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Dekonstruktion – Beziehungen der Philosophie & Architekturtheorie ...

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<strong>Dekonstruktion</strong> <strong>–</strong> <strong>Beziehungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> & <strong>Architekturtheorie</strong><br />

„Das engliche Sprichwort sagt, die Qualität eines Rezepts erweise sich im Pudding, nicht im Rezept.<br />

An<strong>der</strong>erseits stellt sich das Kochen eines Puddings, zumal eines, <strong>der</strong> englischen<br />

Qualitätsmaßstäben standhalten soll, ohne Rezept als schwierig heraus <strong>–</strong> eine Rechtfertigung<br />

jeglicher theoretischen Erörterung und Reflexion im Hinblick auf die konkrete Architektur.“ (Kähler<br />

1993 8)<br />

Vorwort<br />

In <strong>der</strong> folgenden Arbeit geht es um <strong>Dekonstruktion</strong>en. Bei dem Versuch dieses Thema zu<br />

erörtern, entsteht sofort die Schwierigkeit, eine logische Erklärung für etwas zu finden, was<br />

sich <strong>der</strong> Logik im Inneren entzieht. Auf diesem offenen Feld werden Gedanken <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> und <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong> in Bezug zur <strong>Dekonstruktion</strong> nachgegangen und ihre<br />

<strong>Beziehungen</strong> diskutiert.<br />

Das vorangestellte Zitat von Gert Kähler umreißt die Problematik allegorisch, die mich in<br />

meiner theoretischen Auseinan<strong>der</strong>setzung beschäftigt. Wie gestalten wir unser menschliches<br />

Dasein und dem entsprechende Lebensräume? Wie entwickeln wir Kultur weiter? Wie hängt<br />

das zusammen mit unserem Selbstverständnis und unserer Sicht auf die Welt?<br />

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Schriften des französischen Philosphen<br />

Jaques Derridas und des amerikanischen Architekten und Architekturtheoretikers Peter<br />

Eisenman. Beide waren Zeitgenossen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts aus jüdischen Familien, die man<br />

mit dem Begriff <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> in Verbindung bringt. Derridas frühe Hauptwerke<br />

Grammatologie und Die Schrift und die Differenz, in denen er den Gedanken <strong>der</strong><br />

<strong>Dekonstruktion</strong> verwendet, wurden erstmals 1967 veröffentlicht. Eisenmann gebraucht in<br />

seinen Theorien seit den 1980er Jahren teilweise die gleiche Terminologie wie Derrida, wobei<br />

er klar sagt, dass er die <strong>Dekonstruktion</strong> Derridas nicht einfach auf die Architektur überträgt.<br />

Die <strong>Dekonstruktion</strong> wurde erst durch die Debatte in den Medien als Begriff geprägt.<br />

Das Verlassen <strong>der</strong> Grenzen, die die abendländische Kultur ordneten, war bekanntermaßen<br />

Ende <strong>der</strong> 1960er/ Anfang <strong>der</strong> 1970er Jahre eine Bewegung auf allen Gebieten. Am<br />

populärsten sind die <strong>der</strong> Kunst und Politik. Daher ist es unmöglich und wi<strong>der</strong>sprüchlich, die<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> einer Wissenschaft eindeutig zuzuordnen. Die <strong>Philosophie</strong> versucht eine<br />

theoretische Grundlage für die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Welt, die Sicht auf die Welt und sich selbst zu<br />

erarbeiten. In dieser Zeit werden festgelegte Grundlagen als totalitär kritisiert. Die<br />

<strong>Philosophie</strong> sieht sich vielmehr als ein Aufzeichnen von Bewegungslinien theoretischer<br />

Voraussetzungen.<br />

Derrida und Eisenman beschäftigen sich mit <strong>der</strong> von Heidegger angesprochenen<br />

Überwindung <strong>der</strong> Metaphysik. Als Metaphysik wird die philosophische Lehre o<strong>der</strong> das duale<br />

System, das einen wahren Sinn hinter o<strong>der</strong> über den physischen, sinnlich erfahrbaren Dingen<br />

des Seins zuordnet, bezeichnet. Das, worauf sich ein metaphysisches System in seinem<br />

Zentrum gründet, liegt außerhalb vom System, welches es begründet. Zum Beispiel ist Gott<br />

als transzendentaler Grund o<strong>der</strong> Ursprung eines metaphysischen Systems.<br />

Jaques Derrida kritisiert die Metaphysik <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (die Begründung eines festgelegten<br />

wahren Sinns im Sein) und ihre abendländischen Geschichte. Peter Eisenmann verfolgt die<br />

Überwindung <strong>der</strong> Metaphysik <strong>der</strong> Architektur und dementsprechend ihren traditionellen<br />

Grundsätzlichkeiten.<br />

Der Dialog Derridas und Eisenmans über <strong>Dekonstruktion</strong> und ihre Möglichkeiten in <strong>der</strong><br />

Architektur am Ende <strong>der</strong> 1980er/ Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre ist <strong>der</strong> Anlass, die thematischen<br />

Schnittstellen und Abgrenzungen ihrer philosophischen und architekturtheoretischen<br />

Beiträge zu erörtern.<br />

Derrida verwendet in seinem Diskurs den Begriff <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong>, <strong>der</strong> als solcher auf den<br />

Konstruktivismus verweist. Die Russische Avantgarde, um 1910 bis zur Machtübernahme<br />

Stalins, hatte begonnen, mit den traditionellen Kompositionsregeln in <strong>der</strong> Kunst zu brechen.


Die Malerei hörte auf naturalistisch zu sein und wurde gegenstandslos. Man wandte sich<br />

innerhalb <strong>der</strong> Kunst praktischen und gesellschaftlichen Fragen des Hier und Jetzt zu. Es ging<br />

darum, die Welt von Grund auf neu zu entwerfen. Die Architektur gewann im<br />

Konstruktivismus eine neue Bedeutung innerhalb <strong>der</strong> Kunst.<br />

Aus dieser Richtung kommen Derridas Gedanken zu Kunst und Ästhetik, welche in dieser<br />

Arbeit aber nicht weiter untersucht werden sollen. Der russische Formalismus in <strong>der</strong><br />

Literaturtheorie um 1915 gilt „als frühe Ausprägung des von Ferdinand de Saussure<br />

begründeten Strukturalismus“(wiki 2009) Diesen nutzt Derrida als Ausgang seiner Arbeit und<br />

entwickelt ihn weiter.<br />

Den Dekonstruktivismus in <strong>der</strong> Architektur beschreibt Mark Wigley als aus dem<br />

Konstruktivisms schöpfend und ihn radikal umwandelnd. (vgl. Wigley 1988 16) Wigley<br />

organisierte 1988 mit Philip Johnson die Ausstellung Dekonstruktivistische Architektur in New<br />

York, was für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Architektur und <strong>der</strong> architekturtheoretischen<br />

Diskussion bedeutend war. Eisenman war als Architekt an <strong>der</strong> Ausstellung beteiligt. Keiner <strong>der</strong><br />

ausgestellten Architekten war <strong>der</strong> Ansicht, Vertreter einer neuen Stilrichtung o<strong>der</strong> Epoche zu<br />

sein. Alle sind sehr verschieden, gemein ist ihnen aber eine neue, offene Art des Entwerfens<br />

und des Verständnisses für Architektur.<br />

Eisenman hat sich seit den1980er Jahren mit den Schriften Derridas beschäftigt, was seine<br />

philosophische <strong>Architekturtheorie</strong> beinflusst hat. Der Architekt Bernard Tschumi läd 1985<br />

Jaques Derrida ein, an dem Projekt Parc de la Villette in Paris mitzuarbeiten. Auf dieses Projekt<br />

bezieht sich das Essay Derridas: Am Nullpunkt <strong>der</strong> Verrücktheit - Jetzt die Architektur. (Derrida<br />

1988a) Er artikuliert darin „das vielschichtige Verhältnis zwischen einer bestimmten Art des<br />

Denkens und einer bestimmten Art von Raum“.(Wigley 1994 13)<br />

Derrida und Eisenman arbeiten gemeinsam im Auftrag von Tschumi an diesem Projekt.<br />

Daraus entsteht ein Buch: Chora L Works (Derrida, Eisenman 1991). Darin sind<br />

Arbeitsgespräche, Gedanken Derridas über chora und ein Briefwechsel <strong>der</strong> beiden, Skizzen<br />

und Modellfotos veröffentlicht. Außerdem ist ein späteres Gespräch Derridas und Eisenmans<br />

in Eisenmans Aura und Exzess (Eisenman 1995 295,ff) zu finden.<br />

Der Inhalt dieser literarischen Quellen und die heterogene Diskussion über <strong>Dekonstruktion</strong> in<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong> werden in <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit erörtert. Es ist <strong>der</strong><br />

Versuch, sich von beiden Seiten, aus philosophischer und aus architekturtheoretischer Sicht,<br />

ihren Überschneidungen und Grenzen zu nähern. Dabei wird im ersten Teil das Verständnis<br />

von <strong>Dekonstruktion</strong>, wie Derrida es erläutert hat, dargelegt. Daran schließt sich eine<br />

Betrachtung von dekonstruktivistischer Architektur und <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong> Eisenmans an.<br />

Der dritte Teil widmet sich dem Hauptthema: Derridas <strong>Dekonstruktion</strong>en <strong>der</strong> Architektur, den<br />

Problemen im Dialog und in <strong>der</strong> Zusammenarbeit von Eisenman und Derrida, sowie <strong>der</strong><br />

Diskussion in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong> über Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong>.<br />

Daraus ergibt sich am Ende die Darstellung <strong>der</strong> gegenwärtigen architekturtheoretischen<br />

Debatte über die Bedeutung <strong>der</strong> dekonstruktivistischen Bemühungen vor 20 Jahren für die<br />

heutige Architektur und <strong>Architekturtheorie</strong>.<br />

Die Kritik <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> auf philosophischer Seite, wie sie zum Beispiel Jürgen<br />

Habermas o<strong>der</strong> Peter V. Zima hervorbringen, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter<br />

thematisiert. Beide sehen das Problem <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> in ihrer Kritik einer unvollendeten<br />

Mo<strong>der</strong>ne. Sie werfen Derrida vor, daß seine <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Grenzüberschreitung <strong>der</strong><br />

Wissenschaften zu unseriösen Äußerungen führt, <strong>der</strong>en Sinn aus <strong>der</strong> fachlicher Sicht nicht<br />

haltbar ist. In Bezug auf die Derridas Behandlung sozialer und wirtschaftlicher Vorgänge sagt<br />

Zima: „Denn Derridas Darstellung <strong>der</strong> zeitgenössischen Problematik erreicht nicht einmal das<br />

Niveau eines gründlichen journalistischen Kommentars und hat wenig mit <strong>Dekonstruktion</strong> zu<br />

tun.“ ( Zima 200) Für Zima hört die <strong>Dekonstruktion</strong> auf, <strong>Dekonstruktion</strong> zu sein, sobald sie es<br />

versucht. Ihr Sinn, außerhalb ihres eigenen philosophischen Diskurses, ist für ihn nicht<br />

ersichtlich, sie bleibt abstrakt und auf an<strong>der</strong>e Bereiche unanwendbar.<br />

Die Hauptfage zum Thema <strong>Dekonstruktion</strong> scheint sich in allen Diskussionen um ein<br />

Verständnis zu bemühen,was <strong>Dekonstruktion</strong> sein kann.


Glie<strong>der</strong>ung zum wissenschaftlich- theoretischen Thema:<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> <strong>–</strong> <strong>Beziehungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> & <strong>Architekturtheorie</strong><br />

Vorwort<br />

1.<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> Jacques Derridas<br />

1.1. über die Bedeutung Derridas für die zeitgenössische Kultur<br />

1.2. über den Strukturalismus nach Ferdinand de Saussure<br />

1.3. über die Grammatologie Derridas<br />

1.4. an <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> Wissenschaften<br />

2.<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong><br />

2.1. über <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur und Kunst<br />

2.2. Peter Eisenman<br />

2.2.1. über die <strong>Architekturtheorie</strong> Peter Eisenmans<br />

2.2.2. ein Projektbeispiel Peter Eisenmans: Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas<br />

3.<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> - <strong>Beziehungen</strong> zwischen <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong><br />

3.1. Parc de La Villette, Bernard Tschumi<br />

3.1.1. über das Projekt allgemein<br />

3.1.2. Chora L Works: über die Zusammenarbeit Derridas und Eisenmans<br />

3.1.3. über Derridas Gedanken zur <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur<br />

3.1.4. Interpretationsversuche<br />

3.2. über die Auseinan<strong>der</strong>setzung Derridas und Eisenmans (1989)<br />

3.3. über die Diskussion <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und<br />

<strong>Architekturtheorie</strong><br />

3.4. über <strong>Architekturtheorie</strong> und Eisenman <strong>der</strong> 1990er Jahre bis heute<br />

Nachwort


1.<br />

1.1.<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> Jacques Derridas<br />

über die Bedeutung Derridas für die zeitgenössische Kultur<br />

Das Denken Jaques Derridas ist nicht als geschlossenes System zu analysieren. Seine Kritik<br />

<strong>der</strong> Metaphysik entwickelt er aus seiner Kritik <strong>der</strong> Zeichentheorie, die auf seine Auffassung<br />

von Schrift verweist. Das entspricht Derridas Strategie ohne Anfang und Ende zu denken.<br />

Somit ist keine eindeutige Lösung auf geradem Weg zu erwarten.<br />

Im folgenden wird versucht, Derrida als Person in seinem zeitlichen und weltlichen Kontext<br />

zu skizzieren. Daraus ergibt sich das Umfeld seiner gedanklichen Arbeit.<br />

<strong>Philosophie</strong> hat schon immer versucht, die Welt zu erklären, was grundlegend für die<br />

Entwicklung von Kultur ist. Wie Adorno und Horkheimer in Deutschland, stellt Derrida Fragen<br />

zu den Erfahrungen unserer aufgeklärten Kultur des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Die Philosophen<br />

suchen nach Strukturen in unserem Denken, die so grundsätzlich sind, daß sie totalitäre<br />

Ideologien, denen Kalter Krieg, <strong>der</strong> Zweiten Weltkrieg und Holocaust folgen, überhaupt<br />

ermöglichen.<br />

Jaques Derrida wurde 1930 in Algerien, damals eine französische Kolonie, geboren. Als Kind<br />

einer jüdischen Familie wurde er aus antisemitischen Gründen vom Schulbesuch<br />

ausgegrenzt. Derrida studierte <strong>Philosophie</strong> in Algier und Paris. In Paris hörte er Vorlesungen<br />

Michel Foucault, mit dem er später befreundet war. Derrida war von 1964 -84 Professor für<br />

<strong>Philosophie</strong>geschichte in Paris. Er lehrte ebenfalls in den USA sowie nach 1990 auch in<br />

Moskau. Jaques Derrida starb im Jahre 2004 in Paris.<br />

Sein ursprüngliches Forschungsgebiet ist die <strong>Philosophie</strong> Husserls und Heideggers sowie die<br />

<strong>der</strong> Aufklärung. Derrida kritisiert in seinen Untersuchungen eine angenommene Objektivität<br />

des Denkens von Rationalität und Wahrheit. Dadurch stellt er die traditionelle Wissenschaft<br />

mit <strong>der</strong> Trennung von Theorie und Praxis in Frage.<br />

Die Kritik <strong>der</strong> Metaphysik ist seit Marx Thema in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, was auf politischer Ebene<br />

<strong>der</strong> Kritik des Totalitarismus entspricht. Nietzsche hat in seiner Kulturkritik die Verbindung<br />

zwischen unserem metaphysischen Denken und unseren gesellschaftlichen Strukturen<br />

gezeigt. Auf <strong>der</strong> Suche nach Denkweisen, die nicht weiterhin <strong>der</strong> Tradition folgen, entstehen<br />

Mitte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts vor allem in Frankreich die Differenztheorien, die sich um<br />

Alternativen zur Metaphysik bemühen. Dazu gehören die voneinan<strong>der</strong> unabhängigen<br />

philosophischen Konzepte von Foucault, Deleuze, Lyotard und Derrida.<br />

Bei <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Struktur unseres Denkens wenden sich einige Theoretiker <strong>der</strong> Sprache<br />

zu. Weil Gedanken durch Sprache hervorgebracht werden, beeinflusst die Struktur <strong>der</strong><br />

Sprache unser Denken. Sprache ist nun nicht mehr nur ein Instrument wissenschaftlicher<br />

Erkenntnis, son<strong>der</strong>n wird selbst zum Gegenstand wissenschaftlicher Analysen. Diese<br />

Strömung in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und den Geschichts-, Sozial- und Kulturwissenschaften des 20.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts bezeichnet Robert Rorty 1967 als linguistic turn. (vgl.Metzler 234) In diesem<br />

Zusammenhang entstehen theoretische Ansätze, die das Strukturdenken <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Sprachphilosophie auf an<strong>der</strong>e Bereiche übertragen. Dazu gehören die psychoanalytische<br />

<strong>Philosophie</strong> Jaques Lacans und die strukturale Ethnologie von Caude Lévy-Strauss.<br />

Bis dahin galt Sprache traditionell nur als Ausdruck des Denkens. Utopische, vormo<strong>der</strong>ne und<br />

mo<strong>der</strong>ne Sprachstrukturen, wie zum Beispiel christliche und marxistische, sind metaphysisch<br />

begründet. Sie weisen gleichermaßen auf ein Jenseits hin.<br />

Weil Sprache unser Denken hervorbringt und begrenzt, muss Metaphysikkritik für Lyotard<br />

und Derrida Sprachkritik sein. Diese Linie zieht sich aus Hegels Lehre, die sagt, dass es kein<br />

außerhalb von Sprache geben kann, von dem aus Sprache kritisierbar wäre.<br />

Den Ansatz für seine spezifische Kritik <strong>der</strong> Metaphysik findet Jaques Derrida in <strong>der</strong> Semiotik<br />

Ferdinand de Saussures, die als Grundlage des Strukturalismus gilt. (vgl. Engelmann 2004 14)<br />

Unter an<strong>der</strong>em setzt sich Derrida auch mit <strong>der</strong> strukturalen Ethnologie von Caude Lévy-


Strauss und <strong>der</strong> Psychoanalyse Freuds auseinan<strong>der</strong>. Derrida dekonstruiert diese Texte von<br />

innen, weshalb er auch zum Poststrukturalismus gezählt wird, <strong>der</strong> den Stukturalsmus von<br />

innen her reformiert.<br />

1.2.<br />

über den Strukturalismus nach Ferdinand de Saussure<br />

Im Strukturalismus geht es grundlegend um die Darstellung einer parallelen Wirklichkeit, die<br />

die sinnlich erfahrbare inhaltlich eindeutig erklärt. (vgl. Metzler 366) Der Strukturalismus<br />

begründet sich aus <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> Sprachwissenschaft durch den Schweizer Linguisten<br />

Ferdinand de Saussure (1875-1913). Diese bricht mit <strong>der</strong> historisch-etymologischen<br />

Herleitung von Sprache. Das Neue an Saussures Theorie ist, daß nur die Konvention innerhalb<br />

einer Gesellschaft das Wort an seine Bedeutung bindet. Inhalt und Ausdruck eines Wortes<br />

wird nicht länger als eine ursprüngliche, außersprachliche o<strong>der</strong> von Gott gegebene<br />

Verbindung angesehen. Saussure bestimmt somit die Beliebigkeit (Arbitrarität) des Zeichens.<br />

Er betrachtet in seiner Theorie drei Aspekte <strong>der</strong> Sprache: den Sprechakt: parole,<br />

die Sprachfähigkeit: faculté de langage und die Sprache als Zeichensystem: langue.<br />

Das Untersuchungsobjekt in Saussures Semiologie ist die Struktur des Zeichens als kleinstes<br />

bedeutendes Element des Zeichensystems langue. Das Zeichen verweist innerhalb dieses<br />

Systems über seine materielle Gestalt hinaus auf etwas an<strong>der</strong>es. Saussure legt die<br />

Terminologie des Zeichens als Signifikat (das Bedeutete, die Vorstellung) und Signifikant (das<br />

Bedeutende, das Lautbild) fest. Innerhalb des Zeichensystems bilden Signifikant und<br />

Signifikat eine Einheit. Sie sind untrennbar, wie zum Beispiel die zwei Seiten eines Blatt<br />

Papiers. Durch das Sprechen vollzieht sich <strong>der</strong> Gedanke, welcher ohne Sprache aber nicht<br />

denkbar ist.<br />

Ein kulturspezifischer Code regelt die Zuweisung von Inhalt und Ausdruck. Das heißt, dass das<br />

Zeichen nur innerhalb des Codes Gültigkeit besitzt. Das Beispiel des Wortes gift verdeutlicht<br />

es: Im Englischen kann man sich darüber freuen, wovor man sich im Deutschen in Acht<br />

nehmen muss. Dieser Code ist als geschlossenes System analysierbar. Die Struktur dieses<br />

Systems bildet sich aus <strong>der</strong> Relation <strong>der</strong> Elemente (Wörter). Die Bedeutung dieser Elemente<br />

ergibt sich aus den internen Differenzen untereinan<strong>der</strong>. Dementsprechend können we<strong>der</strong> die<br />

einzelnen Elemente noch das Systemganze unabhängig voneinan<strong>der</strong> existieren.<br />

Das Schachspiel ist ein bekanntes Beispiel, um dieses zu veranschaulichen: Die Spielregeln<br />

sind die Beziehung <strong>der</strong> Elemente (Spielsteine) untereinan<strong>der</strong>. Sie definieren die Funktion <strong>der</strong><br />

Elemente und damit die Spielsteine selbst.<br />

Die strukturalistische Sprachwissenschaft versteht sich als synchrone Betrachtungsweise.<br />

Diese geht von einem angenommenen Idealzustand aus. Die Spielregeln sind entscheidend.<br />

Wenn man die Spielregeln kennt, ist es einem zu jedem Zeitpunkt des Spiels möglich, daran<br />

teilzunehmen.<br />

Daraus ergibt sich die Grundlage des Strukturalismus: Jedes System ist eine autonome,<br />

abgeschlossene, methodisch isolierbare Entität (Seinsheit). Die Struktur eines Systems bildet<br />

die Gesamtmenge <strong>der</strong> Relationen zwischen den Elementen. Diese Annahme ist notwendig,<br />

um überhaupt einen Untersuchungsgegenstand definieren zu können.<br />

Im Unterschied zu Hermeneutik, die nach <strong>der</strong> Bedeutung eines Textes fragt, untersucht <strong>der</strong><br />

Strukturalismus, welche Strukturen im Text die Bedeutung erzeugen.


1.3.<br />

über die Grammatologie Derridas<br />

An dieser Stelle setzt <strong>der</strong> Poststrukturalismus, in den 1960er Jahren in Frankreich, seine Kritik<br />

von innen an. Die Theorie des Strukturalismus wird übernommen und radikalisiert. Das<br />

Fragen des Strukturalismus endet bei <strong>der</strong> klaren Annahme des Vorhandenseins von<br />

Bedeutung, <strong>der</strong> durch die Differenz <strong>der</strong> Elemente konstituiert wird. Die Bedeutung wird aber<br />

erst mit dem Vorgang des Bezeichnens konstituiert (Jaques Lacan).<br />

Von außen richtet sich die Kritik grundlegend gegen jegliche Vorstellung von Repräsentation.<br />

Es kann nicht von einem absoluten Dasein von Sinn o<strong>der</strong> Bedeutung ausgegangen werden.<br />

Dementsprechend ist nicht objektiv festzustellen ist, was Vernunft bedeutet. An dieser Stelle<br />

wird die Unzulänglichkeit des strukturalistischen Systems deutlich. Vernunft wird im<br />

poststrukturalistischen Denken als gesellschaftlich festgesetzte Machtwirkung verstanden.<br />

Die Kritik gilt weiterhin <strong>der</strong> Ausgrenzung von Historizität im Strukturalismus. Das meint, daß<br />

<strong>der</strong> Strukturalismus die Verhältnisse <strong>der</strong> Elemente zueinan<strong>der</strong> in einem bestimmten Moment<br />

untersucht, was die Sichtweise eines in sich geschlossenen Systems ohne Zentrum<br />

ermöglicht. Die Kritik gilt dieser Betrachtung, weil sie Geschichte als Objekt kategorisiert. Es<br />

kann aber nicht die Überwindung <strong>der</strong> Metaphysik sein, den Ursprung einfach auszugrenzen.<br />

Die einfache Negation <strong>der</strong> Metaphysik verbleibt in <strong>der</strong> Anerkennung des traditionell<br />

metaphysischen Denkens.<br />

Um nach dem Sinn von Sein zu fragen, bedarf es einer Art des Fragens, die unsere<br />

Geschichtlichkeit, in <strong>der</strong> wir uns befinden, mit einschliesst. Michel Foucault entwickelt die<br />

Diskursanalyse. Er fragt nach den historischen Bedingungen für die Entstehung von Wissen<br />

und Zusammenhängen, ohne dabei einer hierarchischen Richtung zu folgen.<br />

Der allgemeine Diskurs als dezentrierte Rede entscheidet darüber, was überhaupt ist. Das<br />

meint, daß sich die Welt nicht auf das Subjekt als Ursprung o<strong>der</strong> Zentrum gründet. Das<br />

Subjekt versteht Foucault als Produkt, das eine Epoche am Übergang von <strong>der</strong> Klassik zur<br />

Mo<strong>der</strong>ne hervorgebracht hat. Diese Sicht betrifft auch die Literatur, bei <strong>der</strong> Text und Autor<br />

getrennt betrachtet werden. Der Autor steht nicht im Vor<strong>der</strong>grund. Der Kontext, die Regeln<br />

und Normen, unter denen Literatur entsteht, bestimmen die Literatur als geregeltes, aber<br />

auch als regelndes Ordnungssystem. Im Poststrukturalismus findet die <strong>Philosophie</strong>, die einen<br />

Sinn verfolgt, ihr Ende.(vgl. Metzler 305)<br />

In diesem Kontext und aus <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> Sprachwissenschaft von Saussure entwickelt<br />

Derrida die Grammatologie. (Derrida 1967a) Diese beinhaltet die <strong>Dekonstruktion</strong> des Begriffs<br />

Zeichen und dementsprechend des ganzen logischen Zeichensystems. Es ist Derridas<br />

Annerkennung und Radikalisierung <strong>der</strong> Theorie des Zeichens von Saussure. Derrida sieht die<br />

Zeichentheorie Saussures innerhalb des Systems <strong>der</strong> Metaphysik verhaftet. Die<br />

strukturalistische Differenztheorie geht von dem Vorhandensein von Sinn o<strong>der</strong> Bedeutung,<br />

beziehungsweise einem Signifikat aus, was unabhängig vom Bedeutungsprozess existiert.<br />

Das Signifikat wird als dem Bedeutungsprozess vorausliegend angenommen. Derrida sieht<br />

diese Annahme entsprechend <strong>der</strong> eines transzendentalen o<strong>der</strong> von Gott gegebenen<br />

Signifikats. Der Sinn ist aber nicht die Ursache <strong>der</strong> Bezeichnung, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> sich<br />

aufschiebende Effekt. Wenn sich die Bedeutung erst im Bedeutungsprozess aufschiebt, kann<br />

die Theorie des Zeichens nicht feststehend sein. Da das System des Zeichens und damit <strong>der</strong><br />

