will Eisenman den Anthropozentrismus, <strong>der</strong> die Darstellung <strong>der</strong> Architektur seit<br />
<strong>der</strong> Renaissance beherrscht, untergraben. Für ihn kann <strong>der</strong> Mensch nicht länger das Maß aller
Dinge sein. Der Mensch hat seine zentrale Stellung in Bezug auf sich selbst und auf die Welt<br />
verloren. „Und obwohl diese naive, anthropozentrische Vorstellung mit <strong>der</strong> Entdeckung des<br />
Unbewußten durch Freud unhaltbar geworden war, gilt sie in <strong>der</strong> heutigen Architektur immer<br />
noch.“ (Eisenman 1995 89)<br />
Das sagt Eisenman zu einer Zeit, als er sich selbst einer langen Psychoanalyse unterzieht und<br />
das Konzept <strong>der</strong> Destabilisierung in seine Lehre an <strong>der</strong> Universität in Havard aufnimmt.<br />
Eisenman versucht im Projekt Romeo und Julia „die anthropozentrischen Ordnungsprinzipien<br />
Präsenz und Ursprung“ (ebd.) zu vermeiden. Beim scaling gibt es kein Urmaß, wie den<br />
Menschen als Grundbezgspunkt. Eisenman sieht seine Methode als Befreiung <strong>der</strong> Architektur<br />
von <strong>der</strong> Metaphysik des Maßstabs. Auf diese Weise kann <strong>der</strong> Zentrismus <strong>der</strong> Metaphysik <strong>der</strong><br />
Architektur destabilisiert werden. Entsprechend wird auch <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Präsenz und des<br />
Ursprungs <strong>der</strong> Architektur und dadurch <strong>der</strong> Wert des ästhetischen Objekts destabilisiert. Das<br />
architektonische Objekt repräsentiert nicht länger einen bestimmten Inhalt o<strong>der</strong> eine<br />
bestimmte Ästhetik.<br />
Die Entwurfsmethode des scaling ermöglicht drei Werkzeuge zur Destabilisierung:<br />
Diskontinuität, Rekursivität und Selbstähnlichkeit. Als kontinuierlich gelten alle traditionellen<br />
Geometrien und Prozesse <strong>der</strong> Architektur. Eisenman arbeitet mit fiktiven Orten, <strong>der</strong>en<br />
Existenz er im heutigen Verona annimmt und sie so in die Realität einbezieht.<br />
Er überträgt schon in diesem Projekt in Verona die Idee des Palimpsests und des Steinbruchs<br />
auf den Ort, um zu verdeutlichen, dass dieser, in <strong>der</strong> Art wie er sich zeigt, nicht statisch<br />
feststehend ist. Er enthält Spuren <strong>der</strong> Erinnerung und Immanenz als diskontinuierliche<br />
präsente Abwesenheit. Die Arbeit mit sich selbstähnlichen Formen erzeugt Rekursivität, da<br />
keine Form, die zuerst da war, als dominant dargestellt wird. Die Selbstähnlichkeit meint eine<br />
analoge Umwandlung von Eigenschaften. Eisenman überträgt einerseits die Texte auf die<br />
Architektur, wandelt sie entsprechend um und versteht die Architektur dadurch ebenfalls<br />
eher als Textzustand, denn als ästhetisch zu vollendendes Objekt. Die im Text enthaltenen<br />
Überlagerungen ermöglichen die unterschiedlichen Lesarten <strong>der</strong> Architektur.<br />
„Damit wird die Möglichkeit des Irrtums geschaffen. So kann es sein, daß ein Text nicht zu einer<br />
Wahrheit o<strong>der</strong> einer gewünschten Schlußfolgerung führt, son<strong>der</strong>n zu einem Gewebe<br />
aufeinan<strong>der</strong>folgen<strong>der</strong> Lesefehler wird <strong>–</strong> Fehler, die die Bedingungen für jede neue Leseebene<br />
hervorbringen.“ (ebd. 96)<br />
Derrida spricht Eisenman auf diese Aussagen in seinem Brief an: „Dieser Diskurs über die<br />
Abwesenheit o<strong>der</strong> die Gegenwart einer Abwesenheit verblüfft mich nicht nur, weil er so viele<br />
Tricks, Komplikationen und Fallen übergeht, die <strong>der</strong> Philosoph und beson<strong>der</strong>s wenn er ein wenig<br />
ein Dialektiker ist, nur zu gut kennt, und wenn er fürchten muß, daß auch Du Dich wie<strong>der</strong> darin<br />
verfängst.(...) Ich habe ein wenig den Verdacht, daß Dir diese Auslegungen gefielen und Du sie<br />
sogar geför<strong>der</strong>t hast, auch wenn Du sie diskret mit einem Lächeln bestritten hast, wodurch ein<br />
Mißverständnis ein bißchen mehr o<strong>der</strong> ein bißchen weniger als ein Mißverständnis wird.“<br />
( Derrida 1989a 166)<br />
Hier werden die Schwierigkeiten einer gemeinsamen Arbeit aus unterschiedlichen<br />
wissenschaftlichen Richtungen deutlich. Derridas Verständnis von Architektur als Text ist<br />
philosophisch ein an<strong>der</strong>es als Eisenmans. Dessen Entwurf des Projekts in Verona begründet<br />
sich formal auf verschiedene Lesarten und <strong>der</strong>en Überlagerung, um sich <strong>der</strong> klassischen<br />
Präsenz eines vollendeten Sinns <strong>der</strong> Architektur zu entziehen. Ihm geht es um seine<br />
Konzepterörterung einer gestalterischen dreidimensionalen Aufgabe. Derrida sieht die<br />
Problematik in <strong>der</strong> für ihn unschlüssigen Theorie Eisenmans.<br />
Die <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur bleibt formal auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Architektur. Das heißt,<br />
man kann sich über sie unterhalten, aber Derrida sagt nicht wie eine dekonstruktivistische<br />
Architektur aussieht. Er fängt nicht an, Architektur zu entwerfen. Er bleibt in seiner<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Architektur Philosoph. Das entspricht Derridas Anerkennung des<br />
metaphysischen Systems in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> sowie in <strong>der</strong> Architektur und seiner Kritik an<br />
diesem von innen. Diese Grenze bedeutet aber nicht, daß die <strong>Dekonstruktion</strong> als nur
theoretisch bezeichnet werden kann. Die <strong>Dekonstruktion</strong> wirkt da, wo sie ihre Möglichkeit<br />
hat, zum Beispiel in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Architektur o<strong>der</strong> an ihrer gemeinsamen Grenze,<br />
die sie lokalisiert und neu feststellt.<br />
Derrida bestätigt die Grenze zwischen <strong>Philosophie</strong> und Architektur in Bezug auf choral works:<br />
„Es stimmt, daß es für mich, in gewisser Weise, einfacher war. Ich hatte nichts damit zu tun und<br />
konnte auch nichts damit tun,...“ (Derrida 1989a 166)<br />
Die Frage ist, wie kann dekonstruktivistische Architektur Architektur sein, wenn sie keine<br />
einfach formale Übersetzung ihrer <strong>Dekonstruktion</strong> darstellen will? An diese Stelle kommen<br />
Derrida und Eisenman immer wie<strong>der</strong>. Sie begründet die Differenz zwischen <strong>Philosophie</strong> und<br />
Architektur. Hier zeigt sich <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> unabschließbaren <strong>Dekonstruktion</strong>: Es lässt sich keine<br />
eindeutige Lösung feststellen.<br />
Eisenman sagt über choral works: „... dann nimmt man etwas von dem Palimpsest weg, und die<br />
Spur <strong>der</strong> früheren Überlagerung bleibt erhalten, aber gleichfalls die Spur <strong>der</strong> Wegnahme, mit<br />
an<strong>der</strong>en Worten, wir sprechen von ,Chora'. Durch die Kombination von <strong>der</strong> Überlagerung des<br />
Palimpsests mit dem Steinbruch entsteht ,Chora',...“ ( zit. n. Jencks 268)<br />
Derrida teilt diese Interpretation Eisenmans von chora nicht: „Ich bin mir nicht sicher, ob Du<br />
Chora in so radikaler Weise detheologisiert und deontologisiert hast, wie ich mir das gewünscht<br />
hätte ( Chora ist we<strong>der</strong> die Leere, wie Du manchmal nahe legst, noch die Abwesenheit, noch die<br />
Unsichtbarkeit, und noch weniger das Gegenteil von dem).“ (Derrida 1989a 166)<br />
Die Präsenz <strong>der</strong> Architektur kann nicht durch ihre Absenz überwunden werden. Welchen Sinn<br />
hat eine Architektur, die eine festgelegte Abwesenheit von Inhalt darstellt?<br />
Die Architektur kann nicht aus ihrem Präsentsein herauskommen, wenn sie Architektur ist.<br />
