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Das Bild ist nicht in Stein gemeisselt

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Sehen lernen<br />

<strong>Das</strong> <strong>Bild</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> <strong>gemeisselt</strong><br />

Ralf Turtschi, Adliswil<br />

Dem Term<strong>in</strong>us «orig<strong>in</strong>algetreu» sollten<br />

wir e<strong>in</strong>mal auf den Grund gehen. Orig<strong>in</strong>algetreu<br />

bedeutete früher, dass die Farbtöne<br />

des Orig<strong>in</strong>als, also des Diapositivs oder<br />

des Fotopapiers, möglichst genau auf Papier<br />

gebracht wurden. Es g<strong>in</strong>g dabei nie um e<strong>in</strong>e<br />

1:1-Abbildung, sondern um e<strong>in</strong>e drucktechnisch<br />

angepasste Annäherung. Auf Zeitungspapier<br />

s<strong>in</strong>d auch heute noch weniger Farbtöne<br />

druckbar als im Offsetdruck auf<br />

gestrichenes Papier oder im Digitaldruck.<br />

Im RGB-Farbraum können Farben wesentlich<br />

brillanter wiedergegeben werden<br />

als im CMYK-Farbraum. E<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>em<br />

Monitor oder auf dem Tablet dargestelltes<br />

<strong>Bild</strong> wird im Druck immer an Brillanz<br />

verlieren. Dafür kann der <strong>Bild</strong>schirm ke<strong>in</strong><br />

helles Papierweiss wiedergeben. Die unterschiedlichen<br />

Medien mit den zwei Farbräumen<br />

führen zu e<strong>in</strong>em diffusen Begriff,<br />

der zwangsläufig viel Interpretationsspielraum<br />

enthält. Die Anmutung des <strong>Bild</strong>er-<br />

Die Reproduktion hat nach gängiger Lehre den Zweck, <strong>Bild</strong>er «orig<strong>in</strong>algetreu» auf e<strong>in</strong>em<br />

Medium auszugeben. Im digitalen Workflow <strong>ist</strong> der Reproduktionsbegriff weiter gefasst als<br />

im Zeitalter des Films, die <strong>Bild</strong>bearbeitung beg<strong>in</strong>nt bei der Aufnahme und hört <strong>in</strong> der digitalen<br />

Druckmasch<strong>in</strong>e auf.<br />

druckes sollte früher im Vergleich mit dem<br />

Dia das wiedergeben, was auf dem Orig<strong>in</strong>al<br />

zu sehen war. E<strong>in</strong> hoher Kontrastumfang im<br />

Dia durfte <strong>nicht</strong> zu e<strong>in</strong>em flachen Druck führen<br />

und die Farbharmonie <strong>in</strong>sgesamt musste<br />

<strong>in</strong> allen Medien vergleichbar abgestuft se<strong>in</strong>.<br />

Pastellfarbene Töne auf dem <strong>Bild</strong>schirm dürfen<br />

auf dem Papier <strong>nicht</strong> knallig se<strong>in</strong> und<br />

umgekehrt. Der rote Rock darf <strong>in</strong> der Zeitung<br />

<strong>nicht</strong> orange, im Flyer magenta und auf<br />

der Website ocker dargestellt se<strong>in</strong> – das <strong>ist</strong><br />

auch heute noch so. Wir müssen uns aber<br />

klar vom Irrglauben verabschieden, Farben<br />

seien <strong>in</strong> allen Medien kons<strong>ist</strong>ent darstellbar.<br />

<strong>Das</strong> <strong>ist</strong> Humbug. Farbkons<strong>ist</strong>enz gleicht vielmehr<br />

e<strong>in</strong>em Optimierungsprozess mit unterschiedlich<br />

warhnehmbaren Farbabweichungen,<br />

die <strong>nicht</strong> auszumerzen s<strong>in</strong>d:<br />

Metall, Kunststoff oder Papier benötigen<br />

andere Farben wie Flüssigfarben, Folien,<br />

Toner oder T<strong>in</strong>te. E<strong>in</strong> LED-Plakat wirkt <strong>in</strong><br />

der Nacht halt ganz anders als tagsüber se<strong>in</strong><br />

Die bekannten Tuffste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Kappadokien, Zentralanatolien, Türkei, die durch verschiedene Geste<strong>in</strong>sschichten und Erosion zustande kamen. Der deutlich dunklere<br />

