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seite 32<br />
Fachvorträge Excerpt ii: elektromagnetik<br />
from the Proceedings of the <strong>COMSOL</strong> Users Conference 2006 Frankfurt<br />
Simulation eines Festkörperaktors mit <strong>COMSOL</strong> Multiphysics<br />
Tankred Müller *,1 , Helmut Haase 1<br />
1 Leibnitz Universität Hannover, Institut für Grundlagen der Elektrotechnik und Messtechnik,<br />
*Appelstr. 9A, D-30167 Hannover, mueller@geml.uni-hannover.de.<br />
Zusammenfassung<br />
Bei herkömmlichen Verbrennungsmotoren werden die<br />
Ein- und Auslassventile für Kraftstoff-Luft-Gemisch und<br />
Abgase nach wie vor rein mechanisch durch Nockenwellen<br />
gesteuert. Die Verwendung voneinander unabhängiger<br />
Ventilaktoren ermöglicht eine hohe Effizienzsteigerung.<br />
Zur Abschätzung des konstruktiven Aufwands eines Aktors<br />
auf Basis magnetischer Formgedächtnismetalle wird<br />
ein einfaches Modell mit <strong>COMSOL</strong> Multiphysics simuliert<br />
und untersucht. Das resultierende Modell verkoppelt<br />
mechanische und magnetische Differentialgleichungen.<br />
Stichwörter (Keywords)<br />
Ventiltrieb, Aktor, Magnetische Formgedächtnismetalle,<br />
MSMA<br />
1. Einführung<br />
Die den Zylindern zugeordneten Ventilsätze werden von<br />
einer Nockenwelle angesteuert, deren Drehung starr an die<br />
Kurbelwelle gekoppelt ist. Eine Beeinflussung der Ventilsteuerzeiten<br />
oder des Ventilhubs ist mit diesem System<br />
nicht möglich. Verschiedene Modifikationen der Nockenwelle,<br />
die eine Variation der Phasenbeziehung zwischen<br />
Ein- und Auslassventilen ermöglichen, können Effizienz<br />
und Leistung der Motoren nur in begrenztem Umfang verbessern.<br />
Eine Ansteuerung der Ventilsätze durch voneinander unabhängige<br />
Ventilaktoren kann das Motorverhalten erheblich<br />
verbessern. Eine Ausstattung mit vollvariablen Aktoren<br />
erlaubt neben der Beeinflussung der Steuerzeiten auch<br />
eine Zylinderabschaltung, die eine Kraftstoffersparnis bei<br />
Teillast ermöglicht.<br />
Für die Simulation eines Aktors müssen zunächst die kinematischen<br />
Anforderungen an einen Ventiltrieb und der<br />
zur Verfügung stehende Bauraum definiert werden. Die<br />
folgenden Ausführungen behandeln ausschließlich die<br />
Anforderungen an Auslassventile. Einlassventile werden<br />
aufgrund des bei Ventilöffnung geringeren Zylinderdrucks<br />
weniger belastet und unterliegen somit geringeren Anforderungen<br />
als Auslassventile.<br />
In Annäherung an die üblicherweise durch die Nockenprofile<br />
vorgegebenen Verläufe wird ein harmonischer Ventilhub<br />
x(t) mit einem maximalen Weg von 10 mm vorgesehen.<br />
Bei einem Viertaktmotor und einer Drehzahl von<br />
6000 min -1 ergibt sich bei jedem Ventil der mit 20 ms periodische<br />
Verlauf nach Abb. 1.<br />
Abbildung 1. Ventilhub x(t) über der Zeit.<br />
Die Ventile sollen dem gegebenen Verlauf folgen. Auf ein<br />
Ventil wirken verschiedene Einflüsse: Die Gasdruckgegenkraft<br />
F Gas berücksichtigt den auf den Ventilteller wirkenden<br />
Gasdruck im Verbrennungsraum, die vom Aktor<br />
einzuprägende Kraft wird mit F Aktor angesetzt. Unter Berücksichtigung<br />
der Trägheit der Ventilmasse m Ventil und<br />
unter Vernachlässigung von Reibeffekten ergibt sich die<br />