Die Darstellung ihrer Sinnlosigkeit kann nur ihre eigene Negation bedeuten.<br />
Das Dilemma kann nur durch die <strong>Dekonstruktion</strong> des Verhältnisses von Theorie und Praxis<br />
gelöst werden. Die Dominanz des funktional begründeteten Gebäudes gegenüber dem<br />
Entwerfen als bloßem Hilfsmittel besteht nicht länger in seinem konventionellen Verhältnis.<br />
Im architektonischen Entwurf wird die Architektur auf ihren Inhalt begründet. Die Architektur<br />
wird immer wie<strong>der</strong> neu ermöglicht. Sinnlosigkeit verhin<strong>der</strong>t ihre eigene Hervorbringung. Das<br />
nennt Derrida die Voraussetzung <strong>der</strong> Affirmation (Bejahung) einer Architektur des<br />
Ereignisses.<br />
Derrida fragt den Architekten Eisenman nach seiner Schrift, dem Entwerfen: „Wenn wir nun<br />
die Architektur nicht aufgeben, und ich glaube nicht, daß wir das tun werden, was sind die<br />
Auswirkungen dieser Möglichkeit, den terrestrischen Boden verlassen zu können, auf den Entwurf<br />
selbst?“ (Derrida 1989a 175)<br />
Eisenman weist darauf hin, daß die Beantwortung seiner Fragen zur <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong><br />
Architektur, <strong>der</strong> Architektur überlassen werden müssen. Eisenman sieht die <strong>Dekonstruktion</strong><br />
Derridas nicht auf die Architektur übertragbar. Die Identität kann in Bezug auf das Bauen<br />
nicht wie in <strong>der</strong> literarischen <strong>Dekonstruktion</strong> behandelt werden. Die Architektur wird von<br />
ihrer realen Existenz des Bezeichneten beherrscht. Sie hat eine an<strong>der</strong>e Tradition von Zeichen<br />
und Bedeutung.<br />
„Vielleicht kann man das, was ich in <strong>der</strong> Architektur mache, in ihren Absichten und ihrem<br />
Gewebe, nicht eigentlich <strong>Dekonstruktion</strong> nennen. Die Sache ist aber nicht so einfach: Wenn<br />
meine Arbeit nämlich etwas bestimmtes nicht verkörpert, so erzeugt sie dennoch die Frage<br />
nach dem, was sie nicht ist.“ (Eisenman 1990 177)<br />
Derrida fragt Eisenman weiter nach seinem Verhältnis zur Geschichte <strong>der</strong> Architektur und <strong>der</strong><br />
Bedeutung <strong>der</strong> Architektur in <strong>der</strong> Gesellschaft. Er verweist dabei auf die Funktion sozialer<br />
Bauaufgaben und das Engagement in <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, die Gesellschaft zu<br />
än<strong>der</strong>n. Dazu bezieht sich Derrida auf Textteile von Walter Benjamin.<br />
Eisenman erwi<strong>der</strong>t, daß er gesellschaftliche Probleme, wie Obdachlosigkeit und Armut, nicht<br />
von <strong>der</strong> Architektur, Literatur o<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> lösbar sieht. Seiner Meinung nach, soll sich<br />
aber je<strong>der</strong> Architekt mit diesen Fragen beschäftigen und <strong>der</strong> philosophische Diskurs die
Architektur behandeln.<br />
Das Thema <strong>der</strong> Leere, das in <strong>der</strong> dekonstruktivistischen <strong>Architekturtheorie</strong> immer wie<strong>der</strong><br />
vorkommt, sieht Derrida als problematisch. Er bringt die Ruine des Barock ins Spiel.<br />
Der Verfall wird im Barock als Fragment monumentalisiert. Das Fragment weist als Teil des<br />
Ganzen auf seine vollendete Ganzheit hin. Derrida sieht hier die Parallele zur thematisierten<br />
und gebauten Leere von Libeskind und Eisenman. Das Fragment präsentiert die Leerstelle<br />
und ist als solches nach wie vor im metaphysischen System <strong>der</strong> Architektur enthalten.<br />
Eisenman spricht Derrida ein Verständnis für Architektur ab. Die Möglichkeit <strong>der</strong><br />
<strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur ist für ihn nicht einfach die, <strong>der</strong> Metaphysik <strong>der</strong> Präsenz.<br />
Das würde dem klassischen Verhältnis von Figur und Grund entsprechen und die Architektur<br />
nicht „ von ihrem Glauben an die Theorie <strong>der</strong> Ursprünge zu etwas an<strong>der</strong>em“ (ebd.181) bringen.<br />
Die Beson<strong>der</strong>heit des Verhältnisses von Architektur und ihrer Präsenz, ist ihre Umschliessung<br />
des Blicks und des ganzen menschlichen Körpers. Eisenman sieht dieses Verhältnis als ein<br />
an<strong>der</strong>es als in <strong>der</strong> Sprache, <strong>der</strong> Malerei o<strong>der</strong> Skulptur.<br />
Deshalb entwirft er ein neues Theoriegebilde, ein System aus drei Begriffen: Er ergänzt zu <strong>der</strong><br />
Dialektik von Präsenz und Abwesenheit, die er für die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Architektur als<br />
unzureichend findet, eine neue Eigenschaft. Eisenman nennt sie die Gegenwärtigkeit.<br />
„ sie ist we<strong>der</strong> Abwesenheit noch Präsenz, we<strong>der</strong> Form noch Funktion, we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gebrauch<br />
eines Zeichens noch die rohe Existenz <strong>der</strong> Wirklichkeit, sie ist vielmehr ein exzessiver<br />
Zustand zwischen dem Zeichen und Heideggers Begriff des Seins; sie ist die Formung und<br />
Ordnung des diskursiven Ereignisses, welches die Architektur darstellt.“<br />
( Eisenman 1990 181)<br />
„ Immerhin ist die Aura die Präsenz <strong>der</strong> Absenz, die Möglichkeit des Gegenwärtigwerdens<br />
von etwas An<strong>der</strong>em. Es ist dieses An<strong>der</strong>e, das meine Architektur erfahrbar zu machen<br />
versucht.“<br />
(ebd.182)<br />
Eisenman strebt nach dem Aufbrechen <strong>der</strong> Fessel zwischen Form und Funktion in <strong>der</strong><br />
Architektur, die ihre mögliche Gegenwärtigkeit, ihren Exzess unterdrücken. Er hält es für<br />
absolut notwendig, diese Präsenz zu überwinden. Er will damit nicht sagen, dass seine<br />
Architektur, „die in gewisser Weise nutzlos “ (ebd.183) wird, nicht mehr funktionieren muss. Sie<br />
soll aber befreit sein aus <strong>der</strong> Symbolisierung ihrer Funktion, die eine Reduktion auf ihre<br />
Zeichenhaftigkeit bestimmt. Eisenman beschreibt seine Arbeit wie folgt:<br />
„ In meiner Arbeit gehe ich davon aus, daß die Architektur etwas an<strong>der</strong>es schreiben kann,<br />
etwas an<strong>der</strong>es als ihre eigenen traditionellen Texte <strong>der</strong> Funktion, <strong>der</strong> Struktur, <strong>der</strong><br />
Bedeutung und <strong>der</strong> Ästhetik.“ ( Eisenman 1990 183)<br />
Derrida reagiert darauf in dem späteren Gespräch mit Eisenman in seinem Verständnis von<br />
Architektur als Text. :<br />
„ Und ich glaube, daß Du o<strong>der</strong> auch Daniel Liebeskind in den Raum einen klassischen Text<br />
einschreibt, klassische Erzählungen, Worte, Eigennamen, Aspekte <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong><br />
Literatur, kulturelle Bezüge. Doch all das beherrscht die Architektur nicht mehr einfach,<br />
son<strong>der</strong>n ist in sie eingeschrieben.“ (Derrida 1993 300)
3.3.<br />
über die Diskussion <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und<br />
<strong>Architekturtheorie</strong><br />
Nachdem sich die vorgängigen Teile <strong>der</strong> Arbeit um eine Annäherung an die Möglichkeiten<br />
und Wirkungen <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> im Inneren <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong><br />
bemühen, geht es im Folgenden um ihre äußeren gesellschaftlichen Wirkungen. Die<br />
Diskussion geht darum, was <strong>Dekonstruktion</strong> für die kulturelle Entwicklung am Ausgang des<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>ts bedeutet. Wie ist <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne zu verstehen und in welchem<br />
Verhältnis kann <strong>Dekonstruktion</strong> dazu gesehen werden? An dieser Debatte lassen sich die<br />