<strong>Bild</strong>teil rechts zeigt e<strong>in</strong>e andere Dramatik als die reprotechnisch ausgewogene Lösung, die l<strong>in</strong>ks zu sehen <strong>ist</strong>. Man wähnt sich auf den Oster<strong>in</strong>seln.<br />

8<br />

Papier-Pendant. Es <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> so, dass jeder<br />

Farbpixel bei e<strong>in</strong>er Umrechnung von RGB<br />

zu CMYK haargenau e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Farbvalenz erhält. Es <strong>ist</strong> vielmehr so, dass es<br />

verschiedene Methoden gibt, Farben umzurechnen<br />

(render<strong>in</strong>g <strong>in</strong>tent), die wahrnehmbare<br />

Unterschiede aufweisen. Wenn man<br />

zum Beispiel zehn RGB- <strong>in</strong> fünf CMYK-Farbtöne<br />

stauchen will, dann kann man jeden<br />

zweiten Farbton auslassen oder die ersten<br />

oder letzten fünf Töne weglassen. So oder<br />

so erhält man andere <strong>Bild</strong>e<strong>in</strong>drücke. Die Experten<br />

streiten sich hier über richtig oder<br />

falsch, dabei <strong>ist</strong> das Erlebnis bei den Lesern<br />

e<strong>in</strong> ganz anderes. Sie beurteilen <strong>Bild</strong>er gefühlsmässig<br />

als schön, farbig, schauerlich,<br />

eng, düster, stimmungsvoll usw.<br />

Die technische Komponente der <strong>Bild</strong>reproduktion<br />

wird beherrscht durch sehr viel<br />

undurchsichtigen Fachjargon. Wenn wir<br />

heute die <strong>Bild</strong>reproduktion auf den Tablets<br />

betrachten, dann sollte uns bewusst wer-<br />

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den, wie die <strong>Bild</strong>er der Zukunft von jedermann<br />

reproduziert werden. Es läuft ganz<br />

<strong>in</strong>tuitiv an der Oberfläche mit Schiebe-<br />

reglern, Fachbegriffe wie «Unscharf maskieren»<br />

fehlen. Die Technik verschw<strong>in</strong>det unter<br />

der Oberfläche, <strong>Bild</strong> wiedergabe besteht<br />

mehr denn je aus dem <strong>in</strong>terpretativen Gestaltungswillen.<br />

<strong>Das</strong> Orig<strong>in</strong>albild aus der<br />

Kamera <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong>s anderes als Rohmaterial,<br />

das nach dem eigenen Gestaltungswillen<br />

aufbereitet wird. Vergleichbar mit dem<br />

Rohtext, der lektoriert und korrekturgelesen<br />

wird. In der Kamera werden die Grundlagen<br />

gelegt. Je nachdem, wie Sättigung,<br />

Weissabgleich oder Belichtungskorrektur<br />

e<strong>in</strong>gestellt s<strong>in</strong>d, entsteht e<strong>in</strong> «Pixelhaufen»,<br />

der <strong>in</strong> der Postverarbeitung mehr oder weniger<br />

gute Voraussetzungen für die <strong>Bild</strong>-<br />

reproduktion mitbr<strong>in</strong>gt.<br />

Kameradaten<br />

Nach me<strong>in</strong>er Erfahrung mit verschiedenen<br />

Kameras liegt die grosse Krux im mangelnden<br />

Dynamikumfang der Chips. Damit wird<br />

die Eigenschaft bezeichnet, e<strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>in</strong> den<br />

hellsten und dunkelsten Stellen modulieren<br />

zu können. <strong>Das</strong> heisst, dass <strong>in</strong> den hellsten<br />

Stellen, zum Beispiel <strong>in</strong> Wolken, noch Zeichnung<br />

vorhanden <strong>ist</strong>, wenn gleichzeitig im<br />

Vordergrund dunkle Schattenpartien ebenfalls<br />

<strong>nicht</strong> e<strong>in</strong>fach abschmieren, sondern<br />

ebenfalls Zeichnung enthalten. Bei heutigen<br />

Kameras <strong>ist</strong> dies bei weitem <strong>nicht</strong> so. Wenn<br />

Sehen lernen <strong>Das</strong> <strong>Bild</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> <strong>gemeisselt</strong><br />

die Belichtung so e<strong>in</strong>gestellt <strong>ist</strong>, dass die<br />