Bewegungsgleichung<br />
Bei Öffnung des Auslassventils herrscht im Verbrennungsraum<br />
ein Druck von etwa 10 bar. Dieser Druck nimmt bei<br />
steigendem Öffnungsquerschnitt des Auslasses ab. Der<br />
Gasdruck fällt in Näherung bis zur Hälfte des Ventilhubs<br />
linear bis auf den Umgebungsdruck. Die Amplitude der<br />
auf den Ventilteller wirkenden Gasdruckkraft kurz nach<br />
Öffnung des Ventils ergibt sich bei einem Ventiltellerdurchmesser<br />
von 24,5 mm [Tab99] zu F Gas = 470 N.<br />
Mit einer Ventilmasse von 25 g ergibt sich nun für die vom<br />
Aktor geforderte Kraft F Aktor der Verlauf nach Abb. 2. Zur<br />
besseren Übersicht ist nur der Zeitraum der Ventilaktivität<br />
dargestellt. Der Aktor hat demnach eine Kraft von bis zu<br />
680 N zu liefern.<br />
Der zur Verfügung stehende Bauraum ist beschränkt – es<br />
steht eine Grundfläche in der Größenordnung von 100 mm<br />
Breite zur Verfügung. Ausgehend von der räumlichen Ausdehnung<br />
einer klassischen Nockenwelle wird die maximale<br />
Bauhöhe auf etwa 150 mm gesetzt.<br />
Abbildung 2. Zur Einhaltung des geforderten Hubverlaufs<br />
vom Aktor zu liefernde Kraft.<br />
<strong>COMSOL</strong> ANWENDERKONFERENZ 2006
Fachvorträge Excerpt ii: from elektromagnetik<br />
the Proceedings of the <strong>COMSOL</strong> Users Conference 2006 Frankfurt<br />
Für diesen Anwendungsbereich sind verschiedene Aktorkonstruktionen<br />
denkbar. Die üblicherweise projektierten<br />
elektromagnetischen Schwinger erlauben nur zwei stabile<br />
Haltepunkte, eine teilweise Öffnung der Ventile ist nicht<br />
möglich. Festkörperaktoren bieten prinzipiell die Möglichkeit,<br />
beliebige Ventilpositionen anzusteuern und zu<br />
halten.<br />
Unter anderen sind magnetische Formgedächtnismetalle<br />
bezüglich ihrer Leistungsdichte für diesen Anwendungszweck<br />
geeignet.<br />
2. Grundlagen magnetischer Formgedächtnismetalle<br />
Bei den klassischen Formgedächtnislegierungen wird<br />
eine Veränderung der Kristallstruktur durch Zufuhr von<br />
Wärme erzielt. Die magnetischen Formgedächtnismetalle<br />
(MSMA: Magnetic Shape Memory Alloy) reagieren in<br />
gleicher Weise vornehmlich auf das sie durchdringende<br />
Magnetfeld. Bei NiMnGa-Legierungen ist der Formgedächtnis-effekt<br />
besonders ausgeprägt [Soz02]. Im unbelasteten<br />
Zustand werden Dehnungen bis zu 10 % erreicht<br />
[Tel02]. Diese Parameter versprechen einen Aktor mit geringem<br />
konstruktivem Aufwand durch minimale Hebelübersetzung.<br />
Der magnetische Formgedächtniseffekt beruht auf mikroskopischen<br />
Vorgängen in der Legierung. Im unausgesteuerten,<br />
unbelasteten Zustand liegt eine Kristallstruktur<br />
mit tetragonaler Symmetrie vor. Der Körper ist in einer<br />
Richtung leichter magnetisierbar [Soz02]. Ein den Körper<br />
durchdringendes Magnetfeld führt zu einer Beeinflussung<br />
der Kristallorientierung.<br />
Das Verhalten eines magnetischen Formge-dächtnismetalls<br />
ist in Abb. 3 vereinfacht dargestellt. Im linken Teil der<br />
Abbildung ist die den Körper durchdringende magnetische<br />
Flussdichte null, die Kristalle sind mit der kürzeren, leichter<br />
magnetisierbaren c-Achse in Ausdehnungsrichtung des<br />
Aktors orientiert. Mit steigendem Magnetfeld richten sich<br />