Abgrenzungen und Überschneidungen, wie sie von den Vertretern <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und<br />
<strong>Architekturtheorie</strong> begriffen werden, nachvollziehen.<br />
Mark Wigley schreibt im Katalog <strong>der</strong> Ausstellung Dekonstruktivistische Architektur, daß die<br />
dekonstruktiven Projekte „sich keinesfalls von einer Erscheinungsform zeitgenössischer<br />
<strong>Philosophie</strong>“ (Wigley 1988 11) ableiten lassen. „Sie sind nicht Anwendung<br />
dekonstruktivistischer Theorie. Sie gehen viel mehr aus einer architektonischen Tradition hervor<br />
und zeigen zufällig dekonstruktive Eigenschaften.“ (ebd.)<br />
Dagegen steht, daß sich viele Architekten in ihrer <strong>Architekturtheorie</strong> auf Jaques Derrida<br />
beziehen und die gemeinsame Arbeit von Philosophen und Architekten in Paris zu diesem<br />
Zeitpunkt schon stattgefunden hat.<br />
Der Begriff <strong>Dekonstruktion</strong> aus <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> von Jaques Derrida hat in <strong>der</strong><br />
Architekturdebatte eine Verschiebung erfahren. (vgl. Alois Martin Müller 36)<br />
Peter Eisenman sieht sich we<strong>der</strong> als <strong>Dekonstruktion</strong>ist noch als Dekonstruktivist. Er sträubt<br />
sich gegen jede Einordnung in einen Stil, er sagt aber: „Es ist keine Frage, daß mein Werk vom<br />
Geist <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> angeregt worden ist.“ ( Eisenman 1988 266) Ihm geht es in seiner<br />
Arbeit um textliche Mehrwertigkeit o<strong>der</strong> das Dazwischen: „Ich glaube, das die <strong>Dekonstruktion</strong><br />
letztlich nicht sichtbar ist. Da geht es um das Bauen nicht baubarer Ideen.“ (Eisenman 1988 272)<br />
Dementsprechend muss die <strong>Dekonstruktion</strong> begrifflich offen bleiben, so daß die Architektur<br />
ihre Freiheit behält, mit ihren eigenen Mitteln zu arbeiten.( vgl. Adolf Max Vogt 34)<br />
Es scheint unmöglich zu sein die vielfältigen Gedanken und gestalterischen Versuche zur<br />
gleichen Zeit, da sie gedacht werden, einzuordnen. Die <strong>Dekonstruktion</strong>, wie sie Derrida<br />
verwendet, will diese Ordnungssysteme und ihren Sinn ergründen. Deshalb wird die<br />
Fragwürdigkeit einer Festlegung <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> auf einen architektonischen Stil o<strong>der</strong><br />
eine Epoche <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> deutlich. Eine neue Richtung des Denkens, die nach <strong>der</strong> Struktur<br />
des Denkens fragt, durch <strong>Dekonstruktion</strong> möglich ist, ist in ihrem Zusammenhang aber zu<br />
benennen.<br />
Philip Johnson schreibt im Vorwort des Ausstellungskatalogs: „ Dekonstruktivistische<br />
Architektur ist kein neuer Stil.“ (Johnson 7) Die ausstellenden Architekten haben kein<br />
gemeinsames Manifest. Ihre formale Sprache ist aber in ähnlicher Weise eine neue. Sie stellen<br />
die traditionelle Architektur, vor allem die Mo<strong>der</strong>ne und <strong>der</strong>en Fortschrittsgedanke,<br />
grundsätzlich in Frage.<br />
Welche Sicht eröffnet die <strong>Dekonstruktion</strong> unserer geschichtlichen Ordnung?<br />
Bis ins 18. Jahrhun<strong>der</strong>t gibt es ,Geschichten', die man sich erzählt, in <strong>der</strong> Pluralform. Mit <strong>der</strong><br />
Begründung <strong>der</strong> Geschichte als Wissenschaft soll ein einzelner Begriff die ganze Wirklichkeit<br />
zusammenhängend als Objekt begreifbar machen. Die Vorstellung des vereinheitlichten<br />
Vernunftsprozesses erzeugt erst den Realitätsbegriff. Die Mo<strong>der</strong>ne idealisiert die feste<br />
Verbindung von rationalem zweckgerichteten Denken und <strong>der</strong> Vorstellung des gerichteten<br />
vernünftigen Geschichtsprozesses.<br />
Diese Reduktion auf einen Begriff wird durch die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> in Frage<br />
gestellt. Die Grundlegung <strong>der</strong> subjektzentrierten und rationalen Wirklichkeitskonstruktion<br />
wird erörtert. Vor allem will die <strong>Dekonstruktion</strong> die unbewussten Vereinfachungen, die<br />
übergangen werden, um einen Idealzustand <strong>der</strong> Realität zu erreichen, herausfinden.(vgl. A.M.
Müller 42,ff) In <strong>der</strong> Architektur drückt sich das herrschende Geschichtsverständnis im Raum<br />
aus. Die Form <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne ist metaphysisch aufgeladen: Die wesentlich wahre Form ist<br />
formal einfach, rein, unreduzierbar und ohne Ornament. Wie kommen solche<br />
Begriffshierarchien im Denksystem, auf denen diese mo<strong>der</strong>nen Gebäude basieren, zu Stande?<br />
Die Strategie <strong>der</strong> dekonstruktivistischen Architekten beinhaltet einen kritischen Umgang mit<br />
den Grundformen. So zerfällt auch in <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong> Mythos einer kohärenten Mo<strong>der</strong>ne.<br />
Der Philosoph Wolfgang Welsch äußert sich entgegengesetzt zu Fragen <strong>der</strong> Architektur<br />
innerhalb <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>: „<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>(,) sind ...architekturale Begriffe und Metaphern<br />
grundlegend eingeschrieben.“ (Welsch 50) Er sieht die <strong>Dekonstruktion</strong> des herkömmlichen<br />
Denkens als Verbindung von philosophischen und architektonischen Dekonstruktivismen.<br />
Die <strong>Philosophie</strong> kritisiert ihre traditionelle Architektonik, sie reflektiert ihre architekturalen<br />
Momente. Das entspricht den Gedanken Derridas, die am Anfang des Kapitels ausführlicher<br />
behandelt sind.<br />
Die Postmo<strong>der</strong>ne beinhaltet das Motiv <strong>der</strong> Pluralität des Denkens, <strong>der</strong> Sprache und <strong>der</strong><br />
Kulturen. Welsch sieht die dekonstruktivistische Architektur als Radikalisierung <strong>der</strong><br />
postmo<strong>der</strong>nen, die vor allem die Ganzheit in Frage stellt. Die dekonstruktivistische<br />
Architektur kritisiert alle Ideen <strong>der</strong> klassischen Architektur. Allerdings ist die Affinität von<br />
Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> im philosophischen Diskurs offensichtlicher. In <strong>der</strong><br />
Diskussion innerhalb <strong>der</strong> Architektur werden Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> teilweise mit<br />
gegensätzlichen Inhalten verstanden:<br />
Eisenman: „Die sogenannte Postmo<strong>der</strong>ne in <strong>der</strong> Architektur, die stilistische Postmo<strong>der</strong>ne,<br />
hat nichts zu tun mit <strong>der</strong> theoretischen und kritischen Postmo<strong>der</strong>ne, wie sie durch<br />
französische Denker wie zum Beispiel Foucault, Lacan, Derrida, Deleuze entwickelt wurde.“<br />
(Eisenman 1988 292)<br />
Für Eisenman ist es das Zeitalter des Denkens nach Nietzsche, was unseren Zeitgeist und<br />
auch unser Verständnis von Architektur bestimmt. Auch Charles Jencks bezeichnet sich selbst<br />
als Nietzsche - Verehrer. Er hat den Begriff <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne für die Architektur geprägt. Die<br />
Mo<strong>der</strong>ne ist nach seiner Sicht, darin weiterhin enthalten. Die neue Architektur muss sich auf<br />
die Theorie und Praxis <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne stützen. Für Jencks steigert <strong>der</strong> Dekonstruktivismus die<br />
Abstraktion <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne ins Extreme. Er unterscheidet die Neuen Mo<strong>der</strong>nen kategorisch:<br />
Klassische Mo<strong>der</strong>ne, Spät- und Postmo<strong>der</strong>ne. Sowohl für Jencks als auch für Wigley hat die<br />