Wolken Zeichnung enthalten, <strong>ist</strong> oft der<br />

Vordergrund zu dunkel wiedergegeben.<br />

Wenn der Vordergrund richtig belichtet <strong>ist</strong>,<br />

fehlt den Wolken die Zeichnung, die Lichter<br />

fressen aus. Dies zeigt, dass digitale Fotos<br />

<strong>nicht</strong> mehr den Anspruch auf Authentizität<br />

haben, dass sie vielmehr erst <strong>in</strong> der Nachbearbeitung<br />

ihre Aussagequalität erhalten.<br />

Die Pixelzahl <strong>ist</strong> nach me<strong>in</strong>er Auffassung<br />

ebenfalls wichtig, weil damit e<strong>in</strong> <strong>Bild</strong>ausschnitt<br />

gewählt werden kann, ohne grosse<br />

Verluste <strong>in</strong> der Schärfe <strong>in</strong> Kauf nehmen zu<br />

müssen. In der Praxis kann ich dann mit<br />

dem Normalobjektiv Blumen fotografieren<br />

und im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> so beschneiden, dass<br />

die Aufnahme zur Makroaufnahme wird.<br />

Dieses Vorgehen <strong>ist</strong> mit 16 Megapixel möglich,<br />

mit 8 Megapixel weniger. Oder ich<br />

kann den 50 Meter entfernten Löwen fotografieren,<br />

20 Megapixel erlauben im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Löwenporträt, wie wenn ich e<strong>in</strong><br />

Teleobjektiv verwendet hätte. Die grosse<br />

Pixelzahl erweitert me<strong>in</strong>en fotografischen<br />

Brennweitenbereich.<br />

E<strong>in</strong> weiteres digitales Phänomen <strong>ist</strong><br />

das gefürchtete <strong>Bild</strong>rauschen bei wenig<br />

Licht, das Absacken der Farbsättigung bei<br />

Schattentönen oder auch «die blaue Stunde»,<br />

die <strong>Bild</strong>er so ablichtet, wie man sie <strong>in</strong> der<br />

Wirklichkeit nie sieht. Künstliche Lichtquellen<br />

wie e<strong>in</strong> Blitz zerstören das Ambiente,<br />

führen vielleicht zu roten Augen, die<br />

es auch <strong>nicht</strong> wirklich gibt. Wer schon mit<br />

Photoshops Funktion Photomerge gearbeitet<br />

hat, wird Panoramabilder wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

nur noch so zusammenstellen. Die<br />

360-Grad-Ansicht gibt es <strong>in</strong> Wirklichkeit<br />

auch <strong>nicht</strong>.<br />

Dramaturgie statt Technik<br />

In der Ferienzeit entstehen die typischen<br />

Urlaubsbilder, die die Trophäenjäger unterwegs<br />

gesammelt haben. Wenn es hier um<br />

Farbe geht, dann s<strong>in</strong>d von der Sonne voll<br />

ausgeleuchtete <strong>Bild</strong>er am farbigsten. Gleichzeitig<br />

wirken sie flach und wenig dramatisch,<br />

weil sie wenig Kontrast und Zeichnung<br />

aufweisen. Wenn die Sonne wegbleibt<br />

und diffuse Lichtverhältnisse herrschen,<br />

<strong>ist</strong> der Kontrast nochmals verm<strong>in</strong>dert. Um<br />

solche <strong>Bild</strong>er aufzupeppen, muss man den<br />

Kontrast und die Sättigung erhöhen.<br />

Gegenlichtbildern fehlt es oft etwas an<br />

Farbsättigung, dafür weisen sie e<strong>in</strong>en hohen<br />

Schattenanteil und Kontrastumfang auf.<br />

Hier kommt es stark darauf an, welche <strong>Bild</strong>partien<br />

wichtig s<strong>in</strong>d. Direkt <strong>in</strong> die untergehende<br />

Sonne fotografiert, spielt es auf<br />

der Aufnahme vielleicht ke<strong>in</strong>e Rolle mehr,<br />

im Vordergrund noch E<strong>in</strong>zelheiten <strong>in</strong> den<br />

Schatten zu erkennen. Im Allgeme<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d<br />

