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Predigt vom Sonntag, dem 25.1.2004 in Klein-Winternheim von ...

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<strong>Predigt</strong> <strong>vom</strong> <strong>Sonntag</strong>, <strong>dem</strong> <strong>25.1.2004</strong><br />

<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>-W<strong>in</strong>ternheim<br />

<strong>von</strong> Herrn Prädikant Wilhelm Stutz aus der ev. Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Essenheim<br />

Gnade sei mit uns und Friede <strong>von</strong> Gott, unserem Vater,<br />

und unserem Herrn Jesus Christus. Amen ( Rm 1,7 / 1.Kr 1.3 / GaI 1.3 etc.<br />

Textlesung: Rm 1, 16- 17:<br />

Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist e<strong>in</strong>e Kraft Gottes,<br />

die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die<br />

Griechen.<br />

Denn dar<strong>in</strong> wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt<br />

aus Glauben <strong>in</strong> Glauben; wie geschrieben steht (Habakuk 2,4): „Der Gerechte<br />

wird aus Glauben leben.“<br />

Liebe Geme<strong>in</strong>de,<br />

Jeder <strong>von</strong> uns - auch ich selbst - wir alle kennen das Gefühl der Scham. Wir haben uns, aus<br />

den verschiedensten Gründen, alle schon e<strong>in</strong>mal geschämt; und schämen tun wir uns für<br />

etwas, was wir als schlecht oder unpassend - also negativ - empf<strong>in</strong>den.<br />

Und haben wir uns nicht auch schon e<strong>in</strong>mal des Evangeliums, d.h. unseres Christse<strong>in</strong>s<br />

geschämt? Ich er<strong>in</strong>nere mich z.B. daran, dass es mir e<strong>in</strong>mal passiert ist, dass ich auf das<br />

Tischgebet verzichtet habe, weil e<strong>in</strong> anderer mit am Tisch saß, <strong>von</strong> <strong>dem</strong> ich wusste, dass er<br />

nicht viel <strong>vom</strong> Beten hielt.<br />

Bedeutet nicht all unser Lavieren, all unser Bemühen nirgendwo anzuecken, nicht den<br />

Ansche<strong>in</strong> <strong>von</strong> Frömmelei zu erwecken, bedeutet das nicht: sich des Evangeliums schämen?<br />

Und bef<strong>in</strong>den wir uns dabei nicht <strong>in</strong> guter Gesellschaft, hat doch sogar Petrus Jesus verleugnet?<br />

Es kommt also vor, dass wir uns unseres Glaubens schämen, und das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „christlichen“<br />

Umfeld. Wie sah im Vergleich dazu die Umwelt des Paulus aus:<br />

E<strong>in</strong>e absolut unchristliche Welt; e<strong>in</strong>e Welt, <strong>in</strong> der die Christen um ihres Glaubens willen<br />

verfolgt, gepe<strong>in</strong>igt, ja sogar getötet wurden. Und Zentrum dieser antichristlichen Haltung war<br />

die damalige Weltstadt Rom. Und genau dorth<strong>in</strong> will Paulus gehen - wie beklemmend ihm<br />

dabei zumute gewesen se<strong>in</strong> mag, können wir nur erahnen. Und doch formuliert Paulus: “Ich<br />

schäme mich des Evangeliums nicht“, d.h. ich stehe voll und ganz zu dieser me<strong>in</strong>er<br />

Botschaft. In gleichem S<strong>in</strong>ne hat sich auch Mart<strong>in</strong> Luther vor Kaiser und Kirche zu se<strong>in</strong>er<br />

Überzeugung bekannt.<br />

Wenn wir unser Auftreten mit <strong>dem</strong> der gerade genannten Männer vergleichen, dann müssen<br />

wir uns unwillkürlich die Frage stellen, woher diese Menschen diesen Mut genommen haben.<br />

Paulus nennt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Brief e<strong>in</strong>e Begründung: “Ich schäme mich des Evangeliums nicht,<br />

denn es ist e<strong>in</strong>e „Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben“.<br />

