Gesamtskript Arbeitsrecht - Hochschule für Verwaltung und ...
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Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig <strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche<br />
<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Ludwigsburg<br />
<strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Skript<br />
mit • Übersichten<br />
• Beispielen<br />
• Übungsfällen<br />
Stand: 08-2011
<strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche Skript <strong>Arbeitsrecht</strong> Stand 08-2011<br />
<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
2<br />
Inhalt<br />
I. Einführung ........................................................................................................... 3<br />
1. Das Arbeitsverhältnis 3<br />
1.1 Begriff des Arbeitsverhältnisses................................................................ 3<br />
1.2 Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitgeber .................................................................. 5<br />
2. Die rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen des Arbeitsverhältnisses 6<br />
2.1 Internationales Recht ................................................................................ 6<br />
2.2 Nationales Recht ...................................................................................... 7<br />
II. Das Arbeitsschutzrecht ........................................................................................ 8<br />
III. Das Individualarbeitsrecht ................................................................................ 9<br />
1. Die Vertragsanbahnung 10<br />
2. Die Begründung des Arbeitsverhältnisses 10<br />
3. Mängel des Arbeitsvertrages 12<br />
4. Die Pflichten des Arbeitnehmers 15<br />
5. Die Pflichten des Arbeitgebers 20<br />
5.1 Entrichtung der Vergütung ...................................................................... 20<br />
5.2 Arbeitsausfälle ........................................................................................ 24<br />
5.3 Schutz- <strong>und</strong> Fürsorgepflichten ................................................................ 27<br />
5.4 Pflichtverletzungen des Arbeitgebers ..................................................... 27<br />
6. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses 29<br />
6.1 Die ordentliche Kündigung ...................................................................... 30<br />
6.2 Die außerordentliche Kündigung ............................................................ 30<br />
6.3 Das Kündigungsschutzgesetz ................................................................ 31<br />
6.4 Die Änderungskündigung ....................................................................... 34<br />
6.5 Kündigungsschutz <strong>für</strong> bestimmte Arbeitnehmergruppen ........................ 35<br />
6.6 Abmahnung ............................................................................................ 36<br />
6.7 Sonstige Beendigungsgründe ................................................................. 37<br />
6.8 Pflichten anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ............... 39<br />
7. Besondere Arbeitsverhältnisse 40<br />
7.1 Das Teilzeitarbeitsverhältnis ................................................................... 40<br />
7.2 Das befristete Arbeitsverhältnis .............................................................. 40<br />
7.3 Das Probearbeitsverhältnis ..................................................................... 41<br />
IV. Das kollektive <strong>Arbeitsrecht</strong> ............................................................................. 42<br />
1. Tarifvertragsrecht 42<br />
2. Streik <strong>und</strong> Aussperrung 43<br />
3. Das Recht der Mitbestimmung 45<br />
V. Das Arbeitsgerichtsverfahren ............................................................................ 46<br />
VI. <strong>Arbeitsrecht</strong> in der Kirche ............................................................................... 47<br />
VII. Beispielsfälle .................................................................................................. 48<br />
1. Fehlbestand 48<br />
2. Vorstellungstermin 49<br />
3. Langschläfer 50<br />
4. Operation 51<br />
5. Untreue 53<br />
VIII. Übungsfälle zum Selbststudium ..................................................................... 54<br />
IX. Literaturhinweise ............................................................................................ 60
<strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche Skript <strong>Arbeitsrecht</strong> Stand 08-2011<br />
<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
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I. Einführung<br />
Das <strong>Arbeitsrecht</strong> befasst sich mit einem Teilbereich des Rechts, das die Erbringung<br />
der abhängigen menschlichen Arbeit durch den Arbeitnehmer im Rahmen eines privatrechtlichen<br />
Vertrages mit dem Arbeitgeber zum Gegenstand hat. Im <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
haben sich vier verschiedene Regelungsbereiche entwickelt:<br />
a) Das Arbeitsschutzrecht legt dem Arbeitgeber Pflichten zum Schutz des Arbeitnehmers<br />
auf, die von Seiten des Staates kontrolliert <strong>und</strong> sanktioniert werden.<br />
b) Das Individualarbeitsrecht befasst sich mit dem Abschluss, dem Inhalt <strong>und</strong> der<br />
Beendigung des einzelnen Arbeitsvertrages.<br />
c) Das kollektive <strong>Arbeitsrecht</strong> befasst sich mit den Zusammenschlüssen von Arbeitnehmern<br />
<strong>und</strong> Arbeitgebern zur einheitlichen Gestaltung von Arbeitsverhältnissen<br />
auf betrieblicher <strong>und</strong> überbetrieblicher Ebene, zum Ausgleich des wirtschaftlichen<br />
Machtgefälles zwischen der Arbeitnehmer- <strong>und</strong> der Arbeitgeberseite.<br />
d) Das Arbeitsverfahrensrecht hat das Verfahren vor den Arbeitsgerichten in arbeitsrechtlichen<br />
Streitigkeiten zum Gegenstand.<br />
Diese Regelungsbereiche liegen der Gliederung der nachfolgenden Darstellung des<br />
