Gemeindeblatt - Reformierte Kirchgemeinde Solothurn
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ReFoRmieRte KiRchGemeinde<br />
SolothuRn<br />
Aus den Gemeindekreisen<br />
Unterer Leberberg<br />
Das Leben in drei Worten<br />
zusammengefasst!<br />
Liebe Mitchristen,<br />
liebe Mitchristinnen<br />
Wenn ich am Vormittag im Büro<br />
arbeite, so öffne ich gegen fünf<br />
vor zwölf die Bürotüre. Telefonate<br />
kann ich keine mehr machen.<br />
Dies ist auch gut so, denn nun<br />
wird es gleich losgehen. Zwischen<br />
zwölf und halb eins geht es bei uns<br />
an Werktagen bisweilen ziemlich<br />
hoch zu und her: Deborah kommt<br />
zu Fuss aus der Schule heim, dann<br />
folgt per Velo Rebecca, und je nach<br />
Verkehrsaufkommen folgt als letzter<br />
Manuel; er wird mit dem Bus<br />
Die diesjährigen Konfirmandinnen<br />
und Konfirmanden aus<br />
dem Unteren Leberberg<br />
Bachmann Anja, Beyeler Isabelle,<br />
Bloch Joscha, Donzé Joël, Emch<br />
David, Frehner Alena, Oesch<br />
Thierry, Rippstein Yannick, Rüegsegger,<br />
Schneider Julia, Schneider<br />
Stephan, Schneiter Janina, Seidt<br />
Noëlle, Suntinger Anna, Wässen<br />
Jolanda, Weyermann Vinzens,<br />
Zimmermann Sara.<br />
Selzach-Lommiswil<br />
Liebe Gemeinde<br />
Im Zug mitten im Emmental<br />
zwischen Thun und <strong>Solothurn</strong>. Ein<br />
junges Mädchen, schwarz gekleidet,<br />
mit Kopfhörern im Ohr, lässt<br />
sich in ein Viererabteil fallen, reisst<br />
das Fenster ganz herunter und lässt<br />
sich den eiskalten Fahrtwind um<br />
die Nase wehen. Im nächsten Viererabteil<br />
sitzen ein mittelalterliches<br />
Ehepaar und im übernächsten<br />
ich. Der Mann steht auf, geht<br />
auf das Mädchen zu und bittet<br />
es höflich, das Fenster zu schliessen.<br />
Keine Reaktion, das Mädchen<br />
nimmt nicht mal die Kopfhörer<br />
aus dem Ohr, starrt weiter ins Leere.<br />
Der Mann setzt sich wieder an<br />
seinen Platz. Es zieht wie Hechtsuppe,<br />
die Sonne scheint zwar, aber<br />
es sind Temperaturen von knapp<br />
gebracht. Zwischen den Beinen<br />
schwirrt Eriona herum, die schon<br />
lange auf die Geschwister und auf<br />
das Essen wartet, manchmal auch<br />
auf «öppis Süesses». – Das volle Leben.<br />
Alle, die von der Schule heimkommen,<br />
haben ihre Geschichte<br />
zu erzählen – manchmal sind<br />
es auch Geschichten. Da und dort<br />
hat es eine Probe gegeben. Ich frage:<br />
«Und, wie war der Test in Geschichte?»<br />
Da erhalte ich manchmal<br />
als Antwort: «Papi, es war ganz<br />
schön schwer!»<br />
Ich höre genauer hin: Ganz<br />
schön – schwer! Ja. Ist das nicht ein<br />
Gegensatz: Ganz schön schwer?<br />
Ich denke in einer ruhigen Minute<br />
darüber nach, und mir fällt<br />
auf: Das ist doch eine treffende Beschreibung<br />
für das Leben. Auch<br />
vom Leben gilt doch: Es ist ganz<br />
schön – schwer.<br />
Jetzt, in diesen Frühlingstagen:<br />
Mit dieser Blütenpracht, mit diesen<br />
frischen Düften, mit dem Lebensüberfluss:<br />
Da ist das Leben<br />
ganz, ganz schön. Und wenn das<br />
Leben mir wehtut, weil mich Men-<br />
null Grad. Der Mann steht erneut<br />
auf und bittet noch einmal, erneut<br />
keine Reaktion. Da wird es ihm zu<br />
bunt, er schliesst krachend das<br />
Fenster und geht wütend an seinen<br />
Platz. Kaum hat er wieder neben<br />
seiner Frau Platz genommen,<br />
zieht das Mädchen ihr Fenster wieder<br />
etwa 10 cm herunter. Nur mit<br />
Mühe kann die Frau ihren Mann<br />
zurückhalten, sodass der Konflikt<br />
nicht eskaliert. An der nächsten<br />
Station steigt das Mädchen – Gott<br />
sei dank – aus.<br />
