Das Leben, der Tod und der ganze Rest - SF-Fan.de
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dressler/fo 184/nachruf/dressler<br />
Rainer Zubeil aka Thomas Ziegler ist tot<br />
Rainer Zubeil war einer <strong><strong>de</strong>r</strong> interessantesten<br />
<strong>und</strong> besten Science Fiction Autoren<br />
Deutschlands. Mit nicht einmal 48 Jahren<br />
verstarb er am zweiten Septemberwochenen<strong>de</strong><br />
überraschend <strong>und</strong> viel zu früh.<br />
Ronald Hahn, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rainer seit fast drei Jahrzehnten<br />
kannte, war so fre<strong>und</strong>lich, mir in<br />
einem Gespräch <strong>de</strong>n Menschen Rainer Zubeil<br />
ein bißchen näher zu bringen.<br />
Er war immer gut gelaunt <strong>und</strong> lachte<br />
gerne. Trübsal blasen o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar jammern <strong>und</strong><br />
klagen waren sein Ding nicht, ist das Erste,<br />
was Ronald zu seinem Fre<strong>und</strong> einfällt. Kennen<br />
gelernt hat er <strong>de</strong>n langhaarigen jungen<br />
Mann auf einer Fete im Jahr 1975, auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sich vielleicht ein Dutzend aufstreben<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
junger schriftstellern<strong>de</strong> Talente tummelten.<br />
Noch aber hatte Rainer sich selbst als solches<br />
<strong>de</strong>m Literaturagenten Hahn gegenüber<br />
nicht geoutet. Ein paar St<strong>und</strong>en später<br />
erst, als sie sich ein Taxi nach Wuppertal<br />
teilten, gerieten sie ins Plau<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Er wür<strong>de</strong><br />
ja bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadtkasse in Wuppertal arbeiten,<br />
erzählte Zubeil, doch so richtig Vergnügen<br />
wür<strong>de</strong> ihm das nicht bereiten. Viel lieber<br />
wäre er ja Science Fiction Autor, das<br />
erschiene ihm <strong>de</strong>utlich interessanter <strong>und</strong> ein<br />
paar Geschichten habe er auch schon geschrieben.<br />
Mensch, sagte <strong><strong>de</strong>r</strong> Agent da, dann<br />
schick‘ die mir doch mal. Druckreif waren<br />
die <strong>und</strong> wur<strong>de</strong>n sofort verkauft. So schnell<br />
<strong>und</strong> unkompliziert begann Zubeils Karriere.<br />
En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebziger Jahre arbeitete er unter<br />
<strong>de</strong>m Pseudonym Robert Quint an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Heftserie „Terranauten“ mit. Rainer Zubeil erstellte<br />
die Exposés <strong>und</strong> schrieb einen gro-<br />
FO 184 · 10/04<br />
ßen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Romane. Neben ihm schrieben<br />
Werner Kurt Giesa, Horst Pukallus, Andreas<br />
Brandhorst <strong>und</strong> eben auch Ronald M. Hahn.<br />
Die Serie konnte sich nicht durchsetzen <strong>und</strong><br />
nach immerhin 99 Heftromanen <strong>und</strong> ca. 20<br />
Taschenbuchausgaben wur<strong>de</strong> die Serie eingestellt.<br />
Von 1983 bis 1985 gehörte Zubeil<br />
erstmals <strong>de</strong>m Autorenteam von Perry Rhodan<br />
an <strong>und</strong> veröffentlichte in dieser Zeit<br />
insgesamt 13 Heftromane <strong>und</strong> drei Taschenbücher.<br />
Mit seinem Faible für ausgefallene<br />
Charaktere <strong>und</strong> Situationen sowie seinem<br />
Rainer Zubeil mit Haaren bis zum Po<br />
eigenen, unverwechselbaren Stil stieg er in<br />
dieser Zeit rasch zu einem <strong><strong>de</strong>r</strong> beliebtesten<br />
Autoren <strong>de</strong>s Teams auf. Seine Mitarbeit gipfelte<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahme (gemeinsam mit Ernst<br />