Metaphysik nicht einfach verlassen werden kann, sucht Derrida nach einer Lösung, die den<br />

Prozess o<strong>der</strong> die Bewegung an <strong>der</strong> Stelle des ursprünglichen Sinns beinhaltet.<br />

Es gibt keine gesicherte Existenz. Nur aus dem Bedürfnis nach Sicherheit konstruieren und<br />

hantieren wir mit Modellen, die eine solche als wahr annehmen. Das betrifft die Existenz des<br />

Signifikats in Bezug auf das Zeichen und den Sinn des Seins in Bezug auf die <strong>Philosophie</strong>.<br />

Derrida entwickelt aus <strong>der</strong> Kritik des Zeichens die Kritik unseres metaphysischen Welt- und<br />

Selbstverständnises.<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> bezeichnet eine Art des Befragens <strong>der</strong> Texte nach ihren Begriffen, <strong>der</strong>en<br />

Herkunft, nach textimanenten und über den Text hinaus weisenden Zusammenhängen. Die


Kritik von innen meint Texte zu determinieren, sie neu zu lesen und von innen her aufzulösen.<br />

Ihre Konstruktion wird freigelegt.<br />

Derrida fragt nach <strong>der</strong> Stelle, an <strong>der</strong> Bedeutung konstituiert wird. Wir können von keiner<br />

absoluten Kongruenz von Signifikat und Signifikant ausgehen. Die Differenz, die bei Saussure<br />

die Bedeutung eines Zeichens definiert, kann nicht als feststehend angenommen werden.<br />

Damit kritisiert Derrida den Logozentrismus des Strukturalismus, <strong>der</strong> von einem<br />

Zeichenbegriff ausgeht, <strong>der</strong> sich selbst bestätigt. Es stellt sich die Frage nach dem Ursprung,<br />

wenn die Bedeutung eines Zeichens dadurch definiert wird, was es nicht ist, durch die<br />

Differenz zu an<strong>der</strong>en Zeichen. Das heißt, daß ein ursprünglicher Sinn als feststehend<br />

angenommen werden müsste. Dieser bestimmt den Inhalt des Zeichens und damit die Logik<br />

im Zentrum des Zeichens. Das wird verständlich, wenn es um den Inhalt <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, um<br />

den Sinn von Sein geht.<br />

Weiterhin dekonstruiert Derrida in <strong>der</strong> Semiotik Saussures den Phonozentrismus. Die als<br />

ursprünglich angenommene Verknüpfung <strong>der</strong> Entstehung von Bedeutung mit <strong>der</strong><br />

gesprochenen Sprache eines Subjekts ist phonozentristisch. In gleicher Weise muss die Form<br />

des Verhältnisses von Stimme und Schrift, dekonstruiert werden. Es kann keine Hierarchie<br />

geben, in <strong>der</strong> die Stimme die Schrift beherrscht. Die Schrift stellt nicht nur ein sekundäres<br />

Hilfsmittel dar, welches auf das gesprochene Wort als Selbstpräsenz des Bewußtseins<br />

verweist. Derrida versteht auch die Sprache als eine Art Schrift.<br />

Schon im Begriff des Zeichens ist die Abwesenheit dessen, worauf es verweist, angelegt. Das<br />

Zeichen bleibt aber traditionell an die Vorstellung <strong>der</strong> Anwesenheit des Sinns gebunden. Das<br />

Zeichen wird selbst zum Vermittler von etwas, das nie andauernd anwesend war, bevor es<br />

erneut bezeichnet wurde. (vgl. Menke 245) Derrida denkt das Zeichen als aufgeschobene, zu<br />

erwartende, Anwesenheit von Sinn. An die Stelle des Signifikats tritt ein Signifikant des<br />

Signifikanten. Der Sinn ist nicht eindeutig festzustellen. Er ist auch nicht kongruent<br />

wie<strong>der</strong>herstellbar.<br />

„Signifikant des Signifikanten beschreibt ...die Bewegung <strong>der</strong> Sprache- in ihrem<br />

Ursprung;aber man ahnt bereits, daß ein Ursprung, dessen Struktur als Signifikant des<br />

Signifikanten zu entziffern ist, sich mit seiner eigenen Hervorbringung selbst hinwegrafft<br />

und auslöscht. Das Signifikat fungiert darin je als Signifikant.“ (Derrida 1967a 17)<br />

Erst durch die notwendige Ergänzung, das Supplement, wird das Eigentliche hervorgebracht.<br />

Die Schrift ist eine Kette von sich ablösenden Verweisungen. Darin löst sich das Zeichen aus<br />

dem zweiseitigen Modell, <strong>der</strong> Einheit von Signifikat und Signifikant des Strukturalismus.<br />

Wir schieben den Sinn unendlich vor uns her, wenn wir etwas bezeichnen wollen. Der Effekt<br />

ist die Spur eines unendlichen Diskurses. Die Spur deutet auf die Abwesenheit von etwas und<br />

beinhaltet somit die Erinnerung daran, die Vorstellung <strong>der</strong> Anwesenheit von diesem.<br />

Derrida spricht von <strong>der</strong> Spur des An<strong>der</strong>en im Selben. Das bezieht sich auf die Differenz<br />

innerhalb <strong>der</strong> Struktur, wie sie Saussure definiert. Durch die Negation als Begründung <strong>der</strong><br />

Bedeutung eines Elements ist noch keine Übereinstimmung von Signifikat und Signifikant<br />

garantiert. Der gesprochene Laut, sowie die geschriebenen Buchstaben bringen die Spur des<br />

Abwesenden hervor.<br />

„Daß das Signifikat ursprünglich und wesensmäßig (...) Spur ist, daß es sich immer schon in <strong>der</strong><br />

Position des Signifikanten befindet...“ (ebd.129)<br />

Derrida zeigt damit die Differenzen von Signifikat und Signifikant, die vor je<strong>der</strong> Identität<br />

durch Unterscheidung liegen. Die so genannte Vorläufigkeit des Zeichens verdeutlicht, dass<br />

<strong>der</strong> ursprüngliche Sinn nie einholbar bleibt, weshalb <strong>der</strong> Gebrauch <strong>der</strong> Zeichen immer<br />

vorläufig ist. Derrida überträgt hier das Beispiel des Gebrauchs von Werkzeugen, die eben da<br />

sind und benutzt werden, weil nichts passen<strong>der</strong>es zur Hand ist. ( Derrida 1967b 430)<br />

Jede Wie<strong>der</strong>holung des Sinns in <strong>der</strong> Benutzung <strong>der</strong> Zeichen ist eine neue Andichtung von


Inhalt. Der Signifikant ist keine eindeutige Repräsentation, keine Wie<strong>der</strong>herstellung son<strong>der</strong>n<br />

eine Neuauflage. Sprechen ist Neuerschaffen von Gedanken.<br />

Deshalb können Texte nicht einen Sinn haben, den <strong>der</strong> Autor in diesen eingeschrieben hat.<br />

Genauso wenig kann <strong>der</strong> Autor den Sinn, <strong>der</strong> sich bei <strong>der</strong> Lektüre anheftet, kontrollieren.<br />

Lesen ist das Nachvollziehen <strong>der</strong> Spuren des Textes.<br />

An die Stelle des ursprünglich angenommenen Sinns setzt Derrida die différance. (vgl. Derrida<br />

2004) Dies ist ein formales Kunstwort, das Derrida eingeführt hat, um die Stelle des Signifikats<br />

zu ersetzen. Er zeigt so einen Lösungsweg, <strong>der</strong> einerseits im zur Verfügung stehenden<br />

Zeichensystem bleibt und es doch gleichzeitig in seinem Inneren überwindet.<br />

Différance weist auf différence (Unterscheidung, Aufschiebung) und auf die Partizipalform<br />

différant ( Unterscheidendes, Aufschiebendes). Die Endung -ance tritt an die Stelle des -ence.<br />

Dieser Unterschied ist nur im Schriftbild festzustellen. Im Lautbild ist eine Differenzierung<br />

unmöglich. Das Wort steht somit für einen Bruch und die Verbindung zugleich. Es bezeichnet<br />

den Aufschub, nicht identisch aber erkennbar zu sein. Différance zeigt die Möglichkeit, das<br />

Zeichensystem nicht als geschlossenes System son<strong>der</strong>n als ein unendlich offenes Gewebe<br />

von Differenzen zu denken.<br />

Das Zentrum hat auch keine Gestalt und keinen Ort, „ son<strong>der</strong>n eine Funktion, eine Art von<br />

Nicht-Ort, worin sich ein unendlicher Austausch von Zeichen abspielt.“ (Derrida 1967b 424)<br />

„Es gibt kein Signifikat, das dem Spiel aufeinan<strong>der</strong> verweisen<strong>der</strong> Signifikanten entkäme,<br />

welches die Sprache konstituiert,.... Die Heraufkunft <strong>der</strong> Schrift ist die Heraufkunft des Spiels;...“<br />

(Derrida 1967a 17)<br />

„Die Abwesenheit eines transzendentalen Signifikats erweitert das Feld und das Spiel des<br />

Bezeichnens ins Unendliche.“ (Derrida 1967b 424)<br />

Gleichzeitig besetzt die différance aber eine traditionelle Rolle im Zeichensystem und erkennt<br />

es somit an. Derrida entwickelt ein Modell, um zwei sich ausschließende Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten,<br />

zugleich denken zukönnen.<br />

„es ist sinnlos, auf die Begriffe <strong>der</strong> Metaphysik zu verzichten, wenn man die Metaphysik<br />

erschüttern will. Wir verfügen über keine an<strong>der</strong>e Sprache- über keine Syntax und Lexik-, die<br />

nicht an dieser Geschichte beteiligt wäre.“ (ebd.425)<br />

Damit schließt Derrida seine eigene Arbeit in seine Kritik des Zeichens und <strong>der</strong> Metaphysik<br />

ein ein. Er veröffentlicht Bücher, weil man sie so nennt. Aber er glaubt nicht an sie als Bücher<br />

mit Anfang und Ende. Derrida stellt mit <strong>der</strong> Einheit des Buches die Einheit <strong>der</strong> Kultur in Frage.<br />

In Das Ende des Buches und <strong>der</strong> Anfang <strong>der</strong> Schrift (vgl. Derrida 1967a) erörtert er, daß Texte<br />

nicht abgeschlossen o<strong>der</strong> linear sind. Die Schrift „stellt vielmehr ein Text- ,Verfahren` dar.“<br />

(Derrida 1972 15)<br />

In Texten werden Begriffe verwendet, die nicht für sich stehen. Ihre ganze Geschichte spielt<br />

im Moment ihrer Verwendung mit. Derrida stellt Text als vielfältiges Gewebe vor. In ihm<br />

befinden sind einerseits Zusammenhänge mit Lektüren von an<strong>der</strong>en Texten und an<strong>der</strong>erseits<br />

ermöglicht <strong>der</strong> Text vielfältige Lesarten. Es werden Fragen aufgegriffen und neu gestellt.<br />

Bedeutungen die bisher verborgen waren, werden sichtbar. Derrida zeigt anhand von<br />

Begriffen, die nicht einer Wissenschaft zuzuordnen sind, daß ihnen schon eine vielfältige<br />

Lesart innewohnt. Die <strong>Dekonstruktion</strong> von Texten bleibt unabschliessbar. <strong>Dekonstruktion</strong> ist<br />

keine Methode und keine Technik. Diese können sich aber durch <strong>Dekonstruktion</strong> bilden:<br />

„Sie befaßt sich mit Texten, beson<strong>der</strong>en Situationen, Signaturen, mit <strong>der</strong> Gesamtheit <strong>der</strong>


<strong>Philosophie</strong>geschichte, in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Methode konstituiert hat. Wenn die<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> die Geschichte <strong>der</strong> Metaphysik und die des Methodenbegriffs untersucht,<br />

kann sie sich nicht einfach selbst als Methode darstellen.“ (Derrida 1987a 70)<br />

Derrida setzt für diese möglichen <strong>Dekonstruktion</strong>en eine Erweiterung <strong>der</strong> Begriffe Text und<br />

Schrift voraus, die somit nichts ausschliessen:<br />

„Ich habe aus strategischen Gründen... den Begriff des Textes verallgemeinert und als Text<br />

ebenso eine Institution wie eine politische Situation, einen Körper, einen Tanz usw.<br />

bezeichnet...“ (ebd.)<br />

„Das was ich also Text nenne, ist alles, ist praktisch alles. (...) Ich habe gegelaubt, daß es<br />

notwendig wäre, diese Erweiterung, diese strategische Verallgemeinerung des Begriffs des<br />

Textes durchzuführen, um <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> ihre Möglichkeit zu geben, <strong>der</strong> Text<br />

beschränkt sich folglich nicht auf das Geschriebene, auf das, was man Schrift nennt im<br />

Gegensatz zur Rede. Die Rede ist ein Text, die Geste ist ein Text, die Realität ist ein Text in<br />

diesem neuen Sinne.“ (Derrida 1987b 107, f)<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> hat nicht das Ziel, „eine neue Ordnung von Vernunft hervorzubringen. Doch sie<br />

ist ein Symptom für die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ordnung von Rationalität, in <strong>der</strong> wir leben.“ ( Derrida<br />

1987a 71) Derrida untersucht das Prinzip <strong>der</strong> Vernunft und nutzt dazu die Möglichkeit, die<br />

ihm das Verlassen <strong>der</strong> Grundsätze, die das Vernunftsprinzip selbst bestimmen, eröffnet.<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> ist aber we<strong>der</strong> rational noch irrational. Irrationalität gibt es erst seit es den<br />

Begriff <strong>der</strong> Rationalität gibt, den Leibniz im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t prägte. Durch bloßes Negieren<br />

von rationalem Denken ist darüber kein Überblick zu erhalten. Der Philosoph ist sich seiner<br />

Verantwortung bewußt, wenn er den Vernunftsbegriff hinterfragt: Welchen geschichtlichen<br />

Weg ist das Verständnis von Vernunft gegangen, und was kann klassische und mo<strong>der</strong>ne<br />

Rationalität sein? Die Fragen nach <strong>der</strong> Wahrheit, <strong>der</strong> Vernunft, <strong>der</strong> Verantwortlichkeit sowie<br />

dem Sinn, die selbst in ihrer Art des Fragens geprüft werden, sind <strong>der</strong> Antrieb dafür.<br />

Bei <strong>der</strong> „Erfahrung <strong>der</strong> Wahrheit“ (ebd. 73) gibt es keine Sicherheit, die wissenschaftlich fest<br />

abgesteckt ist. Der Wahrheitswert hat eine relative Wirksamkeit. Derrida vergleicht ihn mit<br />

einem Werkzeug mit begrenzter Brauchbarkeit. Gerechtigkeit kann in <strong>der</strong> Vielfältigkeit des<br />

Lebens nicht als geschlossenes System existieren.<br />

1.4.<br />

an <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> Wissenschaften<br />

Die <strong>Dekonstruktion</strong> durchquert alle Disziplinen. Sie ist selbst we<strong>der</strong> eine Disziplin, ein Wissen<br />

noch eine Metadisziplin. Weil <strong>Dekonstruktion</strong> keinem geschlossenen System angehört, läßt<br />

sie sich auch nicht kritisieren. Im Gegensatz dazu ist aber alles, was durch <strong>Dekonstruktion</strong><br />

entsteht, kritisierbar. Es ergeben sich Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit Dingen, die Ordnungen<br />

angehören, <strong>der</strong>en innere Bestimmungen eine Kritik ermöglichen.<br />

Derrida vergleicht die Sprache <strong>der</strong> Kunst und die Sprache <strong>der</strong> Wissenschaften. So wie sie<br />

etwas zum Vorschein bringen, verbergen sie auch immer etwas. Wir können keine absolute<br />

Sprachform bilden, auch in <strong>der</strong> Mathematik ist die integrale Formalisierung unmöglich.<br />

Wir haben nur die Möglichkeit, in unserer natürlichen Sprache zu denken, und mit dieser zu<br />

arbeiten. Das bedeutet aber keine Negation <strong>der</strong> Wissenschaften und den darin genutzten<br />

Fachsprachen. Es meint eher eine Relativierung im übergeordneten Sinn, die eine<br />

Hierarchisierung <strong>der</strong> Wissenschaften aufhebt. Darin unterscheidet sich Derrida von<br />

Heidegger, <strong>der</strong> sagte: „Die Wissenschaft denkt nicht.“ (ebd. 83)


Neben <strong>der</strong> wissenschaftlichen Sprachkritik versucht Derrida die klassische Form <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> durch eine literarische Schreibweise aufzulösen. In einem Text sind immer<br />

literarische und philosophische Schichten enthalten. Ein Text ist nicht ausschließlich<br />

philosophisch o<strong>der</strong> literarisch. Derrida sieht die abgeschlossenene Einteilung als<br />

Beschränkung <strong>der</strong> Vielfältigkeit eines Textes. (vgl. Derrida 1972 30)<br />

Wie schon Schopenhauer und Nietzsche versucht er auf an<strong>der</strong>en Wegen Lösungen für<br />

philosophische Probleme zu finden. Derridas Texte entsprechen we<strong>der</strong> einer traditionellen<br />

Definition von <strong>Philosophie</strong> noch <strong>der</strong> von Literatur. Es entsteht ein eigener Texttypus mit<br />

eigenen Regeln, <strong>der</strong> diese Trennung von <strong>Philosophie</strong> und Literatur thematisiert. Ein neuer<br />

Kontext , zum Beispiel die Verbindung zur Ästhetik, <strong>Philosophie</strong>, Sozialwissenschaft, Physik<br />

o<strong>der</strong> Politik, ermöglicht die Übersetzung von Texten verschiedener Genre und<br />

Wissenschaften ineinan<strong>der</strong> ohne diese an sich aufzulösen.<br />

„Nennt man Bastelei die Notwendigkeit, seine Begriffe dem Text einer mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

kohärenten o<strong>der</strong> zerfallenen Überlieferung entnehmen zu müssen, dann muß man zugeben,<br />

daß je<strong>der</strong> Diskurs Bastelei ist.“ (Derrida 1967b 431)<br />

Derrida übernimmt die Gegenüberstellung des Bastlers und des Ingenieurs aus <strong>der</strong> Lektüre<br />

eines Textes von Lévi-Strauss. Er radikalisiert diese und stellt heraus, daß <strong>der</strong> Ingenieur seine<br />

eigene Sprache selbst konstruiert und sich damit als Ursprung seiner selbst annimmt: „<strong>der</strong><br />

Ingenieur ein Mythos“<br />

„Die Vorstellung eines Ingenieurs, <strong>der</strong> mit je<strong>der</strong> Bastelei gebrochen hätte, ist daher eine<br />

theologische Vorstellung; da Lévi-Strauss uns an an<strong>der</strong>er Stelle mitteilt, daß die Bastelei<br />

mythopoethisch sei, kann man ganz sicher sein, daß <strong>der</strong> Ingenieur ein vom Bastler erzeugter<br />

Mythos ist.“ (ebd.)<br />

Derrida zeigt weiter, dass je<strong>der</strong> endliche Diskurs zu einer Art Bastelei genötigt ist, und somit<br />

<strong>der</strong> Ingenieur o<strong>der</strong> Wissenschaftler von <strong>der</strong> Art des Bastlers sind. Diesen Gedanken tragen<br />

auch Künstler und Philosophen <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne, die sich ihre Regeln selbst schaffen, denen<br />

sie sich unterwerfen.<br />

Die <strong>Philosophie</strong>, die sich traditionell um die Sinnfrage des Seins bemüht, wird über ihre<br />

wissenschaftlichen Grenzen hinaus erweitert. Derrida sieht in dem Gebiet, das sich zwischen<br />

Literatur und <strong>Philosophie</strong> ergibt, neue Möglichkeiten sich dem nicht festzulegenden<br />

Ursprung vom Sein zu nähern. Die Neubestimmung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ist ein Thema <strong>der</strong><br />

Postmo<strong>der</strong>ne. Auch Lyotard setzt philosophisches und künstlerisches Schaffen gleich;<br />

Foucault rät den Philosophen, Journalisten zu werden. Es geht um den Sinn <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

selbst. Was hat sie hervorgebracht? Welche Rolle spielt sie heute in unserer Welt?<br />

„Eine Schrift, die sich für sich selbst interessiert und die uns auch die Philosopheme- und in<br />

<strong>der</strong> Folge aller zu unserer Kultur gehörenden Texte als eine Art von Symptomen lesen läßt,<br />

Symptomen von etwas, das sich in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> nicht präsentieren<br />

konnte, das übrigens nirgends präsent ist, weil es ja in <strong>der</strong> ganzen Angelegenheit darum<br />

geht, diese vorwiegende Bestimmung des Sinns von Sein als Präsenz, in <strong>der</strong> Heidegger das<br />

Schicksal <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> erkannt hat, in Frage zu stellen.“( Derrida 1972 39)<br />

Das bleibt strukturell eine logische Frage. Welchen Sinn hat eine <strong>Philosophie</strong> für uns, die sich<br />

auf sich selbst gründet, sich von den an<strong>der</strong>en Lebensbereichen abgegrenzt? Sie muss in alle<br />

Bereiche des Lebens hineinreichen. Umgekehrt bestimmen an<strong>der</strong>e Gebiete des Lebens<br />

ebenso die <strong>Philosophie</strong>. Da es um die Strukturen unseres Denkens geht, muss es um Alles<br />

gehen. Diese Fragen berühren die Psychologie, wenn sie nach Bewußtsein und<br />

Unbewußtsein fragen o<strong>der</strong> die Politik, wenn es um Verantwortung innerhalb unserer


Gesellschaftsstrukturen geht. Wie gehen wir mit einer Welt um, in <strong>der</strong> ein Finanzmarkt nicht<br />

mehr zu fassen ist, auf dem es keinen rationalen Gegenwert mehr gibt? Von hier aus kann<br />

man sehen, dass es schon immer Konstruktionen waren, die die Menschen hervorbrachten,<br />

um sich Sicherheiten zu schaffen. Die Unsicherheit ist eine Voraussetzung des Lebens an sich,<br />

durch die wir lebendig sind und <strong>der</strong> wir an<strong>der</strong>erseits nicht entkommen können. Alle<br />

Orientierungshilfen, die erfunden wurden und immer weitergeben werden, bestehen aus<br />

diesem unsicheren Grund. Sie funktionieren immer nur unter Ausschluss des An<strong>der</strong>en, wie<br />

<strong>der</strong> Unsicherheit, die aber im Grund des ganzen Sicherheitssystems enthalten ist.<br />

Wenn Derrida von innen und von außen nach <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> fragt, geht er einerseits dem<br />

eigentlichen Sinn vom Sein nach und fragt gleichzeitig von außen, was <strong>Philosophie</strong><br />

überhaupt ist, sein kann und war:<br />

„Ich versuche mich, an <strong>der</strong> Grenze des philosophischen Diskurses aufzuhalten. Ich sage<br />

Grenze und nicht Tod, weil ich an das, was man heutzutage den Tod <strong>der</strong> Metaphysik zu<br />

nennen pflegt, ganz und gar nicht glaube(...). Eine Grenze also, von <strong>der</strong> aus die <strong>Philosophie</strong><br />

erst möglich geworden ist und sich als Episteme definiert hat, wobei sie sich innerhalb<br />

eines Systems fundamentaler Zwänge und begrifflicher Gegensätze bewegt, außerhalb<br />

<strong>der</strong>er sie gar nicht betrieben werden kann.“ (ebd. 12)<br />

Ein Text ist nur lesbar, weil er einerseits formal geschrieben ist und an<strong>der</strong>erseits vielfältige<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Lektüre beinhaltet.<br />

„Er wird von seiner Grenze nicht umgeben, son<strong>der</strong>n durchzogen, in seinem Innern von <strong>der</strong><br />

vielfachen Furche seines Randes markiert.“ (Paul de Man 1976, zit.n. Menke 250)<br />

Der Mangel an eindeutiger Bezeichnung ist nicht negativ. Er ist in dem Augenblick negativ, in<br />

dem er ausgeschlossen werden soll, um ein vollständiges Ganzes herzustellen. Es ist aber<br />

gerade <strong>der</strong> Mangel, <strong>der</strong> miteinbezogen, das unendliche Spiel des Bezeichnens ermöglicht,<br />

welches im Innern das Äußere hervorbringt. Durch Mitdenken <strong>der</strong> Anwesenheit des<br />

Abwesenden, <strong>der</strong> Differenz im Bezeichnen selbst, ist ein sich äußerndes Bezeichnen möglich,<br />

was in Bewegung und nicht ausschließlich ist, welches das anfängliche Außen beinhaltet.<br />

Derrida bezeichnet das als doppelte Geste.<br />

Derrida versucht mithereinzuholen, was eine rationale Untersuchung nicht kann, weil sie<br />

dadurch bestimmt ist, zum Beispiel die Sinnlichkeit auszuschließen. Das Leben findet aber<br />

unfeststellbar dazwischen statt. Deshalb müssen die Theorien, die das Leben nicht<br />

ausschließen wollen, offen bleiben. Die Bewegung des Bezeichnens ist ein unvorhersehbares<br />

Ereignisses im Gegensatz zum vorhersagbaren Programm.<br />

„Derridas philosophische Arbeit schreibt sich nun in die Reihe <strong>der</strong> Versuche ein, gegen die<br />

Kraft dieser scheinbar perfekten Aneignungsmaschine <strong>der</strong> An<strong>der</strong>sheit des An<strong>der</strong>en Raum<br />

zu lassen.“ (Engelmann in Derrida 1972 14)<br />

Derrida hat durch seine Arbeit Gesellschafts-, Kunst- und Architekturbetrachtungen<br />

vorangetrieben. Ihm geht es um die Annäherung an die Ursprünge, die Grundlagen und<br />

Grenzen <strong>der</strong> Werte, Normen und Vorschriften unserer Kulturgesellschaft. Derrida thematisiert<br />

die Unmöglichkeit, sich die Welt gänzlich als Objekt anzueignen o<strong>der</strong> sie in einer objektiven<br />

Wahrheit zu begreifen. Er entwickelt eine philosophische Relativitätstheorie, in <strong>der</strong> das Spiel<br />

<strong>der</strong> Bezeichnung die Lösung aus <strong>der</strong> Totalität des Systems im Innern des Systems selbst<br />

ermöglicht. Es geht in die Richtung einer lebendigen Bewegung.<br />

In <strong>der</strong> Architektur äußert sich Sein. Das menschliche Dasein wird in seiner Art sichtbar. Die<br />

Architektur macht Kultur präsent und gleichzeitig umgibt, gestaltet sie das Leben <strong>der</strong><br />

Menschen. Architektur entsteht an <strong>der</strong> Grenze und bildet die Grenze von Innen und Außen.<br />

Deshalb muss sie auch in dieser Art und Weise gedacht werden. Die Architektur ist nicht nur<br />

Teil unserer Kulturentwicklung, sie berührt alle Bereiche des menschlichen Daseins.