- Seite 1 -


Vom Evangelium geht also e<strong>in</strong>e Kraft aus, die Menschenleben verändert. Menschen, die <strong>von</strong><br />

der Botschaft Jesu ergriffen werden, spüren es, dass im Evangelium die Kraft Gottes, das<br />

Wirken Gottes offenbart wird, für Juden und Griechen, d.h. für alle Menschen, ohne<br />

Ausnahme. Paulus und Luther haben diese Kraft des Evangeliums gespürt und sich <strong>von</strong> ihr<br />

tragen lassen.<br />

Für Luthers Verständnis der Heiligen Schrift war diese Textstelle am Anfang des<br />

Römerbriefes <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung. Jahrelang hat er sich mit Zweifeln<br />

herumgeschlagen, ja Todesängste ausgestanden; er fürchtete sich vor der Gerechtigkeit<br />

Gottes, denn wenn Gott wirklich gerecht urteilt, wer kann dann vor ihm bestehen? Erst als<br />

Luther begriff, was Paulus hier eigentlich formuliert hat, da wurde ihm leichter ums Herz.<br />

Und deshalb sollten auch wir noch e<strong>in</strong>mal ganz genau auf die Worte des Paulus hören: „Im<br />

Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart aus Glauben zum Glauben, wie es <strong>in</strong> der<br />

Schrift heißt: der aus Glauben Gerechte wird leben.“<br />

Es geht folglich nicht um die Gerechtigkeit, mit der Gott die Sünder bestraft, die ohneh<strong>in</strong> mit<br />

ihrer Sünde schon gestraft genug s<strong>in</strong>d, sondern um die, mit der er die Sünder gerecht spricht.<br />

Wer dieses Evangelium im Glauben annimmt, der wird leben.<br />

Was der Apostel Paulus hier schreibt, ist e<strong>in</strong>e ziemliche Herausforderung, auch für uns<br />

Menschen <strong>von</strong> heute. Es fällt uns nicht leicht, uns auf e<strong>in</strong>e Diskussion e<strong>in</strong>zulassen, was das<br />

denn alles für uns bedeutet.<br />

Denken wir nicht gerne, es gehe immer erst e<strong>in</strong>mal um die anderen. Wir, die wir hier im<br />

Gottesdienst versammelt s<strong>in</strong>d, haben doch das Heil. Die anderen, die nicht hier s<strong>in</strong>d, die<br />

nicht so s<strong>in</strong>d wie wir, die müssten das hören und sich zu Herzen nehmen.<br />

Wirklich? S<strong>in</strong>d es wirklich nur die anderen? Machen wir es uns nicht zu leicht? Aus der<br />

sicheren Lage der Nichtbetroffenen ist immer gut zu urteilen über andere, die so oder so<br />

betroffen s<strong>in</strong>d.<br />

Es gibt so e<strong>in</strong>e Stammstischrechthaberei, die immer gleich weiß, was für andere richtig und<br />

was falsch ist. Wie vere<strong>in</strong>fachend, ja verantwortungslos wird da mit Problemen umgegangen,<br />

wie z.B. der Stasi-Vergangenheit im Gebiet der ehemaligen DDR oder <strong>dem</strong> Schwangerschaftsabbruch.<br />

Wie schnell werden Menschen dann beurteilt - und auch abgeurteilt! Haben<br />

wir nicht oft genug schon die Faust <strong>in</strong> der Tasche geballt oder den Ste<strong>in</strong> ergriffen, mit <strong>dem</strong><br />

andere geste<strong>in</strong>igt werden sollten? Und je größer unser Eifer für e<strong>in</strong>e Sache ist, je mehr wir<br />