<strong>Arbeitsrecht</strong>s zugr<strong>und</strong>e.<br />
1. Das Arbeitsverhältnis<br />
Das <strong>Arbeitsrecht</strong> gilt <strong>für</strong> Arbeitsverhältnisse, die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber<br />
<strong>und</strong> Arbeitnehmer. Diese <strong>für</strong> den das <strong>Arbeitsrecht</strong> zentralen Begriffe sind gesetzlich<br />
nicht exakt definiert, was häufig zu Unsicherheiten <strong>und</strong> Streitigkeiten führt.<br />
1.1 Begriff des Arbeitsverhältnisses<br />
Es gibt keine allgemeingültige Definition des Arbeitsverhältnisses. Verschiedentlich<br />
werden Merkmale des Arbeitsverhältnisses <strong>und</strong> des Arbeitnehmerbegriffes in Einzelvorschriften<br />
<strong>für</strong> deren Geltungsbereich festgelegt wie §§ 1 EFZG, 2 BUrlG, 18<br />
ArbZG, 7 Abs. 4 SGB IV, 5 Abs. 2 BetrVG. Diesen lässt sich als Gemeinsamkeit entnehmen:<br />
Ein Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn eine Person aufgr<strong>und</strong> eines privatrechtlichen<br />
Vertrages im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist <strong>und</strong> unselbständige<br />
Dienste gegen Entgelt leistet<br />
a. Privatrechtlicher Vertrag:
Nicht hierunter fallen Personen, die aufgr<strong>und</strong> eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses<br />
Arbeit leisten wie Strafgefangene, Beamte, Richter, Soldaten.<br />
Soweit Familienangehörige kraft Gesetzes zur Arbeit verpflichtet sind wie Kinder<br />
nach § 1619 BGB, Ehegatten nach § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB liegt kein Vertrag vor.<br />
Die Leistung wird aufgr<strong>und</strong> Gesetzes erbracht. Zwischen diesen Personen kann jedoch<br />
obendrein ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden. Das Arbeitsentgelt kann dann<br />
als Betriebsausgaben steuerlich abgesetzt werden. Es sind Einkommenssteuer <strong>und</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />
zu zahlen.<br />
b. Dienstvertrag:<br />
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Dies ist ein gegenseitiger Vertrag nach § 611 BGB, bei dem die eine Seite zur Leistung<br />
der versprochenen Dienste <strong>und</strong> die andere Seite zur Gewährung der vereinbarten<br />
Vergütung verpflichtet sind. Der Arbeitsvertrag unterscheidet sich vom<br />
- Auftrag nach § 662 BGB, der auf eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung gerichtet<br />
ist,<br />
- vom Werkvertrag nach § 631 BGB, bei dem der Unternehmer ein Werk, einen<br />
bestimmten Erfolg verspricht,<br />
- vom Gesellschaftsvertrag nach §§ 705 ff. BGB, bei dem der Gesellschafter<br />
nicht <strong>für</strong> einen Anderen, sondern zur Förderung eines gemeinschaftlichen<br />
Zweckes tätig wird. Es fehlt beim Gesellschaftsvertrag an der persönlichen<br />
Abhängigkeit des Gesellschafters. Im Einzelfall kann neben dem Gesellschaftsvertrag<br />
ein Arbeitsvertrag begründet werden.<br />
Beruht die Dienstleistung vorwiegend auf karitativen oder religiösen Beweggründen so wird sie nicht<br />
aufgr<strong>und</strong> eines Arbeitsvertrages zur Erwerbssicherung sondern aufgr<strong>und</strong> der Mitgliedschaft in der<br />
Vereinigung erbracht, vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG.<br />
Wird jemand vorwiegend aus medizinischen oder erzieherischen Gründen beschäftigt, arbeitet er nicht<br />
aufgr<strong>und</strong> eines Arbeitsvertrages sondern aufgr<strong>und</strong> eines Behandlungsvertrages, vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 4<br />
BetrVG..<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist ein Au-Pair-Verhältnis nicht als Arbeitsverhältnis ausgestaltet, sondern soll dem Au-<br />
Pair erlauben Sprache <strong>und</strong> Kultur des Gastlandes zu erlernen. Sollte der Vertrag jedoch detaillierte<br />
Regelungen zur Mithilfe im Haushalt, Kinderbetreuung, Dienstzeiten, Freizeit <strong>und</strong> Urlaub enthalten,<br />
kann ein Arbeitsverhältnis vorliegen. 1<br />
c. Unselbständige Dienste:<br />
Hinsichtlich der Unselbständigkeit, der persönlichen Abhängigkeit unterscheidet sich<br />
der Arbeitsvertrag vom selbständigen Dienstvertrag. Der selbständige Dienstvertrag<br />
wird von selbständigen Gewerbetreibenden <strong>und</strong> freiberuflich Tätigen abgeschlossen.<br />
Die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers wird durch die Einbindung in die<br />
betriebliche Organisation des Arbeitgebers begründet. Indikatoren der Arbeitnehmereigenschaft<br />
sind<br />
- das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsart <strong>und</strong><br />
Arbeitsort, wie § 84 Abs. 1 S. 2 HGB erhellt<br />
1 ArbG Bamberg vom 27.10.2003, Az.: 1 Ca 1162/03
- umfassende Kontrolle<br />
- umfassende Berichtspflichten<br />
- fehlendes Unternehmerrisiko<br />
- fehlende Gewinnbeteiligung<br />
- Verbot Preise zu gestalten<br />
- Verbot eigene K<strong>und</strong>en zu werben<br />
- Verbot eigene Mitarbeiter zur Verrichtung heranzuziehen.<br />
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Problematisch ist die Abgrenzung in den Fällen der neuen Selbständigkeit, die eine<br />
Scheinselbständigkeit sein kann. Es geht oftmals um Tätigkeiten, die nur scheinbar<br />
selbständig ausgeübt werden, während es sich in Wirklichkeit um Arbeitnehmertätigkeiten<br />
handelt. Arbeitnehmer werden in Kaufhäusern zu Regaleinrichtern, die Restaurant-<br />
Bedienung wird selbständiger Verkäufer <strong>und</strong> das Zimmermädchen zur Etagenservicebetreiberin. Ein<br />
Lkw-Fahrer mietet von seinem bisherigen Arbeitgeber den von ihm gefahrenen Lkw <strong>und</strong> führt nun als<br />
Selbständiger Frachtaufträge des ehemaligen Arbeitgebers aus.<br />
Ein Weinhersteller verpachtet selbständigen Weinhändlern fertig eingerichtete Ladenlokale. In den<br />
Verträgen verpflichten sich die Weinhändler, Richtlinien über das Warenvertriebssystem, die Preisgestaltung,<br />
Buchführung bis hin zu bestimmten Ladenöffnungszeiten einzuhalten. 2 Diese Personen sind<br />
formal als Selbständige tätig. Sie übernehmen nicht selten auch ein echtes unternehmerisches Risiko.<br />