Neue Mo<strong>der</strong>ne ihren Ursprung in <strong>der</strong> ästhetischen Mo<strong>der</strong>ne des Russischen Formalismus. Für<br />
Wigley stellt <strong>der</strong> Dekonstruktivismus selbst keine Avantgarde dar. Jencks beschreibt eine<br />
Wie<strong>der</strong>belebung durch die Architekten, die alle in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne ausgebildet sind.<br />
Deshalb ordnet Jencks Eisenman den Vertretern <strong>der</strong> Neuen Mo<strong>der</strong>ne zu. Eisenmans<br />
Mo<strong>der</strong>nismus baut aber nicht auf die utopischen gesellschaftlichen Ziele <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong><br />
20er Jahre auf.<br />
Ullrich Schwarz stellt Peter Eisenman als „kein[en] Vertreter einer fröhlichen Postmo<strong>der</strong>ne“ dar.<br />
Schwarz beschreibt die Bedeutung von Eisenmans Arbeit für die Entwicklung <strong>der</strong><br />
<strong>Architekturtheorie</strong>: Er „bemüht sich um eine architekturtheoretische Position, die den<br />
philosophischen und geschichtlichen Gehalt des Projekts <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne kritisch reflektiert, ohne es<br />
aufzugeben.“ ( Schwarz 1991 50) Eisenman geht es um ein neues Verhältnis von Subjekt und<br />
Objekt und eine entsprechend zeitgenössische Architektur, die nicht einem unreflektierten<br />
Funktionalismus unterliegt. Ullrich Schwarz erkennt aber in Eisenmans Konzept des Neuen<br />
immer eine latent enthaltene Fortschrittsdynamik, die Eisenman als geschichtliches Ideal<br />
eigentlich gar nicht teilt.<br />
Eisenmans These ist, dass zeitgenössische Architektur veraltete Nutzungsvorstellungen und<br />
damit die Kultur und Gesellschaft verän<strong>der</strong>t. Die Architektur von Eisenman wird allgemein als<br />
nicht funktional und auch nicht funktionierend beschrieben. Beispielsweise wird das Projekt<br />
des Wexner Center of Art in Columbus Ohio wegen seiner transparenten Wände kritisiert, weil
es die Ausstellung von Gemälden kaum ermöglicht. Dazu sagt Eisenman: „ Vielleicht sollte<br />
man die Gemälde än<strong>der</strong>n.“ ( zit. n. Schwarz 1991 50) Jencks kritisiert dieses Denken als Ich-<br />
bezogen und elitär, das mit dem normalen Leben nichts zu tun hat.<br />
Er findet, daß Eisenman eine nihilistische Variante <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne vertritt, wobei er in seiner<br />
Kritik die humanistische Mo<strong>der</strong>ne unterschlägt. Das entspricht Jencks Eischätzung, dass sich<br />
die Mo<strong>der</strong>ne Architektur an eine Elite richtete, und „Die Postmo<strong>der</strong>ne versucht, den Anspruch<br />
des Elitären zu überwinden,...“. ( Jencks 1988b 88)<br />
Jencks beurteilt vereinheitlichend in seinem viel veröffentlichten Text über Die Architektur <strong>der</strong><br />
<strong>Dekonstruktion</strong> Die Freuden <strong>der</strong> Absenz:<br />
„Hier treffen wir auf ein dem <strong>Dekonstruktion</strong>ismus eigenes Paradoxon. Nachdem sie mit<br />
Roland Barthes den „Tod des Autors“, die „Freuden des Textes“ verkündet hatten und nach<br />
gemeinsamer Schaffung zahlreicher Texte o<strong>der</strong> „ intertextuality“, erzeugen Designer wie<br />
Hadid, Libeskind und Eisenman das Äußerste an individuellem Symbolismus, bei dem<br />
einzig <strong>der</strong> Autor die Befugnis besitzt, uns zu sagen, was er bedeutet. Dieser ultrapoetische<br />
Gebrauch von Sprache ist de facto privat und von daher autoritär; vollgültige<br />
architektonische Sprache muß per definitionem zugänglicher sein.“ ( Jencks 1988a 257)<br />
Für Bernard Tschumi steht Jencks Postmo<strong>der</strong>nebegriff <strong>der</strong> Architektur im Wi<strong>der</strong>spruch zur<br />
Postmo<strong>der</strong>ne in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>. Er sieht den Rückgriff <strong>der</strong> Architekten, wie Jencks, auf<br />
Bedeutung, Symbol, Kodierung und „Doppelkodierung“ als Mythos <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, <strong>der</strong> im<br />
Gegensatz zur Kritik des festgelegten Bedeutungszusammenhangs <strong>der</strong> philosophischen<br />
Postmo<strong>der</strong>ne steht. Posthumanistisch ist für Tschumi nicht die Metapher, die für eine Echtheit<br />
bürgt und die je<strong>der</strong> Mensch auf <strong>der</strong> Strasse versteht und im allgemeinen Werteverlust noch<br />
Orientierung bietet, son<strong>der</strong>n das Infragestellen <strong>der</strong> humanistischen Stilkriterien. Die<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Architektur ist sozial erzeugt und nicht transparent und symbolisch zu<br />
repräsentieren. Tschumi nennt Jencks Sicht „englisch-konsumistisch(en)“ ( zit. n. Welsch 57). Er<br />
sieht seine Architektur eher dem Inhalt <strong>der</strong> philosophischen Postmo<strong>der</strong>ne verbunden, was er<br />
entsprechend im Projekt des Parc de La Villette in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit den Philosophen<br />
umsetzt.<br />
Wolfgang Welsch macht deutlich, dass die Diskussion innerhalb <strong>der</strong> Architektur über<br />
Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> viel schwieriger ist als <strong>der</strong> Diskurs in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>. Er<br />
unterscheidet in seinen Betrachtungen <strong>der</strong> Architektur zwischen neohistoristischem<br />
Fassadendekor und postmo<strong>der</strong>ner Architektur. Er sieht das Leugnen <strong>der</strong> Verbindungen<br />
zwischen postmo<strong>der</strong>ner und dekonstruktivistischer Architektur einerseits und <strong>der</strong><br />
Verbindung von <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>der</strong> Architektur an<strong>der</strong>erseits, als<br />
verständlichen Versuch, die Autonomie <strong>der</strong> Architektur zu sichern. Welsch findet aber<br />
strukturelle Entsprechungen zwischen Tschumi, Eisenman und Derrida in ihren theoretischen<br />
Bemühungen. Diese sind <strong>der</strong> Grund, sie zu untersuchen, und sie nicht wie Wigley als zufällig<br />
abzutun. (siehe oben)<br />
Mark Wigley untersucht seinerseits die Beziehung zwischen Architektur, Kunst und<br />
<strong>Philosophie</strong>, in Bezug auf die <strong>Dekonstruktion</strong>. Er führt die <strong>Dekonstruktion</strong> Derridas weiter,<br />
indem er Derridas Schriften auf verborgene Bezüge zur Architektur und dem Raum, die nicht<br />
vor<strong>der</strong>gründig angesprochen, aber doch enthalten sind, untersucht.<br />
„Architektur sollte nicht als eine Art von Schrift gedacht werden, wie dies so viele<br />
Lektüren <strong>der</strong> dekonstruktiven Theorie im architektonischen Diskurs unternommen<br />
haben; angebracht wäre es einmal, Schrift als eine Art von Architektur zu denken und<br />
die in Derridas Diskurs bereits eingelassene Architektur aufzuspüren.“ ( Wigley 81)<br />
Die Postmo<strong>der</strong>ne <strong>der</strong> Architektur fasst, wie Jencks es äußert, ihre vielen Inhalte nur in einer<br />
pluralistischen Definition. Es ist also nicht klar, was ein postmo<strong>der</strong>ner Architekt und ein
postmo<strong>der</strong>nes Gebäude sind. Die Richtungen <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne lassen sich nicht vereinen.<br />
Wolfgang Welsch beschreibt <strong>Dekonstruktion</strong> als allgemeines Phänomen, das unsere<br />
Wissenschaften, Orientierungsform, Lebensweise und unsere Sicht <strong>der</strong> Welt prägt.<br />
Ullrich Schwarz argumentiert in gleicher Weise mit folgenden Beispielen:<br />
„Die Astrophysik des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts entwirft das Bild eines sich ausdehnenden Universums<br />
ohne Zentrum, in welchem <strong>der</strong> Mensch nicht nur eine ephemere Zufallserscheinung darstellt,<br />