Vlcek) <strong><strong>de</strong>r</strong> Exposé-Factory nach <strong>de</strong>m <strong>Tod</strong> von<br />
William Voltz.<br />
Für seine Arbeiten im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Science<br />
Fiction wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor mehrfach mit <strong>de</strong>m<br />
Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet, unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />
für seinen <strong>SF</strong>-Roman „Stimmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nacht“ <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Novelle „Eine Kleinigkeit für<br />
uns Reinkarnauten“. Er verfasste Krimis <strong>und</strong><br />
arbeitete später sogar fürs Fernsehen, unter<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>em als Dialogautor für die ARD-Soap<br />
„Verbotene Liebe“, nicht zuletzt, weil diese<br />
Tätigkeit finanziell attraktiver war als sich<br />
mühsam als <strong>SF</strong>-Autor <strong>und</strong> -übersetzer die<br />
Brötchen zu verdienen. Doch sein Herz hing<br />
immer an <strong><strong>de</strong>r</strong> Science Fiction <strong>und</strong> irgendwie<br />
wollte er dahin stets zurück. Seinen Beitrag<br />
zu <strong><strong>de</strong>r</strong> ab Herbst 2004 erscheinen<strong>de</strong>n<br />
Taschenbuchminiserie „Perry Rhodan:<br />
Lemuria“ hat er wohl tatsächlich noch<br />
been<strong>de</strong>n können.<br />
Wie es sich für einen jungen Mann Mitte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> siebziger Jahre gehörte, war Zubeil<br />
Rockmusikfan <strong>und</strong> politisch interessiert. Seine<br />
damaligen langen Haare ließen schon vermuten,<br />
dass seine Ansichten eher <strong>de</strong>m linken<br />
Spektrum zuordnen waren. So erschien<br />
sein erster Roman 1976 als sozialkritische <strong>SF</strong>.<br />
Gemeinsam mit Uwe Anton schrieb er „Unter<br />
Über seine Neuerwerbung, einen Star-Trek-Kaffeebecher<br />
hatte er sich während <strong>de</strong>s gesamten Colonia-<br />
Consamstages im Jahr 2000 gefreut.<br />
Tage“, eine Geschichte um das Schicksal<br />
von Bergarbeitern, die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Bergbaugesellschaft<br />
unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen<br />
ausgebeutet wer<strong>de</strong>n. Dieses<br />
Werk fand immerhin Eingang in eine Anthologie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen Deutschen Demokratischen<br />
Republik. Damit gelang ihm etwas,<br />
was sonst keinem west<strong>de</strong>utschen<br />
Autor gelang.<br />
Auch privat, als allein erziehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Vater<br />
nahm er seine Verantwortung ausgesprochen<br />
ernst <strong>und</strong> strebte eine angstfreie Erziehung<br />
an. Ronald Hahn erinnert sich,<br />
einmal um die Weihnachtszeit herum bei<br />
Vater Rainer <strong>und</strong> Tochter Verena zu Gast<br />
gewesen zu sein. Als die vielleicht Vierjährige<br />
<strong>de</strong>n Weihnachtsbaum umwarf, gab<br />
es statt böser Worte, Ermahnungen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
genervten Gejammers nur einen Vater, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
seine Tochter spontan auf <strong>de</strong>n Arm nahm<br />
<strong>und</strong> sie tröstete, <strong>de</strong>nn sie hätte sich ja erschrecken<br />
können...<br />
Rainer Zubeil war ein hoch talentierter<br />
Autor <strong>und</strong> ein sympathischer Zeitgenosse,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sein <strong>Leben</strong> intensiv gelebt hat, vielleicht<br />
intensiver <strong>und</strong> schneller als an<strong><strong>de</strong>r</strong>e.<br />
ddd<br />
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