2. <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong><br />

2.1. über <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur und Kunst<br />

Die Bezeichnung <strong>der</strong> Dekonstruktivistischen Architektur ist durch die gleichnamige<br />

Ausstellung, 1988 im MOMA in New York ,zur Etikette für einige bekannte Architekten<br />

geworden. Dekonstruktivismus ist als architektonischer Stil nur in <strong>der</strong> Diskussion über<br />

Architektur in den 1990er Jahren aufrecht erhalten worden. Die damaligen Teilnehmer <strong>der</strong><br />

Ausstellung führen gegenwärtig aber international erfolgreiche Architekturbüros.<br />

Es wurden folgende Projekte ausgestellt (s. Abb.):<br />

− Frank O. Gehry mit seinem Privathaus in Santa Monica in Kalifornien, was von einigen als<br />

das erste dekonstruktivistische Haus gesehen wird<br />

− Daniel Libeskind mit dem Projekt Stadtkante in Berlin, mit dem er den ersten Preis beim<br />

Wettbeweb Stadtkante <strong>der</strong> Internationalen Bauaustellung (IBA) 1987 gewinnt<br />

− Rem Koolhaas mit dem Mietshaus und Aussichtsturm in Rotterdam<br />

− Peter Eisenman mit dem Biozentrum für die Universität in Frankfurt am Main<br />

− Zaha M. Hadid mit The Peak ( Der Gipfel) ein Club in den Bergen oberhalb des Hafens in<br />

Hongkong<br />

− Coop Himmelblau mit ihrer berühmten Dachgeschoss- Umgestaltung eines Mietshauses<br />

in Wien<br />

− Bernard Tschumi mit dem<br />

Der Park de La Villette in Paris ist <strong>der</strong> Anlass für Jaques Derridas Schriften zur Architektur und<br />

seine Zusammenarbeit und Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Peter Eisenman, die das Thema <strong>der</strong><br />

vorliegenden Arbeit hauptsächlich bestimmen.<br />

Philip Johnson und Mark Wigley sind die Kuratoren <strong>der</strong> Ausstellung Dekonstruktivistische<br />

Architektur. Diese stellen sie nicht als Bewegung o<strong>der</strong> Glaubensbekenntnis vor, son<strong>der</strong>n das<br />

Schaffen einiger Architekten <strong>der</strong> 1980er Jahre, die in ähnlicher Vorgehensweise ähnliche<br />

Formen entwerfen. Die neuen Formen, <strong>der</strong> von ihnen bezeichneten dekonstruktivistischen<br />

Architekten, sehen Johnson und Wigley als auf den russischen Konstruktivismus <strong>der</strong> 1910er<br />

und -20er Jahre zurückgreifend. Das diagonale Übereinan<strong>der</strong>greifen von Qua<strong>der</strong>n und<br />

trapezoiden Blöcken sehen sie sowohl bei den Arbeiten von Malewitsch, Tatlin, Rodtschenko<br />

bis Lissitzky als auch bei den ausgestellten Entwürfen. Die russische Avantgarde hat mit den<br />

klassischen Kompositionsregeln gebrochen und verwendet reine geometrische Formen in<br />

schiefen Kompositionen. Tatlin (s. Abb.) und die Brü<strong>der</strong> Wesnin beginnen auch Architektur in<br />

dieser Weise formal zu entwerfen. Das traditionelle Verständnis von Architektur wird<br />

angezweifelt. Es bleibt aber bei den Entwürfen. Nach <strong>der</strong> Revolution 1917 wird die Kunst in<br />

den Dienst <strong>der</strong> Gesellschaft gestellt. So werden aus den formal instabilen Entwürfen<br />

maschinenartige Montagen mit stabiler Struktur, bei denen die ursprüngliche Idee nur noch<br />

Ornament ist. Sie verfolgen bestimmte Funktionen.<br />

An dieser Stelle wird <strong>der</strong> Dekonstruktivismus als Radikalisierung des Konstruktivismus<br />

gesehen. Die reine Form wird gestört und dadurch auch die Garantie <strong>der</strong> architektonisch<br />

stabilen Struktur. Unsere Vorstellung über Form und Struktur wird irritiert. Aus diesen<br />

Gründen bezeichnet Wigley die ausgestellten Architekturprojekte als dekonstruktiv.<br />

„Ein dekonstruktiver Architekt ist deshalb nicht jemand, <strong>der</strong> Gebäude demontiert,<br />

son<strong>der</strong>n jemand, <strong>der</strong> den Gebäuden inhärente Probleme lokalisiert. Der dekonstruktive<br />

Architekt behandelt die reinen Formen <strong>der</strong> architektonischen Tradition wie ein<br />

Psychiater seine Patienten <strong>–</strong> er stellt die Symptome einer verdrängten Unreinheit fest.<br />

Diese Unreinheit wird durch eine Kombination von sanfter Schmeichelei und<br />

gewalttätiger Folter an die Oberfläche geholt: Die Form wird verhört.“(Wigley1988 11)


Wigley macht deutlich, daß die dekonstruktivistische Architektur keine Anwendung<br />

dekonstruktiver <strong>Philosophie</strong> ist. Schon 1988 wurde international darüber debattiert, was<br />

die dekonstruktivistische Architektur mit <strong>Dekonstruktion</strong> zu tun hat.<br />

James Wines beschreibt die Ausstellung im MOMA als Politikum, dazu bestimmt eine<br />

Auswahl an Architektur entgegen <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>nen Architektur marktfähig zu machen. Das<br />

Problem an dieser ausgewählten Bestimmung von Dekonstruktivistischer Architektur sieht er<br />

vor allem in einer rein formalen Interpretation von <strong>Dekonstruktion</strong>. (vgl. Wines 135) Die Idee<br />

einer Ausstellung <strong>der</strong> Architekturmodelle zerfallen<strong>der</strong>, aufgelöster und verzogener Bauten,<br />

mit dem Titel Gestörte Perfektion: Die Bedeutung des architektonischen Fragments, hatten<br />

an<strong>der</strong>e mit weniger Geld und politischem Einfluß. James Wines nennt in diesem<br />

Zusammenhang Designer wie Paul Florian, Stephan Wierzbowski Aaron Betsky.<br />

Die Übertragung des Begriffes <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong>, wie ihn Derrida prägte, auf eine<br />

architektonische Bewegung, die als dekonstruktivistisch ausgelegt wird, hält Wines schon für<br />

schwierig. Mark Wigley weist aber im Ausstellungskatalog Dekonstruktivistische Architektur auf<br />

formale Charakteristiken hin, die er als dekonstruktivistisch bezeichnet. Er schliesst damit die<br />

Arbeiten von Gordon Matta-Clark, Nigel Coates und SITE , fragmentierte und<br />

entmaterialisierte Elemente in Gebäuden, aus. Sie scheinen für Wigley den<br />

Dekonstruktivismus falsch verstanden zu haben, weil sie formal nicht direkt auf den<br />

Konstruktivismus zurückzuführensind. Wines kann <strong>der</strong> Herleitung Wigleys nicht vollends<br />

zustimmen, da er die früheren russischen Formen als einem klaren ideologischen Tenor<br />

folgend ansieht.<br />

Für Wines legt Wigley den Sinn <strong>der</strong> künstlerischen Arbeiten nur nach dem äußeren Schein<br />

aus, wenn er Fragmente nur als Zerstörung und Verfall deutet. Wines stellt die Kunstsprache<br />

als Mittel <strong>der</strong> Bezeichnung dar, <strong>der</strong>en oberflächliche Vorstellung nicht als Inhalt ausgelegt<br />

werden kann. „Dem Dekonstruktivismus geht es nicht um Form, son<strong>der</strong>n um Einstellung.“<br />

( Wines 137) Die Intention <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> ist für Wines eine Än<strong>der</strong>ung unserer<br />

Wahrnehmung. Dementsprechend sieht er den „zum Architekten gewordenen Künstler“ (ebd.<br />

138), Gordon Matta- Clark, entgegen formalistischen Entwüfen eher als dekonstruktivistisch.<br />

Obwohl Wines den Begriff des Dekonstruktivismus` fragwürdig findet, sobald er aus seinem<br />

legitimen literarischen Kontext herausgelöst ist.<br />

Zur gleichen Zeit <strong>der</strong> MOMA Ausstellung veranstaltet das Brooklyn Museum eine<br />

bedeutende Retrospektive seines Werks. Gordon Matta- Clark nutzt bestehende Gebäude, in<br />

<strong>der</strong>en Konstruktion er skulpturale Einschnitte setzt. (s.Abb.) Er öffnet völlig neue Sichten auf<br />

Architektur und den Zustand des menschlichen Lebens. Die Wahrnehmung von<br />

Funktionalität und Privatheit wird verän<strong>der</strong>t. Matta-Clark arbeitet mit einem sozialpolitischen<br />

Bewußtsein und dem Narrativen ( Erzählerischen) <strong>der</strong> Architektur als Mittel <strong>der</strong><br />

Architekturkritik.<br />

Ein weiteres Beispiel aus <strong>der</strong> Kunst, das mit mo<strong>der</strong>ner Architektur arbeitet und mit<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> zu tun hat: Im verlorenen Raum, dem freien Erdgeschoss unter dem auf<br />

Pilotis gestützten Baukörper des Carpenter Centers for Visual Arts von Le Corbusier in Havard,<br />

hat die Japanerin Ristuko Taho 1991 einen großen holzgeflochtenen Korb, mit eiernen<br />

Gipsformen gefüllt, installiert. Sie nennt die Installation Geo- Luminiscence ( Erd- Aufleuchten).<br />

Der kalte Zement verwandelt sich in einen Wärmespen<strong>der</strong>. Adolf Max Vogt interpretiert die<br />

Kunst von Ristuko Taho als Aufdecken eines verborgenen Inhalts <strong>der</strong> Architektur Le<br />

Corbusiers. Le Corbusiers Faszination des schwebenden Baukörpers ließ eine Kehrseite, den<br />

unwirtschaftlichen Schattenraum darunter, unbeachtet.<br />

Vogt führt weiter, daß die Architektur den Anlass für das Ende <strong>der</strong> Utopie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />

gegeben hat. Gerade im Städtebau wird <strong>der</strong> Mangel deutlich, den <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Utopie mit<br />

sich bringt. „Das Prinzip Hoffnung bleibt ein Prinzip, aber nun mit geschärfter Unterscheidug<br />

zwischen offenem Horizont und punkthaft verengtem , starr fixierten, daher illusorischem<br />

Horizont.“ ( Vogt 18)


2.2. Peter Eisenman<br />

2.2.1. über die <strong>Architekturtheorie</strong> Peter Eisenmans<br />

Charles Jencks bezeichnet Peter Eisenman den „ positive(n) Nihilist(en)“, <strong>der</strong> sich wie kein<br />

an<strong>der</strong>er Architekt auf das Glaubensbekenntnis des Dekonstruktivismus festgelegt hat. ( vgl.<br />

Jencks 263) Alois M. Müller sagt über ihn: Peter Eisenman „ist <strong>der</strong> kulturelle und<br />

psychoanalytische Schichtarbeiter unter den Architekten.“ (Müller 47)<br />

Peter Eisenman wird1932 geboren und lebt und arbeitet in New York, USA.<br />

Eisenman gründet 1967 das "Institute for Architecture and Urban Studies". In den 1970er<br />

Jahren gehört er <strong>der</strong> Architektengruppe "New York Five" gemeinsam mit Richard Meyer, John<br />

Hejduk , Michael Graves und Charles Gwathmey an.<br />

Peter Eisenman hat an den Universitäten Harvard, Princeton und an <strong>der</strong> Ohio State University<br />

gelehrt. Zurzeit hat er einen Lehrstuhl an <strong>der</strong> Universität Yale. Seine Dissertation im Fach<br />

<strong>Philosophie</strong> mit dem Thema Die formale Grundlegung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Architektur hat er 1963 an<br />

<strong>der</strong> Universität in Cambridge (England) vorgelegt.<br />

Ullrich Schwarz: „Eisenmans theoretisches Programm war radikal: Die Architektur, so seine<br />

These, war intellektuell noch gar nicht in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne angekommen und hatte sich<br />

im Unterschied zu Literatur, bilden<strong>der</strong> Kunst, Film und Musik nie wirklich den<br />

geistigen Herausfor<strong>der</strong>ungen des metaphysikkritischen Denkens seit Nietzsche<br />

gestellt. Architektur war im Gegenteil ein obsoletes Bollwerk <strong>der</strong> Metaphysik<br />

geblieben, je<strong>der</strong> grundsätzlichen Selbstreflexion trotzend.“ ( Schwarz 2009 2)<br />

Eisenman wird als „<strong>der</strong> theoretisch ehrgeizigste Vertreter <strong>der</strong> sogenannten Dekonstruktivisten“<br />

gesehen. ( Schwarz 199512) Seine Tätigkeit als Architekt ist eher von theoretischer als in<br />

Gebäuden manifestierter Bedeutung. Er ist ein wichtiger Initiator des internationalen<br />

architektutheoretischen Diskurses. Eisenman ist von 1973-1982 Herausgeber <strong>der</strong> Zeitschrift<br />

Oppositions. Seine Gegenposition bezieht sich auf die hedonistische Postmo<strong>der</strong>ne <strong>der</strong><br />

Architektur.<br />

Eisenmans Anspruch ist die Schaffung einer zeitgenössischen Architektur. Dazu erachtet er<br />

eine „radikale Anwendung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne auf die Architektur selbst“ als notwendig. ( ebd. 13)<br />

Eisenman sieht die Aufgabe darin, ein neuzeitliches Verhältnis von Subjekt und Objekt, in<br />

Bezug auf die theoretische Grundlage <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Architektur, zu bestimmen.<br />

Er betreibt, wie er es nennt, eine Selbstaufklärung <strong>der</strong> aufgeklärten Mo<strong>der</strong>ne über ihre<br />

unreflektierten Traditionsbestände. Eisenman will auf diese Weise die Metaphysik <strong>der</strong><br />

Architektur überwinden, die er als eindeutige Begründung <strong>der</strong> Architektur auf ihre<br />

bestimmte Funktion für den Menschen versteht.<br />

Eisenman bezieht die philosophischen und gesellschaftstheoretischen Argumente <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>ne auf die Mo<strong>der</strong>ne Architektur. Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t verän<strong>der</strong>t sich das Verhältnis des<br />

Menschen zur physischen Welt und zu seinen erzeugten Produkten. Das betrifft eine<br />

ästhetische, kulturelle, soziale, ökonomische, philosophische und wissenschaftliche<br />

Entwicklung, die den Menschen aus dem humanistischen Selbstverständnis, dem Mittelpunkt<br />

seiner Welt, verschiebt. „In <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Dezentrierung und Depotenzierung des Subjekts<br />

schliesst Eisenman an Foucaults Kritik des Humanismus an.“( ebd.15) Das Subjekt ist nicht<br />

eindeutig definierbar und die Systeme in denen es sich befindet, stehen nicht fest zur<br />

Verfügung. Der Mensch gilt nicht mehr als Herr und Eigentümer <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> Rationalität und<br />

Geschichte selbst erzeugt. Dafür stehen sowohl Darwin, Nietzsche und Freud als auch die<br />

künstlerische Mo<strong>der</strong>ne seit Baudelaire. Nur die Architekturist,so Eisenman, bis in die<br />

Gegenwart von <strong>der</strong> Metaphysik des Humanismus beherrscht und repräsentiert diese<br />

weiterhin. Dadurch wird eine Erfahrung <strong>der</strong> Dezentrierung des Subjekts in <strong>der</strong> Architektur<br />

nicht ermöglicht. Der mo<strong>der</strong>nen Architektur fehlt eine angemessene theoretische Grundlage.<br />

Diese muß erst noch hergestellt werden. Darum bemüht sich die architekturtheoretische


Arbeit Eisenmans.<br />

Er sieht Architektur nicht als Realität, die innerhalb des vorgefundenen Rahmens produziert<br />

wird. Eisenman kritisiert jede Architektur, die konventionelle Nutzungsmuster nur wie<strong>der</strong>holt<br />

und das formal auch noch repräsentiert. Dieser Funktionalismus, gegen den er sich wendet,<br />

dominiert die Architektur, sie unterliegt ungeprüften gesellschaftlichen Normen und bezieht<br />

sich auf ein verfestigtes anthropozentrisches Menschheitsbild.<br />

„ Die Vorstellung, Architektur müsse in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Wahrheit stehen, müsse ihre<br />

Schutzfunktion repräsentieren und müsse das Gute und das Schöne darstellen, ist eine primitive<br />

unbemerkte Repression. In Wirklichkeit ist gerade die Wahrheit <strong>der</strong> Instabilität unterdrückt<br />

worden.“( Eisenman, blaue Linie S.150)<br />

Eine wirklich zeitgenössische Architektur muß von dem Verlust des Zentrums, <strong>der</strong> inneren<br />

Unsicherheit und <strong>der</strong> Entfremdung des mo<strong>der</strong>nen Lebens ausgehen. Die Objekte und damit<br />

auch die Architektur werden nicht länger vom Menschen und seiner Bedeutungsgebung<br />

beherrscht. Die Objekte „stehen dem Subjekt eigenmächtig, fremd und schweigend gegenüber.“<br />

(ebd.18) Eisenman nennt sie autonome selbstreferentielle Objekte, weil sie als einzige<br />

Bezugspunkte, befreit von allen konventionellen Verweisen, übrig bleiben.<br />

Das betrifft folglich auch die Darstellungsform von Architektur, die er entsprechend<br />

untersucht: In <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Darstellung präsentieren sich die Prinzipien, nach denen<br />

Architektur definiert wird. Sie reflektieren dadurch die sich verän<strong>der</strong>nden Vorstellungen von<br />

Bedeutung und Nutzen <strong>der</strong> Architektur und somit die Verän<strong>der</strong>ung des menschlichen<br />

Bewußtseins. In dieser Art findet Eisenman in den Grundrissdarstellungen von Palladio,<br />

Bramante und Scamozzi den Übergang vom theozentrischen zum anthropozentrischen<br />

Weltbild ablesbar. In <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne wird gerade die humanistische Position des Menschen<br />

kritisiert. So verdecken Grundriss und Vertikalschnitt ,die primären Ausdrucksformen in <strong>der</strong><br />

Architekturdarstellung im Humanimus, viele an<strong>der</strong>e Aspekte <strong>der</strong> Architektur. Das analysiert<br />

Eisenman anhand <strong>der</strong> Maison Dom-ino von Le Corbusier. (s.Abb.) In <strong>der</strong> klaren<br />

Bauteilglie<strong>der</strong>ung ohne Ornamentik repräsentiert die Architektur nicht weiter den Menschen<br />

und seine Bedeutungen. Der Mensch reflektiert sein eigenes Zuordnungsverhältnis zum<br />

Objekt und gewinnt daraus ein an<strong>der</strong>es Verhältnis zu ihm.<br />

Dementsprechend vollzieht sich die Trennung zwischen dem Endprodukt des Gebäudes (in<br />

seiner Erscheinung und Bedeutung) und den zugrunde liegenden Konzepten und<br />

Entwurfsverfahren <strong>der</strong> Architekten. Das Interesse verlagert sich weg vom ausgeführten Werk<br />

hin zum Entwerfen selber und dem Vorgang des Bauens.<br />

Die Künstler <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> 1920er Jahre fanden die axonometrische Darstellung von<br />

Objekten und Architektur geeigneter als die Perspektive. (s.Abb.) Diese ist zu begrenzt in <strong>der</strong><br />

Abhängigkeit <strong>der</strong> Subjektivität des Blickpunkts. Die perspektivische Darstellung stellt das<br />

Subjekt in ihren Mittelpunkt. Sie bildet die Anschauungsform des Betrachters nach. Darüber<br />

hinaus ist sie symbolisch als Selbsterfahrung für eine kulturelle Zeit zu verstehen. Das Objekt<br />

wird dargestellt, wie es zu sehen ist.<br />

Im Gegensatz dazu rückt die axonometrische Darstellung das Objekt ins sein Zentrum.<br />

Der Fluchtpunkt <strong>der</strong> Axonometrie ist in die Unendlichkeit verlegt, wodurch die<br />

Begrenzungslinien des dargestellten Körpers planparallel verlaufen. Diese Darstellungsweise<br />

erlaubt eine gleichzeitige Lektüre aller Teile des Hauses im richtigen Längenverhältnis, ohne<br />

perspektivische Verzerrung. (vgl. Reichlin 67)<br />

Die Axonometrie folgt keiner Seherfahrung und stellt das dar, was man vom Objekt weiß.<br />

„ Die Perspektive weiß etwas vom Betrachter, die Axonometrie weiß etwas vom<br />

Gegenstand.“ ( Schnei<strong>der</strong> 81) Dabei erscheint das perspektivische Abbild eines Objekts, wie<br />

die Sache selbst. In <strong>der</strong> Axonometrie stolpert <strong>der</strong> Betrachter über die Abstraktion o<strong>der</strong> das<br />

befremdliche Bild, welches mehrere Vorstellungen des gleichen Gegenstands ermöglicht.<br />

Die post- anthropozentrische Konstellation von Subjekt und Objekt enthält neue


Möglichkeiten. Die Axonometrie kann außerdem im Entwurfsprozess als Arbeitsinstrument<br />

verwendet werden, wodurch sie den Arbeitsprozess selbst vergegenständlicht. Die<br />

Beziehung zwischen Projekt und Darstellung wird dadurch wechselseitig. Das ist<br />

beispielsweise in Eisenmans axonometrischem Modell des Projekts Haus X (s.Abb.)<br />

thematisiert. Aus verschiedenen Perspektiven wirkt es deutlich an<strong>der</strong>s. Überhaupt spielt <strong>der</strong><br />

Entwurfsprozess am Modell, eine wichtige Rolle. Dadurch wird die Realität eines Objekts erst<br />

erzeugt.<br />

Eisenmans Thematisierung sowohl <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Architektur als auch des<br />

architektonischen Objekts behandelt offensichtlich ein ganz ähnliches Problem wie Derrida<br />

in seiner Kritik des Zeichens in <strong>der</strong> Sprachwissenschaft.<br />

Eisenman sieht die Architektur als Objekt, das von seinem Besucher eher erfahren als genutzt<br />

wird. In diesem Sinne können Eisenmans Arbeiten an <strong>der</strong> Grenze zur „concept art“<br />

verstanden werden. (vgl. Reichlin 62)<br />

Filiberto Menna formulierte zur Analytischen Linie <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kunst: „ Was zählt, ist nicht nur<br />

das Werk an sich, sein formaler Wert, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> intellektuelle Prozeß, den das Werk im Kopf des<br />

Betrachters auslöst.“ ( zit.n.Reichlin 63)<br />

Eisenmans frühe Entwürfe, Ende <strong>der</strong> 1960er und in den 1970er Jahren, sind eine Reihe<br />

kubischer weißer Häuser. Damit schließt er an die frühe Mo<strong>der</strong>ne Architektur <strong>der</strong> 1920er<br />

Jahre an. Eisenman nennt diese Reihe auch „cardoard architecture“. Er verfolgt in diesen<br />

Entwürfen die Auflösung <strong>der</strong> Hierarchie von realisiertem Gebäude und Modell. Deren<br />

Unterschied ist auf Fotos vom Pappmodell und Fotos vom gebauten Haus in einer<br />

Schneelandschaft kaum auszumachen. (s.Abb.)<br />

Im Projekt Cannaregio (1978 in Venedig, s.Abb.) verwendet Eisenman Variationen eines<br />

früheren Projekts (Haus 11a) in unterschiedlichen Maßstäben. Das kleinste Objekt ist zu klein,<br />

um als Unterkunft zu dienen, könnte aber das Modell eines Hauses sein. Es befindet sich in<br />

einem Objekt, das <strong>der</strong> menschlichen Hausgröße entspricht, was dadurch als Hausmuseum<br />

interpretiert werden kann. Das größte Objekt ist doppelt so groß und entspricht keiner<br />

existierenden Funktion von Architektur für den Menschen. Eisenmn will damit genau die<br />

Vorstellung von Bedeutung, als eine Wirkung von Funktion, thematisieren.<br />

Seine Architektur ist eher poetisch, wie Skulpturen erlebbar.<br />

Er setzt sich in dieser Hausserie mit dem traditionellen architektonischen Zeichen, was als<br />

formaler Ausdruck auf eine enthaltene Bedeutung hinweist, auseinan<strong>der</strong>. Er verfolgt Formen,<br />

die nicht explizit auf etwas an<strong>der</strong>es weisen. Eisenman versteht Architektur als Signal, welches<br />

nur in Beziehung zu an<strong>der</strong>en Signalen zum selbstreferentiellen Zeichen wird.<br />

Die Kunsthistoriker Rosalind Krauss und Clement Greenberg sehen Eisenmans rein<br />

formalistische Projekte in den späten 1970er Jahren (House III,IV,X, s.Abb.) sowohl von<br />

Strukturalisten wie Claude Levi- Strauss und Chomsky als auch von Minimalisten wie Donald<br />

Judd (s.Abb.) beeinflusst. Die Grenze zwischen minimalistischer Skulptur und analytischformalistische<br />

Architektur löst sich hier so gut wie auf. Der umgebende Raum, sowie <strong>der</strong> sich<br />

darin bewegende Besucher werden in die Definition <strong>der</strong> Skulptur einbezogen. Dieses<br />

Überschreiten <strong>der</strong> traditionellen Grenzen führt immer wie<strong>der</strong> in die 1920er Jahre zurück. Die<br />

Malerei hat schon ihren Bil<strong>der</strong>rahmen überwunden und Rauminstallationen, wie Kurt<br />

Schwitters Märzbau (s.Abb.), o<strong>der</strong> die Innenraumgestaltung des Café Pittoresque, in Moskau<br />

von Jakulow, Rodtschenko, Tatlin und an<strong>der</strong>en, haben als Skulptur ihren Sockel verlassen. Die<br />

Kunst steht nicht länger im Dienst <strong>der</strong> Abbildung <strong>der</strong> Wirklichkeit. Sie stellt neue Bezüge her<br />

und schafft autonome Realitäten.<br />

Der Anspruch Eisenmans, die Architektur in dieser Zeit als selbstreferentielles Objekt zu<br />

begreifen, lässt sich in dieser Linie nachvollziehen. Für ihn hinkt die Architektur hinter den<br />

an<strong>der</strong>en Künsten hinterher. Dementsprechend thematisiert Eisenman in seinem gesamten<br />

Werk das Verhältnis von Form und Bedeutung, was die Leere als Raum gegenüber <strong>der</strong> Form<br />

immer mitdenkt.<br />

Wenn Derrida seine Arbeit an <strong>der</strong> Grenze von <strong>Philosophie</strong> und Literatur sieht, ist Eisenmans


Arbeit an <strong>der</strong> Grenze von Architektur und Skulptur vergleichbar. Gemeinsam versuchen sie<br />

die Grenze von <strong>Philosophie</strong> und Architektur zu dekonstruieren, Derrida als Philosoph und<br />

Eisenman als Architekt.<br />

Eisenman gibt die Vorstellung des selbstreferentiellen Objekts am Ende <strong>der</strong> 1970er Jahre auf.<br />

Durch die Beschäftigung mit Derridas Schriften zum Logozentrismus sieht er das essentielle<br />

Objekt als Präsenz eines Zentrums, die eine Metaphysik <strong>der</strong> Architektur begründet, die er<br />

aber überwinden will. Er verfolgt im weiteren, nach Derrida, einen textuellen<br />