son<strong>der</strong>n das als Ganzes einem absehbaren Ende entgegengeht.“ (Schwarz1991 52)<br />
Freud entwickelt die Psychoanalyse, die die Erkenntnis beinhaltet, „dass das Ich nicht einmmal<br />
im eigenen Hause Herr sei.“ (zit.n. ebd.) Foucaults Kritik des Humanismus entfaltet eine Analytik<br />
<strong>der</strong> Endlichkeit. „Die Endlichkeit begründet sich in <strong>der</strong> Unmöglichkeit, die Existenz <strong>der</strong> Körper, <strong>der</strong><br />
Bedürfnisse, <strong>der</strong> Sprache in einer absoluten Erkenntnis zu beherrschen.“ (ebd.)<br />
„Das mo<strong>der</strong>ne naturwissenschaftliche Weltbild rückt nicht nur den Menschen aus dem Zentrum,<br />
es verän<strong>der</strong>t auch den Begriff des Wissens.“ (ebd.) Die Natur wird eher in Chaostheorien als in<br />
linear kausaler Entwicklung beschrieben.<br />
Letztlich beinhaltet <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne offensichtlich nicht eine Meinung o<strong>der</strong><br />
Richtung des Denkens. Sie ist das gleichberechtigte Nebeneinan<strong>der</strong> <strong>der</strong> verschiedenen Stile.<br />
„...alle vorgeblich ewigen o<strong>der</strong> universalen Fundamente [sind ] nur Justierungen, die zwar<br />
ihr Recht und ihre Tragfähigkeit, vor allem aber auch ihre Grenzen haben. Unterschiedliche<br />
Fundamente sind möglich, und Wechsel an <strong>der</strong> Tagesordnung. Das verän<strong>der</strong>t die<br />
Auffassung und den Sinn jeglicher Rede von ,Fundament'. Es geht nicht mehr um absolute<br />
Stabilität, son<strong>der</strong>n um relative Tragfähigkeit. “ ( Welsch 58)<br />
Die Begriffe, die unser Leben bestimmen, müssen so beweglich wie unsere Wirklichkeit sein.<br />
Die Wirklichkeit gestalten wir selbst. „ Rationalität <strong>–</strong> immer noch unser „Gott“ kann ohne<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> nicht mehr gedacht werden.“ ( Welsch 61)<br />
3.4. über <strong>Architekturtheorie</strong> und Eisenman <strong>der</strong> 1990er Jahre bis heute<br />
Nun bleibt im letzten Teil die Frage, welche Bedeutung die <strong>Dekonstruktion</strong> innerhalb <strong>der</strong><br />
architekturtheoretischen Entwicklung bis heute hat. Welche Wirkungen hat die<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung von Philosophen und Architekten zeigen sich in unserer<br />
zeitgenössischen Architekturdebatte?<br />
Eisenman hat entscheidend dazu beigetragen, den Architekturdiskurs in den 1960er Jahren<br />
an zeitgenössischen gesellschaftlichen und kulturellen Diskursen neu auszurichten und<br />
<strong>Architekturtheorie</strong> im Sinne einer eigenständigen wissenschaftlichen Praxis jenseits <strong>der</strong><br />
Architekturgeschichte zu begründen.<br />
Eine weiterführende Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen Architekten und Philosophen hat Peter<br />
Eisenman in den 1990er Jahren in Form <strong>der</strong> Any - Konferenzen initiiert. Der internationale<br />
Architekturdiskurs wird in den Jahren zwischen 1991-2000 maßgeblich von den jährlichen<br />
Treffen von Architekten, Philosophen, Historikern und Soziologen an wechselnden Orten in<br />
Amerika,Asien und Europa geprägt. Es ist Eisenmans Anliegen, ein Forum für die<br />
interdisziplinäre Erarbeitung einer Gegenwartstheorie <strong>der</strong> Architektur zu schaffen.<br />
„In einer Epoche <strong>der</strong> Uneindeutigkeit, wie die Herausgeber von Any sagen, kann es keine<br />
Lehrbücher geben, son<strong>der</strong>n nur Mitschriften komplexer Diskussionsprozesse. Daher also:<br />
zehnmal Any, in so gut wie allen Zusammensetzungen, die das amerikanische Englisch<br />
hergibt, von Anyone bis Anymore...“ ( Schwarz 2009 1)<br />
Regelmäßige Teilnehmer dieser Zusammentreffen sind die Architekten Peter Eisenman, Rem<br />
Koolhaas, Bernard Tschumi, Arata Isozaki,Steven Holl, Jean Nouvel, Jacques Herzog, Zaha<br />
Hadid, Ben van Berkel und Greg Lynn; die Architekturtheoretiker Ignasi di Solà-Morales,
Anthony Vidler, Jeff Kipnis und Sanford Kwinter; die Philosophen Fredric Jameson und Akira<br />
Asada und die Ökonomin Saskia Sassen, um nur einige zu nennen. (vgl. ebd.)<br />
Weltpolitisch ist das Ende <strong>der</strong> entgegengesetzten totalitären Ideologien mit dem<br />
Zusammenbruch <strong>der</strong> sozialistischen Systeme erreicht. Nun folgt aber nicht, wie erhofft, eine<br />
friedliche Pluralität, „ein liebenswürdiges Patchwork <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heiten“. ( Schwarz 1993 44)<br />
Son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Differenz beinhaltet auch Konflikte, wie Fremdenhass und<br />
rassistischen Terror. (vgl. Glucksmann, André, zit. n. ebd.)<br />
Die folgende Ratlosigkeit ist auch in den Any-Symposien zu spüren. Dort drängt sich die<br />
Frage auf, ob <strong>der</strong> Gedanke, daß Architektur eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesellschaft bewirken<br />
kann, noch gültig ist. O<strong>der</strong> kann Architektur nur kultureller Ausdruck eines gesellschaftlichen<br />
Selbstverständnisses sein? Wenn aber die Vorstellung einer sozialen Gemeinschaft zerfällt,<br />
gibt es auch kein anerkanntes Wertesystem, das repräsentiert werden könnte. Entsprechend<br />
würde <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong> Zerfall in Beliebigkeit drohen. Wie lässt sich die philosophische<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> mit diesen Fragen verbinden?<br />
Jaques Derrida hat an den ersten Konferenzen am Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre noch<br />
teilgenommen. Das Verhältnis zwischen ihm und Eisenman gilt nach ihrer<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung als eher abgekühlt. Derrida fühlt sich von Eisenman unverstanden und<br />
kann <strong>der</strong> Architektur als Philosoph nicht weiterhelfen. Eisenman, als Architekt, folgt<br />
seinerseits dem philosophischen Dialog mit Derrida nicht weiter.<br />
Eisenman wendet sich aber darauffolgend den Gedanken des Philosophen Gilles Deleuzes zu.<br />
Deleuze wird „ zum neuen philosophischen Helden <strong>der</strong> Architekturintelligenzija gekürt,(...)<br />
Seitdem strömt und fließt es in <strong>der</strong> Architektur heftig, die Materie organisiert sich nach Kräften<br />
selbst zu sich verfaltenden Formen, und die Entwerfer finden dazu die passenden Worte. So<br />
kommt alles ins Schwimmen.“ (Schwarz 2009 2,f.)<br />
Dieser philosophische Paradigmenwechsel Eisenmans än<strong>der</strong>t auch die Diskussion in den<br />
Any- Konferenzen um das, was Architektur gesellschaftlich bedeutet soll. Mit den<br />
Protagonisten <strong>der</strong> glatten Formen wird auch die Ideologie glatt. (vgl. Hays, M. zit.n. ebd.) Eine<br />
kritische gesellschaftliche Position <strong>der</strong> Architektur wird als überholtes und realitätsfremdes<br />
Denken verworfen.<br />
Für Eisenman ist die Architektur als „Agentur <strong>der</strong> kulturellen Transformation“ (ebd. 2) damit<br />
gescheitert. Es sollte eine produktive Debatte entstehen. Aber ein interdisziplinärer<br />
Austausch, eine gemeinsame inhaltliche Arbeit ist, im Sinne Eisenmans, nicht zustande<br />
gekommen. Die Architekten haben kaum mit den anwesenden Philosophen, Historikern und<br />
Soziologen geredet. An<strong>der</strong>erseits scheinen die Architekten auch nicht die geeignetesten<br />
Gesprächspartner für Philosophen zu sein. ( vgl. Schwarz 2009 4) Aber auch unter den<br />
verschiedenen Architekten gab es wenig Gespräche. „[E]ine gewisse Sprachlosigkeit trotz so<br />
vieler Sprecher“ (ebd.1), über die fachlichen Grenzen hinweg, lässt die letzte Konferenz<br />
Anything im Jahr 2000 zu einer Art Selbstauflösung werden.<br />
Für Rem Koolhaas, zum Beispiel, kann Architektur als Architektur nicht kritisch sein.<br />