immer mehr Teile des Körpers mit der a-Achse in Ausdehnungsrichtung.<br />
Der Körper dehnt sich. Die maximale<br />
Dehnung des Körpers wird bei vollständiger Ausrichtung<br />
der Kristallstruktur erzielt; eine Steigerung der magnetischen<br />
Flussdichte erhöht die Dehnung daher nicht weiter.<br />
Die maximal erzielbare Dehnung entspricht dem Verhältnis<br />
a/c.<br />
Abbildung 3. Prinzipielles Verhalten einer MSMA bei zunehmendem<br />
Magnetfeld.<br />
<strong>COMSOL</strong> ANWEDNERKONFERENZ 2006<br />
Abbildung 4. Abhängigkeit der Dehnung von der magnetischen<br />
Feldstärke bei einer mechanischen Spannung von s =1,5 MPa.<br />
Nach erfolgter Ausdehnung des Materials befindet sich der<br />
Körper in einem stabilen Zustand. Für ein zyklisches Verhalten<br />
ist eine Rücksetzung in das ursprüngliche Gefüge<br />
nötig. In üblichen Konstruktionen wird dafür eine Rückstellfeder<br />
verwendet.<br />
Für den empfohlenen Betriebspunkt bei einer mechanischen<br />
Spannung von = 1,5 MPa und einer Dehnung von<br />
= 5,5 % ergibt sich in Näherung eine feldabhängige Dehnung<br />
nach Abb. 4 [Tel02].<br />
Die von der Ausrichtung der Kristalle abhängige Magnetisierung<br />
des Körpers führt zu einer Dämpfung des eingeprägten<br />
Magnetfelds. Die Dämpfung kann näherungsweise<br />
durch Demagnetisierungsfaktoren berücksichtigt werden.<br />
Es gelten nach [Kie06] im zweidimensionalen Fall folgende<br />
Faktoren:<br />
Der Aktor wird im Sinn einer Machbarkeitsstudie in COM-<br />
SOL Multiphysics simuliert.<br />
3. Simulation in <strong>COMSOL</strong> Multiphysics<br />
3.1 Geometrie<br />
Der Anwendungszweck diktiert die Dimensionen des Aktors.<br />
Die erzielbare Dehnung des Aktormaterials ergibt bei<br />
einer Länge von 100 mm einen maximalen Hub von 5,5<br />
mm und erfordert damit eine Vergrößerung des Stellwegs<br />
mit dem Hebelfaktor a = 1,8. Die vom Aktor zu liefernde<br />
Kraft steigert sich im selben Verhältnis auf 1,2 kN (vergl.<br />
Abb. 2). Bei der vorgesehenen mechanischen Spannung<br />
im aktiven Aktormaterial ergibt sich eine erforderliche<br />
Materialgrundfläche von A = F / = 810 mm 2 .<br />
Aufgrund der relativ großen vorhandenen Bautiefe kann<br />
von einer vernachlässigbar geringen Abhängigkeit des<br />
Modells von der z-Koordinate ausgegangen werden. Es<br />
wird eine zweidimensionale Simulation verwendet. Mit<br />
den oben beschriebenen maximalen Dimensionen ergibt<br />
sich eine Geometrie nach Abb. 5. Es wird eine zweidimensionale<br />
Umgebung verwendet, bei der berechneten Fläche<br />
des aktiven Aktormaterials und der festgelegten Breite von<br />
10 mm ergibt sich eine Bautiefe von 81 mm.<br />
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Fachvorträge Excerpt ii: elektromagnetik<br />
from the Proceedings of the <strong>COMSOL</strong> Users Conference 2006 Frankfurt<br />
Abbildung 5. Darstellung der verwendeten zweidimensionalen<br />
Geometrie.<br />
Die linke und rechte Spule werden rechtshändig zur x-<br />
Achse bestromt und setzen den MSMA-Aktivteil einer<br />
magnetischen Flussdichte in x-Richtung aus.<br />
3.2 Simulation<br />
Bei der vorliegenden Simulation werden gekoppelte elektromagnetische<br />
und mechanische Größen untersucht. Es<br />
werden daher die Module Magnetostatics und Plane Strain<br />