Dem steht aber wegen der engen Vorgaben des Vertragspartners kein nennenswerter eigener Gestaltungsspielraum<br />
gegenüber, der ein Auftreten am Markt <strong>und</strong> damit eine echte Gewinnchance zuließe.<br />
Die unternehmerische Organisationsgewalt verbleibt vielmehr bei dem Vertragspartner.<br />
Ein Kurierdienstfahrer, der in der Arbeitszeitgestaltung frei ist, keine Kernzeiten oder Dienstbereitschaft<br />
einzuhalten hat <strong>und</strong> nach Belieben Urlaub nehmen kann, ist ein freier Mitarbeiter, selbst wenn<br />
ein Wettbewerbsverbot besteht <strong>und</strong> nur Aufträge eines Unternehmers ausgeführt werden. Dies wurde<br />
<strong>für</strong> einen Fall entschieden, in dem der Kurierdienstfahrer mit den K<strong>und</strong>en selbst abrechnete nach einer<br />
Preisliste des die Aufträge vermittelnden Unternehmers <strong>und</strong> da<strong>für</strong> dem Unternehmer eine monatliche<br />
Pauschalvergütung entrichtete. Gegen die Arbeitnehmereigenschaft sprach weiter, dass der Kurierdienstfahrer<br />
eigene Mitarbeiter einsetzte. 3<br />
Die Scheinselbständigkeit schränkt nicht nur den <strong>Arbeitsrecht</strong>sschutz ein sondern<br />
bewirkt auch Einnahmeausfälle in der Sozialversicherung. Der Gesetzgeber hat in §<br />
7 Abs. 4 SGB IV <strong>und</strong> § 2 Nr. 9 SGB VI die Kriterien der versicherungspflichtigen Beschäftigung<br />
verschärft. Diese Neuregelung gilt unmittelbar nur <strong>für</strong> das Sozialrecht.<br />
Sie enthält obendrein gewisse Indizien <strong>für</strong> die Frage ob eine Person Arbeitnehmer ist<br />
oder selbständig ist im arbeitsrechtlichen Sinne.<br />
1.2 Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitgeber<br />
Arbeitgeber ist, wer mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitnehmer<br />
muss nicht vollbeschäftigt sein. Arbeitnehmer ist, wer zur Arbeitsleistung aufgr<strong>und</strong><br />
eines Arbeitsvertrages verpflichtet ist.<br />
Jeder Arbeitnehmer ist entweder Angestellter oder Arbeiter. Die Unterscheidung ist<br />
<strong>für</strong> das Sozialversicherungsrecht bedeutsam. Der Angestellte ist bei der B<strong>und</strong>esversicherungsanstalt<br />
<strong>für</strong> Angestellte in Berlin, der Arbeiter bei einer Landesversiche-<br />
2 BAG NJW 1991 S. 520<br />
3 BAG NJW 2002 S. 2125 f
ungsanstalt versichert. In Anlehnung an § 133 Abs. 2 SGB VI gilt als Angestellter,<br />
wer überwiegend geistige, als Arbeiter, wer überwiegend körperliche Arbeit leistet.<br />
a. Berufsausbildungsverhältnis:<br />
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Der Ausbildungsvertrag dient vornehmlich einem Ausbildungszweck nach §1BBiG<br />
<strong>und</strong> ist damit kein echter Arbeitsvertrag. Für das Berufsausbildungsverhältnis gelten<br />
die <strong>für</strong> den Arbeitsvertrag bestimmten Vorschriften entsprechend, soweit sich aus<br />
dem Sinn des Ausbildungsvertrages nichts anderes ergibt.<br />
b. Arbeitnehmerähnliche Personen:<br />
Es gibt Dienstverhältnisse, bei denen die beschäftigte Person nicht in die Organisation<br />
des Dienstherrn eingeordnet ist <strong>und</strong> das Weisungsverhältnis nur gering ausgeprägt<br />
ist. Dennoch befindet sich die beschäftigte Person wegen ihrer wirtschaftlichen<br />
Abhängigkeit in einer ähnlichen Lage wie ein Arbeitnehmer. Diese Personen sind in<br />
bestimmten Bereichen ähnlich schutzbedürftig wie Arbeitnehmer. Sie werden als arbeitnehmerähnliche<br />
Personen bezeichnet. Sie sind Arbeitnehmer im Sinne des §§ 2,<br />
12 BUrlG, im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG. Auf sie finden die Vorschriften des<br />
TVG entsprechende Anwendung nach § 12 a TVG. Hierzu zählen:<br />
§§ 2 ff. HAG Heimarbeiter; dies ist, wer in selbst gewählter Wohnung oder Betriebsstätte<br />
allein im Auftrag von Gewerbetreibenden arbeitet <strong>und</strong> die Verwertung der Arbeitsergebnisse<br />
den Gewerbetreibenden überlässt.<br />
§§ 84 Abs. 1 HGB, 5 Abs. 3 ArbGG der Einfirmenhandelsvertreter.<br />
2. Die rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen des Arbeitsverhältnisses<br />
Es gibt im <strong>Arbeitsrecht</strong> keine umfassende Kodifikation <strong>und</strong> Rechtsgr<strong>und</strong>lage. Das<br />
<strong>Arbeitsrecht</strong> ist in einer Vielzahl höchst verschiedener Gesetze geregelt. Daneben<br />
spielen Regelungen des kollektiven <strong>Arbeitsrecht</strong>s wie Tarifverträge, Betriebs- <strong>und</strong><br />
Personalvereinbarungen sowie die individuelle Ausgestaltung des einzelnen Arbeitsvertrages<br />
eine Rolle.<br />
2.1 Internationales Recht<br />
Die Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation IAO sind völkerrechtliche Vereinbarungen.<br />
Sie entfalten eine innerstaatliche Bindungswirkung, wenn sie vom Mitgliedsstaat im Gesetzgebungsverfahren<br />
ratifiziert worden sind.<br />
Die Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> die Europäische Sozialcharta, die der Europarat in<br />
Straßburg verabschiedet hat, sind völkerrechtliche Vereinbarungen <strong>und</strong> haben Gesetzesrang in<br />
Deutschland.<br />
Dem Recht der Europäischen Union kommt arbeitsrechtlich immer größere Bedeutung<br />
zu. Das EU-Recht stellt eine eigenständige Rechtsordnung mit Vorrang vor nationalem<br />
Recht dar, soweit es sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ermächtigungen<br />
hält. Das Recht der Europäischen Union besteht einmal aus
- Vertrag über die Europäische Union (EUV) <strong>und</strong><br />
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)<br />
- Verordnungen<br />
- Richtlinien,<br />
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EUV <strong>und</strong> AEUV sowie Verordnungen gelten unmittelbar in den Mitgliedsstaaten. Bislang<br />
gibt es nur wenige Verordnungen auf dem Gebiet des <strong>Arbeitsrecht</strong>s wie die VO<br />
1408/71 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeiter in der Gemeinschaft.<br />
Das Europäische <strong>Arbeitsrecht</strong> basiert im Wesentlichen auf Richtlinien. Richtlinien<br />
wirken anders als Verordnungen nicht unmittelbar in den Mitgliedsstaaten. Sie verpflichten<br />