Architekturbegriff, <strong>der</strong> von keinem Zentrum wie Sinn, Autor o<strong>der</strong> Objekt beherrscht wird.<br />

An dieser Stelle wird die Idee Eisenmans verständlicher, dass Entwurfssubjekt als Zentrum des<br />

Entwurfsprozesses aufzugeben, sodaß ein Objekt entstehen kann, was nicht länger dem<br />

Anthropozentrismus unterworfen ist. „ ...<strong>der</strong> Künstler/ Entwerfer büßt zwangsläufig seine<br />

auktoriale Rolle als zentraler Sinn- und Strukturerzeuger ein und löst den Entstehungsprozess des<br />

Werks aus dem Abbleitungssystem eines vorgefaßten Plans. Zugleich ist die Autonomie des<br />

Objekts nichts Vorgefundenes, son<strong>der</strong>n Ergebnis eines Herstellungsprozesses“. (ebd.18)<br />

Für Eisenman existiert keine Ursprungsintention am Beginn des architektonischen Prozesses.<br />

Die Bedeutung eines Gebäudes liegt dem Entwurf nicht schon voraus, son<strong>der</strong>n ist <strong>der</strong> Effekt<br />

des Erzeugens selbst. Der Beginn eines Entwurfs ist von daher beliebig. Das heißt, er ist<br />

künstlich o<strong>der</strong> fiktiv und nicht naturgegeben o<strong>der</strong> einer universellen Norm folgend. Der<br />

Entwurfsprozess wird nicht durch ein Ziel festgelegt. Entwerfen wird als Schreiben von<br />

Architektur aufgefaßt. Eisenman versteht Architektur als ein „über jede Sinnverfügung<br />

hinausgehende(n) Text.“ (ebd.20)<br />

Eisenman dekonstruiert entsprechend auch die traditionelle Vorstellung einer stabilen<br />

Identität des Ortes. Er verwendet zunehmend fiktive Bezüge, wie zum Beispiel erfundene<br />

Vergangenheiten eines Ortes. Eisenman entwickelt eine <strong>Architekturtheorie</strong> in <strong>der</strong> Architektur<br />

als Text, einer geordneten Menge von Zeichen fungiert. Die Zeichen weisen als Signifikanten<br />

auf etwas Abwesendes. Das heißt, daß die Präsenz von Architektur, Abwesendes mit<br />

einschließt und gleichzeitig als Objekt anwesend ist.<br />

Beispielsweise geht es in Eisenmans Projekt Haus Guardiola (s. Abb.) um die Idee von Abdruck<br />

und Spur. Diese sind die Form einer Vorstellung von <strong>der</strong> Reziprozität von Körper und Leere<br />

und die Idee einer Präsenz <strong>der</strong> Abwesenheit.<br />

„Architektur als Erfahrung... thematisiert das neuzeitliche Verhältnis von Subjekt und<br />

Objekt“ (Schwarz 1991 48) Eisenman entwickelt architekturtheoretisch das Konzept<br />

<strong>der</strong> Anerkennung des Unverfügbaren, des An<strong>der</strong>en. Er arbeitet „seit Jahren an einem<br />

Konzept <strong>der</strong> Architektur als Erfahrungsraum des An<strong>der</strong>en“ ( Schwarz 1993 48)<br />

Eisenman kritisiert die Vorstellung einer natürlichen Schönheit, die als wahre Schönheit in <strong>der</strong><br />

Ästhetik die Regeln bestimmt. Er vollzieht die Entwicklung <strong>der</strong> Ästhetik des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

vom Objekt zum Subjekt, von <strong>der</strong> Schönheit zur Wirkung, noch einmal nach. (vgl. Schwarz<br />

1991 54) Die Architekturästhetik sieht Eisenman in Bezug auf das Schönheitsideal erneut<br />

hinter <strong>der</strong>, <strong>der</strong> Ästhetik <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, zurückliegend. Er versucht sie zeitgemäß wie<strong>der</strong><br />

anzuschliessen. Dabei spielen „die Anerkennung des Nicht-mehr-Schönen, des Hässlichen,<br />

Schreckenerregenden, Dissonantischen und Inkommensurablen als ästetisches<br />

Phänomen“ (ebd.,f) eine Rolle. Eisenman verwendet Begriffe wie das Erhabene und das<br />

Groteske und schließt hier an die Ästhetische Theorie Adornos (1970) an.<br />

Das Erhabene demontiert „das Herrschaftsgefüge <strong>der</strong> instrumentellen Rationalität“ ( Schwarz<br />

1995 24) und ermöglicht die befreiende Erfahrung des Unverfügbaren. „ Im Erhabenen<br />

resituiert sich ästhetisch auf nicht subjekt-zentrierte Weise ein An<strong>der</strong>es <strong>der</strong> Vernunft.“ ( ebd.23)<br />

In diesem Sinne will Eisenman die Architektur als Manifestation des Ungewissen<br />

reformulieren. Die Architektur als Erfahrung entspricht nach Eisenman <strong>der</strong> Unmöglichkeit<br />

<strong>der</strong> Besitzergreifung des Gegenstandes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Architektur. Mit <strong>der</strong> Anerkennung des<br />

Unverfügbaren wächst die Freiheit und Gewaltlosigkeit für das Subjekt gegenüber seinem


An<strong>der</strong>en und damit sich sellbst und seiner eigenen inneren Natur. (vgl. ebd.)<br />

2.2.2. ein Projektbeispiel Peter Eisenmans: Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas<br />

Das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas ist ein in den Jahren 2003-2005 realisiertes<br />

Projekt in Berlin und von daher relativ bekannt. Dementsprechend ist es ein Beispiel für<br />

erfahrbare Architektur o<strong>der</strong> eine Architektur des Ereignisses.<br />

Das Mahnmal ist ein Stelenfeld aus Betonpfeilern, zwischen denen sich <strong>der</strong> Besucher seinen<br />

Weg selber bahnt. (s. Abb.) Die Struktur ist nach allen vier Seiten, die die Grundfläche<br />

begrenzen, geöffnet. Das heißt, daß <strong>der</strong> Besucher von allen Seiten kommen kann, um in das<br />

wellenförmig gestaltete Feld hineinzugehen. Die Wahrnehmung des Mahnmals ist<br />

entsprechend immer eine an<strong>der</strong>e. Die Wege zwischen den 2711 Betonstelen zeigen die<br />

Gitterstruktur, die dem Entwurf zugrunde liegt. Die Stelen sind 2,375 Meter lang, 0,95 Meter<br />

breit sowie unterschiedlich von 0 bis 4 Meter hoch. Der Abstand zwischen ihnen beträgt<br />

ebenfalls 0,95 Meter, sodaß <strong>der</strong> Durchgang nur einzeln möglich ist.<br />

Die Stelen stehen auf einem sanft, aber unregelmäßig abgesenkten Gelände von ca. 19.000<br />

m². Zwei unterschiedliche und ganz zufällig geformte Flächen sind übereinan<strong>der</strong> gelegt und<br />

durch die Stelen miteinan<strong>der</strong> verbunden. Die untere Fläche bildet den Boden des Mahnmals<br />

und die an<strong>der</strong>e ergibt die Oberkante <strong>der</strong> Stelen in unterschiedlicher Höhendifferenz. Dadurch<br />

entsteht eine Unsicherheit in <strong>der</strong> Orientierung zu den Bezugsgrößen von Grund und<br />

Horizont für den Besucher, <strong>der</strong> sich im Inneren des Stelenfeld bewegt, obwohl er an<strong>der</strong>erseits<br />

einem eigentlich strengen Raster folgt. Man kann sich verloren und beunruhigt fühlen.<br />

„Es verdeutlicht, dass ein vorgeblich rationales und geordnetes System den Bezug zur<br />

menschlichen Vernunft verliert, wenn es zu groß wird und über seine ursprünglich<br />

intendierten Proportionen hinauswächst. Dann beginnen die allen scheinbar geordneten<br />

Systemen eigenen Störungen und Chaospotentiale offen zu Tage zu treten und es wird klar,<br />

dass alle geschlossenen Systeme mit einer geschlossenen Ordnung versagen müssen.“<br />

( Eisenman 2009)<br />

Das Wegeraster <strong>der</strong> Gedenkstätte erscheint dem Besucher in Bezug zum umgebenden<br />

Straßennetz etwas verschoben. An den Schnittpunkten <strong>der</strong> beiden Strukturen nimmt man<br />

dadurch ein nicht ganz eingeordnetes Verhältnis im größeren urbanen Kontext von Berlin<br />

wahr. Die Erfahrung des Ortes ist auf jedem Punkt <strong>der</strong> Feldstruktur eine an<strong>der</strong>e. So än<strong>der</strong>n<br />

sich die Gedanken beim Durchlaufen des Mahnmals. Es gibt kein eigentliches Ziel, kein Ende,<br />

keinen Weg hinein o<strong>der</strong> heraus. In <strong>der</strong> Zeit, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Besucher diese Architektur primär<br />

körperlich erfährt, eröffnet sich die Möglichkeit seines individuellen Gedenkens. Es entsteht<br />

ein unbestimmter Raum für Verlust und Kontemplation, für Elemente <strong>der</strong> Erinnerung. Diese<br />

können nicht vorher bestimmt sein. Es ist die gegenwärtige Erfahrung <strong>der</strong> Erinnerung, die<br />

stattfindet. Die Vergangenheit ist zeitlich abgetrennt von <strong>der</strong> Gegenwart des Gedenkens.<br />

Eisenman sagt, daß es keine Erinnerung an die Vergangenheit gibt, und deshalb ein<br />

Verstehen des Holocaust unmöglich ist. Heute ist die Vergangenheit nur durch ihre<br />

Manifestation in <strong>der</strong> Gegenwart zu verstehen. Deshalb können die Schrecken des Holocausts<br />

nicht zu einem erkennbaren Symbol erstarren. „ Wir können das, was geschehen ist, nicht<br />

begreifen. Es macht uns hilflos. Und von dieser Hilflosigkeit lässt sich im Mahnmal etwas<br />

erfahren.“ (Eisenman 2004b 1) Der Entwurf schließt somit eine radikale Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem herkömmlichen Begriff eines Denkmals ein.<br />

»Ausmaß und Maßstab des Holocaust machen jeden Versuch, ihn mit traditionellen<br />

Mitteln zu repräsentieren, unweigerlich zu einem aussichtslosen Unterfangen. [...] Unser


Denkmal versucht, eine neue Idee <strong>der</strong> Erinnerung zu entwickeln, die sich deutlich von<br />

Nostalgie unterscheidet. [...] Heute können wir die Vergangenheit nur durch eine<br />

Manifestation in <strong>der</strong> Gegenwart verstehen.« (1998, Eisenman 2009)<br />

„Ich sage nur, dass wir die übliche Metaphysik fallen lassen<br />

müssen, um ins Dunkle zu gelangen. Das ist es, was das Mahnmal versucht:<br />

Es schweigt, so wie ein Psychoanalytiker schweigt <strong>–</strong> auf dass wir in diesem<br />

Schweigen, in dieser Erhabenheit uns selbst als Fremde begegnen können. Das<br />

Mahnmal erlaubt uns, wie<strong>der</strong> über die verdrängten Dinge sprechen zu können.<br />

Zumindest hoffe ich das.“ (Eisenman 2004b 7)


3.1. Parc de La Villette, Bernard Tschumi<br />

3.1.1. über das Projekt allgemein<br />

Im Folgenden werden anhand des Projekts Parc de La Villette im Norden von Paris die<br />

<strong>Beziehungen</strong> zwischen <strong>Philosophie</strong> und Architektur in Bezug auf die <strong>Dekonstruktion</strong> erörtert.<br />

Der Architekt Bernard Tschumi, <strong>der</strong> den internationalen Wettbewerb um eine Parkanlage<br />

gewinnt, wendet sich 1985 an die Philosophen Jaques Derrida und Jean-Francois Lyotard. Er<br />

lädt sie ein, zur gemeinsam Arbeit mit Architekten, die eine dekonstruktivistische<br />

Arbeitsweise verfolgen. Dies ist <strong>der</strong> Anlass für viele Diskussionen, Texte und Entwürfe, die<br />

versuchen, sich mit dem Thema <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> auseinan<strong>der</strong>zusetzen. Die hauptsächliche<br />

Aufmerksamkeit <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit richtet sich auf die Gedanken Derridas zur<br />

Achitektur. Viele architekturtheoretische Beiträge beziehen sich in irgend einer Weise auf<br />

diese. Es scheint unmöglich zu sein, <strong>Architekturtheorie</strong> über <strong>Dekonstruktion</strong> von Derridas<br />

Texten abzugrenzen.<br />

Bernard Tschumi ist ein Architekt und Architekturtheoretiker, <strong>der</strong> in Frankreich und den USA<br />

lebt und arbeitet. Er kombiniert Film- und Literaturtheorie mit Architektur. Sein theoretisches<br />

Werk Manhattan Transcripts (1976) geht dem Parc de la Villette voraus und steht mit ihm in<br />

engem Zusammenhang. Aus einer Lektüre <strong>der</strong> Manhattan Transcripts entsteht Derridas Essay<br />

über Tschumi und die Architektur.<br />

Tschumi baute in den USA, England und den Nie<strong>der</strong>landen mehrere kleinere experimentelle<br />

Modulbauten, die er Folies nennt. ( vgl. wiki ) Folies kann man mit Verrücktheiten übersetzen.<br />

Diese setzt er in <strong>der</strong> Parkanlage des La Villette, <strong>der</strong> mit 35 ha drittgrößten Grünfläche von<br />

Paris, fort. Es ist das Gelände eines ehemaligen Schlachthofs, <strong>der</strong> von 1963-1969 mit großem<br />

Aufwand mo<strong>der</strong>nisiert, aber 1974 als Fehlplanung o<strong>der</strong> eine weitere Verrücktheit geschlossen<br />

wurde.<br />

Der Begriff folies hat viele Bedeutungen: Im 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t bezeichnet er einen<br />

Pavillion in aristokratischen Parks. Eine weitere Verbindung <strong>der</strong> neueren Wortbedeutung<br />

einer fanzösischen Narrheit ist die Behandlung in Foucaults Histoire de la folie. Derrida zeigt,<br />

daß das Wort mit Blättrigkeit zu tun hat und es in seinem Sinne keine Festigkeit versichert.<br />

Das Wort folies ist we<strong>der</strong> eindeutig <strong>der</strong> Kultur noch <strong>der</strong> Natur zuzuordnen.<br />

Tschumi verwendet drei autonome Systeme von Punkten, Linien und Flächen, die er<br />

übereinan<strong>der</strong> schichtet. (s.Abb.) Dieses verwendete Anordnungsprinzip, das Tschumi<br />

Superposition nennt, hat er in den Manhattan Transcripts schon überlegt. Beim<br />

Übereinan<strong>der</strong>legen <strong>der</strong> Systeme entstehen manchmal Verzerrungen durch die Einmischung<br />

des an<strong>der</strong>en, manchmal Verstärkungen und manchmal Indifferenzen. Es ergeben sich<br />

vieldeutige Kreuzungen zwischen den Systemen. Tschumi spricht in Bezug auf die folies vom<br />

Erfinden neuer Bezüge, „ wo die traditionellen Komponenten <strong>der</strong> Architektur zerbrochen und<br />

nach an<strong>der</strong>en Axen rekonstruiert werden.“ ( zit. n. Derrida 1988a 222)<br />

Die Folies bilden ein Punktraster, als gemeinsamen Nenner <strong>der</strong> Parkanlage. Die Punkte<br />

werden als gleichzeitig offen und geschlossen verstanden. Im Abstand von 120 m werden sie<br />

von feuerroten Würfeln des Ausmaßes von 10,8 mal 10,8 Metern aus lackiertem Stahl besetzt.<br />

Sie bieten Platz für unterschiedliche Aktivitäten wie zum Beispiel ein Restaurant, ein Bad, ein<br />

Kino, ein Fitnessklub sowie Musik- und Wissenschaftszentren. (s.Abb.) Die Folies sind<br />

eingebettet in eine Vielzahl kleiner Gärten, das Flächensystem, und verbunden durch einen<br />

drei Kilometer langen willkürlich gewundenen Laufsteg, das Liniensystem. Letzteres wird<br />

auch Filmpromenade genannt, weil <strong>der</strong> Weg durch den Garten wie eine Bildmontage in Form<br />

eines entrollten Films funktioniert.<br />

Tschumi plädiert für eine posthumanistische anstelle einer postmo<strong>der</strong>nen Architektur.<br />

Kulturelle Umstände zeigen die Notwendigkeit, die konventionelle Feststellung von<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Architektur aufzugeben. Er stellt die Strukturen, „die Ordnungen, Techniken<br />

und Verfahrensweisen, die bei jedem architektonischen Werk zu berücksichtigen sind“ in Frage.<br />

( Tschumi 175) Tschumi bezieht die Theorie des Zeichens, mit <strong>der</strong> Verschiebung von


Signifikant und Signifikat, direkt auf die Verschiebung von Form und Funktion in <strong>der</strong><br />

Architektur. Diese „verweist nicht nur auf den Untergang funktionalistischer Theorien, son<strong>der</strong>n<br />

vielleicht auch auf die normative Funktion <strong>der</strong> Architektur selbst.“ (ebd. 176)<br />

Der Parc de La Villette bietet für Tschumi und die beteiligten Architekten die Chance, diese<br />

theoretischen Arbeiten zu prüfen, weiterzuentwickeln und wirklich zu bauen. Das beinhaltet<br />

ganz an<strong>der</strong>e Schwierigkeiten, als ein Buch zu veröffentlichen o<strong>der</strong> eine Austellung zu<br />

organisieren.<br />

„ Es sollte bewiesen werden, daß es möglich ist, eine komplexe Organisation zu bauen,<br />

ohne auf die traditionellen Regeln <strong>der</strong> Komposition, Hierarchie und Ordnung<br />

zurückzugreifen.“ ( ebd.180)<br />

Tschumi stellt den konzeptuellen Status von Ordnungselementen und eine fundamentale<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Architektur überhaupt in Frage. Die Überlagerung dreier unabhängiger<br />

Strukturen kann keine totale Megastruktur bilden. Der Plan la Villettes hebt die Vorstellung<br />

von Begrenzung auf und thematisiert dadurch die Grenzen <strong>der</strong> Architektur. Die Verbindung<br />

zu philosophischen Diskursen ist hier deutlich zu bemerken. Der Park enthält eine Vielzahl<br />

von Bedeutungen und ermöglicht unterschiedliche Realitäten gleichzeitig.<br />

„ denn jegliche „Bedeutung“, die ihm [ dem architektonischen Projekt] beigemessen werden<br />

mag, ist eine Funktion <strong>der</strong> Interpretation und liegt nicht im Objekt selbst o<strong>der</strong> in den<br />

Materialien des Objekts.“ (ebd. 181)<br />

Es geht nicht um das Ziel einer Einheit und nicht um eine Utopie <strong>der</strong> Zukunft. Der Park<br />

ermöglicht eine Gegenwart mit allem Möglichen.<br />

Dementsprechend sind unterschiedliche Architekten und Philosophen an <strong>der</strong> Planung<br />

verschiedener Teile des Gartens beteiligt: John Hejduk, Dan Flavin, Jean Nouvel, Gaetano<br />

Pesce, Daniel Buren zusammen mit Jean-Francois Lyotard und Peter Eisenman mit Jaques<br />

Derrida.<br />

3.1.2. Chora L Works: über die Zusammenarbeit Derridas und Eisenmans<br />

Ihr gemeinsames Projekt, was 1986 beginnt, nennen Eisenman und Derrida Chora L Works.<br />

1991 veröffentlichen sie ein gleichnamiges Buch mit Texten, Gesprächsaufzeichnungen,<br />

Skizzen, Zeichnungen und Modellfotos, den Spuren ihrer Zusamenarbeit.<br />

Der Name Chora L Works beinhaltet mehrere Bedeutungen gleichzeitig. Ein Chorwerk, ein<br />

mehrstimmiges Musikstück, welches in dem Augenblick existiert, da es gesungen wird. Es gibt<br />

keine einzelne Stimme.<br />

Außerdem bringt Derrida ein formales Element in den Entwurf ein: Es ist eine Lyra, die auf<br />

einer Ebene (engl. layer), mitspielt und dadurch im Gesamtwerk mitklingt. Die Analogie des<br />

Chors bezieht sich ebenso auf die Schichtung <strong>der</strong> Ebenen aus dem Vorentwurf Tschumis, mit<br />

<strong>der</strong> Eisenman und Derrida an ihrem Teil weiterarbeiten. Aus <strong>der</strong> Choreographie entsteht eine<br />

mehrstimmige Architektur.<br />

Derridas Beitrag in dieser Arbeit ist am Anfang ein Text über chora aus Platons Dialog:<br />

Timaios. Die Idee von chora wurde zum Programm für die Entwurfsarbeit. Chora ist ein altes<br />

griechisches Wort, was in seiner Bedeutung nicht eindeutig bestimmt werden kann, weil es<br />

das meint, was vor je<strong>der</strong> Einschreibung da ist. Es kann als Ort, als Empfängerin o<strong>der</strong> Amme<br />

allen Werdens beschrieben werden. Schon diese Beschreibung, sagt Derrida, muß aber falsch<br />

sein, da eine Bezeichnung gleichzeitig immer ein Ausschließen ist. (vgl. Derrida 1987c 18)<br />

Chora schließt aber nichts aus, chora ist außerhalb <strong>der</strong> binären Logik des Ja o<strong>der</strong> Nein.


„Denn Chora <strong>–</strong> die alles empfängt, aber von nichts etwas annimmt - gibt allem seinen Ort,<br />

ohne sich selbst je auf einen Ort festlegen zu lassen.“<br />

(ebd. Inhaltsangabe d. Hrsg.)<br />

Chora ist nicht innerhalb <strong>der</strong> Metaphysik, in <strong>der</strong> allem Sinnlichen eine geistige Begründung in<br />

seinem Ursprung zugeordnet wird. Erst die Interpretationen in- formieren die Bedeutung<br />

o<strong>der</strong> den Wert von chora. Die Interpretation Eisenmans und Deridas in ihrem Entwurfsteil des<br />

Gartens beinhaltet keine Vegetation. Eisenman und Derrida arbeitetn nur mit Wasser und<br />

Stein (Mineralien), die miteinan<strong>der</strong> spielen. Das stellt den Besucher sehr deutlich seiner<br />

Vorstellung von Garten gegenüber. Es weist auf das hin, was wir natürlicher Weise<br />

voraussetzen, jedoch nicht bestimmen können.<br />

In seinem Text Warum Peter Eisenman so gute Bücher schreibt (1988) nimmt Derrida erneut<br />

Bezug auf die Musik. Der Titel steht in Verbindung mit dem Text von Nietzsche Warum ich so<br />

gute Bücher schriebe in Ecce Homo. Unter an<strong>der</strong>em nennt Derrida darin Eisenman „ the most<br />

anti-Wagnerian creator of our time“ (Derrida 1988c 99). Das letzte Kapitel in Ecce Homo heißt<br />

Der Fall Wagner , Ein Musikanten- Problem. Eisenman spielt selbst mit Titeln. Sein Vorschlag ist<br />

<strong>der</strong> Projektname Chora L Works.<br />

Derrida beschreibt seine Zusammenarbeit mit Eisenman als „echte Zusammenarbeit“ ( Derrida<br />

1989b 73) . Es entsteht ein Dialog, <strong>der</strong> den Zusammenhang zwischen dem Schreiben Derridas<br />

und dem Entwerfen von Eisenman herstellt. Dabei arbeitet je<strong>der</strong> gleichzeitig, unabhängig<br />

voneinan<strong>der</strong> und benutzt nicht einfach die Arbeit des an<strong>der</strong>en.<br />

Derrida hält eine klare Trennung <strong>der</strong> Arbeitsbereiche zwischen Philosoph und Architekt ein.<br />

Da er sich auf dem Gebiet <strong>der</strong> Architektur zu wenig auskennt, arbeitet er an Texten. Es geht<br />

ihm um die Arbeit an <strong>der</strong> Grenze und den Berührungspunkten zwischen <strong>Philosophie</strong> und<br />

Architektur.<br />

Eisenman dagegen hat erwartet, dass Derrida am Entwurfsprozess direkter teilnehmen<br />

würde. Für ihn hat die Zusammenarbeit noch nicht funktioniert. (vgl. Eisenman 1995 258)<br />

Eisenman erarbeitet den architektonischen Entwurf, <strong>der</strong> nach eineinhalb Jahren soweit ist,<br />

dass er gebaut werden kann. Für ihn gibt es eine Verbindung des Projekts Parc de la Villette in<br />

Paris mit seinem Projekt Cannaregio in Venedig. Beide sind zufälligerweise<br />

Schlachthofgelände. Um den Gedanken <strong>der</strong> Autorität in <strong>der</strong> Präsenz <strong>der</strong> Architektur zu<br />

unterbinden, hat das Projekt mehr als einen Standpunkt. Die Verbindung <strong>der</strong> Orte stellt die<br />

Idee <strong>der</strong> Übertragung des Rasters her (s. Abb.): Le Corbusier hat in Venedig ein Gitter<br />

angelegt, welches Eisenman aufgreift, verlängert und für den Entwurf in Cannaregio<br />

verwendet. Eisenman überträgt nun sein Raster und Bauteile, wie eine Mauer, des<br />

Cannaregioentwurfs auf den Entwurf La Villettes. Tschumi hat in La Villette ein Raster zu<br />

Grunde gelegt, welches mit dem Projekt Joyce´s Garden (Teil aus Manhattan Transkripts)<br />

verbunden ist. Über Tschumis Gitter legt Eisenman nun das, was er von Le Corbusier<br />

genommen hat, und än<strong>der</strong>t dessen Maßstab. Dadurch werden <strong>Beziehungen</strong> sichtbar, die<br />

vorher verborgen waren. Es ergeben sich neue Formen und Interpretationsmöglichkeiten.<br />

Eisenman radikalisiert das Prinzip <strong>der</strong> Überlagerung, das hier durch Tschumi begonnen<br />

wurde, auf seinem Teil La Villettes.<br />

Ähnliche Zusammenhänge ergeben sich durch die zeitliche Geschichte des Ortes Parc de La<br />

Villette selbst. Das Schlachthofgebäude (von 1867) und Teile <strong>der</strong> noch älteren Stadtmauer<br />

(von 1848) bleiben erhalten und zeigen die Verbindung des Ortes zu seiner Vergangenheit. Es<br />

gibt drei Ebenen, die eine Interpretation von Zeit verkörpern (s.Abb.):<br />

Unterirdische Ausgrabungen zeigen gegenwärtig auf die Vergangenheit. Die gekippte Fläche<br />

verdeutlicht die Gegenwart und die erhöhten L-Formen weisen von jetzt in die Zukunft.<br />

Auch die Ideen des Steinbruchs und des Palimpsests, die sich durch den Entwurf ziehen,<br />

haben mit Zeit zu tun. Mit den Steinen <strong>der</strong> vergangenen Projekte, örtlich aus Paris und geistig<br />

aus Venedig, wird La Villette in <strong>der</strong> Gegenwart gebaut. Jemand an<strong>der</strong>s nimmt diese Steine in<br />