verwendet.<br />
Die von der magnetischen Feldstärke ausgelöste mechanische<br />
Dehnung wird gemäß Abb. 4 durch die Gleichung<br />
modelliert. Die eingebetteten Ungleichungen, die FEM-<br />
LAB als logische Terme mit 0 oder 1 auswertet, ermöglichen<br />
eine abschnittweise Definition der Dehnung. Eine<br />
Volumenänderung des Materials wird vernachlässigt.<br />
Die Dämpfungsfaktoren werden in <strong>COMSOL</strong> Multiphysics<br />
durch eine anisotrope Permeabilitätsmatrix im<br />
Formgedächtnismetall implementiert.<br />
Die konstituierende Gleichung des MSMA-Bereichs<br />
enthält die relative Permeabilitätsmatrix .<br />
Abbildung 6. Ergebnis der Simulation: Dargestellt ist die Dehnung<br />
in y-Richtung (Oberfläche) bei einer Stromdichte von 4 A/mm 2 in<br />
den Spulen.<br />
4. Ergebnis der Simulation<br />
Ein Ergebnis für eine Simulation bei einer Stromdichte<br />
von 4 A / mm 2 ist in Abb. 6 dargestellt, der Stab ist nahezu<br />
völlig gedehnt. Die nicht gedehnten Enden des aktiven<br />
Aktormaterials sind auf eine zu geringe x-Koordinate der<br />
magnetischen Feldstärke zurückzuführen.<br />
Durch eine parametrische Simulation kann die minimal<br />
erforderliche Stromdichte für volle Ausdehnung zu<br />
3,9 A / mm 2 ermittelt werden (siehe Abb. 7). Bei der verwendeten<br />
Geometrie herrschen in einigen Teilen des Eisenkreises<br />
unrealistische magnetische Flussdichten von mehr<br />
als 5 T. Entsprechend sollte das Eisen mit seiner nichtlinearen<br />
Magnetisierungskurve modelliert und die Flussführung<br />
noch weiter optimiert werden. Bei einer Begrenzung<br />
der Flussdichte auf für übliche Eisenkreise vertretbare 1,5<br />
T wird eine Gesamtdehnung von 1,4% erreicht.<br />
Abbildung 7. Über die Aktordicke gemittelte Aktorgesamtlänge l<br />
in Abhängigkeit von der Stromdichte S in den Spulen.<br />
<strong>COMSOL</strong> ANWENDERKONFERENZ 2006
Fachvorträge Excerpt ii: from elektromagnetik<br />
the Proceedings of the <strong>COMSOL</strong> Users Conference 2006 Frankfurt<br />
5. Fazit und Ausblick<br />
Es wurde ein einfaches Modell für magnetische Formgedächtnismetalle<br />
unter <strong>COMSOL</strong> Multiphysics umgesetzt.<br />
Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist die verwendete<br />
Konstruktion untauglich für den Einsatz als Auslassventiltrieb<br />
in Verbrennungsmotoren.<br />
Das verwendete Modell ist auf den empfohlenen Betriebspunkt<br />
beschränkt – eine Erweiterung um externe mechanische<br />
Belastungen erscheint wünschenswert.<br />
Literatur- und Quellenangaben<br />
[Kie06] Kiefer, Lagoudas: Application of a Magnetic<br />
SMA Constitutive Model in the Analysis of Magnetomechanical<br />
Boundary Value Problems.<br />
<strong>COMSOL</strong> ANWEDNERKONFERENZ 2006<br />
[Tab99] Robert Bosch GmbH, Kraftfahr-technisches Taschenbuch,<br />
23. Auflage.<br />
[Tel02] Tellinen, Jääskeläinen, Aaltio, Ullako: Basic Properties<br />
of Magnetic Shape Memory Actuators,<br />
Proceedings of ACTUATOR 2002.<br />
[Soz02] Sozinov, Likhachev, Ullako: Crystal Structures<br />
and Magnetic Anisotropy Properties of Ni-Mn-<br />
Ga Martensitic Phases With Giant Magnetic-<br />
Field-Induced Strain, IEEE Transactions On Magnetics,<br />
Vol. 38, 2002.<br />
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