<strong>von</strong> unserer Me<strong>in</strong>ung überzeugt s<strong>in</strong>d, ist nicht auch desto radikaler die Ablehnung derer, die<br />

nicht so s<strong>in</strong>d wie wir?<br />

Was der Apostel Paulus mit se<strong>in</strong>em Römerbrief den Gläubigen damals - und uns heute -<br />

zumutet, ist zunächst e<strong>in</strong>mal der Verzicht auf diese Stammtischrechthaberei. Wir leben <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Welt der Sünde, und Paulus macht ganz deutlich, dass es den, der ohne Sünde ist, nicht<br />

gibt. Was kommt denn dabei heraus, wenn wir unsere Situation e<strong>in</strong>mal ehrlich nach eigenen<br />

Maßstäben bedenken? Wären oder waren wir denn frei <strong>von</strong> jeder Versuchung? Oder s<strong>in</strong>d wir<br />

nicht gar selber diesen oder jenen Irrweg gegangen? Was würde aus uns, wenn wir an den<br />

Maßstäben gemessen würden, mit denen wir andere messen wollen?<br />

- Seite 2 -


Ne<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong>er hat Grund, sich über den anderen zu erheben. Wir s<strong>in</strong>d ganz und gar angewiesen<br />

auf die Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Wir haben nichts vorzuweisen und wären verloren,<br />

wenn es nicht das Evangelium <strong>von</strong> der Gerechtigkeit Gottes <strong>in</strong> Jesus Christus gäbe.<br />

So persönlich <strong>von</strong> unserer Situation, unserer Sünde vor Gott zu sprechen, liegt uns wenig.<br />

Das Wort Schuld ist unserem Sprachgebrauch fremd geworden, zum<strong>in</strong>dest, was uns selbst<br />

betrifft. Schieben wir nicht gerne immer die Schuld auf andere: „Der da war‘s ...“? Reden wir<br />

heute nicht lieber <strong>von</strong> den gesellschaftlichen Verhältnissen und <strong>von</strong> den Lebensbed<strong>in</strong>gungen,<br />

die für alles verantwortlich s<strong>in</strong>d? Nicht wir sondern die Verhältnisse s<strong>in</strong>d schuld. Also<br />

brauchen auch nicht wir uns zu ändern, vielmehr müssen die Verhältnisse geändert werden.<br />

Nehmen wir als Beispiel die K<strong>in</strong>der: Wir hören Beunruhigendes über die Zunahme <strong>von</strong><br />

Verhaltensauffälligkeiten, über psychische Störungen, über Gewalt und Brutalität, bis h<strong>in</strong> zu<br />

immer häufigeren Selbstmorden bei K<strong>in</strong>dern. Ist das nur e<strong>in</strong>e Frage der gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse? Ist es wirklich der e<strong>in</strong>zig richtige Weg, nun so etwas wie “Betreute Grundschulen“<br />

e<strong>in</strong>zurichten, um durch zusätzliche Betreuung die Weichen im Leben der K<strong>in</strong>der<br />

anders zu stellen? Ist es nicht auch Sache der Eltern, ihren Weg mit den K<strong>in</strong>dern kritisch zu<br />

bedenken und, wenn irgend möglich, zu ändern? K<strong>in</strong>der können doch nicht nur noch mit<br />

Fertigprodukten sowohl beim Essen wie <strong>in</strong> der Freizeit abgespeist werden, und gleichzeitig<br />

wird ihnen unkritisch alles erlaubt, nur weil es bequem ist. Wie anders werden die Weichen<br />

gestellt, wenn Eltern sich wirklich <strong>in</strong> Spiel und Gespräch, <strong>in</strong> der persönlichen Liebe und<br />

Zuwendung - und auch <strong>in</strong> Konflikten, die auszuhalten s<strong>in</strong>d - auf ihre K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>lassen und<br />

Zeit für sie haben! Wo immer mehr auf die Verhältnisse abgewälzt wird und nur noch sie<br />

verantwortlich gemacht werden, wächst die Verantwortungslosigkeit des e<strong>in</strong>zelnen.<br />