<strong>der</strong> Zukunft und baut etwas an<strong>der</strong>es. Ein Palimpsest hat einerseits die Bedeutung eines


antiken o<strong>der</strong> mittelalterlichen Schriftstücks, von dem <strong>der</strong> ursprüngliche Text getilgt und<br />

welches dann wie<strong>der</strong> überschrieben wurde. An<strong>der</strong>erseits kann es ein aus einem alten<br />

Ausgangsgestein umgewandeltes Gestein bedeuten. ( vgl. Duden) Die Idee des Palimpsests<br />

meint die Überlagerung <strong>der</strong> Konzepte, die dann zum Steinbruch wird: Es wird etwas vom<br />

Palimpsest weggenommen und die Spur <strong>der</strong> früheren Überlagerung bleibt erhalten.<br />

Gleichzeitig entsteht die Spur <strong>der</strong> Wegnahme.<br />

Eisenman geht es in <strong>der</strong> Architektur um die Darstellung gleichzeitiger Präsenz und präsenter<br />

Absenz. Er arbeitet mit den Parametern von Ort, Zeit und Maßstab, die er aus ihren<br />

traditionellen Zusammenhängen architektonischen Entwerfens löst und sie in eine neue<br />

Beziehung setzt. Der Ort existiert im Augenblick <strong>der</strong> Gegenwart mit den Spuren <strong>der</strong><br />

Vergangenheit. Im Entwurf wird er auf einer abstrahierten Ebene in <strong>der</strong> jetzt vorgestellten<br />

Zukunft mit Teilen <strong>der</strong> Gegenwart und <strong>der</strong> Vergangenheit erschaffen.<br />

3.1.3. über Derridas Gedanken zur <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur<br />

Derrida hat seine Überlegungen zur Architektur vor allem in dem Text über Tschumis folies:<br />

Am Nullpunkt <strong>der</strong> Verrücktheit - Jetzt die Architektur (1988) dargelegt. Dieser Text ist ebenfalls in<br />

<strong>der</strong> Veröffentlichung von Chora L Works enthalten. Der folgende Teil <strong>der</strong> Arbeit beschäftigt<br />

sich mit diesem, einem Dialog von Eisenman und Derrida Architektur schreiben (1993) und<br />

Ausschnitten aus Gesprächen von Derrida mit Andrew Benjamin und Eva Meyer.<br />

Wenn Derrida über <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur nachdenkt, dekonstruiert er den Sinn<br />

<strong>der</strong> Architektur. Er geht dem nach, was Architektur Architektur sein lässt, was unser<br />

Verständnis von Architektur ausmacht.<br />

„ Eine Architektur des Ereignisses, ist das möglich?... Alles läuft gerade auf die Frage nach dem<br />

Sinn hinaus. Man wird nicht darauf antworten, indem man einen Zugang zum Beispiel in einer<br />

von <strong>der</strong> Architektur gegebenen Form aufzeigt: Präambel, pronaos, Schwelle, methodischer<br />

Weg...Noch weniger in <strong>der</strong> Form des Systems, und zwar des Architektonischen: <strong>der</strong> Kunst <strong>der</strong><br />

Systeme, wie uns Kant sagt.“<br />

( Derrida 1988a 217)<br />

Derrida ist an <strong>der</strong> gemeinsamen Arbeit mit dekonstruktivistischen Architekten interessiert,<br />

weil es ihnen um eine Grundlagenermittlung unserer Tradition geht.<br />

Dekonsruktivismus ist durch das Zusammenspiel von <strong>Philosophie</strong> und Architektur möglich:<br />

Erfragt danach, wie wir Architektur deuten. Das bezieht sich sowohl auf die Seite <strong>der</strong><br />

Architekten, als auch auf die Seite des Betrachters von Architektur, <strong>der</strong> sich im Raum bewegt<br />

und diesen erlebt. Die Konstruktion und das Konstruieren kommen aus <strong>der</strong> Architektur. Das<br />

Sich- erschließen <strong>der</strong> verschiedenen Zusammenhänge o<strong>der</strong> Verbindungen ist philosophisch.<br />

Es wird die Bedeutung von Gründen dekonstruiert. Entsprechend werden Aspekte <strong>der</strong><br />

Architektur, wie das Fundament, <strong>der</strong> soziale Raum und die Hierarchie thematisiert.<br />

Die Kritik gilt <strong>der</strong> festgelegten Bestimmung, konventionellen Unterwerfung <strong>der</strong> Architektur<br />

unter fremde Ziele, die sich außerhalb <strong>der</strong> Architektur befinden, wie zum Beispiel Ästhetik,<br />

Schönheit, Nützlichkeit, Funktionalität o<strong>der</strong> Wohnen. Eine eindeutige Begründung <strong>der</strong><br />

Architektur bestimmt in ihrer Totalität immer gleichzeitig das, was sie nicht ist. Sie reduziert<br />

die Architektur.<br />

Es ergeben sich die Fragen, erstens, ob Architektur überhaupt eindeutig zu begründen ist,<br />

und zweitens worauf. Architektur muss begründbar bleiben, weil das die Architektur<br />

ausmacht. Nun geht es nicht darum, eine reine Architektur wie<strong>der</strong>herzustellen, son<strong>der</strong>n sie<br />

aus ihrer Festlegung befreit, neu mit an<strong>der</strong>en Medien und Künsten zu kombinieren und zu<br />

montieren. Diese Befreiung <strong>der</strong> Architektur bedeutet keine völlige Loslösung von ihrer<br />

Bestimmung, sie ist von ihrer Vorherrschaft befreit. Da Architektur einen Sinn haben muß,


müssen die genannten Werte die Architektur neu beinhalten. In diesem Wie<strong>der</strong>einbringen<br />

sieht Derrida die schöpferische Kraft eines Architekten und seines Entwerfens. Er wird so<br />

seiner Aufgabe und Verantwortung als Architekt gerecht. Daraus ergeben sich<br />

Verhandlungen und Kompromisse mit Normen, praktischen Einschränkungen und früheren<br />

Vorbil<strong>der</strong>n. (vgl. Derrida 1989b 76) Die Achtung des Architekten vor <strong>der</strong> Tradition und <strong>der</strong><br />

Erinnerung gehört dazu, weshalb die dekonstruierten Strukturen klar lesbar sein müssen. Die<br />

<strong>Dekonstruktion</strong>en sind selber immer unvollendet, heterogen und nie rein, vollendet o<strong>der</strong><br />

feststellbar.<br />

Was bedeutet die Architektur für die <strong>Philosophie</strong> und was bedeutet die <strong>Philosophie</strong> in <strong>der</strong><br />

Architektur? In <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> gab es schon immer eine doppelte Beziehung<br />

zur Architektur. Entwe<strong>der</strong> sie war ihr inhaltliches Thema o<strong>der</strong> sie diente formal zum Aufbau<br />

eines philosophischen Gedankens.<br />

„Dekonstruktivismus bedeutet also auch, die Architektur in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> in Frage zu stellen,<br />

und vielleicht sogar die Architektur selbst.“ (Derrida 1989b 74)<br />

Die Struktur unseres Denkens und Bauens und unsere daraus entstehenden und darin<br />

enthaltenen wechselseitigen Inhaltszuweisungen müssen untersucht werden. Derrida nennt<br />

es das Fragen nach <strong>der</strong> Bewohnbarkeit <strong>der</strong> Schrift <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und Architektur.<br />

Er sieht die Architektur als eine Möglichkeit des Denkens. Deshalb lässt sich Architektur nicht<br />

auf eine einfache Verkörperung o<strong>der</strong> formale Repräsentation des Denkens reduzieren.<br />

Ebenso ist die <strong>Dekonstruktion</strong> nicht metaphorisch als Ausdruck eines festgelegten Inhalts zu<br />

verstehen. Sie kann nicht mit einem Gegenteil als Begriffspaar vereint werden. Sie ist also<br />

keine negierte Konstruktion. Sie ist keine Technik, son<strong>der</strong>n stellt die Technik, das Konstruieren<br />

selbst in Frage.<br />

Derrida: „ Das Artefakt, benannt „Architektur“, zu dekonstruieren, sollte vielleicht damit<br />

begonnen werden, daß man es sich zunächst einmal als Artefakt denkt, sich seine<br />

künstliche Erzeugung neu vor Augen führt, und daher die Technik, diesen Punkt an dem es<br />

unbewohnbar bleibt (reste).“ (zit. n. Benjamin 1990 36)<br />

Theorie und Praxis hängen zusammen. Das wird bei dem Projekt des Parc de La Villette<br />

beson<strong>der</strong>s durch die Zusammenarbeit von Architekten und Philosophen deutlich.<br />

Erst seit <strong>der</strong> vom Menschen konstruierten Trennung von Theorie und Praxis wird die<br />

Architektur als einfache Technik vom Denken abgelöst gesehen und verdeckt dadurch ein<br />

architekturales Denken. Derrida interessiert das architekturale Moment im Denken selbst.<br />

(vgl. Derrida, Meyer 97)<br />

„ Ein architekturales Denken kann nur in diesem Sinn dekonstruktiv sein: <strong>der</strong> Versuch, das<br />

zu denken, was die Autorität <strong>der</strong> architekturalen Verkettung in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ausmacht.“<br />

(Derrida, Meyer 101)<br />

Das Infragestellen unseres zweigeteilt konstruierten Verhältnisses von Theorie und Praxis,<br />

betrifft sowohl die Konzeption <strong>der</strong> Architektur als auch die <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>.<br />

Tschumi : „Es ist in erster Linie <strong>der</strong> historische Bruch zwischen <strong>der</strong> Architektur und ihrer Theorie,<br />

<strong>der</strong> durch die Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> untergraben wird.“ (zit. n. Benjamin 1990 37)<br />

Die Einteilung in Theorie und Praxis geht davon aus, dass ein Werk in dieser zielgerichteten<br />

Reihenfolge realisiert o<strong>der</strong> umgesetzt wird. Wenn die Gegenüberstellung von Theorie und<br />

Praxis dekonstruiert wird, stellt man gleichzeitig diese Teleologie (Zielgerichtetheit) in Frage.<br />

„Die <strong>Dekonstruktion</strong> des einen zieht somit die <strong>Dekonstruktion</strong> des an<strong>der</strong>en nach sich.“ ( Benjamin<br />

1990 37) Entsprechend kann das Verhältnis von <strong>Dekonstruktion</strong> und Architektur nicht in <strong>der</strong><br />

einfachen Gegenüberstellung von Theorie und Praxis erklärt werden.


Der <strong>Dekonstruktion</strong> folgt ein Neuüberdenken. Die Architektur kann <strong>Dekonstruktion</strong> nicht<br />

einfach formal darstellen und repräsentieren. Die <strong>Dekonstruktion</strong> hebt die Hierarchie von<br />

Planen und Bauen genauso wie die <strong>der</strong> Sprache gegenüber <strong>der</strong> Schrift auf. Derrida versteht<br />

Denken auch als eine Art Praxis.<br />

„Es gibt, vergessen wir das nicht, eine Architektur <strong>der</strong> Architektur. Bis in seine archaische<br />

Schicht hinein ist <strong>der</strong> fundamentalste Begriff <strong>der</strong> Architektur konstruiert worden. Diese<br />

eingebürgerte Architektur ist uns überliefert, wir bewohnen sie, sie wohnt uns inne, wir<br />

denken, daß sie zur Wohnstatt bestimmt ist, und das ist für uns kein Gegenstand mehr.<br />

Aber man muß darin ein Artefakt, ein Konstrukt, ein Monument erkennen. Es ist nicht vom<br />

Himmel gefallen, es ist nicht natürlich,(...) Diese Architektur <strong>der</strong> Architektur hat eine<br />

Geschichte, sie ist durch und durch historisch.“ ( Derrida 1988a 218 )<br />

Diesem Gedanken folgt Derrida und er durchstreift, wie er es gerne nennt, das Feld <strong>der</strong><br />

Architektur in aller Ausführlichkeit:<br />

Unsere Definition von Orten ergibt sich aus <strong>der</strong> uns vertrauten Funktion, die sie für uns<br />

haben: Krankenhaus, Kirche, Schule, Friedhof, Marktplatz, Heimatort, ... es ist unser System, wie<br />

wir unser Leben einrichten, wie wir es gelernt haben.<br />

In Jaques Derridas Schrift: Feuer und Asche geht es um den Ort, <strong>der</strong> durch Asche<br />

gekennzeichnet ist. Die Brandstätte zeugt von einer vergangenen Gegenwart und benennt<br />

gleichzeitig einen Brennpunkt, eine Feuerstätte im Mittelpunkt als Heimstatt. (vgl. Derrida<br />

1988b 64) Auf diese Weise begründet sich unser System eines Ursprungs, eines familiären<br />

Ursprungs, zu dem man wie<strong>der</strong> zurückkehren kann.<br />

Wir sind darin selbst enthalten, es begründet unser Selbstverständnis und unsere Orte und<br />

Wege zu den Orten, die wir gehen, <strong>der</strong>en Bedeutung wir für uns annehmen. Sie sind <strong>der</strong><br />

Grund für unsere Intention, warum wir überhaupt losgehen.<br />

Die Architektur besteht innerhalb ihrer Entwicklung darin, dass wir für uns ihre<br />

Wertbestimmung immer voraussetzen. Diese nehmen wir als feststehend an und sind<br />

dadurch überhaupt in <strong>der</strong> Lage, etwas zu bauen. Das Gebäude steht dann an einem<br />

bestimmten Ort und bildet unseren kulturellen Lebensraum.<br />

„Diese Hierarchie ist im Stein erstarrt, sie informiert fortan den gesamten sozialen Raum.“<br />

(Derrida 1988a 219)<br />

„Die Architektur muß einen Sinn haben, sie muß ihn darstellen und dadurch bedeuten. Der<br />

signifikante o<strong>der</strong> symbolische Wert dieses Sinns muß die Struktur und die Syntax, die Form<br />

und die Funktion <strong>der</strong> Architektur beherrschen.“ (ebd. 219)<br />

Die Architektur ist ein vom Menschen begründetes metaphysisches System, <strong>der</strong>en Inhalt<br />

immer von einem Zweck o<strong>der</strong> Wert, <strong>der</strong> sich selbst außerhalb <strong>der</strong> Architektur befindet,<br />

bestimmt wird. Sie begründet sich nie selbst. An dieser Stelle sind sich Derrida und Eisenman<br />

uneinig. Eisenman hat zeitweise die Richtung verfolgt, Objekte zu schaffen, die sich nur auf<br />

sich selbst beziehen, die sich selbst entwerfen, um die Metaphysik <strong>der</strong> Architektur zu<br />

überwinden.<br />

Derrida beschreibt im Text Am Nullpunkt <strong>der</strong> Verrücktheit - Jetzt die Architektur vier<br />

Unverän<strong>der</strong>lichkeiten in <strong>der</strong> Architektur, auf die sich unser Verständnis von ihr gründet, die<br />

den Sinn <strong>der</strong> Architektur für uns bestimmen:<br />

1.) Unserer Erfahrung nach muss <strong>der</strong> Sinn von Architektur das Bewohnen durch Menschen<br />

o<strong>der</strong> Götter sein, welches sich in <strong>der</strong> Architektur präsentiert o<strong>der</strong> darstellt.<br />

Somit geht es um den Sinn von Wohnen und dessen immer neue Wie<strong>der</strong>holung, die diesen<br />

bezeichnet. Die Bezeichnung steht sowohl im Gebrauch <strong>der</strong> Sprache, als auch in alltäglichen


Handlungen nicht fest, wie zum Beispiel beim täglichen immer wie<strong>der</strong> neu Kochen und<br />

Waschen. Daraus ergibt sich eine dem entsprechende Einrichtung o<strong>der</strong> Ausstattung.<br />

Warum wohnen wir? Was sind Gewohnheiten und wie entstehen sie? Wie und wodurch sind<br />

wir in unsere Welt und in unsere Vorstellung von <strong>der</strong> Welt eingebunden?<br />

2.) Die Architektur stellt ein politisches und religiöses Gedächtnis dar. Sie bindet uns<br />

offensichtlich in die Geschichte ein. Die Architektur repräsentiert den Aufbau einer<br />

Gesellschaft und <strong>der</strong>en Kultur. Sie bewahrt in ihrer materialisierten Hierarchie ihre<br />

Bestimmung.<br />

3.)Der Endzweck , die Architektur in Dienst zu nehmen, begründet das Ordnungsprinzip <strong>der</strong><br />

Architektur.<br />

4.) Diese Ordnung ist abhängig von <strong>der</strong> Kunst und Mode und den darin herrschenden<br />

Wertvorstellungen <strong>der</strong> Schönheit, Harmonie und Vollkommenheit.<br />

Diese vier zusammengehörenden Punkte begrenzen und definieren das System <strong>der</strong><br />

Architektur, die Metaphysik <strong>der</strong> Architektur. Als übergeordnetes Gefüge ist es in unseren<br />

Zweckmäßigkeiten durch unsere Wertzuweisungen anwesend. Das heißt, das die ganze<br />

Theorie und ebenfalls die Kritik <strong>der</strong> Architektur in diesem Rahmen von diesem beherrscht<br />

wird. Und das betrifft nicht nur die Architektur als Architektur. Die Architektur als gedankliche<br />

Konstruktion und Hierarchie reicht in alle Gebiete, wie zum Beispiel soziale, gesellschaftliche,<br />

kulturelle und politische Strukturen, letztlich in alle wissenschaftlichen Logiken, wie die, <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong>.<br />

„ Aber diese Architektonik <strong>der</strong> unverän<strong>der</strong>lichen Punkte beherrscht auch all das, was man<br />

die abendländische Kultur weit über ihre Architektur hinaus nennt.“ (ebd. 220,f)<br />

Daraus entsteht ein Wi<strong>der</strong>spruch: Diese Architektonik ist allgemein gültig und löst dadurch<br />

eine eindeutige spezifische Abgrenzung <strong>der</strong> Architektur auf. An<strong>der</strong>erseits bezeichnet<br />

Architektur etwas Feststehendes, Monumentales, Steinernes, was grundlegend und<br />

wi<strong>der</strong>ständig ist. Die Architektur wird immer durch etwas bestimmt ,was außerhalb von ihr<br />

ist. Es macht die Architektur zur Architektur, ein Fundament, einen bestimmten Grund zu<br />

haben, zweckbestimmt zu sein. Außerdem verkörpert die Architektur in ihrer Materialität den<br />

Wi<strong>der</strong>stand, das Fortbestehen, die Tradition <strong>der</strong> Zweckbestimmung und die<br />

Zweckbestimmung <strong>der</strong> Tradition. Derrida nennt es den Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Bewußtheiten und<br />

Unbewußtheiten, <strong>der</strong> im architektonischen Objekt erstarrt, versteinert.<br />

„ Eine konsequente <strong>Dekonstruktion</strong> wäre nichts, wenn sie diesen Wi<strong>der</strong>stand und diese<br />

Übertragung nicht berücksichtigt, sie würde wenig ausrichten, wenn sie sich nicht an die<br />

Architektur eben so wie an das Architektonische hielte. Sich an sie halten: nicht sie<br />

angreifen, sie zerstören o<strong>der</strong> irreführen, sie kritisieren o<strong>der</strong> disqualifizieren, son<strong>der</strong>n sie<br />

wirklich denken, sich von ihr genügend ablösen, um sie durch ein Denken zu ergreifen, daß<br />

sich über das Theorem hinaus erstreckt <strong>–</strong> und auf seine Weise zum Werk wird.“<br />

(ebd. 221)<br />

Bezogen auf die folies von Bernard Tschumi geht es für Derrida um die Bedeutung <strong>der</strong><br />

Verrücktheiten für unser Denken:<br />

„ Diese Verrücktheiten lassen den Sinn erzittern, den Sinn des Sinns, die signifikante<br />

Gesamtheit dieser mächtigen Architektonik.“ (ebd.)<br />

Die <strong>Dekonstruktion</strong> findet innerhalb <strong>der</strong> Architektur statt. Sie erkennt die Zuordnung von<br />

Sinn und Zweck an, sie beschäftigt sich mit dem Inhalt von Architektur, um Architektur zu<br />

sein. Eine Negation <strong>der</strong> Architektur kann die Architektur nicht ergründen. Es wäre eben keine<br />

Architektur. Zwecklosigkeit, Fundament-, Hierarche- und symbolische Bedeutungslosigkeit


hätten nur inhumane, unbewohnbare, sinnlose Räume zur Folge. Das würde <strong>der</strong> Metaphysik<br />

<strong>der</strong> Architektur nur auf eine nihilistische Weise weiter folgen.<br />

Derrida beschreibt die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Architektur als ein Zurückgehen vor allen Anfang<br />

<strong>der</strong> Architektur „ zu einem Nullpunkt <strong>der</strong> zur Architektur gehörenden Schrift“. (ebd.)<br />

Er sieht eine grundsätzliche Bejahung vor <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Architektur als Voraussetzung<br />

für eine neue Schrift <strong>der</strong> Architektur, eine erneute Einschreibung in die Architektur. Das<br />

erinnert an das, was Derrida mit chora versucht hat, zu beschreiben. Die Affirmation <strong>der</strong><br />

Architektur und ihrer <strong>Dekonstruktion</strong> ist ihre eigene Voraussetzung. Sie liegt jenseits <strong>der</strong><br />

totalitären Trennung in Ja o<strong>der</strong> Nein <strong>der</strong> Metaphysik, vor dem ganzen System <strong>der</strong> Metaphysik<br />

<strong>der</strong> Architektur, vor <strong>der</strong> eindeutigen Begründung sowohl eines transzendentalen Sinns o<strong>der</strong><br />

einer ausschliesslichen Funktion als auch <strong>der</strong> Negation, <strong>der</strong> Sinnlosigkeit <strong>der</strong> Architektur.<br />

Wenn Architektur nur in dem gezeigten metaphysischen Rahmen Architektur sein kann, dann<br />

ist es genau die Stelle <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Architektur, die nicht fremd bestimmt sein darf,<br />

die nicht ausschließlichen Normen, Funktionen, Bedeutungen unterworfen werden kann. Das<br />

ist <strong>der</strong> Tod <strong>der</strong> Architektur, dann beinhaltet sie nicht länger das menschliche Leben.<br />

Der Entwurf des Parc de La Villette entsteht durch den Wurf von vielen Würfeln. In seiner<br />

Relation <strong>der</strong> Würfel untereinan<strong>der</strong> definiert und eröffnet er ein Feld, die Chance des<br />

Würfelspiels. Die folies bilden eine aufgelöste Serie von roten Punkten. Diese offene Vielheit<br />

lässt sich nicht mehr totalisieren. Es sind alle möglichen Inhalte anwesend. Die roten Punkte<br />

bestimmen den Ort <strong>der</strong> selbst teilbaren Zellen. Einerseits weist ein Punkt hin auf sich selbst<br />

als Zentrum, an<strong>der</strong>erseits bildet er in <strong>der</strong> Differenz zu den an<strong>der</strong>en ein Feld. Derrida<br />

beschreibt es als Nullpunkt <strong>der</strong> Verrücktheit, <strong>der</strong> das versammelt, was er gerade zertstreut hat.<br />

(vgl. Derrida 1988a 227) Je<strong>der</strong> Punkt unterbricht die Kontinuität des Rasters und hält<br />

gleichzeitig seine Gesamtheit durch den Bezug zum an<strong>der</strong>en aufrecht. Die Bedeutung ist<br />

vielfältig: In jedem Zentrum finden sich eine eigene Inhalte. Die Punkte definieren Orte und<br />

Räume zugleich. In Derridas Worten ist es die Verräumlichung <strong>der</strong> Zerstreuung.<br />

Der Parc de La Villette ist für Menschen, die von außen kommen, von denen je<strong>der</strong> seinen<br />

eigenen Grund hat, zum Beispiel Kaffee trinken zu gehen. Sie weisen für sich die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> folies wie<strong>der</strong> neu zu. Der Ort gibt die Möglichkeit für das, was sich an seiner Stelle<br />

ereignet.<br />

„Diese roten Würfel werden geworfen wie die Würfel <strong>der</strong> Architektur. Der Wurf gibt<br />

nicht allein das Programm einer Strategie des Ereignisses,..., er geht <strong>der</strong> Architektur, die<br />

kommt, entgegen. Er geht ihr Risiko ein und gibt uns dadurch die Chance.“<br />

(Derrida 1988a 232)<br />

Derrida sieht die folies, als Verrücktheiten, die das Jetzt <strong>der</strong> Architektur bejahen, sie<br />

wie<strong>der</strong>beleben, sich in die Architektur neu einschreiben. Sie wollen Architektur sein, sie<br />

zerstören sie nicht. Die Verrücktheiten erwecken die Architektur zu neuem Dasein.<br />

„Indem man die Architektur an ihre Grenzen stößt, wird man wie<strong>der</strong> Anlaß zu<br />

Vergnügen geben,...“ (Derrida 1988a 223)<br />

„indem sie aufhören, das Werk diesen fremden Normen zu unterwerfen, geben die<br />

Verrücktheiten die Architektur getreu an das zurück, was sie, seit dem Vorabend selbst ihres<br />

Ursprungs, hätte signieren sollen. Das Jetzt, von dem ich spreche, wird jene Signatur sein.“<br />

(Derrida 1988a 222)<br />

In diesem Jetzt ist alles anwesend. Es ergibt sich aus <strong>der</strong> Vergangenheit und aus allen<br />

zukünftigen Möglichkeiten. Die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Architektur kann keine Negation <strong>der</strong><br />

Architekturgeschichte bedeuten. Der Bezug zur Geschichte ist ein an<strong>der</strong>er. Es geht um keine<br />

neue Epoche. Es geht nicht um eine Gegenüberstellung von uns, als stillstehendem Subjekt,


zur Geschichte des Objekts, <strong>der</strong> Architektur.<br />

Die Architektur des Ereignisses bezieht sich für Derrida nicht nur auf die Architektur. Es geht<br />

vielmehr um „eine Schrift des Raumes, eine Weise <strong>der</strong> Veräumlichung, die dem Ereignis seinen<br />

Platz einräumt.“ (Derrida 1988a 216)<br />

Er beschreibt das Entwerfen auch als das Neuschreiben <strong>der</strong> Architektur, als Bezeichnung <strong>der</strong><br />

différance: „All dies gehorcht einem Programm von Übertragungen, Transformationen o<strong>der</strong><br />

Permutationen, <strong>der</strong>en äußere Normen nicht mehr das letzte Wort behalten.“ (ebd. 223)<br />

Entwerfen ist das Erfinden von Kreuzungen von Motiven <strong>der</strong> Architektur und an<strong>der</strong>en<br />

Schriften, das erzählerische Montieren, Übersetzen, Umschreiben, Überschreiten von einem<br />

Ort zum an<strong>der</strong>en. Die Architektur im Dazwischen, <strong>der</strong>en Form woan<strong>der</strong>s neu entsteht, <strong>der</strong>en<br />