die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung in nationales Recht. Es gilt der Gr<strong>und</strong>satz,<br />
dass sich das nationale Recht an die Vorgaben des Europäischen Rechts zu<br />
halten hat <strong>und</strong> diesem Anwendungsvorrang zukommt.<br />
2.2 Nationales Recht<br />
Für die Rechte <strong>und</strong> Pflichten von Arbeitnehmern <strong>und</strong> Arbeitgebern erscheint zunächst<br />
der geschlossene Arbeitsvertrag als maßgebend nach dem Gr<strong>und</strong>satz der<br />
Privatautonomie, auch Vertragsfreiheit genannt. Den Parteien steht es jedoch nicht<br />
völlig frei, was sie als Inhalt des Vertrages vereinbaren. Den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen<br />
können gesetzliche <strong>und</strong> kollektivvertragliche Regeln vorgehen.<br />
a. Verfassung:<br />
Die im Gr<strong>und</strong>gesetz enthaltene Wertordnung wirkt auf alle Bereiche des nationalen<br />
Rechts <strong>und</strong> damit auch auf das <strong>Arbeitsrecht</strong> ein. Die arbeitsrechtlichen Normen müssen<br />
in Einklang mit der Verfassung stehen. Art. 6 GG verbietet Ehe <strong>und</strong> Familie zu beeinträchtigen.<br />
Deshalb ist eine Klausel im Arbeitsvertrag, nach der das Arbeitsverhältnis mit der Eheschließung<br />
endet – Zölibatsklausel - nach § 138 Abs. 1 BGB, Art. 6 Abs. 1 GG nichtig.<br />
b. B<strong>und</strong>esrecht <strong>und</strong> Landesrecht:<br />
Auf das Arbeitsverhältnis können Gesetze einwirken. Es gilt nach Art. 31 GG der<br />
Vorrang des B<strong>und</strong>esrechts vor dem Landesrecht. Landesrechtliche Bestimmungen<br />
müssen in Einklang mit dem höherrangigen B<strong>und</strong>esrecht stehen. Die Mehrzahl der arbeitsrechtlichen<br />
Bestimmungen findet sich in B<strong>und</strong>esgesetzen wie BUrlG, MuSchG. Zu den arbeitsrechtlichen<br />
Bestimmungen im Landesrecht zählen die Personalvertretungsgesetze.<br />
c. Tarifvertrag:<br />
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 TVG gelten die Normen des Tarifvertrages unmittelbar <strong>und</strong><br />
zwingend zwischen den beiderseits Tarifgeb<strong>und</strong>enen. Sind einzelvertragliche Abmachungen<br />
in einem Arbeitsvertrag <strong>für</strong> den Arbeitnehmer günstiger als der Tarifvertrag, ist dies nach dem<br />
Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG unschädlich.<br />
aa. Tarifgeb<strong>und</strong>en sind beim Verbandstarifvertrag, der zwischen einem Arbeitgeberverband<br />
<strong>und</strong> einer Gewerkschaft geschlossen wurde, die Mitglieder der beiden Tarifvertragsparteien.<br />
Ist ein Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes, der den Ta-
ifvertrag abgeschlossen hat, schuldet er die tariflichen Leistungen nur den Arbeitnehmern<br />
seines Betriebes, die Mitglied der Gewerkschaft sind, die den Tarifvertrag<br />
abgeschlossen hat. Anderen Arbeitnehmern, die nicht Mitglied der Gewerkschaft<br />
sind, schuldet er keine tariflichen Leistungen. Mancher Arbeitgeber gewährt seinen Arbeitnehmern<br />
die tariflichen Leistungen jedoch auf freiwilliger Basis, damit sich die Arbeitnehmer nicht<br />
veranlasst sehen, der Gewerkschaft beizutreten.<br />
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bb. Der Tarifvertrag hat keine unmittelbare Wirkung <strong>für</strong> Arbeitnehmer, die nicht Mitglied<br />
der am Tarifvertrag beteiligten Gewerkschaft sind oder deren Arbeitgeber nicht<br />
Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist, der den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die<br />
Geltung des Tarifvertrags kann zwischen Nicht-Tarifgeb<strong>und</strong>enen freiwillig vertraglich<br />
vereinbart werden nach §§ 145 ff. BGB. Der Tarifvertrag kommt dann über die Einbeziehung<br />
in den Arbeitsvertrag - mittelbar - zur Anwendung.<br />
cc. Ein Tarifvertrag kann schließlich durch Allgemeinverbindlichkeitserklärung des<br />
B<strong>und</strong>esministers <strong>für</strong> Arbeit auf Nicht-Tarifgeb<strong>und</strong>ene erstreckt werden nach § 5 TVG.<br />
d. Betriebsvereinbarung <strong>und</strong> Dienstvereinbarung:<br />
Betriebsvereinbarungen gelten nach § 77 BetrVG ebenso wie Dienstvereinbarungen<br />
nach § 73 LPVG zwingend <strong>für</strong> alle Arbeitsverhältnisse im Betrieb. Sie werden zwischen<br />
dem Arbeitgeber <strong>und</strong> dem Betriebs- bzw. Personalrat abgeschlossen. Sie gelten<br />
nur <strong>für</strong> die Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebes <strong>und</strong> ohne Rücksicht auf eine<br />
Gewerkschaftszugehörigkeit. Es gilt der Vorrang des Tarifvertrages vor Betriebs- <strong>und</strong><br />
Dienstvereinbarungen.<br />
II. Das Arbeitsschutzrecht<br />
Das Arbeitsschutzrecht begründet öffentlich-rechtliche Pflichten des Arbeitgebers im<br />
Interesse des Arbeitnehmers. Diese Pflichten werden von den zuständigen Behörden<br />
mit Mitteln des öffentlichen Rechts wie <strong>Verwaltung</strong>sakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag<br />
nebst Bußgeld <strong>und</strong> Strafsanktionen durchgesetzt. Daneben kann der Arbeitnehmer<br />
im Rahmen des zivilrechtlichen Vertrages deren Einhaltung vom Arbeitgeber fordern<br />
<strong>und</strong> bei Zuwiderhandlungen ggf. Schadensersatz verlangen.<br />
Die Schutzvorschriften lassen sich nach ihrem Schutzzweck unterscheiden in:<br />
- Allgemeine Schutzvorschriften schützen jedermann wie das ArbZG.<br />
- Besondere Schutzvorschriften dienen dem Schutz besonderer Personengruppen<br />
wie die Arbeitszeitregelungen <strong>für</strong> Jugendliche nach dem JArbSchG <strong>und</strong> das SGB IX <strong>für</strong><br />
schwerbehinderte Arbeitnehmer.<br />
- Technischer Gefahrenschutz schützt vor bestimmten Gefahren der erbrachten<br />
Arbeit <strong>und</strong> des Arbeitsumfeldes <strong>und</strong> dient zur Erhaltung der Ges<strong>und</strong>heit wie<br />
GefahrstoffVO, RöntgenVO.<br />
- Soziale Schutzvorschriften wie das KSchG, MuSchG <strong>und</strong> das SGB IX als<br />
Schutzgesetz <strong>für</strong> Schwerbehinderte enthalten weitergehende Kündigungsschutzvorschriften<br />
zugunsten des geschützten Personenkreises.