Er lehnt Eisenmans Arbeit als zu kopflastige Architektur schon immer ab. Eisenmans<br />
zeitgenössische Kritiker sprechen ihm das Talent, interessante Theorien und schöne Modelle<br />
bauen zu können, zu: „Den letzten Schritt aber, die Realisierung, sollte Eisenman seinem<br />
Publikum ersparen.“ (Elser 2000) Das verdeutlicht Elser mit <strong>der</strong> Analyse des realisierten<br />
Projekts eines sozialen Wohnungsbaus in <strong>der</strong> Kochstrasse in Berlin, <strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> IBA<br />
1981-1985 entstand. (s.Abb.) Er fragt nach dem Sinn für den Nutzer von Formen des Hauses,<br />
die aus Erinnerung und Anti- Erinnerung <strong>der</strong> Mauergeschichten Berlins einen Ort definieren,<br />
aber weniger die Möglichkeit zum Wohnen bieten.<br />
Da erscheint die Realisierung Eisenmans architektonischer Projekte, wie ein Mahnmal o<strong>der</strong><br />
eine Ausstellung innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft und für diese, sinnvoller. Das entspricht aber<br />
wie<strong>der</strong>um den konventionellen Erwartungen, die an ein Wohnhaus an<strong>der</strong>e als an eine<br />
Ausstellung sind. Ein schlecht funktionierendes Wohnhaus ist immer wie<strong>der</strong> ärgerlich, <strong>der</strong>
Sinn ist nicht erkennbar? Oliver Elser geht in seiner Kritik von Eisenman noch weiter auf die<br />
gut klingenden Theorien ein: „Ihn einen großen Theoretiker unter den Architekten des 20.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts zu nennen, verkennt, dass <strong>der</strong> Raubzug durch die Theoriegebäude an<strong>der</strong>er ihn stets<br />
mehr interessierte, als die allmähliche Errichtung einer uneinnehmbar eigenen Position.“ (Elser<br />
2000b 1)<br />
Daß Eisenman im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Architekten wenige Projekte realisiert und mehr<br />
Bücher schreibt kann man aber auch, wie Peter Noever, an<strong>der</strong>s interpretieren: „Peter Eisenman<br />
gilt zu Recht als <strong>der</strong> Denker und Kritiker unter den Architekten unserer Zeit (...) Nichts ist ihm<br />
frem<strong>der</strong> als die blinde Bauwut manch seiner Kollegen.“(Noever 2004)<br />
Peter Eisenman hat viele Kritiker und ist selber Kritiker. Seine Gedanken sind oft schwer<br />
nachvollziehbar. Das liegt sicherlich teilweise daran, daß er sich in den Wissenschaften <strong>der</strong><br />
<strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong> bewegt, aber <strong>der</strong>en Logiken nicht unbedingt folgt. Er<br />
erscheint wie eine Art Schauspieler, <strong>der</strong> sich mit Präsentationen und entsprechend<br />
Irritationen auskennt. Er will an<strong>der</strong>s sein, inwiefern ist nicht immer deutlich zu erkennen. Er<br />
for<strong>der</strong>t die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit ihm und <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong> heraus und die kann<br />
nicht beendet sein. Gegenwärtig äußert sich Eisenman kritisch gegenüber bloßen Hüllen in<br />
<strong>der</strong> Architekturszene. Er macht deutlich, daß er we<strong>der</strong> sinnentleerte Normen noch<br />
sinnentleerte Formen <strong>der</strong> Architektur für eine Lösung hält.<br />
Aus heutiger Sicht wird Peter Eisenman <strong>der</strong> kritischen Architektur, die die Architekturdebatte<br />
bis in die 90er Jahre dominiert, zugeordnet. Dazu gehören die kritische Theorie von K. Michael<br />
Hays und die kritische Praxis von Peter Eisenman. Sie wollen „Anfang <strong>der</strong> 1980er Jahre die<br />
Disziplin <strong>der</strong> Architektur in Distanz zur Gesellschaft und als Wi<strong>der</strong>stand gegen die Banalität <strong>der</strong><br />
Konsumkultur auf Basis eines philosophischen Diskurses neu gründen“. (Fischer 2007 2) Die<br />
kritische Architektur entsteht in Ablehnung <strong>der</strong> semiotischen Postmo<strong>der</strong>ne und<br />
Populärkultur. Sie bemüht sich nach ‘68, dem Scheitern architektonischer und<br />
gesellschaftlicher Utopien, <strong>der</strong> Architektur einen Bereich als autonome Kunst innerhalb <strong>der</strong><br />
herrschenden kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse zu sichern. (vgl. Fischer 2009)<br />
Hays prägt 1984 den Begriff Criticality für die Architektur, <strong>der</strong>en Bestimmung er „zwischen<br />
Systemverweigerung und Ausverkauf als Ware“ sucht. „In seiner dialektischen Argumentation für<br />
eine Autonomie <strong>der</strong> Disziplin gegenüber den sie erzeugenden gesellschaftlichen Umständen<br />
bezieht sich Hays auf neomarxistische Ansätze ,wie die “kritische Theorie” <strong>der</strong> Frankfurter Schule<br />
um Horkheimer, Adorno und Benjamin, auf die er durch Vermittlung von Fredric Jameson und<br />
Manfredo Tafuri gestoßen war.“ (Fischer 2007 2) Fischer vergleicht weiter Hays Interpretationen<br />
<strong>der</strong> Architektur Mies van <strong>der</strong> Rohes „als Kommentar zu den Produktionsverhältnissen“ mit<br />
denen Eisenmans des Maison Domino von Le Corbusiers „als ein selbstreferentielles Zeichen,<br />
das sich über die Bedingungen von Funktion, Bedeutung und Geometrie hinwegsetzt, und durch<br />
diesen Akt erst zu Architektur wird“. Eisenmans kritische Praxis bestimmt einen ästhetischen,<br />
keinen politischen Wi<strong>der</strong>stand. Seine Kritik besteht darin, daß Architektur nicht länger in<br />
humanistischer Tradition das Verhältnis von Mensch und Welt repräsentiert. Sie konstituiert<br />
sich durch ihre eigenen Elemente entgegen ihrer konventionellen Vorstellungen. Die<br />
Architektur wird als Zeichen, welches auf die Spur ihrer eigenen Entstehung, auf etwas<br />
Abwesendes verweist, verstanden. Sie kann somit kritisch sein, weil sie frei von kulturell<br />
erwarteten Darstellungen, wie beim Symbol, ist. Der Betrachter soll sich entsprechend in<br />
einem kritischen Zustand befinden.<br />
In Eisenmans Verständnis von Architektur als Text, das sich auf de Saussure und Derrida stützt,<br />
verweist das architektonische Zeichen letztlich nur noch auf das System <strong>der</strong> Architektur. Die<br />
Bedeutung von Architektur entsteht in <strong>der</strong> Differenz und <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holbarkeit ihrer Zeichen.<br />
Dadurch entsteht eine dekonstruktivistische Praxis, die die Architektur aus ihrer festgelegten<br />
Konstruktion befreit.<br />
Die Kritik an <strong>der</strong> kritischen Architektur besteht darin, daß autonome Architektur,die<br />
Wi<strong>der</strong>stand leisten soll, ihre praktischen Möglichkeiten als Architektur offensichtlich<br />
beschränkt. Diese Theorien lassen sich nicht unmittelbar in die Praxis umsetzen. Folglich<br />
werden sie nicht weiter beachtet. Das entspricht aber <strong>der</strong> von Eisenman beabsichtigten
autonomen Architektur, die sich keinem praktischen Nutzen unterwerfen will.<br />
2002 legen Robert Somol und Sarah Whiting ein Essay vor, indem sie das Ende <strong>der</strong> kritischen<br />
Architektur erklären. Sie sehen eine „Selbstbehin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Architekten durch ihren<br />
intellektuellen Wi<strong>der</strong>stand.“ (ebd. 7) Ihre Kritik richtet sich auf Hays und Eisenmans einseitiges<br />
Interesse an den formalen und repräsentativen Aspekten <strong>der</strong> Architektur, das zu einer<br />
elitären, schwerverständlichen Hochkultur geführt hat. Ihr alternativer Ansatz ist Rem<br />
Koolhaas Definition <strong>der</strong> Architektur, „die neue Formen des Zusammenlebens produziert und<br />
projiziert“ (ebd. 4) Architektur hat für Koolhaas grundsätzlich einen unkritischen Antrieb.<br />
Daraus entwickeln Somol und Whiting das Konzept <strong>der</strong> projektiven Praxis. Projektiv bezieht<br />