Zeichen durch den Einfall kommt und jedes mal erst gefunden wird. Dieses woan<strong>der</strong>s<br />

befindet sich nicht außerhalb <strong>der</strong> Architektur. Das Dazwischen meint „ einen Raum innerhalb<br />

des alten Raums zu „öffnen“. (Wigley 153)<br />

Entwerfen ist kombinierende Transformation. Formal bleibt nur eine Spur <strong>der</strong> Idee, die auf<br />

den Einfall verweist, wie die Linie einer Zeichnung. Die Idee wird übertragen, Architektur<br />

entsteht im Übertragenwerden.<br />

„In diesem Fall bedeutet writing architecture das Schreiben <strong>der</strong> Architektur als Entwerfen,<br />

als Raumbildung. Diese Architektur entsteht nicht allein als Objekt des Schreibens, son<strong>der</strong>n<br />

das Schreiben ist die Planung selbst, ist Entwurf, Öffnung des Raumes,<br />

Wegbahnung.“ (Derrida 1993 298)<br />

„Und innerhalb <strong>der</strong> Singularität dieses Ereignisses wird dieser Diskurs einge-schrieben.“<br />

(ebd.300)<br />

Die Unplanbarkeit des Ereignisses ist seine eigene Voraussetzung. Darum geht es in einem<br />

Vortrag von Derrida: Eine gewisse unmögliche Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen: „Ein<br />

vorausgesagtes Ereignis ist kein Ereignis.“ ( Derrida 1997 35) Er nennt das überraschende<br />

Ereignis auch die unvorhersehbare Ankunft des An<strong>der</strong>en. Das begründet seine<br />

Einzigartigkeit, die Singularität des Ereignisses. Derrida zeigt es in Bezug auf das Schreiben<br />

<strong>der</strong> Architektur an dem Beispiel <strong>der</strong> Signatur: Die persönliche Unterschrift, die ihre<br />

Einzigartigkeit dokumentiert, in dem sie jedes mal neu geschrieben wird. Die Identität eines<br />

Werks besteht auch, wenn das Konzept <strong>der</strong> Totalität aufgegeben wird. „In seiner Beziehung auf<br />

sich selbst ist es differant. Der Selbstbezug ist nicht identisch, son<strong>der</strong>n differant.“ ( Derrida 1993<br />

302)<br />

3.1. 4 Interpretationsversuche<br />

Architekturgeschichtlich blicken wir in unserer Kultur bis zu den griechischen Polis zurück, die<br />

ein absolutes Abgrenzungssystem und somit Architektur in dem Sinn, wie wir sie heute<br />

verstehen, bildeten. Die Ausgrenzung <strong>der</strong> gefährlichen Natur begründet und ermöglicht<br />

dadurch ein heiles, gesichertes Inneres. Es ist unser System <strong>der</strong> Beschränkung, welches unsere<br />

Kulturentwicklung ermöglicht: die Spezialisierung <strong>der</strong> Wissenschaften, die Entwicklung <strong>der</strong><br />

Technik, des Computers o<strong>der</strong> unsere Sprache, ohne die wir nicht kommunizieren können.<br />

Dieser Urgrund, etwas Einzugrenzen, es von etwas auszugrenzen,um es zu ermöglichen wird<br />

immer wie<strong>der</strong> neu bestimmt. Er wandelt sich entsprechend dem immer wie<strong>der</strong> neuen Leben,<br />

welches sich in immer neuer Form aus sich selbst hervorbringt. So än<strong>der</strong>t sich auch die Form<br />

<strong>der</strong> Architektur, in die ihre immer wie<strong>der</strong> neue Begründung neu eingeschrieben wird.<br />

In unserer Kultur stand die Kirche in <strong>der</strong> Dorfmitte. Das begründet bis heute eine<br />

Redewendung, die ein Zentrum <strong>der</strong> Diskussion feststellen möchte. Die absolute Bedeutung


<strong>der</strong> Kirche hat sich gewandelt. Sonst wären weit sichtbare Funktürme auf Kirchen wohl<br />

unmöglich. Auch <strong>der</strong> Stolz auf den industriellen Fortschritt, <strong>der</strong> sich zum Beispiel durch<br />

Schornsteine auf dem Stadtwappen Brandenburgs in <strong>der</strong> DDR darstellte, steht heute nicht<br />

mehr im Mittelpunkt.<br />

In <strong>der</strong> Architektur zeigt sich einerseits unser Ordnungssystem und an<strong>der</strong>erseits sind wir in <strong>der</strong><br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Architektur mit unserem eigenen Ordnungssystem konfrontiert.<br />

Unsere Vorstellung von <strong>der</strong> Welt und wie wir sie in Ordnung finden, wird uns bewusst, wenn<br />

das, was wir in einem Gebäude sehen, nicht mit dieser übereinstimmt. Funktürme auf Kirchen<br />

stören uns nur, wenn sie unsere Vorstellung von einer Unantastbarkeit <strong>der</strong> Tradition, einer<br />

Heiligkeit, die dem Gebäude vorgestellt innewohnt, gestört wird. Diese Bedeutungen sind<br />

erlernt und werden im kulturellen Umkreis weitergegeben. Die Bedeutung von Architektur<br />

bildet sich für jeden erneut und verän<strong>der</strong>t sich dadurch. Sie ist für uns verständlicher<br />

abzulesen und wie<strong>der</strong>herzustellen, wenn wir in den kulturellen Kontext, <strong>der</strong> die Architektur<br />

hervorgebracht hat, eingebunden sind. Das gebräuchliche Orientierungssystem muss uns<br />

dafür geläufig sein. Dann ist es für uns die Zeichenhaftigkeit von Architektur, die uns ein<br />

Rathaus als Rathaus erkennen o<strong>der</strong> lesen lässt.<br />

Das Problem <strong>der</strong> Repräsentation <strong>der</strong> Präsenz <strong>der</strong> Architektur, was Derrida und Eisenman<br />

beschäftigt, ist auch für sie ein kulturelles: Verbunden sind beide durch eine Berührung mit<br />

dem jüdischen Verständnis für Schrift. Die jüdische Schriftauffassung ermöglicht viele<br />

Interpretationen, die ständig praktiziert werden. Es werden nur Eigenschaften Gottes<br />

dargestellt, die Darstellung wird nie als Repräsentation von Gott selbst verstanden. Das<br />

erzeugt ein an<strong>der</strong>es ästhetisches Denken.<br />

Hinzu kommt für Eisenman die Erfahrung <strong>der</strong> Bedeutung des Sichdarstellen und<br />

Repräsentierens <strong>der</strong> amerikanischen Kultur und für Derrida die, einer vielfältig geprägten<br />

Kultur Algeriens.<br />

In <strong>der</strong> französischen Kolonie Algerien wird eine zum größten Teil arabische Kultur von einer<br />

christlich geprägten Kultur beherrscht. Die Geschichte ist dort schon immer von<br />

verschiedenen Kulturen beeinflusst worden. Der Unterschied <strong>der</strong> Bedeutung von<br />

Repräsentation <strong>der</strong> Architektur in den verschiedenen Kulturen ist hier unverkennbar: Eine<br />

Moschee darf nur von Menschen betreten werden, die den muslimischen Glauben teilen. Die<br />

Mauer gegenüber des Eingangs versperrt die Sicht ins Innere <strong>der</strong> Moschee. In <strong>der</strong> arabischen<br />

Baukultur ist das grundsätzlich so. Auch in den privaten Wohnhäusern hat die Wand<br />

gegenüber des Eingangs den Sinn, dass kein Außenstehen<strong>der</strong> sehen kann, wie wohlhabend<br />

eine Familie ist. Nach außen repräsentiert sich niemand den an<strong>der</strong>en gegenüber. Die Häuser<br />

öffnen sich nach Innen. Diese Architektur ist einerseits klimatisch bedingt, aber sie beinhaltet<br />

auch ein völlig an<strong>der</strong>es Verständnis von Gesellschaft und damit ein an<strong>der</strong>es<br />

Selbstverständnis. Das Thema könnte man auch in <strong>der</strong> kulturell verschiedenen Kleidung, die<br />

Verhüllung o<strong>der</strong> Repräsentation bedeuten kann, weiterfolgen.<br />

Diese an<strong>der</strong>e Beziehung zwischen Subjekt und Objekt bestimmt auch ein an<strong>der</strong>es<br />

Verständnis <strong>der</strong> Welt. Das Verhältnis von Subjekt und Objekt hat eine ganz an<strong>der</strong>e Geschichte<br />

als in unser abendländischen Kultur, in <strong>der</strong> erst die Kirche, dann die Industrie und heute die<br />

Wirtschaft und <strong>der</strong> Konsum ihre Macht nach außen demonstrieren.<br />

Die Baukultur ist offensichtlich vielfältig. Es sind die Möglichkeiten, die sich aus den<br />

Gegebenheiten wie Materialien und <strong>der</strong> vorhergegangenen Baukultur ergeben, die ihre<br />

Spuren hinterlassen. Es gibt verschiedene traditionelle Lösungen für unterschiedliche<br />

Bedürfnisse. Es kann keine absolute Interpretation von Architektur geben.<br />

Diese Relativität müssen wir zur Zeit <strong>der</strong> Globalisierung im Blick haben.<br />

Was bedeutet ein Weltkulturerbe? Eine Bewahrung <strong>der</strong> Vielfalt meint man. Für wen bedeutet<br />

es was? Für uns kann es eine Geldquelle bedeuten, um die Fassaden zu rekonstruieren, die<br />

unsere traditionelle Vergangenheit repräsentieren sollen. Das beinhaltet einerseits unser<br />

Verständnis von Baukultur und Repräsentation und Pflege dieses Erbes. Die Bedeutung von<br />

äußerlicher Repräsentation scheint sich aber nicht global anwenden zu lassen.


Und ist es denn an<strong>der</strong>erseits überhaupt möglich? Kann die Vergangenheit wie<strong>der</strong><br />

eingeschrieben werden? Die Grenze zwischen Reparatur, die für eine weitere Nutzung<br />

notwendig ist und einer Fassadenschau, um die Vergangenheit einzumauern, und <strong>der</strong><br />

Bewahrung des Kulturguts ist nicht eindeutig.<br />

An dieser Stelle ist schon aus rein technischer Sicht das Problem deutlich: Mit unseren<br />

heutigen industriell hergestellten profitorientierten Baustoffen können wir die alten<br />

Gebäude nicht wie<strong>der</strong>herstellen, wie sie in <strong>der</strong> Vergangenheit gewesen sind. Erstens ist eine<br />

entsprechende traditionelles Handwerk gar nicht mehr vorhanden. Das hat zur Folge, dass<br />

zum Beispiel oft mit synthetischen Putzen und Farben versucht wird, eine frühere Optik<br />

nachzuahmen. Zweitens ist die Frage welchen Sinn das Ganze überhaupt macht, ein Erbe in<br />

<strong>der</strong> Art zu pflegen, indem man es in seiner ursprünglichen Art und Weise wie<strong>der</strong>herstellen<br />

möchte. Was ist dieses ursprünglich? Und warum muss es erhalten werden?<br />

Es ist wohl immer ein Mitnehmen ins heute. Es ist nur ein Heute, ein Jetzt <strong>der</strong> Architektur<br />

möglich. Dieses Heute und Jetzt ergibt sich aus <strong>der</strong> Vergangenheit, es ist eine Bewegung von<br />

etwas kommend zu etwas gehend als einzige Möglichkeit zu denken, zu schreiben o<strong>der</strong> zu<br />

bauen, gegenwärtig zu sein.<br />

Die Hetrogenität in <strong>der</strong> Architektur spiegelt die Vielfältigkeit <strong>der</strong> Möglichkeiten in diesem<br />

Jetzt unserer Kultur wie<strong>der</strong>. Der Reiz, das, was Architektur und Denkmalpflege spannend<br />

macht, ist ,wenn es gelingt, neue Dinge neben alten noch haltbaren und brauchbaren o<strong>der</strong><br />

bedeutenden Teilen zu entwickeln o<strong>der</strong> neue Nutzungen und Bedeutungen in bestehende<br />

Gebäude zu integrieren, um mit Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite gibt es auch alte Techniken und Materialien, die unter heutigen<br />

Gesichtspunkten sinnvoller erscheinen als neue, die nur auf wirtschaftlichen Umsatz<br />

ausgelegt sind, was bei Putzen und Wandfarben offensichtlich vorkommt.<br />

Es ist ein Spiel <strong>der</strong> Möglichkeiten, die vorhanden sind und gefunden werden. Architektur<br />

entsteht im Prozess des Entwerfens.<br />

3.2. über die Auseinan<strong>der</strong>setzung Derridas und Eisenmans (1989)<br />

Ungefähr zwei Jahre nach <strong>der</strong> gemeinsamen Arbeit am Parc de La Villette wendet sich<br />

Derrida mit seinem Unverständnis gegenüber den theoretischen Veröffentlichungen<br />

Eisenmans mit einem Brief an ihn. Das Thema ist die Architektur <strong>der</strong> Abwesenheit, die<br />

Eisenman in einem Text Moving Arrows,Eros and other Errors zu seinem Entwurfsprojekt<br />

Romeo und Julia in Verona, Italien (1985, s.Abb.) erörtert.<br />

Das Programm dieses Entwurfs ist die Übersetzung <strong>der</strong> dominanten Themen <strong>der</strong> Geschichte<br />

von Romeo und Julia auf den historischen Ort in Verona. Es gibt drei verschiedene<br />

Textversionen aus dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t. Der Ort <strong>der</strong> Geschichte wechselt von <strong>der</strong> ersten<br />

Version in Montecchio zu Verona in <strong>der</strong> zweiten und dritten. Letztere ist die Bekannteste von<br />

Shakespeare. „Mit den verschiedenen Versionen <strong>der</strong> Geschichte wird ein Schauplatz in mehreren<br />

Maßstäben geschaffen...“ (Eisenman in: Davidson 118) Die drei Texte überlagern sich<br />

gegenseitig. Sie implizieren verschiedene Lesarten. Diese Überlagerung überträgt Eisenman<br />

in architektonischen Metaphern in Form von Zeichnungen und Modellen auf die Stadt<br />

Verona. Die Geschichte eines Standorts wird in einem architektonischen Diskurs nacherzählt.<br />

Darin versucht Eisenman die fundamentalen Umbrüche des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

auszudrücken.<br />

Eisenman stellt Aspekte <strong>der</strong> Architektur, wie ihre Präsenz, den Ursprung und das ästhetische<br />

Objekt hinsichtlich des Orts, des Programms und <strong>der</strong> Darstellung in Frage.<br />

Er verfolgt in diesem Projekt das Konzept <strong>der</strong> Destabilisierung und entwickelt<br />

dementsprechend die Entwurfsmethode des scaling. Dabei legt er Bil<strong>der</strong> analog zu den drei<br />

unterschiedlichen Textversionen in unterschiedlichen Maßstäben übereinan<strong>der</strong>. Dieser<br />

Maßstab ist nicht länger ausschließlich auf den Menschen bezogen, son<strong>der</strong>n auf sich selbst.<br />

Auf diese Art will Eisenman den Anthropozentrismus, <strong>der</strong> die Darstellung <strong>der</strong> Architektur seit<br />

<strong>der</strong> Renaissance beherrscht, untergraben. Für ihn kann <strong>der</strong> Mensch nicht länger das Maß aller


Dinge sein. Der Mensch hat seine zentrale Stellung in Bezug auf sich selbst und auf die Welt<br />

verloren. „Und obwohl diese naive, anthropozentrische Vorstellung mit <strong>der</strong> Entdeckung des<br />

Unbewußten durch Freud unhaltbar geworden war, gilt sie in <strong>der</strong> heutigen Architektur immer<br />

noch.“ (Eisenman 1995 89)<br />

Das sagt Eisenman zu einer Zeit, als er sich selbst einer langen Psychoanalyse unterzieht und<br />

das Konzept <strong>der</strong> Destabilisierung in seine Lehre an <strong>der</strong> Universität in Havard aufnimmt.<br />

Eisenman versucht im Projekt Romeo und Julia „die anthropozentrischen Ordnungsprinzipien<br />

Präsenz und Ursprung“ (ebd.) zu vermeiden. Beim scaling gibt es kein Urmaß, wie den<br />

Menschen als Grundbezgspunkt. Eisenman sieht seine Methode als Befreiung <strong>der</strong> Architektur<br />

von <strong>der</strong> Metaphysik des Maßstabs. Auf diese Weise kann <strong>der</strong> Zentrismus <strong>der</strong> Metaphysik <strong>der</strong><br />

Architektur destabilisiert werden. Entsprechend wird auch <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Präsenz und des<br />

Ursprungs <strong>der</strong> Architektur und dadurch <strong>der</strong> Wert des ästhetischen Objekts destabilisiert. Das<br />

architektonische Objekt repräsentiert nicht länger einen bestimmten Inhalt o<strong>der</strong> eine<br />

bestimmte Ästhetik.<br />

Die Entwurfsmethode des scaling ermöglicht drei Werkzeuge zur Destabilisierung:<br />

Diskontinuität, Rekursivität und Selbstähnlichkeit. Als kontinuierlich gelten alle traditionellen<br />

Geometrien und Prozesse <strong>der</strong> Architektur. Eisenman arbeitet mit fiktiven Orten, <strong>der</strong>en<br />

Existenz er im heutigen Verona annimmt und sie so in die Realität einbezieht.<br />

Er überträgt schon in diesem Projekt in Verona die Idee des Palimpsests und des Steinbruchs<br />

auf den Ort, um zu verdeutlichen, dass dieser, in <strong>der</strong> Art wie er sich zeigt, nicht statisch<br />

feststehend ist. Er enthält Spuren <strong>der</strong> Erinnerung und Immanenz als diskontinuierliche<br />

präsente Abwesenheit. Die Arbeit mit sich selbstähnlichen Formen erzeugt Rekursivität, da<br />

keine Form, die zuerst da war, als dominant dargestellt wird. Die Selbstähnlichkeit meint eine<br />

analoge Umwandlung von Eigenschaften. Eisenman überträgt einerseits die Texte auf die<br />

Architektur, wandelt sie entsprechend um und versteht die Architektur dadurch ebenfalls<br />

eher als Textzustand, denn als ästhetisch zu vollendendes Objekt. Die im Text enthaltenen<br />

Überlagerungen ermöglichen die unterschiedlichen Lesarten <strong>der</strong> Architektur.<br />

„Damit wird die Möglichkeit des Irrtums geschaffen. So kann es sein, daß ein Text nicht zu einer<br />

Wahrheit o<strong>der</strong> einer gewünschten Schlußfolgerung führt, son<strong>der</strong>n zu einem Gewebe<br />

aufeinan<strong>der</strong>folgen<strong>der</strong> Lesefehler wird <strong>–</strong> Fehler, die die Bedingungen für jede neue Leseebene<br />

hervorbringen.“ (ebd. 96)<br />

Derrida spricht Eisenman auf diese Aussagen in seinem Brief an: „Dieser Diskurs über die<br />

Abwesenheit o<strong>der</strong> die Gegenwart einer Abwesenheit verblüfft mich nicht nur, weil er so viele<br />

Tricks, Komplikationen und Fallen übergeht, die <strong>der</strong> Philosoph und beson<strong>der</strong>s wenn er ein wenig<br />

ein Dialektiker ist, nur zu gut kennt, und wenn er fürchten muß, daß auch Du Dich wie<strong>der</strong> darin<br />

verfängst.(...) Ich habe ein wenig den Verdacht, daß Dir diese Auslegungen gefielen und Du sie<br />

sogar geför<strong>der</strong>t hast, auch wenn Du sie diskret mit einem Lächeln bestritten hast, wodurch ein<br />

Mißverständnis ein bißchen mehr o<strong>der</strong> ein bißchen weniger als ein Mißverständnis wird.“<br />

( Derrida 1989a 166)<br />

Hier werden die Schwierigkeiten einer gemeinsamen Arbeit aus unterschiedlichen<br />

wissenschaftlichen Richtungen deutlich. Derridas Verständnis von Architektur als Text ist<br />

philosophisch ein an<strong>der</strong>es als Eisenmans. Dessen Entwurf des Projekts in Verona begründet<br />

sich formal auf verschiedene Lesarten und <strong>der</strong>en Überlagerung, um sich <strong>der</strong> klassischen<br />

Präsenz eines vollendeten Sinns <strong>der</strong> Architektur zu entziehen. Ihm geht es um seine<br />

Konzepterörterung einer gestalterischen dreidimensionalen Aufgabe. Derrida sieht die<br />

Problematik in <strong>der</strong> für ihn unschlüssigen Theorie Eisenmans.<br />

Die <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur bleibt formal auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Architektur. Das heißt,<br />

man kann sich über sie unterhalten, aber Derrida sagt nicht wie eine dekonstruktivistische<br />

Architektur aussieht. Er fängt nicht an, Architektur zu entwerfen. Er bleibt in seiner<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Architektur Philosoph. Das entspricht Derridas Anerkennung des<br />

metaphysischen Systems in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> sowie in <strong>der</strong> Architektur und seiner Kritik an<br />

diesem von innen. Diese Grenze bedeutet aber nicht, daß die <strong>Dekonstruktion</strong> als nur


theoretisch bezeichnet werden kann. Die <strong>Dekonstruktion</strong> wirkt da, wo sie ihre Möglichkeit<br />

hat, zum Beispiel in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Architektur o<strong>der</strong> an ihrer gemeinsamen Grenze,<br />

die sie lokalisiert und neu feststellt.<br />

Derrida bestätigt die Grenze zwischen <strong>Philosophie</strong> und Architektur in Bezug auf choral works:<br />

„Es stimmt, daß es für mich, in gewisser Weise, einfacher war. Ich hatte nichts damit zu tun und<br />

konnte auch nichts damit tun,...“ (Derrida 1989a 166)<br />

Die Frage ist, wie kann dekonstruktivistische Architektur Architektur sein, wenn sie keine<br />

einfach formale Übersetzung ihrer <strong>Dekonstruktion</strong> darstellen will? An diese Stelle kommen<br />

Derrida und Eisenman immer wie<strong>der</strong>. Sie begründet die Differenz zwischen <strong>Philosophie</strong> und<br />

Architektur. Hier zeigt sich <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> unabschließbaren <strong>Dekonstruktion</strong>: Es lässt sich keine<br />

eindeutige Lösung feststellen.<br />

Eisenman sagt über choral works: „... dann nimmt man etwas von dem Palimpsest weg, und die<br />

Spur <strong>der</strong> früheren Überlagerung bleibt erhalten, aber gleichfalls die Spur <strong>der</strong> Wegnahme, mit<br />

an<strong>der</strong>en Worten, wir sprechen von ,Chora'. Durch die Kombination von <strong>der</strong> Überlagerung des<br />

Palimpsests mit dem Steinbruch entsteht ,Chora',...“ ( zit. n. Jencks 268)<br />

Derrida teilt diese Interpretation Eisenmans von chora nicht: „Ich bin mir nicht sicher, ob Du<br />

Chora in so radikaler Weise detheologisiert und deontologisiert hast, wie ich mir das gewünscht<br />

hätte ( Chora ist we<strong>der</strong> die Leere, wie Du manchmal nahe legst, noch die Abwesenheit, noch die<br />

Unsichtbarkeit, und noch weniger das Gegenteil von dem).“ (Derrida 1989a 166)<br />

Die Präsenz <strong>der</strong> Architektur kann nicht durch ihre Absenz überwunden werden. Welchen Sinn<br />

hat eine Architektur, die eine festgelegte Abwesenheit von Inhalt darstellt?<br />

Die Architektur kann nicht aus ihrem Präsentsein herauskommen, wenn sie Architektur ist.<br />

Die Darstellung ihrer Sinnlosigkeit kann nur ihre eigene Negation bedeuten.<br />

Das Dilemma kann nur durch die <strong>Dekonstruktion</strong> des Verhältnisses von Theorie und Praxis<br />

gelöst werden. Die Dominanz des funktional begründeteten Gebäudes gegenüber dem<br />

Entwerfen als bloßem Hilfsmittel besteht nicht länger in seinem konventionellen Verhältnis.<br />

Im architektonischen Entwurf wird die Architektur auf ihren Inhalt begründet. Die Architektur<br />

wird immer wie<strong>der</strong> neu ermöglicht. Sinnlosigkeit verhin<strong>der</strong>t ihre eigene Hervorbringung. Das<br />

nennt Derrida die Voraussetzung <strong>der</strong> Affirmation (Bejahung) einer Architektur des<br />

Ereignisses.<br />

Derrida fragt den Architekten Eisenman nach seiner Schrift, dem Entwerfen: „Wenn wir nun<br />

die Architektur nicht aufgeben, und ich glaube nicht, daß wir das tun werden, was sind die<br />

Auswirkungen dieser Möglichkeit, den terrestrischen Boden verlassen zu können, auf den Entwurf<br />

selbst?“ (Derrida 1989a 175)<br />

Eisenman weist darauf hin, daß die Beantwortung seiner Fragen zur <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong><br />

Architektur, <strong>der</strong> Architektur überlassen werden müssen. Eisenman sieht die <strong>Dekonstruktion</strong><br />

Derridas nicht auf die Architektur übertragbar. Die Identität kann in Bezug auf das Bauen<br />

nicht wie in <strong>der</strong> literarischen <strong>Dekonstruktion</strong> behandelt werden. Die Architektur wird von<br />

ihrer realen Existenz des Bezeichneten beherrscht. Sie hat eine an<strong>der</strong>e Tradition von Zeichen<br />

und Bedeutung.<br />

„Vielleicht kann man das, was ich in <strong>der</strong> Architektur mache, in ihren Absichten und ihrem<br />

Gewebe, nicht eigentlich <strong>Dekonstruktion</strong> nennen. Die Sache ist aber nicht so einfach: Wenn<br />

meine Arbeit nämlich etwas bestimmtes nicht verkörpert, so erzeugt sie dennoch die Frage<br />

nach dem, was sie nicht ist.“ (Eisenman 1990 177)<br />

Derrida fragt Eisenman weiter nach seinem Verhältnis zur Geschichte <strong>der</strong> Architektur und <strong>der</strong><br />

Bedeutung <strong>der</strong> Architektur in <strong>der</strong> Gesellschaft. Er verweist dabei auf die Funktion sozialer<br />

Bauaufgaben und das Engagement in <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, die Gesellschaft zu<br />

än<strong>der</strong>n. Dazu bezieht sich Derrida auf Textteile von Walter Benjamin.<br />

Eisenman erwi<strong>der</strong>t, daß er gesellschaftliche Probleme, wie Obdachlosigkeit und Armut, nicht<br />

von <strong>der</strong> Architektur, Literatur o<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> lösbar sieht. Seiner Meinung nach, soll sich<br />

aber je<strong>der</strong> Architekt mit diesen Fragen beschäftigen und <strong>der</strong> philosophische Diskurs die


Architektur behandeln.<br />

Das Thema <strong>der</strong> Leere, das in <strong>der</strong> dekonstruktivistischen <strong>Architekturtheorie</strong> immer wie<strong>der</strong><br />

vorkommt, sieht Derrida als problematisch. Er bringt die Ruine des Barock ins Spiel.<br />

Der Verfall wird im Barock als Fragment monumentalisiert. Das Fragment weist als Teil des<br />

Ganzen auf seine vollendete Ganzheit hin. Derrida sieht hier die Parallele zur thematisierten<br />

und gebauten Leere von Libeskind und Eisenman. Das Fragment präsentiert die Leerstelle<br />

und ist als solches nach wie vor im metaphysischen System <strong>der</strong> Architektur enthalten.<br />