Gegenlichtbilder die spannenderen <strong>Bild</strong>er<br />

als voll ausgeleuchtete, dies vor allem auch<br />

bei Personenaufnahmen. Gesichter, die <strong>in</strong><br />

die Sonne schauen, sehen me<strong>ist</strong>ens verknif-<br />

<strong>Das</strong> Morgenlicht taucht die Feenkam<strong>in</strong>e <strong>in</strong> warmes Licht. In der Tendenz sche<strong>in</strong>en die Schattenpartien bläulich. L<strong>in</strong>ks <strong>ist</strong> das flaue Rohbild direkt aus der Kamera zu<br />

sehen. Rechts wurde das <strong>Bild</strong> aufbereitet – die Grüntöne gesättigt. Wie die Szene wirklich war, kann niemand mehr mit Sicherheit sagen.<br />

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Sehen lernen <strong>Das</strong> <strong>Bild</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> <strong>gemeisselt</strong><br />

Die Ortschaft Göreme <strong>in</strong> Kappadokien, Zentralanatolien, Türkei. Bei anbrechender Dunkelheit beg<strong>in</strong>nt die blaue Stunde, welche <strong>in</strong>tensive digitale Stimmungsbilder<br />

hervorbr<strong>in</strong>gt, die es so <strong>in</strong> Wirklichkeit <strong>nicht</strong> gibt.<br />

fen aus, im Gegenlicht lässt sich wunderbar<br />

mit der Sonne im Haar spielen.<br />

Me<strong>in</strong>e bevorzugte E<strong>in</strong>stellung an der<br />

Kamera <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> «automatisch», ich arbeite<br />

mit der Programmautomatik «P» und korrigiere<br />

<strong>in</strong> der freien Natur me<strong>in</strong>e <strong>Bild</strong>er <strong>in</strong> der<br />

Belichtungsumgebung um –0,3 bis etwa<br />

–2,3 Blendenstufen. <strong>Bild</strong>er die eher auf der<br />

dunkleren Seite liegen, können <strong>in</strong> Photoshop<br />

ohne Probleme auf e<strong>in</strong> perfektes Resultat<br />

getrimmt werden. <strong>Bild</strong>er h<strong>in</strong>gegen,<br />

die zu hell s<strong>in</strong>d oder gar weisse Ausreisser<br />

aufweisen, können kaum mehr korrigiert<br />

werden.<br />

In zu dunklen <strong>Bild</strong>ern werden die Farben<br />

<strong>in</strong> der Tendenz jedoch verschwärzlicht, was<br />

sich beim Aufhellen negativ auswirkt. E<strong>in</strong>e<br />

verschwärzlichte Wiese wird beim Auf-<br />

hellen <strong>nicht</strong> sattgrün, sie bleibt stumpf und<br />

grau. E<strong>in</strong>e nachträgliche Aufhellung zu<br />

dunkler <strong>Bild</strong>er führt <strong>nicht</strong> zum optimalen<br />

Ergebnis. <strong>Das</strong> Rohmaterial an digitalen Daten<br />

gibt <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er gewissen Toleranz<br />

am me<strong>ist</strong>en her. Zu dunkle und zu helle<br />

<strong>Bild</strong>er s<strong>in</strong>d nachteilig. Ich halte hier fest,<br />

dass die <strong>Bild</strong>erfassungssysteme nie die<br />

Orig<strong>in</strong>alszene festhalten können, so wie<br />

unser Auge-Hirn-System dies le<strong>ist</strong>et. Es <strong>ist</strong><br />

an der Zeit, vom Götzen «<strong>Bild</strong>» wegzu-<br />

kommen, h<strong>in</strong> zum Rohmaterial, dass es auf<br />

e<strong>in</strong>e gewollte <strong>Bild</strong>aussage h<strong>in</strong> zu bearbeiten<br />

gilt.<br />

Postverarbeitung<br />

Wir haben gesehen, dass die «Rohware Pixeldaten»<br />

druckoptimiert werden muss. Aus<br />

me<strong>in</strong>er Sicht wird hier die Software Photoshop<br />

ebenfalls zu technisch ausgelegt, die<br />

<strong>Bild</strong><strong>in</strong>terpretation steht im H<strong>in</strong>tergrund. Ich<br />