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Die Einhaltung der technischen Schutzvorschriften wird regelmäßig von den Gewerbeaufsichtsämtern<br />
kontrolliert. Daneben gibt es Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften<br />
nach § 15 SGB VII. Es handelt sich um zwingende öffentlich-rechtliche<br />
Normen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die zuständigen Behörden können mittels<br />
<strong>Verwaltung</strong>sakt Maßnahmen zur Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften<br />
anordnen <strong>und</strong> deren Durchsetzung mit Mitteln des <strong>Verwaltung</strong>szwanges erzwingen.<br />
Daneben kommt die Verhängung von Bußgeldern in Betracht. Dem Arbeitnehmer kann<br />
ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zur Seite stehen. Er darf bis zur Erfüllung der Schutzvorschrift<br />
seine Arbeitsleistung zurückhalten. Das Entgelt ist ihm fort zu entrichten. Bei Schädigungen<br />
kann er nach §§ 611, 280 ff., 823 ff. BGB vorgehen.<br />
III. Das Individualarbeitsrecht<br />
Der Arbeitsvertrag ist andeutungsweise in §§ 611 ff. BGB geregelt. Deshalb gelten<br />
<strong>für</strong> ihn die Regelungen des Allgemeinen Teils des BGB, des Schuldrechts <strong>und</strong> die<br />
Regelungen über den gegenseitigen Vertrag, soweit keine Sonderregelungen eingreifen.<br />
Für den Arbeitsvertrag gilt gr<strong>und</strong>sätzlich die Vertragsfreiheit, auch Privatautonomie<br />
genannt, aus Art. 2 GG. Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer<br />
<strong>und</strong> des Sozialstaatsprinzips aus Art. 20 GG wird die Vertragsfreiheit<br />
vom Staat durch verschiedene Gesetze eingeschränkt.<br />
Vertragsfreiheit bedeutet einmal Abschlussfreiheit. Jeder ist frei in der Entscheidung,<br />
ob <strong>und</strong> mit wem er einen Vertrag schließt. Dies kann dazu führen, dass bestimmte<br />
Personengruppen nur schwerlich einen Arbeitsplatz finden.<br />
Das SGB IX verfolgt in § 71 das Ziel, den Arbeitgeber zur Beschäftigung von<br />
Schwerbehinderten anzuhalten. Jedoch lässt sich hieraus kein Einstellungsanspruch<br />
herleiten sondern es besteht nur die Pflicht zur Leistung einer Ausgleichsabgabe<br />
nach § 77 SGB IX, wenn die vorgeschriebene Zahl Schwerbehinderter nicht beschäftigt<br />
wird.<br />
Vertragsfreiheit bedeutet obendrein Freiheit der inhaltlichen Gestaltung des Vertrages,<br />
die sogenannte Inhaltsfreiheit. Gerade bei einem Überangebot an Arbeitskräften<br />
könnte dies zu unzuträglichen Vertragsgestaltungen führen. Dies soll durch eine<br />
Reihe zwingender gesetzlicher Bestimmungen verhindert werden, wie<br />
- Entgeltschutz nach § 3 EFZG<br />
- Ges<strong>und</strong>heitsschutz nach § 3 ArbZG<br />
- Kündigungsschutz nach § 1 KSchG.<br />
Einseitige Ergebnisse zum Nachteil des schwächeren Arbeitnehmers werden vermieden,<br />
wenn beim Vertragsschluss ein Tarifvertrag Geltung beansprucht.. Hier führt<br />
das Prinzip der Vertragsfreiheit eher zu gerechten Ergebnissen, da annähernd gleich<br />
starke Parteien den Tarifvertrag schließen <strong>und</strong> diesen notfalls durch Arbeitskampf<br />
erzwingen können.<br />
Die Vertragsfreiheit der Parteien des Arbeitsvertrages wird durch den Tarifvertrag insoweit nicht eingeschränkt,<br />
als die einzelvertragliche Abmachung <strong>für</strong> den Arbeitnehmer günstiger sein darf als die<br />
tarifliche Regelung nach § 4 Abs. 3 TVG, das Günstigkeitsprinzip.
