Jes.5,1-7: Der verwüstete Weinberg
Jes.5,1-7: Der verwüstete Weinberg
Jes.5,1-7: Der verwüstete Weinberg
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Ein Raunen geht durch die Menge. „<strong>Der</strong> singt ein Lied der Hoffnungslosigkeit (Frustration)." Ein<br />
anderer meint: „Hab ich richtig gehört: die Pflege war liebevoll, recht, das Ergebnis sauer und<br />
schlecht? Bin gespannt, wie das Lied weitergeht!"<br />
<strong>Der</strong> junge Mann singt die zweite Strophe:<br />
Jerusalems Bürger, ihr Leute von Juda,<br />
was sagt ihr zum <strong>Weinberg</strong>, was tätet denn ihr da?<br />
Die Trauben sind sauer - entscheidet doch ihr:<br />
War die Pflege zu schlecht, liegt die Schuld denn bei mir?<br />
Die Spannung steigert sich bei der dritten Strophe:<br />
Ich sage euch, Leute, das tue ich jetzt:<br />
Weg reiß ich die Hecke, als Schutz einst gesetzt;<br />
zum Weiden sollen Schafe und Ochsen hinein!<br />
Und die Mauer ringsum, die reiße ich ein.<br />
Zertrampelnden Füßen geb ich ihn preis,<br />
schlecht lohnte mein <strong>Weinberg</strong> mir Arbeit und Schweiß!<br />
Ich will nicht mehr hacken, das Unkraut soll sprießen!<br />
<strong>Der</strong> Himmel soll ihm den Regen verschließen!<br />
Die ausgelassene Weinseligkeit weicht immer mehr einer nachdenklichen Stille. Bei einigen fällt bereits<br />
der Groschen:<br />
„<strong>Der</strong> singt ja gar kein Lied vom <strong>Weinberg</strong>. - <strong>Der</strong> singt ein Lied von der untreuen Braut!"<br />
Jetzt verstehen auch wir das Lied:<br />
Da hat sich doch offenbar ein Mann rührend um seine Braut gekümmert, alles für sie getan, und jetzt<br />
wird sie ihm untreu. Ein Gericht soll nun entscheiden, ob der Mann nicht das Recht habe, sich von<br />
seiner treulosen Braut zu trennen. <strong>Der</strong> hintergangene und enttäuschte Bräutigam ist jedenfalls nicht<br />
gewillt, das Verhältnis länger aufrecht zu erhalten. Er will sich zurückziehen und seine Braut - wie einen<br />
nichtsnutzigen <strong>Weinberg</strong> - sich selbst überlassen.<br />
Von den Zuhörern dachte vielleicht manch einer an seine Ehe oder an die Erziehung seiner Kinder.<br />
Wie viel Mühe hat man sich gegeben und Kräfte investiert - aber irgendwie doch umsonst!<br />
<strong>Der</strong> junge Mann ist noch nicht fertig mit seinem Lied. Er setzt an zur letzten Strophe:<br />
<strong>Der</strong> <strong>Weinberg</strong> des Herrn seid ihr Israeliten!<br />
Sein Lieblingsgarten, Juda, seid ihr!<br />
Gott harrte auf Guttat -<br />
doch siehe da: Bluttat!<br />
Er hoffte auf Rechtsspruch -<br />
und erntete Rechtsbruch,<br />
statt Liebe und Treue<br />
nur Hilfeschreie!<br />
Das hat gesessen. Allen ist auf einmal klar: <strong>Der</strong> meint uns! <strong>Der</strong> meint dich und mich!<br />
Wir sind der miserable <strong>Weinberg</strong>. Jetzt wird's politisch und religiös. Er hat uns durchschaut. Und es<br />
spricht sich sehr schnell herum, wer der Sänger dieses Liedes ist: Ein neuer Prophet, namens Jesaja.<br />
Nicht im Wein, sondern im <strong>Weinberg</strong>slied liegt die Wahrheit. Das Lied besingt die leidenschaftliche<br />
Liebe Gottes zu seinem Volk - eine Liebe, die herb enttäuscht worden ist. Was hat der Winzer nicht<br />
alles in seinen <strong>Weinberg</strong> investiert! Er hat edelste Reben auf besten Boden gepflanzt, das Gelände<br />
entsteint, seinen <strong>Weinberg</strong> gehegt und gepflegt.