Das Evangelium richtet sich nicht an Verhältnisse. sondern an Menschen. Weil es Menschen<br />

verändern kann, kann es auch verändernd <strong>in</strong> die Verhältnisse e<strong>in</strong>greifen. Nur auf diesem<br />

Wege gilt das Wort Jesu: “Siehe, ich mache alles neu.“ Als Sünder stehen alle Menschen,<br />

Christen, Juden, Protestanten, Katholiken - ja wir alle - geme<strong>in</strong>sam vor Gott, angewiesen auf<br />

se<strong>in</strong>e Gerechtigkeit, mit der er uns mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> den Bereich se<strong>in</strong>er Herrschaft holen will.<br />

In der Vergebung entfaltet das Evangelium se<strong>in</strong>e tröstende Kraft für Menschen, die sich ihrer<br />

eigenen Schuld bewusst werden und sich <strong>dem</strong> Urteil Gottes unterwerfen können. Vergebung<br />

heißt, dass Gott auch aus den Bruchstücken des Lebens e<strong>in</strong> Ganzes, e<strong>in</strong> Heiles machen kann.<br />

Gottes Gerechtigkeit me<strong>in</strong>t nicht, dass Gott zumisst nach Recht und Gerechtigkeit, sondern<br />

dass er vergibt nach se<strong>in</strong>er Barmherzigkeit. Hören wir noch e<strong>in</strong>mal genau h<strong>in</strong>: Durch den<br />

Glauben schenkt uns Gott die Gnade, gerecht zu werden, vor ihm bestehen zu können. Und<br />

Glauben heißt, auf eigene Leistungsnachweise zu verzichten - und damit habe ich es nicht<br />

nötig, mich über andere zu stellen. Und gerecht werden heißt: Gerade, aufrichtig, rechtschaffen,<br />

kurz: gut werden - mit Gottes Hilfe.<br />

So leicht und so schwer ist das:<br />

So schwer, wenn wir me<strong>in</strong>en, wir müssen es glauben; und damit wieder Leistungen<br />

erbr<strong>in</strong>gen wollen.<br />

So leicht, weil wir es glauben dürfen wir brauchen das Heilshandeln Gottes nur anzuerkennen,<br />

nur anzunehmen.<br />

- Seite 3 -


Und so tröstlich die Vorstellung, dass Gott nichts anderes <strong>von</strong> uns fordert als den Glauben an<br />

se<strong>in</strong> Wort, an Jesus Christus, an se<strong>in</strong> Evangelium. Glauben wir ihm doch!<br />

Und dieser Glaube wird uns dazu br<strong>in</strong>gen, gerecht zu leben. Wir können dann nicht mehr<br />

gedankenlos drauflosleben; der Glaube br<strong>in</strong>gt Werke hervor. In diesem Glauben kann sich<br />

die verb<strong>in</strong>dende und Menschen versöhnende Kraft des Evangeliums entfalten, <strong>in</strong><strong>dem</strong> es <strong>in</strong><br />

unseren Geme<strong>in</strong>den, aber auch <strong>in</strong> Ehen und Familien, die sich an Gottes Wort halten, heilend<br />

und segensreich wirksam wird. E<strong>in</strong> Leben, das so <strong>vom</strong> Glauben geprägt und bestimmt ist,<br />

braucht sich auch des Evangeliums nicht zu schämen. Wer so lebt, wird täglich neu erfahren,<br />

dass die Bibel „mehr als nur e<strong>in</strong> Buch“ ist.<br />

Nehmen wir die Bibel also nicht nur <strong>in</strong> die Hand, sondern auch auf <strong>in</strong> unsere Herzen, damit<br />

wir das erfahren:<br />

„Der aus Glauben Gerechte wird leben“, er wird <strong>von</strong> der Kraft des Evangeliums getragen.<br />

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft,<br />

bewahre unsere Herzen und <strong>in</strong> S<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> Christus Jesus, unseren Herrn.<br />

Amen (Phl 4.7)<br />

- Seite 4 -

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