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Verträge gibt es auch auf betrieblicher <strong>und</strong> behördlicher Ebene. So kann der Betriebsrat<br />
nach § 77 BetrVG oder der Personalrat nach § 73 LPVG eine Betriebs- oder<br />
Dienstvereinbarung abschließen.<br />
1. Die Vertragsanbahnung<br />
Stellenausschreibungen müssen das Diskriminierungsverbot des § 7 i.V.m. § 1 AGG<br />
beachten. Niemand darf aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts,<br />
der Religion oder der Weltanschauung, wegen einer Behinderung, des<br />
Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden. Ausnahmen gelten nach § 8<br />
Abs. 1 AGG, wenn dies wegen der Art der Beschäftigung erforderlich ist. § 9 AGG<br />
räumt Religionsgemeinschaften <strong>und</strong> deren Einrichtungen ein, auf Religion <strong>und</strong> Weltanschauung<br />
abzustellen.<br />
Mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht unter den Beteiligten ein vertragsähnliches<br />
Vertrauensverhältnis nach § 311 Abs. 2, das nach § 241 Abs. 2 zur<br />
gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Die schuldhafte Verletzung der Pflicht<br />
zur Rücksichtnahme führt zu einer Haftung auf Schadensersatz nach § 280. Informiert<br />
der Arbeitgeber den Bewerber nicht über eine bevorstehende Insolvenz oder behauptet er wahrheitswidrig,<br />
der Betriebs- oder Personalrat habe der Einstellung schon zugestimmt obwohl dieser nicht<br />
informiert wurde <strong>und</strong> deshalb der Einstellung widerspricht, kann dies zu einem Schaden des Bewerbers<br />
führen, der im Vertrauen auf die Zusage seine bisherige Stelle aufgibt.<br />
Besonderheiten ergeben sich, wenn jemand unter Verletzung des Diskriminierungsverbots<br />
aus § 1 AGG nicht eingestellt wird. Es besteht kein Einstellungsanspruch des<br />
übergangenen Bewerbers. Jedoch kann ein Schadensersatzanspruch nach § 15<br />
AGG folgen.<br />
Der Bewerber hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Ersatz seiner Vorstellungskosten<br />
analog § 670 BGB, wenn er zum Vorstellungsgespräch aufgefordert<br />
wurde. Gleichwohl steht es dem Arbeitgeber im Rahmen der Privatautonomie frei,<br />
die Kostenerstattung ausdrücklich bei der Ausschreibung oder der Einladung zum<br />
Vorstellungsgespräch auszuschließen.<br />
Persönlichkeitstests wie graphologische Gutachten dürfen nur mit Zustimmung des Bewerbers durchgeführt<br />
werden.<br />
Die Einstellung kann von einer ärztlichen Untersuchung abhängig gemacht werden. Personalfragebögen<br />
können mit Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats nach §§ 84 BetrVG, 79 Abs. 3 Nr. 4<br />
LPVG verwendet werden.<br />
Die Bewerbungsunterlagen des Bewerbers bleiben sein Eigentum. Er kann Rückgabe<br />
seines Eigentums nach § 985 BGB verlangen. Es handelt sich hierbei um eine<br />
Holschuld nach § 269 Abs. 1 BGB. Rücksendung der Unterlagen kann nur verlangt<br />
werden, wenn dies vereinbart wurde. Zu den Bewerbungsunterlagen zählen neben Schul- <strong>und</strong><br />
Arbeitszeugnissen, ein polizeiliches Führungszeugnis nach §§ 28 ff. BZRG.<br />
2. Die Begründung des Arbeitsverhältnisses
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11<br />
Für den Abschluss des Arbeitsvertrages gilt der Gr<strong>und</strong>satz der Vertragsfreiheit aus<br />
Art. 2 Abs. 1 GG. Der Arbeitsvertrag kommt durch Angebot <strong>und</strong> Annahme nach §§<br />
145 ff. BGB zustande. Eine Stellenausschreibung ist noch kein Angebot, sondern nur eine Aufforderung<br />
an die Allgemeinheit, ein Angebot zu machen – invitatio ad offerendum.<br />
Die Vertragsfreiheit wird durch Abschlussgebote <strong>und</strong> -verbote eingeschränkt.<br />
a. Gesetzliche Abschlussgebote:<br />
Die §§ 71 ff. SGB IX verpflichten den Arbeitgeber, eine bestimmte Zahl von Schwerbehinderten<br />
zu beschäftigen. Diese Pflicht besteht nur dem Staat gegenüber. Der<br />
einzelne Arbeitnehmer kann hieraus keinen Einstellungsanspruch herleiten. Als<br />
Druckmittel zum Abschluss von Arbeitsverträgen mit Schwerbehinderten sieht das Gesetz eine Ausgleichsabgabe<br />
vor.<br />
Auch aus § 7 AGG lässt sich kein Einstellungsanspruch herleiten. Diskriminierendes<br />
Verhalten kann allenfalls zu einem Anspruch auf Geldentschädigung führen.<br />
b. Abschlussverbote:<br />
Es gibt Beschäftigungsverbote <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche nach dem JArbSchG. Aus<br />
arbeitsmarktpolitischen Gründen bedürfen verschiedene ausländische Arbeitnehmer<br />
vor Aufnahme der Beschäftigung einer Arbeitserlaubnis.<br />
c. Form:<br />
Arbeitsverträge sind gr<strong>und</strong>sätzlich formfrei. Verstöße gegen tarifvertragliche Formgebote<br />
wie § 2 Abs. 1 TVöD lassen die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages unberührt.<br />
Sie sollen dem Arbeitnehmer nur die Beweisführung über den Inhalt des abgeschlossenen<br />
Arbeitsvertrages erleichtern.<br />
Zwar hat der Arbeitgeber nach § 2 Abs. 1 NachwG spätestens 1 Monat nach dem vereinbarten Beginn<br />
des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, zu unterzeichnen<br />
<strong>und</strong> dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Eine Formvorschrift <strong>für</strong> den Abschluss des Arbeitsvertrages<br />
enthält das NachwG jedoch nicht. Es enthält nur einen Anspruch auf Fixierung des bereits<br />
abgeschlossenen Vertrages. Dasselbe gilt nach § 11BBiG <strong>für</strong> Ausbildungsverträge.<br />
Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages der Schriftform. Ist diese Schriftform<br />
nicht eingehalten, ist die Befristung nicht wirksam vereinbart. Jedoch ist der Arbeitsvertrag wirksam<br />
ohne diese Befristung abgeschlossen <strong>und</strong> es gilt – wie im Regelfall – ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.<br />
d. Geschäftsfähigkeit:<br />
Der Arbeitsvertrag setzt zwei gültige Willenserklärungen, Angebot <strong>und</strong> Annahme,<br />
nach §§ 145 ff. BGB voraus. Daran fehlt es, wenn eine Vertragspartei nach §§ 104 ff.<br />
BGB geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist. Für den minderjährigen<br />
Arbeitnehmer ist § 113 BGB wichtig. Haben ihn seine gesetzlichen Vertreter, regelmäßig<br />
die Eltern nach § 1629 BGB, zur Eingehung des Arbeitsvertrages ermächtigt,<br />
gilt er als unbeschränkt geschäftsfähig <strong>für</strong> den Abschluss, die Aufhebung <strong>und</strong> die<br />
Erfüllung des Arbeitsvertrages. § 113 BGB gilt nur <strong>für</strong> den Arbeitsvertrag, nicht hingegen <strong>für</strong> den<br />
Ausbildungsvertrag. Der Auszubildende kann sein Ausbildungsverhältnis nicht aufgr<strong>und</strong> des § 113<br />
BGB selbst wirksam kündigen. Er bedarf hierzu der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter.