sich hier auf Projektion, Projekt,Plan, Entwurf o<strong>der</strong> zukünftiges Vorhaben. Die Architektur wird<br />
als Hintergrund des Lebens verstanden und regt vielfältige Möglichkeiten an. „Die projektive<br />
Architektur soll auch gar nicht “gelesen” werden,...,sich mit ihr kritisch auseinan<strong>der</strong>zusetzen,<br />
würde ihre Wirkung schwächen.“ (ebd.4) Die Vorstellung von Praxis meint den Begriff <strong>der</strong><br />
Performance, „im übertragenen Sinn eine Kunstform mit darstellerischen Elementen“. (ebd.6)<br />
Es geht mehr um die Wirkung, um das Wie <strong>der</strong> Repräsentation <strong>der</strong> Architektur, als um das Was<br />
<strong>der</strong> Repräsentation <strong>der</strong> Architektur. (vgl. Kuhnert, u.a. 3) Damit bleibt das Thema <strong>der</strong><br />
architekturtheoretischen Diskussion über das Verhältnis von Theorie und Praxis o<strong>der</strong> Sinn<br />
und Performanz <strong>der</strong> Architektur erhalten. Somol und Whiting sehen die Entstehung des<br />
Ansatzes des Projective zeitgleich mit <strong>der</strong> Criticality Architecture. Fischer stellt über das Essay<br />
<strong>der</strong> beiden fest: „Ob und wie Architektur ihren Stand als kulturelle Praxis jenseits reiner<br />
Dienstleistung erhalten kann, bleibt offen.“ (Fischer 2007 8)<br />
Jeffrey Kipnis sieht Koolhaas sowie die Post-Criticality (neo-pragmatische Strömungen in<br />
Amerika, unter an<strong>der</strong>en von Richard Rorty geprägt) in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Kritik und des<br />
ästhetischen Wi<strong>der</strong>stands. Eine sinnliche Architektur <strong>der</strong> Performance wi<strong>der</strong>steht <strong>der</strong><br />
Vereinnahmung. Theoretisch verfolgt eine projektive Architektur scheinbar genau den Inhalt,<br />
den Eisenman in Aura und Exzess und Derrida über eine Architektur des Ereignisses<br />
beschreiben.<br />
So kann die zur Zeit aktuelle Debatte <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong> um die „Architektonische<br />
Präsenz“ als Erbe <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>der</strong> „kritischen Architektur“gesehen werden. Mit dem<br />
Begriff <strong>der</strong> Präsenz werden Körper und Sinne wie<strong>der</strong> in den theoretischen Diskurs eingeführt.<br />
Diese Diskussion wird nachweislich auch an renomierten Architekturhochschulen, wie <strong>der</strong><br />
ETH Zürich o<strong>der</strong> <strong>der</strong> TU Wien geführt. Sie wird als Zusammenfassung von zwei getrennten<br />
architektur-relevanten Theoriebereichen interpretiert, <strong>der</strong> Zeichen-Theorie und <strong>der</strong> Event-<br />
Theorie. Letztere baut auf Bernard Tschumis The Manhattan Transcripts auf.<br />
(vgl. TU Wien) Die Frage nach architektonischer Präsenz betrifft die Wirkung von Architektur<br />
in Bezug auf das gebaute Objekt, die mediale Erscheinung und den programmatischen und<br />
sozialpolitischen Impulsgeber. Der Begriff <strong>der</strong> Schönheit wird wie<strong>der</strong> ins Spiel gebracht.<br />
Nikolaus Kuhnert, Stephan Becker, Martin Luce und Anh-Linh Ngo veröffentlichen einen Text<br />
in dem sie die Produktion von Präsenz als das vollendete Aufgehen <strong>der</strong> Theorie in <strong>der</strong> Praxis<br />
<strong>der</strong> Performance beschreiben. Sie zitieren in diesem Zuge Marie-Louise Angerer:<br />
"Denn in <strong>der</strong> Tat war es die 'digitale Revolution', die den Umschwung von <strong>der</strong> Sprache hin zum<br />
Affekt und Gefühl eingeläutet hat. Von Taktilität war von Anfang an die Rede, von<br />
Augenblicklichkeit, Unmittelbarkeit, von <strong>der</strong> Auflösung von Zeit und Raum [...]. Herrliche Zeiten<br />
stünden bevor, weil wir uns endlich von all diesen poststrukturalistischen Denkern verabschieden<br />
könnten: Ihre Theorien würden uns nämlich im Netz leibhaftig begegnen."<br />
Die <strong>Beziehungen</strong> von Architektur und <strong>Philosophie</strong> sind in <strong>der</strong> aktuellen<br />
architekturtheoretischen Diskussion maßgeblich. Die gemeinsame Diskussion von<br />
Architekten und Philosophen, beson<strong>der</strong>s die Eisenmans und Derridas am Ende <strong>der</strong>1980er<br />
Jahre in Bezug auf die <strong>Dekonstruktion</strong>, macht eine <strong>der</strong>artige Debatte, wie sie heute erlebt<br />
wird, erst möglich. Um Architektur zeitgenössisch innerhalb sozialer, ökonomischer und
ökologischer Verän<strong>der</strong>ungen zu bestimmen, muss die architekturtheoretische<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung auch an dieser interdisziplinären Stelle innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
geschehen.
Nachwort<br />
Architektur entsteht, wie auch nur ein guter englischer Pudding, im Zusammenspiel von<br />
Theorie und Praxis. Durch <strong>Dekonstruktion</strong>en stellt sich die Frage nach dem Sinn von<br />
Architektur und <strong>Philosophie</strong> immer wie<strong>der</strong> neu. Dabei werden <strong>der</strong> Inhalt und die sich daraus<br />
ergebenden Grenzen gleichermaßen thematisiert. Derrida und Eisenman bemühen sich um<br />
<strong>Dekonstruktion</strong>en <strong>der</strong> Bestimmung von Inhalt und dem Verhältnis zu seinem formalen<br />
Ausdruck. Sie dekonstruieren die architekturale Struktur in unserem Denken gleichermaßen<br />
wie die theoretischen Voraussetzungen <strong>der</strong> Architektur. Es geht beiden um die Lösung<br />
unserer metaphysisch konstruierten Systeme, wie Signifikat und Signifikant, Theorie und<br />
Praxis o<strong>der</strong> Inhalt und formaler Ausdruck aus <strong>der</strong> ihr vorgestellten Absolutheit.<br />
Es ist nicht nur die <strong>Dekonstruktion</strong>, die in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong> erörtert<br />
werden kann, son<strong>der</strong>n die <strong>Dekonstruktion</strong> ermöglicht die Erörterung <strong>der</strong> <strong>Beziehungen</strong><br />
zwischen <strong>Philosophie</strong> und Architektur. Die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Überschneidungen von<br />
<strong>Philosophie</strong> und Architektur ermöglicht eine Neudefinition ihrer Abgrenzungen.<br />
Die Verantwortung sowohl innerhalb <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> als auch <strong>der</strong> Architektur entspricht dem<br />
Dekonstruieren o<strong>der</strong> Hinterfragen von Normen, Gesetzen und unseren Wertvorstellungen.<br />
Ihre Grundlagen müssen auf Gültigkeit überprüft werden. Es ist wichtig, im Auge zu behalten,<br />
daß unsere Sichtweise nicht einer objektiven Wahrheit entsprechen kann. Sie ist individuell<br />
und an einen Moment gebunden. Um neue Lösungen zu finden, müssen wir eine offene<br />
Sichtweise in alle Richtungen anstreben.<br />
<strong>Dekonstruktion</strong> ist nicht in Architektur umsetzbar, aber die <strong>Dekonstruktion</strong>en im<br />
Entwurfsprozess sind als Spuren im Entwurf zu erfahren. Durch <strong>Dekonstruktion</strong> wird <strong>der</strong><br />
Prozess <strong>der</strong> Bedeutung o<strong>der</strong> Formfindung thematisiert. Dem entspricht we<strong>der</strong> die Erfüllung<br />
einer vorgegebenen Norm, noch die Verwendung inhaltloser Formen. Es ist die ständige<br />
Bemühung, einen Inhalt über eine Form zu transportieren, <strong>der</strong> sich durch die Form erst<br />
manifestiert. Das Wissen, daß keine gefundene Form vollendet sein kann, öffnet die Totalität<br />
dieser Teilung.<br />
Ob Entwerfen,Denken, Sprechen o<strong>der</strong> Schreiben, als gestalterische Prozesse sind sie an den<br />
Moment ihrer Bezeichnung gebunden. Sie können nicht vorher festgelegt sein. Es geht um<br />
die Gestaltung unseres Lebens in seinem eigenen Prozess.