b<strong>in</strong> jedoch zuversichtlich, dass die Software<br />

der Zukunft ohne Probleme automatisch<br />

und im H<strong>in</strong>tergrund komplexe Fre<strong>ist</strong>eller<br />

und Masken h<strong>in</strong>kriegen wird. Die heutige<br />

<strong>Bild</strong><strong>in</strong>terpretation folgt <strong>nicht</strong> mehr dem<br />

alten Muster: Wie sieht das <strong>Bild</strong> aus? Wie<br />

muss ich es für den Druck auf Papier X aufbereiten,<br />

damit es dort gleich aussieht? Sie<br />

fragt neu: Welche Aussage will ich mit dem<br />

<strong>Bild</strong> erreichen? Woh<strong>in</strong> soll ich das <strong>Bild</strong> steuern,<br />

um e<strong>in</strong>e bestimmte Wirkung zu erzielen?<br />

E<strong>in</strong> solcher Paradigmenwechsel <strong>ist</strong> <strong>in</strong><br />

der Ausbildung heute praktisch <strong>in</strong>ex<strong>ist</strong>ent.<br />

Da spielen die reprotechnischen Grundlagen<br />

noch immer e<strong>in</strong>en dom<strong>in</strong>anten Bestandteil<br />

der Polygrafenausbildung. Transparenz<br />

und Opazität logarithmisch im ersten<br />

<strong>Bild</strong>ungsjahr berechnen zu lernen, ohne<br />

dass die Lernenden e<strong>in</strong>en praktischen Bezug<br />

zum Thema haben, <strong>ist</strong> aus me<strong>in</strong>er Sicht <strong>nicht</strong><br />

motivierend und uns<strong>in</strong>nig. Wie man jedoch<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e bewölkte Naturlandschaft etwas<br />

mehr Sonne zaubert, um e<strong>in</strong>en freundlicheren<br />

E<strong>in</strong>druck zu erhalten, das wäre praxisgerechter.<br />

Statt «den natürlichen west-<br />

europäischen Hautton» <strong>in</strong> Prozentwerten<br />

10<br />

standardmässig festzunageln, wäre es s<strong>in</strong>nvoller<br />

zu lernen, wie gesund, kränklich, dramatisch<br />

Hauttöne auf die Betrachter wirken<br />

und welche Aussage damit erzielt werden<br />

kann. Abgesehen davon sieht der westeuropäische<br />

«Standardhautton» <strong>in</strong> der Nacht<br />

ziemlich anders aus als am Morgen danach<br />

– unabhängig vom Konsumverhalten.<br />

E<strong>in</strong>e der grossen Fragen, die sich stellen,<br />

<strong>ist</strong> die: Darf man <strong>Bild</strong>er e<strong>in</strong>fach so manipulieren?<br />

Sie gelten doch als urheberrechtlich<br />

geschützt. Da die Grenzen der Druckoptimierung<br />

und der Manipulation heute fliessend<br />

s<strong>in</strong>d, <strong>ist</strong> es der Auftraggeber, der bestimmt,<br />

welche E<strong>in</strong>griffe erforderlich s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong>griffe wie Schärfung, Kontrast, Sättigung,<br />

Kle<strong>in</strong>retuschen und Anpassung ans Druckverfahren,<br />

Fre<strong>ist</strong>eller, Umfärbungen usw.<br />

stehen eigenartigerweise nie zur Diskussion.<br />

Wenn es aber um kreative <strong>Bild</strong><strong>in</strong>terpretation<br />

geht, dann hört man schnell den<br />

moralisierenden Vorwurf der Manipulation.<br />

Dies <strong>in</strong> der irrigen Annahme, dass das <strong>Bild</strong><br />

heute wie früher e<strong>in</strong> Orig<strong>in</strong>al – und somit <strong>in</strong><br />

Ste<strong>in</strong> gemeis selt – <strong>ist</strong>.<br />

Der Begriff Manipulation <strong>ist</strong> dann angebracht,<br />

wenn e<strong>in</strong>e Irreführungsabsicht<br />

dah<strong>in</strong>tersteckt, wie dies <strong>in</strong> Werbung und<br />

Market<strong>in</strong>g (verlängernde Wimpertusche,<br />

Anti-Ag<strong>in</strong>g) längst geduldet wird. Aber <strong>ist</strong><br />

<strong>nicht</strong> jedes <strong>Bild</strong> an sich schon e<strong>in</strong>e illusion<strong>ist</strong>ische<br />

Täuschung?<br />

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