e. Stellvertretung:<br />
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Der Abschluss eines Arbeitsvertrages kann durch einen Stellvertreter erfolgen, wenn<br />
dieser Vertretungsmacht nach § 164 Abs. 1 BGB hat. Meister, Sachabteilungs- <strong>und</strong> Referatsleiter<br />
haben eine solche Vertretungsmacht in Personalangelegenheiten regelmäßig nicht.<br />
f. Beteiligung des Betriebs- <strong>und</strong> Personalrats:<br />
Der Arbeitgeber hat vor Abschluss eines Arbeitsvertrages nach §§ 99 Abs. 1 BetrVG,<br />
76 Abs. 1 Nr. 1 LPVG die Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats einzuholen.<br />
Diese kann durch das Arbeitsgericht ersetzt werden. Eine ohne Zustimmung erfolgte<br />
Einstellung ist nicht unwirksam. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer jedoch nicht<br />
in den Betrieb eingliedern.<br />
g. Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung:<br />
Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 81 Abs. 1 SGB IX<br />
über Bewerbungen schwerbehinderter Menschen <strong>und</strong> über Vermittlungsvorschläge<br />
des Arbeitsamtes zur Einstellung Schwerbehinderter zu unterrichten.<br />
3. Mängel des Arbeitsvertrages<br />
Entgegen § 139 BGB gilt beim Arbeitsvertrag die Regel, dass die Unwirksamkeit einer<br />
Vertragsklausel nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrages führt. Es ist nur<br />
die betroffene Vertragsklausel unwirksam, nicht hingegen der gesamte Vertrag. Unterläuft<br />
bei Abschluss des Arbeitsvertrages ein Fehler, kann dieser deshalb nur ausnahmsweise zur<br />
Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses führen. Der Geldfälscher G beschäftigt den Drucker D aufgr<strong>und</strong><br />
eines Arbeitsvertrages, damit dieser <strong>für</strong> ihn Blüten herstellt. Der Arbeitsvertrag ist nach §§134 BGB,<br />
146 StGB nichtig.<br />
Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung <strong>und</strong> Gegenleistung i.S. von Lohnwucher nach § 138<br />
BGB liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht. Anstelle der unwirksamen Vereinbarung<br />
tritt der Anspruch aus § 612 Abs. 2 BGB auf übliche Vergütung. 4<br />
a. Nichtigkeitsgründe:<br />
Die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages kann sich ergeben aus<br />
- §§ 104 ff. BGB Geschäftsunfähigkeit eines Vertragspartners oder fehlende<br />
Zustimmung der gesetzlichen Vertreter bei beschränkter Geschäftsfähigkeit<br />
- § 134 BGB Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot<br />
- § 138 BGB Sittenwidrigkeit des Vertrags.<br />
Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB kann jede Rechtsnorm sein. Auch Tarifverträge<br />
<strong>und</strong> Betriebsvereinbarungen fallen darunter.<br />
4 BAG JA 2010 S. 830
. Anfechtbarkeit:<br />
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Der Arbeitsvertrag kann wegen Irrtums bei Vertragsabschluss nach §§ 119, 123 BGB<br />
angefochten werden.<br />
aa. Zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigt der Irrtum über eine verkehrswesentliche<br />
Eigenschaft des Vertragspartners. Hierzu zählen dessen Vorbildung, berufliche<br />
Fähigkeiten. Erheblich sind nur Eigenschaften, die in unmittelbarer Beziehung zum Inhalt des<br />
Arbeitsvertrages stehen. Die Schwangerschaft ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne<br />
des § 119 Abs. 2 BGB, da sie kein Dauerzustand ist. Vor allem würde eine Anfechtung dem Sinn des<br />
Mutterschutzes widersprechen. Selbst bei Bestehen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes<br />
rechtfertigt die Schwangerschaft nicht die Anfechtung, da das Beschäftigungsverbot nur vorübergehender<br />
Natur ist. Mangels Dauerhaftigkeit fallen kürzere Erkrankungen nicht darunter. Vorstrafen<br />
sind zwar keine Eigenschaften, sie lassen jedoch Rückschlüsse auf Eigenschaften zu. Nach erfolgter<br />
Streichung aus dem B<strong>und</strong>eszentralregister müssen Vorstrafen nicht mehr offenbart werden.<br />
Bewirbt sich ein Arbeitnehmer mit einem gefälschten Zeugnis um eine Stelle <strong>und</strong><br />
wird er auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Zeugnisses eingestellt, so kann der Arbeitgeber<br />
das Arbeitsverhältnis aufgr<strong>und</strong> arglistiger Täuschung anfechten. Das gilt auch, wenn<br />
er erst 8 ½ Jahre später von der Täuschung erfährt <strong>und</strong> die Leistungen des Arbeitnehmers<br />
beanstandungsfrei waren. 5<br />
bb. Vor der Einstellung eines Arbeitnehmers wird diesem in der Regel eine Reihe<br />
von Fragen gestellt. Der Vertrag kann nach § 123 BGB wegen arglistiger<br />
Täuschung angefochten werden, wenn der Arbeitnehmer beim Einstellungsgespräch<br />
unvollständige oder falsche Antworten gibt. Der Arbeitnehmer muss nur vollständig<br />
<strong>und</strong> wahrheitsgemäß auf zulässige Fragen antworten. Der Arbeitnehmer muss nur<br />
Fragen beantworten, die in einem Sachzusammenhang mit dem Arbeitsplatz <strong>und</strong> der<br />