Eisenman spricht Derrida ein Verständnis für Architektur ab. Die Möglichkeit <strong>der</strong><br />

<strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> Architektur ist für ihn nicht einfach die, <strong>der</strong> Metaphysik <strong>der</strong> Präsenz.<br />

Das würde dem klassischen Verhältnis von Figur und Grund entsprechen und die Architektur<br />

nicht „ von ihrem Glauben an die Theorie <strong>der</strong> Ursprünge zu etwas an<strong>der</strong>em“ (ebd.181) bringen.<br />

Die Beson<strong>der</strong>heit des Verhältnisses von Architektur und ihrer Präsenz, ist ihre Umschliessung<br />

des Blicks und des ganzen menschlichen Körpers. Eisenman sieht dieses Verhältnis als ein<br />

an<strong>der</strong>es als in <strong>der</strong> Sprache, <strong>der</strong> Malerei o<strong>der</strong> Skulptur.<br />

Deshalb entwirft er ein neues Theoriegebilde, ein System aus drei Begriffen: Er ergänzt zu <strong>der</strong><br />

Dialektik von Präsenz und Abwesenheit, die er für die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Architektur als<br />

unzureichend findet, eine neue Eigenschaft. Eisenman nennt sie die Gegenwärtigkeit.<br />

„ sie ist we<strong>der</strong> Abwesenheit noch Präsenz, we<strong>der</strong> Form noch Funktion, we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gebrauch<br />

eines Zeichens noch die rohe Existenz <strong>der</strong> Wirklichkeit, sie ist vielmehr ein exzessiver<br />

Zustand zwischen dem Zeichen und Heideggers Begriff des Seins; sie ist die Formung und<br />

Ordnung des diskursiven Ereignisses, welches die Architektur darstellt.“<br />

( Eisenman 1990 181)<br />

„ Immerhin ist die Aura die Präsenz <strong>der</strong> Absenz, die Möglichkeit des Gegenwärtigwerdens<br />

von etwas An<strong>der</strong>em. Es ist dieses An<strong>der</strong>e, das meine Architektur erfahrbar zu machen<br />

versucht.“<br />

(ebd.182)<br />

Eisenman strebt nach dem Aufbrechen <strong>der</strong> Fessel zwischen Form und Funktion in <strong>der</strong><br />

Architektur, die ihre mögliche Gegenwärtigkeit, ihren Exzess unterdrücken. Er hält es für<br />

absolut notwendig, diese Präsenz zu überwinden. Er will damit nicht sagen, dass seine<br />

Architektur, „die in gewisser Weise nutzlos “ (ebd.183) wird, nicht mehr funktionieren muss. Sie<br />

soll aber befreit sein aus <strong>der</strong> Symbolisierung ihrer Funktion, die eine Reduktion auf ihre<br />

Zeichenhaftigkeit bestimmt. Eisenman beschreibt seine Arbeit wie folgt:<br />

„ In meiner Arbeit gehe ich davon aus, daß die Architektur etwas an<strong>der</strong>es schreiben kann,<br />

etwas an<strong>der</strong>es als ihre eigenen traditionellen Texte <strong>der</strong> Funktion, <strong>der</strong> Struktur, <strong>der</strong><br />

Bedeutung und <strong>der</strong> Ästhetik.“ ( Eisenman 1990 183)<br />

Derrida reagiert darauf in dem späteren Gespräch mit Eisenman in seinem Verständnis von<br />

Architektur als Text. :<br />

„ Und ich glaube, daß Du o<strong>der</strong> auch Daniel Liebeskind in den Raum einen klassischen Text<br />

einschreibt, klassische Erzählungen, Worte, Eigennamen, Aspekte <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong><br />

Literatur, kulturelle Bezüge. Doch all das beherrscht die Architektur nicht mehr einfach,<br />

son<strong>der</strong>n ist in sie eingeschrieben.“ (Derrida 1993 300)


3.3.<br />

über die Diskussion <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und<br />

<strong>Architekturtheorie</strong><br />

Nachdem sich die vorgängigen Teile <strong>der</strong> Arbeit um eine Annäherung an die Möglichkeiten<br />

und Wirkungen <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> im Inneren <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong><br />

bemühen, geht es im Folgenden um ihre äußeren gesellschaftlichen Wirkungen. Die<br />

Diskussion geht darum, was <strong>Dekonstruktion</strong> für die kulturelle Entwicklung am Ausgang des<br />

20. Jahrhun<strong>der</strong>ts bedeutet. Wie ist <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne zu verstehen und in welchem<br />

Verhältnis kann <strong>Dekonstruktion</strong> dazu gesehen werden? An dieser Debatte lassen sich die<br />

Abgrenzungen und Überschneidungen, wie sie von den Vertretern <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und<br />

<strong>Architekturtheorie</strong> begriffen werden, nachvollziehen.<br />

Mark Wigley schreibt im Katalog <strong>der</strong> Ausstellung Dekonstruktivistische Architektur, daß die<br />

dekonstruktiven Projekte „sich keinesfalls von einer Erscheinungsform zeitgenössischer<br />

<strong>Philosophie</strong>“ (Wigley 1988 11) ableiten lassen. „Sie sind nicht Anwendung<br />

dekonstruktivistischer Theorie. Sie gehen viel mehr aus einer architektonischen Tradition hervor<br />

und zeigen zufällig dekonstruktive Eigenschaften.“ (ebd.)<br />

Dagegen steht, daß sich viele Architekten in ihrer <strong>Architekturtheorie</strong> auf Jaques Derrida<br />

beziehen und die gemeinsame Arbeit von Philosophen und Architekten in Paris zu diesem<br />

Zeitpunkt schon stattgefunden hat.<br />

Der Begriff <strong>Dekonstruktion</strong> aus <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> von Jaques Derrida hat in <strong>der</strong><br />

Architekturdebatte eine Verschiebung erfahren. (vgl. Alois Martin Müller 36)<br />

Peter Eisenman sieht sich we<strong>der</strong> als <strong>Dekonstruktion</strong>ist noch als Dekonstruktivist. Er sträubt<br />

sich gegen jede Einordnung in einen Stil, er sagt aber: „Es ist keine Frage, daß mein Werk vom<br />

Geist <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> angeregt worden ist.“ ( Eisenman 1988 266) Ihm geht es in seiner<br />

Arbeit um textliche Mehrwertigkeit o<strong>der</strong> das Dazwischen: „Ich glaube, das die <strong>Dekonstruktion</strong><br />

letztlich nicht sichtbar ist. Da geht es um das Bauen nicht baubarer Ideen.“ (Eisenman 1988 272)<br />

Dementsprechend muss die <strong>Dekonstruktion</strong> begrifflich offen bleiben, so daß die Architektur<br />

ihre Freiheit behält, mit ihren eigenen Mitteln zu arbeiten.( vgl. Adolf Max Vogt 34)<br />

Es scheint unmöglich zu sein die vielfältigen Gedanken und gestalterischen Versuche zur<br />

gleichen Zeit, da sie gedacht werden, einzuordnen. Die <strong>Dekonstruktion</strong>, wie sie Derrida<br />

verwendet, will diese Ordnungssysteme und ihren Sinn ergründen. Deshalb wird die<br />

Fragwürdigkeit einer Festlegung <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> auf einen architektonischen Stil o<strong>der</strong><br />

eine Epoche <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> deutlich. Eine neue Richtung des Denkens, die nach <strong>der</strong> Struktur<br />

des Denkens fragt, durch <strong>Dekonstruktion</strong> möglich ist, ist in ihrem Zusammenhang aber zu<br />

benennen.<br />

Philip Johnson schreibt im Vorwort des Ausstellungskatalogs: „ Dekonstruktivistische<br />

Architektur ist kein neuer Stil.“ (Johnson 7) Die ausstellenden Architekten haben kein<br />

gemeinsames Manifest. Ihre formale Sprache ist aber in ähnlicher Weise eine neue. Sie stellen<br />

die traditionelle Architektur, vor allem die Mo<strong>der</strong>ne und <strong>der</strong>en Fortschrittsgedanke,<br />

grundsätzlich in Frage.<br />

Welche Sicht eröffnet die <strong>Dekonstruktion</strong> unserer geschichtlichen Ordnung?<br />

Bis ins 18. Jahrhun<strong>der</strong>t gibt es ,Geschichten', die man sich erzählt, in <strong>der</strong> Pluralform. Mit <strong>der</strong><br />

Begründung <strong>der</strong> Geschichte als Wissenschaft soll ein einzelner Begriff die ganze Wirklichkeit<br />

zusammenhängend als Objekt begreifbar machen. Die Vorstellung des vereinheitlichten<br />

Vernunftsprozesses erzeugt erst den Realitätsbegriff. Die Mo<strong>der</strong>ne idealisiert die feste<br />

Verbindung von rationalem zweckgerichteten Denken und <strong>der</strong> Vorstellung des gerichteten<br />

vernünftigen Geschichtsprozesses.<br />

Diese Reduktion auf einen Begriff wird durch die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> in Frage<br />

gestellt. Die Grundlegung <strong>der</strong> subjektzentrierten und rationalen Wirklichkeitskonstruktion<br />

wird erörtert. Vor allem will die <strong>Dekonstruktion</strong> die unbewussten Vereinfachungen, die<br />

übergangen werden, um einen Idealzustand <strong>der</strong> Realität zu erreichen, herausfinden.(vgl. A.M.


Müller 42,ff) In <strong>der</strong> Architektur drückt sich das herrschende Geschichtsverständnis im Raum<br />

aus. Die Form <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne ist metaphysisch aufgeladen: Die wesentlich wahre Form ist<br />

formal einfach, rein, unreduzierbar und ohne Ornament. Wie kommen solche<br />

Begriffshierarchien im Denksystem, auf denen diese mo<strong>der</strong>nen Gebäude basieren, zu Stande?<br />

Die Strategie <strong>der</strong> dekonstruktivistischen Architekten beinhaltet einen kritischen Umgang mit<br />

den Grundformen. So zerfällt auch in <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong> Mythos einer kohärenten Mo<strong>der</strong>ne.<br />

Der Philosoph Wolfgang Welsch äußert sich entgegengesetzt zu Fragen <strong>der</strong> Architektur<br />

innerhalb <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>: „<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>(,) sind ...architekturale Begriffe und Metaphern<br />

grundlegend eingeschrieben.“ (Welsch 50) Er sieht die <strong>Dekonstruktion</strong> des herkömmlichen<br />

Denkens als Verbindung von philosophischen und architektonischen Dekonstruktivismen.<br />

Die <strong>Philosophie</strong> kritisiert ihre traditionelle Architektonik, sie reflektiert ihre architekturalen<br />

Momente. Das entspricht den Gedanken Derridas, die am Anfang des Kapitels ausführlicher<br />

behandelt sind.<br />

Die Postmo<strong>der</strong>ne beinhaltet das Motiv <strong>der</strong> Pluralität des Denkens, <strong>der</strong> Sprache und <strong>der</strong><br />

Kulturen. Welsch sieht die dekonstruktivistische Architektur als Radikalisierung <strong>der</strong><br />

postmo<strong>der</strong>nen, die vor allem die Ganzheit in Frage stellt. Die dekonstruktivistische<br />

Architektur kritisiert alle Ideen <strong>der</strong> klassischen Architektur. Allerdings ist die Affinität von<br />

Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> im philosophischen Diskurs offensichtlicher. In <strong>der</strong><br />

Diskussion innerhalb <strong>der</strong> Architektur werden Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> teilweise mit<br />

gegensätzlichen Inhalten verstanden:<br />

Eisenman: „Die sogenannte Postmo<strong>der</strong>ne in <strong>der</strong> Architektur, die stilistische Postmo<strong>der</strong>ne,<br />

hat nichts zu tun mit <strong>der</strong> theoretischen und kritischen Postmo<strong>der</strong>ne, wie sie durch<br />

französische Denker wie zum Beispiel Foucault, Lacan, Derrida, Deleuze entwickelt wurde.“<br />

(Eisenman 1988 292)<br />

Für Eisenman ist es das Zeitalter des Denkens nach Nietzsche, was unseren Zeitgeist und<br />

auch unser Verständnis von Architektur bestimmt. Auch Charles Jencks bezeichnet sich selbst<br />

als Nietzsche - Verehrer. Er hat den Begriff <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne für die Architektur geprägt. Die<br />

Mo<strong>der</strong>ne ist nach seiner Sicht, darin weiterhin enthalten. Die neue Architektur muss sich auf<br />

die Theorie und Praxis <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne stützen. Für Jencks steigert <strong>der</strong> Dekonstruktivismus die<br />

Abstraktion <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne ins Extreme. Er unterscheidet die Neuen Mo<strong>der</strong>nen kategorisch:<br />

Klassische Mo<strong>der</strong>ne, Spät- und Postmo<strong>der</strong>ne. Sowohl für Jencks als auch für Wigley hat die<br />

Neue Mo<strong>der</strong>ne ihren Ursprung in <strong>der</strong> ästhetischen Mo<strong>der</strong>ne des Russischen Formalismus. Für<br />

Wigley stellt <strong>der</strong> Dekonstruktivismus selbst keine Avantgarde dar. Jencks beschreibt eine<br />

Wie<strong>der</strong>belebung durch die Architekten, die alle in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne ausgebildet sind.<br />

Deshalb ordnet Jencks Eisenman den Vertretern <strong>der</strong> Neuen Mo<strong>der</strong>ne zu. Eisenmans<br />

Mo<strong>der</strong>nismus baut aber nicht auf die utopischen gesellschaftlichen Ziele <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong><br />

20er Jahre auf.<br />

Ullrich Schwarz stellt Peter Eisenman als „kein[en] Vertreter einer fröhlichen Postmo<strong>der</strong>ne“ dar.<br />

Schwarz beschreibt die Bedeutung von Eisenmans Arbeit für die Entwicklung <strong>der</strong><br />

<strong>Architekturtheorie</strong>: Er „bemüht sich um eine architekturtheoretische Position, die den<br />

philosophischen und geschichtlichen Gehalt des Projekts <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne kritisch reflektiert, ohne es<br />

aufzugeben.“ ( Schwarz 1991 50) Eisenman geht es um ein neues Verhältnis von Subjekt und<br />

Objekt und eine entsprechend zeitgenössische Architektur, die nicht einem unreflektierten<br />

Funktionalismus unterliegt. Ullrich Schwarz erkennt aber in Eisenmans Konzept des Neuen<br />

immer eine latent enthaltene Fortschrittsdynamik, die Eisenman als geschichtliches Ideal<br />

eigentlich gar nicht teilt.<br />

Eisenmans These ist, dass zeitgenössische Architektur veraltete Nutzungsvorstellungen und<br />

damit die Kultur und Gesellschaft verän<strong>der</strong>t. Die Architektur von Eisenman wird allgemein als<br />

nicht funktional und auch nicht funktionierend beschrieben. Beispielsweise wird das Projekt<br />

des Wexner Center of Art in Columbus Ohio wegen seiner transparenten Wände kritisiert, weil


es die Ausstellung von Gemälden kaum ermöglicht. Dazu sagt Eisenman: „ Vielleicht sollte<br />

man die Gemälde än<strong>der</strong>n.“ ( zit. n. Schwarz 1991 50) Jencks kritisiert dieses Denken als Ich-<br />

bezogen und elitär, das mit dem normalen Leben nichts zu tun hat.<br />

Er findet, daß Eisenman eine nihilistische Variante <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne vertritt, wobei er in seiner<br />

Kritik die humanistische Mo<strong>der</strong>ne unterschlägt. Das entspricht Jencks Eischätzung, dass sich<br />

die Mo<strong>der</strong>ne Architektur an eine Elite richtete, und „Die Postmo<strong>der</strong>ne versucht, den Anspruch<br />

des Elitären zu überwinden,...“. ( Jencks 1988b 88)<br />

Jencks beurteilt vereinheitlichend in seinem viel veröffentlichten Text über Die Architektur <strong>der</strong><br />

<strong>Dekonstruktion</strong> Die Freuden <strong>der</strong> Absenz:<br />

„Hier treffen wir auf ein dem <strong>Dekonstruktion</strong>ismus eigenes Paradoxon. Nachdem sie mit<br />

Roland Barthes den „Tod des Autors“, die „Freuden des Textes“ verkündet hatten und nach<br />

gemeinsamer Schaffung zahlreicher Texte o<strong>der</strong> „ intertextuality“, erzeugen Designer wie<br />

Hadid, Libeskind und Eisenman das Äußerste an individuellem Symbolismus, bei dem<br />

einzig <strong>der</strong> Autor die Befugnis besitzt, uns zu sagen, was er bedeutet. Dieser ultrapoetische<br />

Gebrauch von Sprache ist de facto privat und von daher autoritär; vollgültige<br />

architektonische Sprache muß per definitionem zugänglicher sein.“ ( Jencks 1988a 257)<br />

Für Bernard Tschumi steht Jencks Postmo<strong>der</strong>nebegriff <strong>der</strong> Architektur im Wi<strong>der</strong>spruch zur<br />

Postmo<strong>der</strong>ne in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>. Er sieht den Rückgriff <strong>der</strong> Architekten, wie Jencks, auf<br />

Bedeutung, Symbol, Kodierung und „Doppelkodierung“ als Mythos <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, <strong>der</strong> im<br />

Gegensatz zur Kritik des festgelegten Bedeutungszusammenhangs <strong>der</strong> philosophischen<br />

Postmo<strong>der</strong>ne steht. Posthumanistisch ist für Tschumi nicht die Metapher, die für eine Echtheit<br />

bürgt und die je<strong>der</strong> Mensch auf <strong>der</strong> Strasse versteht und im allgemeinen Werteverlust noch<br />

Orientierung bietet, son<strong>der</strong>n das Infragestellen <strong>der</strong> humanistischen Stilkriterien. Die<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Architektur ist sozial erzeugt und nicht transparent und symbolisch zu<br />

repräsentieren. Tschumi nennt Jencks Sicht „englisch-konsumistisch(en)“ ( zit. n. Welsch 57). Er<br />

sieht seine Architektur eher dem Inhalt <strong>der</strong> philosophischen Postmo<strong>der</strong>ne verbunden, was er<br />

entsprechend im Projekt des Parc de La Villette in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit den Philosophen<br />

umsetzt.<br />

Wolfgang Welsch macht deutlich, dass die Diskussion innerhalb <strong>der</strong> Architektur über<br />

Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>Dekonstruktion</strong> viel schwieriger ist als <strong>der</strong> Diskurs in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>. Er<br />

unterscheidet in seinen Betrachtungen <strong>der</strong> Architektur zwischen neohistoristischem<br />

Fassadendekor und postmo<strong>der</strong>ner Architektur. Er sieht das Leugnen <strong>der</strong> Verbindungen<br />

zwischen postmo<strong>der</strong>ner und dekonstruktivistischer Architektur einerseits und <strong>der</strong><br />

Verbindung von <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>der</strong> Architektur an<strong>der</strong>erseits, als<br />

verständlichen Versuch, die Autonomie <strong>der</strong> Architektur zu sichern. Welsch findet aber<br />

strukturelle Entsprechungen zwischen Tschumi, Eisenman und Derrida in ihren theoretischen<br />

Bemühungen. Diese sind <strong>der</strong> Grund, sie zu untersuchen, und sie nicht wie Wigley als zufällig<br />

abzutun. (siehe oben)<br />

Mark Wigley untersucht seinerseits die Beziehung zwischen Architektur, Kunst und<br />

<strong>Philosophie</strong>, in Bezug auf die <strong>Dekonstruktion</strong>. Er führt die <strong>Dekonstruktion</strong> Derridas weiter,<br />

indem er Derridas Schriften auf verborgene Bezüge zur Architektur und dem Raum, die nicht<br />

vor<strong>der</strong>gründig angesprochen, aber doch enthalten sind, untersucht.<br />

„Architektur sollte nicht als eine Art von Schrift gedacht werden, wie dies so viele<br />

Lektüren <strong>der</strong> dekonstruktiven Theorie im architektonischen Diskurs unternommen<br />

haben; angebracht wäre es einmal, Schrift als eine Art von Architektur zu denken und<br />

die in Derridas Diskurs bereits eingelassene Architektur aufzuspüren.“ ( Wigley 81)<br />

Die Postmo<strong>der</strong>ne <strong>der</strong> Architektur fasst, wie Jencks es äußert, ihre vielen Inhalte nur in einer<br />

pluralistischen Definition. Es ist also nicht klar, was ein postmo<strong>der</strong>ner Architekt und ein


postmo<strong>der</strong>nes Gebäude sind. Die Richtungen <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne lassen sich nicht vereinen.<br />

Wolfgang Welsch beschreibt <strong>Dekonstruktion</strong> als allgemeines Phänomen, das unsere<br />

Wissenschaften, Orientierungsform, Lebensweise und unsere Sicht <strong>der</strong> Welt prägt.<br />

Ullrich Schwarz argumentiert in gleicher Weise mit folgenden Beispielen:<br />

„Die Astrophysik des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts entwirft das Bild eines sich ausdehnenden Universums<br />

ohne Zentrum, in welchem <strong>der</strong> Mensch nicht nur eine ephemere Zufallserscheinung darstellt,<br />

son<strong>der</strong>n das als Ganzes einem absehbaren Ende entgegengeht.“ (Schwarz1991 52)<br />

Freud entwickelt die Psychoanalyse, die die Erkenntnis beinhaltet, „dass das Ich nicht einmmal<br />

im eigenen Hause Herr sei.“ (zit.n. ebd.) Foucaults Kritik des Humanismus entfaltet eine Analytik<br />

<strong>der</strong> Endlichkeit. „Die Endlichkeit begründet sich in <strong>der</strong> Unmöglichkeit, die Existenz <strong>der</strong> Körper, <strong>der</strong><br />

Bedürfnisse, <strong>der</strong> Sprache in einer absoluten Erkenntnis zu beherrschen.“ (ebd.)<br />

„Das mo<strong>der</strong>ne naturwissenschaftliche Weltbild rückt nicht nur den Menschen aus dem Zentrum,<br />

es verän<strong>der</strong>t auch den Begriff des Wissens.“ (ebd.) Die Natur wird eher in Chaostheorien als in<br />

linear kausaler Entwicklung beschrieben.<br />

Letztlich beinhaltet <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne offensichtlich nicht eine Meinung o<strong>der</strong><br />

Richtung des Denkens. Sie ist das gleichberechtigte Nebeneinan<strong>der</strong> <strong>der</strong> verschiedenen Stile.<br />

„...alle vorgeblich ewigen o<strong>der</strong> universalen Fundamente [sind ] nur Justierungen, die zwar<br />

ihr Recht und ihre Tragfähigkeit, vor allem aber auch ihre Grenzen haben. Unterschiedliche<br />

Fundamente sind möglich, und Wechsel an <strong>der</strong> Tagesordnung. Das verän<strong>der</strong>t die<br />

Auffassung und den Sinn jeglicher Rede von ,Fundament'. Es geht nicht mehr um absolute<br />

Stabilität, son<strong>der</strong>n um relative Tragfähigkeit. “ ( Welsch 58)<br />

Die Begriffe, die unser Leben bestimmen, müssen so beweglich wie unsere Wirklichkeit sein.<br />

Die Wirklichkeit gestalten wir selbst. „ Rationalität <strong>–</strong> immer noch unser „Gott“ kann ohne<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> nicht mehr gedacht werden.“ ( Welsch 61)<br />

3.4. über <strong>Architekturtheorie</strong> und Eisenman <strong>der</strong> 1990er Jahre bis heute<br />

Nun bleibt im letzten Teil die Frage, welche Bedeutung die <strong>Dekonstruktion</strong> innerhalb <strong>der</strong><br />

architekturtheoretischen Entwicklung bis heute hat. Welche Wirkungen hat die<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung von Philosophen und Architekten zeigen sich in unserer<br />

zeitgenössischen Architekturdebatte?<br />

Eisenman hat entscheidend dazu beigetragen, den Architekturdiskurs in den 1960er Jahren<br />

an zeitgenössischen gesellschaftlichen und kulturellen Diskursen neu auszurichten und<br />

<strong>Architekturtheorie</strong> im Sinne einer eigenständigen wissenschaftlichen Praxis jenseits <strong>der</strong><br />

Architekturgeschichte zu begründen.<br />

Eine weiterführende Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen Architekten und Philosophen hat Peter<br />

Eisenman in den 1990er Jahren in Form <strong>der</strong> Any - Konferenzen initiiert. Der internationale<br />

Architekturdiskurs wird in den Jahren zwischen 1991-2000 maßgeblich von den jährlichen<br />

Treffen von Architekten, Philosophen, Historikern und Soziologen an wechselnden Orten in<br />

Amerika,Asien und Europa geprägt. Es ist Eisenmans Anliegen, ein Forum für die<br />

interdisziplinäre Erarbeitung einer Gegenwartstheorie <strong>der</strong> Architektur zu schaffen.<br />

„In einer Epoche <strong>der</strong> Uneindeutigkeit, wie die Herausgeber von Any sagen, kann es keine<br />

Lehrbücher geben, son<strong>der</strong>n nur Mitschriften komplexer Diskussionsprozesse. Daher also:<br />

zehnmal Any, in so gut wie allen Zusammensetzungen, die das amerikanische Englisch<br />

hergibt, von Anyone bis Anymore...“ ( Schwarz 2009 1)<br />

Regelmäßige Teilnehmer dieser Zusammentreffen sind die Architekten Peter Eisenman, Rem<br />

Koolhaas, Bernard Tschumi, Arata Isozaki,Steven Holl, Jean Nouvel, Jacques Herzog, Zaha<br />

Hadid, Ben van Berkel und Greg Lynn; die Architekturtheoretiker Ignasi di Solà-Morales,


Anthony Vidler, Jeff Kipnis und Sanford Kwinter; die Philosophen Fredric Jameson und Akira<br />

Asada und die Ökonomin Saskia Sassen, um nur einige zu nennen. (vgl. ebd.)<br />

Weltpolitisch ist das Ende <strong>der</strong> entgegengesetzten totalitären Ideologien mit dem<br />

Zusammenbruch <strong>der</strong> sozialistischen Systeme erreicht. Nun folgt aber nicht, wie erhofft, eine<br />

friedliche Pluralität, „ein liebenswürdiges Patchwork <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heiten“. ( Schwarz 1993 44)<br />

Son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Differenz beinhaltet auch Konflikte, wie Fremdenhass und<br />

rassistischen Terror. (vgl. Glucksmann, André, zit. n. ebd.)<br />

Die folgende Ratlosigkeit ist auch in den Any-Symposien zu spüren. Dort drängt sich die<br />

Frage auf, ob <strong>der</strong> Gedanke, daß Architektur eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesellschaft bewirken<br />

kann, noch gültig ist. O<strong>der</strong> kann Architektur nur kultureller Ausdruck eines gesellschaftlichen<br />

Selbstverständnisses sein? Wenn aber die Vorstellung einer sozialen Gemeinschaft zerfällt,<br />

gibt es auch kein anerkanntes Wertesystem, das repräsentiert werden könnte. Entsprechend<br />

würde <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong> Zerfall in Beliebigkeit drohen. Wie lässt sich die philosophische<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> mit diesen Fragen verbinden?<br />