Literaturnachweis<br />
zum Thema: <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>–</strong> <strong>Beziehungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> & <strong>Architekturtheorie</strong><br />
Primärliteratur zur <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>:<br />
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1972<br />
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Wien: Edition Passagen, dt. Ausgabe 1986<br />
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1990 Engelmann, Peter: Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong>: Texte französischer Philosophen<br />
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1994 Zima, PeterV.: Die <strong>Dekonstruktion</strong> Tübingen und Basel: Francke<br />
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Stuttgart: reclam<br />
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1991 Noever, Peter ( Hrsg.): Architektur im Aufbruch - Neun Positionen zum<br />
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1991 Derrida, Jaques; Eisenman, Peter: Chora L Works,<br />
hrsg. Jeffrey Kipnis,Thomas Leeser, New York: Monacelli Press,1997<br />
1993 Eisenman, Peter: Die Entfaltung des Ereignisses, Arch plus 119/120, S.50-53<br />
1995 Eisenman, Peter: Aura und Exzeß. Zur Überwindung <strong>der</strong> Metaphysik <strong>der</strong> Architektur,<br />
hrsg. von Ulrich Schwarz, Wien: Passagen Verlag<br />
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Sekundärliteratur über dekonstruktivistische Architektur/-theorie<br />
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sich auf den Gegenstand, Daidalos: Architektur, Kunst, Kultur; Band 1, S.81-95,<br />
Berlin: Bertelsmann<br />
1981 Reichlin, Bruno: Spiegelungen- Wechselbeziehungen zwischen Konzept, Darstellung<br />
und gebauter Architektur, Daidalos: Architektur, Kunst, Kultur; Band 1, S.60-73<br />
Berlin: Bertelsmann<br />
1987 Dialog von Derrida, Jaques und Meyer, Eva (1984) in: Das Abenteuer <strong>der</strong> Ideen<br />
Architektur und <strong>Philosophie</strong> seit <strong>der</strong> industriellen Revolution S. 97-106; Internationale<br />
Bauausstellung Veranstalter: Senator für Bau- und Wohnungswesen,<br />
Berlin: Verlag Fröhlich & Kaufmann,<br />
1988 Schindler, Bruno: Die verschlungenen Wege <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong>.<br />
Arch plus Nr.96/97, S.64-87<br />
1988 Schindler, Bruno; Kraft, Sabine; Oswald, Philipp: Weiß o<strong>der</strong> Schwarz?<br />
Arch plus Nr.96/97, S. 88-97<br />
1988a Jencks, Charles: Die Architektur <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> Die Freuden <strong>der</strong> Absenz in:<br />
Architektur heute, Stuttgart: Klett-Cotta, S.250-269<br />
1988b Charles Jencks: Die Sprache <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen Architektur in: Wege aus <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ne-Schlüsseltexte <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne- Diskussion, Wolfgang Welsch ( Hsrg.),<br />
Berlin: Acta humaniora VCH Verlagsgesellschaft,<br />
1988 Rötzer, Florian: Jargon des An<strong>der</strong>en, Arch plus Nr.96/97; S. 61-63<br />
1989 FH Düsseldorf FB Architektur: Architektur als Darstellung Als Zeichen als Sprache,<br />
Düsseldorf: Schriftenreihe <strong>der</strong> Fachhochschule<br />
1989 Papadakis, Andreas ( Hrsg.): Dekonstruktivismus eine Anthologie, Stuttgart: Klett-Cotta<br />
- Benjamin, Andrew: Derrida, Architektur und <strong>Philosophie</strong> S.80-84<br />
- Tschumi, Bernard: Parc de la Villette S. 175- 183<br />
- Wines, James: Auf schlüpfrigem Grund, S. 135- 138<br />
1990 Kähler, Gert ( Hrsg.): <strong>Dekonstruktion</strong>? Dekonstruktivismus? Aufbruch ins Chaos o<strong>der</strong><br />
neues Bild <strong>der</strong> Welt?, Braunschweig, Wiesbaden:Vieweg, Bauwelt Fundamente 90
1990 Norris, Christopher; Benjamin, Andrew: Was ist <strong>Dekonstruktion</strong>?,<br />
Zürich und München: Verlag für Architektur Artemis<br />
1991 Schwarz, Ullrich: Architektur für Leser, Werk, Bauen+Wohnen 10, S.48- 57<br />
1991 Thomsen, Christian W.: Experimentelle Architekten <strong>der</strong> Gegenwart ,<br />
Köln: DuMont Buchverlag<br />
1992 Hemken, Kai-Uwe: Die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Ecke - Zu einem Aspekt avantgardistischer<br />
Kunst im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t, Der Architekt 11/92<br />
1993 Kuhnert, Nikolaus; Tausch, Gunnar: Die Architektur des Ereignisses: Projekte von<br />
Eisenman, Ito, Koolhaas, Miralles, Piano, Tschumi Arch plus 119/120; S. 30-75<br />
1993 Schwarz, Ullrich Any- Architektur nach dem Ende <strong>der</strong> Gewissheiten<br />
Werk, Bauen+Wohnen 10, S.41-48<br />
1993 Kähler, Gert ( Hrsg.): Schräge Architektur und aufrechter Gang - <strong>Dekonstruktion</strong>: Bauen<br />
in einer Welt ohne Sinn?, Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, Bauwelt Fundamente 97<br />
- Vogt, Adolf Max: Schräge Architektur und aufrechter Gang<br />
- Müller, Alois Martin: Einige unaufgeregte Überlegungen zur <strong>Dekonstruktion</strong><br />
- Welsch, Wolfgang: Das weite Feld <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong><br />
1994 Wigley, Mark: Architektur und <strong>Dekonstruktion</strong>: Derridas Phantom,<br />
Basel, Berlin, Boston: Birkhäuser ArchitekturBibliothek<br />
1994 Fu<strong>der</strong>, Dieter: Am Maßstab <strong>der</strong> Sprache Der Architekt 4/94, S.193-197<br />
1994 Steiner, Barbara; Schmidt-Wulffen, Stephan ( Hrsg.) In Bewegung. Denkmodelle zur<br />
Verän<strong>der</strong>ung von Architektur und bilden<strong>der</strong> Kunst, Hamburg: Oktagon Verlag<br />
1995 Ciorra, Pippo: Peter Eisenman - Bauten und Projekte, Stuttgart: DVA<br />
2000a Elser, Oliver: Der dehnbare Architekten,<br />
11. 7. 2000 | Frankfurter Allgemeine Zeitung / Berliner Seiten<br />
www.moelser.de/architekturtexte/volltexte/eisenman.html<br />
2000b Elser, Oliver: Vorsicht Eisenman<br />
25. 5. 2000 | Frankfurter Allgemeine Zeitung / Berliner Seiten,<br />
www.moelser.de/architekturtexte/volltexte/eisenman.html<br />
2001 Sewing, Werner: Von Deleuze zu Dewey? Archplus 157<br />
www.archplus.net/download.php?art=191<br />
2005 Perren, Claudia: Dan Graham, Peter Eisenmann - Positionen zum Konzept<br />
[Elektronische Ressource] http://d-nb.info/gnd/131343203, Kassel: Kassel Univ. Press<br />
2006 Davidson, Cynthia (Hrsg.): Auf den Spuren von Eisenman Zürich: Niggli AG Sulgen<br />
2006 Krause, Daniel: Missreading Peter Eisenman, Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine<br />
Kunstwissenschaft, B.51/2, S. 287-295, Hamburg: Meiner Verlag
2006 Kuhnert, Nikolaus; Becker ,Stephan; Luce, Martin; Anh-Linh Ngo: Die Produktion von<br />
Präsenz Potenziale des Atmosphärischen,<br />
http://www.nextroom.at/publication_article.php?<br />
publication_id=3249&article_id=24918<br />
2007 Fischer, Ole W.: Architekturdebatten hier und there, documenta magazines online<br />
journal, Berlin: archplus<br />
http://magazines.documenta.de/frontend/article.php?IdLanguage=5&NrArticle=1768<br />
2007 van Toorn, Roemer: Ästhetik als Form <strong>der</strong> Politik<br />
www.architekturtheorie.eu/?id=magazine&id=search_results&query=toorn<br />
2008 TU Wien: Zum Thema Präsenz<br />
http://www.gbl.tuwien.ac.at/_docs/studio/2008/index.html<br />
2009 Schwarz, Ullrich: Neue Wege Ist <strong>der</strong> Architektur noch zu helfen?<br />
ZEIT online - 24. Mai 2009 http://www.zeit.de/2001/50/200150_lit_archi.xml<br />
2009 Fischer, Ole W.: Post-Structural, Post-Critical, Post-Political?<br />
http://www.danielandujar.org/2009/01/08/ole-w-fischer-post-structural-post-criticalpost-political/<br />
2009 Schnei<strong>der</strong>, Tatjana: Über die Fähigkeit, an<strong>der</strong>weitig zu agieren<br />
http://www.oegfa.at/event.php?item=5114<br />
2009 http://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_Tschumi