Ich studiere der Situation noch<br />
lange nach. Was ging wohl in dem<br />
jungen Mädchen vor? Warum hatte<br />
sie sich so vor der Aussenwelt abgeschottet?<br />
Was hatte sie erlebt,<br />
dass sie den eiskalten Fahrtwind<br />
brauchte, um sich selbst zu spüren<br />
und herunterzukühlen? Wie hät-<br />
schen verletzen oder weil ich von<br />
jemandem gegen meinen Willen<br />
getrennt werde oder wenn ich<br />
krank bin, dann gilt: ganz schwer!<br />
Wie könnte man die Erfahrung<br />
von Karfreitag<br />
und Ostern in einem<br />
Satz zusammenfassen?<br />
Wie<br />
das Geschenk<br />
des Lebens beschreiben?<br />
Wie<br />
kann man in<br />
drei Worten ausdrücken,<br />
was das<br />
Leben ist? Die<br />
Kinder am Mittag<br />
haben mich<br />
daraufgebracht:<br />
Leben – das ist ganz schön schwer!<br />
Übrigens: Eine genaue Hausadresse<br />
zu finden, ist manchmal<br />
auch ganz schön schwer. Zum ersten<br />
Mal habe ich ein Auto mit GPS<br />
(Navigationssystem). Eine praktische<br />
Sache für mich, der ich ständig<br />
Adressen suchen muss. Letzthin<br />
wollte ich das trendige Gerät<br />
auf seine besonderen Fähigkeiten<br />
prüfen. Ich stand auf dem Parkplatz<br />
des <strong>Kirchgemeinde</strong>hauses in<br />
te man die Situation anders lösen<br />
können? Es wäre bald nicht mehr<br />
nur um das Fenster gegangen, sondern<br />
die Sache hätte sich zu einem<br />
Machtkampf mit bald einem Dutzend<br />
Zuschauern entwickelt. Hätte<br />
es eine Lösung gegeben, bei dem<br />
alle ihr Gesicht noch hätten wahren<br />
können? Ich habe mir auch<br />
überlegt, ab welchem Moment ich<br />
eingegriffen hätte. Etwa, wenn<br />
der Mann, der völlig zu Recht darum<br />
bat, das Fenster zu schliessen,<br />
handgreiflich geworden wäre? Am<br />
schlimmsten war das eisige Schweigen<br />
des Mädchens. Hätte man ihr<br />
einen Mantel umlegen sollen, um<br />
ihr ein Lächeln zu entlocken? Hätte<br />
das Ehepaar sich einfach woanders<br />
hinsetzen sollen? Keine Ahnung,<br />
ob so etwas funktioniert<br />
hätte. Aber ich bin erschrocken,<br />
<strong>Gemeindeblatt</strong> der <strong>Reformierte</strong>n <strong>Kirchgemeinde</strong> <strong>Solothurn</strong><br />
Günsberg. Ich fragte nun die Elektronik<br />
– probehalber –, wo sich der<br />
nächste Parkplatz befinde. Das topmoderne<br />
Gerät gab mir an: in 2,4<br />
km, Richtung Balmberg! «Bitte bie-<br />
gen Sie links ab!» – Auch Computer<br />
sind immer so schlau wie die Informationen,<br />
mit denen sie gefüttert<br />
werden ...! Und: Falls ich einmal zu<br />
spät zu einem Besuch komme, so<br />
haben Sie jetzt eine Ahnung warum!<br />
Abwesenheit: Ferien vom 7. bis 14. Mai; Stellvertretung Pfarrer Samuel Stucki, Tel. 032 623 93 80.<br />
Ich wünsche Ihnen<br />
Gottes Segen im Mai,<br />
Pfarrer Samuel Stucki<br />
wie schnell aus Alltagssituationen<br />
heraus Gewalt entstehen kann.<br />
Und mit einem Blick auf die vielen<br />
aktuellen Konfliktherde in Nordafrika<br />
und anderswo in der Welt:<br />
Wie schnell geht es nicht mehr um<br />
die eigentlichen Anliegen, sondern<br />
nur noch um Macht und «Ehre»?<br />
Wie können alle Beteiligten in einem<br />
Konflikt «ihr Gesicht wahren»?<br />
Plötzlich bekommt ein Satz<br />
des aaronitischen Segens für mich<br />
einen neuen Aspekt: «Gott erhebe<br />
sein Angesicht auf dich und lasse<br />
sein Antlitz über dir leuchten.» Es<br />
braucht wirklich göttliche Segenskräfte,<br />
dass wir einander immer<br />
wieder in einem neuen Antlitz sehen<br />
und erkennen können.<br />
Seien Sie herzlich gegrüsst im<br />
Wonnemonat Mai,<br />
Pfarrer Stephan Hagenow<br />
12 5/2011