Jaques Derrida hat an den ersten Konferenzen am Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre noch<br />

teilgenommen. Das Verhältnis zwischen ihm und Eisenman gilt nach ihrer<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung als eher abgekühlt. Derrida fühlt sich von Eisenman unverstanden und<br />

kann <strong>der</strong> Architektur als Philosoph nicht weiterhelfen. Eisenman, als Architekt, folgt<br />

seinerseits dem philosophischen Dialog mit Derrida nicht weiter.<br />

Eisenman wendet sich aber darauffolgend den Gedanken des Philosophen Gilles Deleuzes zu.<br />

Deleuze wird „ zum neuen philosophischen Helden <strong>der</strong> Architekturintelligenzija gekürt,(...)<br />

Seitdem strömt und fließt es in <strong>der</strong> Architektur heftig, die Materie organisiert sich nach Kräften<br />

selbst zu sich verfaltenden Formen, und die Entwerfer finden dazu die passenden Worte. So<br />

kommt alles ins Schwimmen.“ (Schwarz 2009 2,f.)<br />

Dieser philosophische Paradigmenwechsel Eisenmans än<strong>der</strong>t auch die Diskussion in den<br />

Any- Konferenzen um das, was Architektur gesellschaftlich bedeutet soll. Mit den<br />

Protagonisten <strong>der</strong> glatten Formen wird auch die Ideologie glatt. (vgl. Hays, M. zit.n. ebd.) Eine<br />

kritische gesellschaftliche Position <strong>der</strong> Architektur wird als überholtes und realitätsfremdes<br />

Denken verworfen.<br />

Für Eisenman ist die Architektur als „Agentur <strong>der</strong> kulturellen Transformation“ (ebd. 2) damit<br />

gescheitert. Es sollte eine produktive Debatte entstehen. Aber ein interdisziplinärer<br />

Austausch, eine gemeinsame inhaltliche Arbeit ist, im Sinne Eisenmans, nicht zustande<br />

gekommen. Die Architekten haben kaum mit den anwesenden Philosophen, Historikern und<br />

Soziologen geredet. An<strong>der</strong>erseits scheinen die Architekten auch nicht die geeignetesten<br />

Gesprächspartner für Philosophen zu sein. ( vgl. Schwarz 2009 4) Aber auch unter den<br />

verschiedenen Architekten gab es wenig Gespräche. „[E]ine gewisse Sprachlosigkeit trotz so<br />

vieler Sprecher“ (ebd.1), über die fachlichen Grenzen hinweg, lässt die letzte Konferenz<br />

Anything im Jahr 2000 zu einer Art Selbstauflösung werden.<br />

Für Rem Koolhaas, zum Beispiel, kann Architektur als Architektur nicht kritisch sein.<br />

Er lehnt Eisenmans Arbeit als zu kopflastige Architektur schon immer ab. Eisenmans<br />

zeitgenössische Kritiker sprechen ihm das Talent, interessante Theorien und schöne Modelle<br />

bauen zu können, zu: „Den letzten Schritt aber, die Realisierung, sollte Eisenman seinem<br />

Publikum ersparen.“ (Elser 2000) Das verdeutlicht Elser mit <strong>der</strong> Analyse des realisierten<br />

Projekts eines sozialen Wohnungsbaus in <strong>der</strong> Kochstrasse in Berlin, <strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> IBA<br />

1981-1985 entstand. (s.Abb.) Er fragt nach dem Sinn für den Nutzer von Formen des Hauses,<br />

die aus Erinnerung und Anti- Erinnerung <strong>der</strong> Mauergeschichten Berlins einen Ort definieren,<br />

aber weniger die Möglichkeit zum Wohnen bieten.<br />

Da erscheint die Realisierung Eisenmans architektonischer Projekte, wie ein Mahnmal o<strong>der</strong><br />

eine Ausstellung innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft und für diese, sinnvoller. Das entspricht aber<br />

wie<strong>der</strong>um den konventionellen Erwartungen, die an ein Wohnhaus an<strong>der</strong>e als an eine<br />

Ausstellung sind. Ein schlecht funktionierendes Wohnhaus ist immer wie<strong>der</strong> ärgerlich, <strong>der</strong>


Sinn ist nicht erkennbar? Oliver Elser geht in seiner Kritik von Eisenman noch weiter auf die<br />

gut klingenden Theorien ein: „Ihn einen großen Theoretiker unter den Architekten des 20.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts zu nennen, verkennt, dass <strong>der</strong> Raubzug durch die Theoriegebäude an<strong>der</strong>er ihn stets<br />

mehr interessierte, als die allmähliche Errichtung einer uneinnehmbar eigenen Position.“ (Elser<br />

2000b 1)<br />

Daß Eisenman im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Architekten wenige Projekte realisiert und mehr<br />

Bücher schreibt kann man aber auch, wie Peter Noever, an<strong>der</strong>s interpretieren: „Peter Eisenman<br />

gilt zu Recht als <strong>der</strong> Denker und Kritiker unter den Architekten unserer Zeit (...) Nichts ist ihm<br />

frem<strong>der</strong> als die blinde Bauwut manch seiner Kollegen.“(Noever 2004)<br />

Peter Eisenman hat viele Kritiker und ist selber Kritiker. Seine Gedanken sind oft schwer<br />

nachvollziehbar. Das liegt sicherlich teilweise daran, daß er sich in den Wissenschaften <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong> bewegt, aber <strong>der</strong>en Logiken nicht unbedingt folgt. Er<br />

erscheint wie eine Art Schauspieler, <strong>der</strong> sich mit Präsentationen und entsprechend<br />

Irritationen auskennt. Er will an<strong>der</strong>s sein, inwiefern ist nicht immer deutlich zu erkennen. Er<br />

for<strong>der</strong>t die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit ihm und <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong> heraus und die kann<br />

nicht beendet sein. Gegenwärtig äußert sich Eisenman kritisch gegenüber bloßen Hüllen in<br />

<strong>der</strong> Architekturszene. Er macht deutlich, daß er we<strong>der</strong> sinnentleerte Normen noch<br />

sinnentleerte Formen <strong>der</strong> Architektur für eine Lösung hält.<br />

Aus heutiger Sicht wird Peter Eisenman <strong>der</strong> kritischen Architektur, die die Architekturdebatte<br />

bis in die 90er Jahre dominiert, zugeordnet. Dazu gehören die kritische Theorie von K. Michael<br />

Hays und die kritische Praxis von Peter Eisenman. Sie wollen „Anfang <strong>der</strong> 1980er Jahre die<br />

Disziplin <strong>der</strong> Architektur in Distanz zur Gesellschaft und als Wi<strong>der</strong>stand gegen die Banalität <strong>der</strong><br />

Konsumkultur auf Basis eines philosophischen Diskurses neu gründen“. (Fischer 2007 2) Die<br />

kritische Architektur entsteht in Ablehnung <strong>der</strong> semiotischen Postmo<strong>der</strong>ne und<br />

Populärkultur. Sie bemüht sich nach ‘68, dem Scheitern architektonischer und<br />

gesellschaftlicher Utopien, <strong>der</strong> Architektur einen Bereich als autonome Kunst innerhalb <strong>der</strong><br />

herrschenden kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse zu sichern. (vgl. Fischer 2009)<br />

Hays prägt 1984 den Begriff Criticality für die Architektur, <strong>der</strong>en Bestimmung er „zwischen<br />

Systemverweigerung und Ausverkauf als Ware“ sucht. „In seiner dialektischen Argumentation für<br />

eine Autonomie <strong>der</strong> Disziplin gegenüber den sie erzeugenden gesellschaftlichen Umständen<br />

bezieht sich Hays auf neomarxistische Ansätze ,wie die “kritische Theorie” <strong>der</strong> Frankfurter Schule<br />

um Horkheimer, Adorno und Benjamin, auf die er durch Vermittlung von Fredric Jameson und<br />

Manfredo Tafuri gestoßen war.“ (Fischer 2007 2) Fischer vergleicht weiter Hays Interpretationen<br />

<strong>der</strong> Architektur Mies van <strong>der</strong> Rohes „als Kommentar zu den Produktionsverhältnissen“ mit<br />

denen Eisenmans des Maison Domino von Le Corbusiers „als ein selbstreferentielles Zeichen,<br />

das sich über die Bedingungen von Funktion, Bedeutung und Geometrie hinwegsetzt, und durch<br />

diesen Akt erst zu Architektur wird“. Eisenmans kritische Praxis bestimmt einen ästhetischen,<br />

keinen politischen Wi<strong>der</strong>stand. Seine Kritik besteht darin, daß Architektur nicht länger in<br />

humanistischer Tradition das Verhältnis von Mensch und Welt repräsentiert. Sie konstituiert<br />

sich durch ihre eigenen Elemente entgegen ihrer konventionellen Vorstellungen. Die<br />

Architektur wird als Zeichen, welches auf die Spur ihrer eigenen Entstehung, auf etwas<br />

Abwesendes verweist, verstanden. Sie kann somit kritisch sein, weil sie frei von kulturell<br />

erwarteten Darstellungen, wie beim Symbol, ist. Der Betrachter soll sich entsprechend in<br />

einem kritischen Zustand befinden.<br />

In Eisenmans Verständnis von Architektur als Text, das sich auf de Saussure und Derrida stützt,<br />

verweist das architektonische Zeichen letztlich nur noch auf das System <strong>der</strong> Architektur. Die<br />

Bedeutung von Architektur entsteht in <strong>der</strong> Differenz und <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holbarkeit ihrer Zeichen.<br />

Dadurch entsteht eine dekonstruktivistische Praxis, die die Architektur aus ihrer festgelegten<br />

Konstruktion befreit.<br />

Die Kritik an <strong>der</strong> kritischen Architektur besteht darin, daß autonome Architektur,die<br />

Wi<strong>der</strong>stand leisten soll, ihre praktischen Möglichkeiten als Architektur offensichtlich<br />

beschränkt. Diese Theorien lassen sich nicht unmittelbar in die Praxis umsetzen. Folglich<br />

werden sie nicht weiter beachtet. Das entspricht aber <strong>der</strong> von Eisenman beabsichtigten


autonomen Architektur, die sich keinem praktischen Nutzen unterwerfen will.<br />

2002 legen Robert Somol und Sarah Whiting ein Essay vor, indem sie das Ende <strong>der</strong> kritischen<br />

Architektur erklären. Sie sehen eine „Selbstbehin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Architekten durch ihren<br />

intellektuellen Wi<strong>der</strong>stand.“ (ebd. 7) Ihre Kritik richtet sich auf Hays und Eisenmans einseitiges<br />

Interesse an den formalen und repräsentativen Aspekten <strong>der</strong> Architektur, das zu einer<br />

elitären, schwerverständlichen Hochkultur geführt hat. Ihr alternativer Ansatz ist Rem<br />

Koolhaas Definition <strong>der</strong> Architektur, „die neue Formen des Zusammenlebens produziert und<br />

projiziert“ (ebd. 4) Architektur hat für Koolhaas grundsätzlich einen unkritischen Antrieb.<br />

Daraus entwickeln Somol und Whiting das Konzept <strong>der</strong> projektiven Praxis. Projektiv bezieht<br />

sich hier auf Projektion, Projekt,Plan, Entwurf o<strong>der</strong> zukünftiges Vorhaben. Die Architektur wird<br />

als Hintergrund des Lebens verstanden und regt vielfältige Möglichkeiten an. „Die projektive<br />

Architektur soll auch gar nicht “gelesen” werden,...,sich mit ihr kritisch auseinan<strong>der</strong>zusetzen,<br />

würde ihre Wirkung schwächen.“ (ebd.4) Die Vorstellung von Praxis meint den Begriff <strong>der</strong><br />

Performance, „im übertragenen Sinn eine Kunstform mit darstellerischen Elementen“. (ebd.6)<br />

Es geht mehr um die Wirkung, um das Wie <strong>der</strong> Repräsentation <strong>der</strong> Architektur, als um das Was<br />

<strong>der</strong> Repräsentation <strong>der</strong> Architektur. (vgl. Kuhnert, u.a. 3) Damit bleibt das Thema <strong>der</strong><br />

architekturtheoretischen Diskussion über das Verhältnis von Theorie und Praxis o<strong>der</strong> Sinn<br />

und Performanz <strong>der</strong> Architektur erhalten. Somol und Whiting sehen die Entstehung des<br />

Ansatzes des Projective zeitgleich mit <strong>der</strong> Criticality Architecture. Fischer stellt über das Essay<br />

<strong>der</strong> beiden fest: „Ob und wie Architektur ihren Stand als kulturelle Praxis jenseits reiner<br />

Dienstleistung erhalten kann, bleibt offen.“ (Fischer 2007 8)<br />

Jeffrey Kipnis sieht Koolhaas sowie die Post-Criticality (neo-pragmatische Strömungen in<br />

Amerika, unter an<strong>der</strong>en von Richard Rorty geprägt) in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Kritik und des<br />

ästhetischen Wi<strong>der</strong>stands. Eine sinnliche Architektur <strong>der</strong> Performance wi<strong>der</strong>steht <strong>der</strong><br />

Vereinnahmung. Theoretisch verfolgt eine projektive Architektur scheinbar genau den Inhalt,<br />

den Eisenman in Aura und Exzess und Derrida über eine Architektur des Ereignisses<br />

beschreiben.<br />

So kann die zur Zeit aktuelle Debatte <strong>der</strong> <strong>Architekturtheorie</strong> um die „Architektonische<br />

Präsenz“ als Erbe <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne und <strong>der</strong> „kritischen Architektur“gesehen werden. Mit dem<br />

Begriff <strong>der</strong> Präsenz werden Körper und Sinne wie<strong>der</strong> in den theoretischen Diskurs eingeführt.<br />

Diese Diskussion wird nachweislich auch an renomierten Architekturhochschulen, wie <strong>der</strong><br />

ETH Zürich o<strong>der</strong> <strong>der</strong> TU Wien geführt. Sie wird als Zusammenfassung von zwei getrennten<br />

architektur-relevanten Theoriebereichen interpretiert, <strong>der</strong> Zeichen-Theorie und <strong>der</strong> Event-<br />

Theorie. Letztere baut auf Bernard Tschumis The Manhattan Transcripts auf.<br />

(vgl. TU Wien) Die Frage nach architektonischer Präsenz betrifft die Wirkung von Architektur<br />

in Bezug auf das gebaute Objekt, die mediale Erscheinung und den programmatischen und<br />

sozialpolitischen Impulsgeber. Der Begriff <strong>der</strong> Schönheit wird wie<strong>der</strong> ins Spiel gebracht.<br />

Nikolaus Kuhnert, Stephan Becker, Martin Luce und Anh-Linh Ngo veröffentlichen einen Text<br />

in dem sie die Produktion von Präsenz als das vollendete Aufgehen <strong>der</strong> Theorie in <strong>der</strong> Praxis<br />

<strong>der</strong> Performance beschreiben. Sie zitieren in diesem Zuge Marie-Louise Angerer:<br />

"Denn in <strong>der</strong> Tat war es die 'digitale Revolution', die den Umschwung von <strong>der</strong> Sprache hin zum<br />

Affekt und Gefühl eingeläutet hat. Von Taktilität war von Anfang an die Rede, von<br />

Augenblicklichkeit, Unmittelbarkeit, von <strong>der</strong> Auflösung von Zeit und Raum [...]. Herrliche Zeiten<br />

stünden bevor, weil wir uns endlich von all diesen poststrukturalistischen Denkern verabschieden<br />

könnten: Ihre Theorien würden uns nämlich im Netz leibhaftig begegnen."<br />

Die <strong>Beziehungen</strong> von Architektur und <strong>Philosophie</strong> sind in <strong>der</strong> aktuellen<br />

architekturtheoretischen Diskussion maßgeblich. Die gemeinsame Diskussion von<br />

Architekten und Philosophen, beson<strong>der</strong>s die Eisenmans und Derridas am Ende <strong>der</strong>1980er<br />

Jahre in Bezug auf die <strong>Dekonstruktion</strong>, macht eine <strong>der</strong>artige Debatte, wie sie heute erlebt<br />

wird, erst möglich. Um Architektur zeitgenössisch innerhalb sozialer, ökonomischer und


ökologischer Verän<strong>der</strong>ungen zu bestimmen, muss die architekturtheoretische<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung auch an dieser interdisziplinären Stelle innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

geschehen.


Nachwort<br />

Architektur entsteht, wie auch nur ein guter englischer Pudding, im Zusammenspiel von<br />

Theorie und Praxis. Durch <strong>Dekonstruktion</strong>en stellt sich die Frage nach dem Sinn von<br />

Architektur und <strong>Philosophie</strong> immer wie<strong>der</strong> neu. Dabei werden <strong>der</strong> Inhalt und die sich daraus<br />

ergebenden Grenzen gleichermaßen thematisiert. Derrida und Eisenman bemühen sich um<br />

<strong>Dekonstruktion</strong>en <strong>der</strong> Bestimmung von Inhalt und dem Verhältnis zu seinem formalen<br />

Ausdruck. Sie dekonstruieren die architekturale Struktur in unserem Denken gleichermaßen<br />

wie die theoretischen Voraussetzungen <strong>der</strong> Architektur. Es geht beiden um die Lösung<br />

unserer metaphysisch konstruierten Systeme, wie Signifikat und Signifikant, Theorie und<br />

Praxis o<strong>der</strong> Inhalt und formaler Ausdruck aus <strong>der</strong> ihr vorgestellten Absolutheit.<br />

Es ist nicht nur die <strong>Dekonstruktion</strong>, die in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>Architekturtheorie</strong> erörtert<br />

werden kann, son<strong>der</strong>n die <strong>Dekonstruktion</strong> ermöglicht die Erörterung <strong>der</strong> <strong>Beziehungen</strong><br />

zwischen <strong>Philosophie</strong> und Architektur. Die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Überschneidungen von<br />

<strong>Philosophie</strong> und Architektur ermöglicht eine Neudefinition ihrer Abgrenzungen.<br />

Die Verantwortung sowohl innerhalb <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> als auch <strong>der</strong> Architektur entspricht dem<br />

Dekonstruieren o<strong>der</strong> Hinterfragen von Normen, Gesetzen und unseren Wertvorstellungen.<br />

Ihre Grundlagen müssen auf Gültigkeit überprüft werden. Es ist wichtig, im Auge zu behalten,<br />

daß unsere Sichtweise nicht einer objektiven Wahrheit entsprechen kann. Sie ist individuell<br />

und an einen Moment gebunden. Um neue Lösungen zu finden, müssen wir eine offene<br />

Sichtweise in alle Richtungen anstreben.<br />

<strong>Dekonstruktion</strong> ist nicht in Architektur umsetzbar, aber die <strong>Dekonstruktion</strong>en im<br />

Entwurfsprozess sind als Spuren im Entwurf zu erfahren. Durch <strong>Dekonstruktion</strong> wird <strong>der</strong><br />

Prozess <strong>der</strong> Bedeutung o<strong>der</strong> Formfindung thematisiert. Dem entspricht we<strong>der</strong> die Erfüllung<br />

einer vorgegebenen Norm, noch die Verwendung inhaltloser Formen. Es ist die ständige<br />

Bemühung, einen Inhalt über eine Form zu transportieren, <strong>der</strong> sich durch die Form erst<br />

manifestiert. Das Wissen, daß keine gefundene Form vollendet sein kann, öffnet die Totalität<br />

dieser Teilung.<br />

Ob Entwerfen,Denken, Sprechen o<strong>der</strong> Schreiben, als gestalterische Prozesse sind sie an den<br />

Moment ihrer Bezeichnung gebunden. Sie können nicht vorher festgelegt sein. Es geht um<br />

die Gestaltung unseres Lebens in seinem eigenen Prozess.


Literaturnachweis<br />

zum Thema: <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>–</strong> <strong>Beziehungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> & <strong>Architekturtheorie</strong><br />

Primärliteratur zur <strong>Dekonstruktion</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>:<br />

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hrsg. von Ulrich Schwarz, Wien: Passagen Verlag<br />

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Sekundärliteratur über dekonstruktivistische Architektur/-theorie<br />

1981 Schnei<strong>der</strong>, Bernhard: Perspektive bezieht sich auf den Betrachter, Axonometrie bezieht<br />

sich auf den Gegenstand, Daidalos: Architektur, Kunst, Kultur; Band 1, S.81-95,<br />

Berlin: Bertelsmann<br />

1981 Reichlin, Bruno: Spiegelungen- Wechselbeziehungen zwischen Konzept, Darstellung<br />

und gebauter Architektur, Daidalos: Architektur, Kunst, Kultur; Band 1, S.60-73<br />

Berlin: Bertelsmann<br />

1987 Dialog von Derrida, Jaques und Meyer, Eva (1984) in: Das Abenteuer <strong>der</strong> Ideen<br />

Architektur und <strong>Philosophie</strong> seit <strong>der</strong> industriellen Revolution S. 97-106; Internationale<br />

Bauausstellung Veranstalter: Senator für Bau- und Wohnungswesen,<br />

Berlin: Verlag Fröhlich & Kaufmann,<br />

1988 Schindler, Bruno: Die verschlungenen Wege <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong>.<br />

Arch plus Nr.96/97, S.64-87<br />

1988 Schindler, Bruno; Kraft, Sabine; Oswald, Philipp: Weiß o<strong>der</strong> Schwarz?<br />

Arch plus Nr.96/97, S. 88-97<br />

1988a Jencks, Charles: Die Architektur <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong> Die Freuden <strong>der</strong> Absenz in:<br />

Architektur heute, Stuttgart: Klett-Cotta, S.250-269<br />

1988b Charles Jencks: Die Sprache <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen Architektur in: Wege aus <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>ne-Schlüsseltexte <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne- Diskussion, Wolfgang Welsch ( Hsrg.),<br />

Berlin: Acta humaniora VCH Verlagsgesellschaft,<br />

1988 Rötzer, Florian: Jargon des An<strong>der</strong>en, Arch plus Nr.96/97; S. 61-63<br />

1989 FH Düsseldorf FB Architektur: Architektur als Darstellung Als Zeichen als Sprache,<br />

Düsseldorf: Schriftenreihe <strong>der</strong> Fachhochschule<br />

1989 Papadakis, Andreas ( Hrsg.): Dekonstruktivismus eine Anthologie, Stuttgart: Klett-Cotta<br />

- Benjamin, Andrew: Derrida, Architektur und <strong>Philosophie</strong> S.80-84<br />

- Tschumi, Bernard: Parc de la Villette S. 175- 183<br />

- Wines, James: Auf schlüpfrigem Grund, S. 135- 138<br />

1990 Kähler, Gert ( Hrsg.): <strong>Dekonstruktion</strong>? Dekonstruktivismus? Aufbruch ins Chaos o<strong>der</strong><br />

neues Bild <strong>der</strong> Welt?, Braunschweig, Wiesbaden:Vieweg, Bauwelt Fundamente 90


1990 Norris, Christopher; Benjamin, Andrew: Was ist <strong>Dekonstruktion</strong>?,<br />

Zürich und München: Verlag für Architektur Artemis<br />

1991 Schwarz, Ullrich: Architektur für Leser, Werk, Bauen+Wohnen 10, S.48- 57<br />

1991 Thomsen, Christian W.: Experimentelle Architekten <strong>der</strong> Gegenwart ,<br />

Köln: DuMont Buchverlag<br />

1992 Hemken, Kai-Uwe: Die <strong>Dekonstruktion</strong> <strong>der</strong> Ecke - Zu einem Aspekt avantgardistischer<br />

Kunst im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t, Der Architekt 11/92<br />

1993 Kuhnert, Nikolaus; Tausch, Gunnar: Die Architektur des Ereignisses: Projekte von<br />

Eisenman, Ito, Koolhaas, Miralles, Piano, Tschumi Arch plus 119/120; S. 30-75<br />

1993 Schwarz, Ullrich Any- Architektur nach dem Ende <strong>der</strong> Gewissheiten<br />

Werk, Bauen+Wohnen 10, S.41-48<br />

1993 Kähler, Gert ( Hrsg.): Schräge Architektur und aufrechter Gang - <strong>Dekonstruktion</strong>: Bauen<br />

in einer Welt ohne Sinn?, Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, Bauwelt Fundamente 97<br />

- Vogt, Adolf Max: Schräge Architektur und aufrechter Gang<br />

- Müller, Alois Martin: Einige unaufgeregte Überlegungen zur <strong>Dekonstruktion</strong><br />

- Welsch, Wolfgang: Das weite Feld <strong>der</strong> <strong>Dekonstruktion</strong><br />

1994 Wigley, Mark: Architektur und <strong>Dekonstruktion</strong>: Derridas Phantom,<br />

Basel, Berlin, Boston: Birkhäuser ArchitekturBibliothek<br />

1994 Fu<strong>der</strong>, Dieter: Am Maßstab <strong>der</strong> Sprache Der Architekt 4/94, S.193-197<br />

1994 Steiner, Barbara; Schmidt-Wulffen, Stephan ( Hrsg.) In Bewegung. Denkmodelle zur<br />

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1995 Ciorra, Pippo: Peter Eisenman - Bauten und Projekte, Stuttgart: DVA<br />

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2000b Elser, Oliver: Vorsicht Eisenman<br />

25. 5. 2000 | Frankfurter Allgemeine Zeitung / Berliner Seiten,<br />

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2001 Sewing, Werner: Von Deleuze zu Dewey? Archplus 157<br />

www.archplus.net/download.php?art=191<br />

2005 Perren, Claudia: Dan Graham, Peter Eisenmann - Positionen zum Konzept<br />

[Elektronische Ressource] http://d-nb.info/gnd/131343203, Kassel: Kassel Univ. Press<br />

2006 Davidson, Cynthia (Hrsg.): Auf den Spuren von Eisenman Zürich: Niggli AG Sulgen<br />

2006 Krause, Daniel: Missreading Peter Eisenman, Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine<br />

Kunstwissenschaft, B.51/2, S. 287-295, Hamburg: Meiner Verlag


2006 Kuhnert, Nikolaus; Becker ,Stephan; Luce, Martin; Anh-Linh Ngo: Die Produktion von<br />

Präsenz Potenziale des Atmosphärischen,<br />

http://www.nextroom.at/publication_article.php?<br />

publication_id=3249&article_id=24918<br />

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http://magazines.documenta.de/frontend/article.php?IdLanguage=5&NrArticle=1768<br />

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2008 TU Wien: Zum Thema Präsenz<br />

http://www.gbl.tuwien.ac.at/_docs/studio/2008/index.html<br />

2009 Schwarz, Ullrich: Neue Wege Ist <strong>der</strong> Architektur noch zu helfen?<br />

ZEIT online - 24. Mai 2009 http://www.zeit.de/2001/50/200150_lit_archi.xml<br />

2009 Fischer, Ole W.: Post-Structural, Post-Critical, Post-Political?<br />

http://www.danielandujar.org/2009/01/08/ole-w-fischer-post-structural-post-criticalpost-political/<br />

2009 Schnei<strong>der</strong>, Tatjana: Über die Fähigkeit, an<strong>der</strong>weitig zu agieren<br />

http://www.oegfa.at/event.php?item=5114<br />

2009 http://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_Tschumi

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