Arbeitsleistung stehen. Auf unzulässige Fragen muss der Arbeitnehmer nicht antworten.<br />
Der Schutz der Arbeitnehmerinteressen wird dadurch gestärkt, dass Personalfragebögen der<br />
erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebs- <strong>und</strong> Personalrats unterliegen nach §§ 94 Abs. 1 BetrVG,<br />
79 Abs. 3 Nr. 4 LPVG.<br />
Ausnahmsweise muss der Arbeitnehmer von sich aus gewisse <strong>für</strong> das Arbeitsverhältnis<br />
wichtige Umstände offenbaren, selbst wenn er hiernach nicht gefragt wurde.<br />
Fehlender Führerschein eines Bewerbers <strong>für</strong> eine LKW-Fahrerstelle.<br />
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB setzt eine widerrechtliche<br />
Täuschungshandlung voraus. Stellt der Arbeitgeber vor der Einstellung<br />
eine unzulässige Frage, steht dem Arbeitnehmer nicht nur ein Recht auf Verweigerung<br />
der Antwort sondern ein Recht zur Lüge zu. Er muss die unzulässige Frage<br />
nicht wahrheitsgemäß beantworten <strong>und</strong> darf sogar die Unwahrheit sagen. Ansonsten<br />
liefe er Gefahr, infolge der unzulässigen Frage <strong>und</strong> der Ablehnung der Beantwortung,<br />
dem Ausweichen auf die Frage, die Stelle garantiert nicht zu bekommen. Zu den unzulässigen<br />
Fragen gehört die Frage nach der Schwangerschaft. Diese Frage verstößt gegen den<br />
Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz aus Art. 3 GG, da sie nur Frauen gestellt werden kann. Würde die<br />
Schwangere auf die Frage hin antworten, dass sie die Frage nicht zu beantworten brauche, würde sie<br />
Gefahr laufen, dass der Arbeitgeber ihr die Arbeitsstelle erst recht nicht geben wird. Die ausweichen-<br />
5 LAG Baden-Württemberg v. 13.10.2006, 5 Sa 25/06
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de Antwort würde ihm Anlass zu Misstrauen geben. Deshalb darf sie trotz bestehender Schwangerschaft<br />
antworten, sie sei nicht schwanger.<br />
Unzulässig sind weiterhin die Fragen nach einer Gewerkschafts- oder Konfessionszugehörigkeit wegen<br />
Art. 9 Abs. 3 GG <strong>und</strong> Art. 4 GG. Eine Ausnahme von der Unzulässigkeit ist anerkannt, wenn der<br />
Arbeitgeber zu einer Gewerkschaft oder Kirche gehört. In diesen Fällen hat er ein berechtigtes Interesse<br />
an der Loyalität seines zukünftigen Mitarbeiters.<br />
c. Nichtigkeitsfolgen:<br />
Das Vorliegen eines Nichtigkeitsgr<strong>und</strong>es bewirkt die automatische Nichtigkeit des<br />
Arbeitsvertrages von Anfang an. Ist ein Vertrag nichtig, können aus diesem weder<br />
Rechte noch Pflichten hergeleitet werden. Die Anfechtung führt gemäß § 142 BGB<br />
zur rückwirkenden Nichtigkeit – rückwirkend auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.<br />
Der Vertrag gilt als nicht bestehend. Diese Rechtsfolge ist angemessen,<br />
wenn die Anfechtung noch vor Antritt des Arbeitsverhältnisses erfolgt.<br />
Wird das Arbeitsverhältnis erst nach Antritt der Arbeit angefochten, weil erst jetzt<br />
der Irrtum bewusst wird, wäre das Arbeitsverhältnis nach der Regel des § 142 BGB<br />
ebenfalls von Anfang an nichtig. Die empfangenen Leistungen müssten dann nach<br />
den Regeln des § 812 BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung rückabgewickelt<br />
werden. Diese Rückabwicklung kann zu erheblichen Schwierigkeiten <strong>und</strong> unbilligen<br />
Ergebnissen <strong>für</strong> den Arbeitnehmer führen. Der Arbeitgeber kann behaupten, dass die<br />
erbrachte Arbeitsleistung faktisch wertlos, unbrauchbar war <strong>und</strong> zu keiner Bereicherung<br />
geführt hat. Deshalb herrscht in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung Einigkeit darüber,<br />
dass entgegen dem Wortlaut des § 142 BGB nach Antritt der Arbeit die Anfechtung<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich nur Wirkung <strong>für</strong> die Zukunft hat. 6 Die in der Vergangenheit erbrachten<br />
Leistungen gelten aufgr<strong>und</strong> eines faktischen Arbeitsverhältnisses als wirksam erbracht.<br />
Dasselbe gilt, wenn ein geschäftsunfähiger Arbeitnehmer einen Vertrag abgeschlossen hat <strong>und</strong> die<br />
Arbeit aufgenommen hat. Da die Nichtigkeit des Vertrages wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit zum<br />
Schutz des Geschäftsunfähigen dienen soll, kann der Arbeitgeber sich nicht auf die Nichtigkeit des<br />
Arbeitsvertrages <strong>für</strong> die Vergangenheit berufen, während der der Arbeitnehmer die Arbeit erbracht hat.<br />
Trotz Nichtigkeit nach §§ 105, 142 BGB wird das Arbeitsverhältnis in den dargestellten<br />
Fällen <strong>für</strong> die Vergangenheit als wirksam betrachtet, sog. faktisches Arbeitsverhältnis.<br />
Die Nichtigkeit hat nur <strong>für</strong> die Zukunft Wirkung. Die Beteiligten können<br />
sich durch einseitige Erklärung vom Vertrag lösen.<br />
d. Klauselkontrolle:<br />
Die Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen <strong>und</strong> Verbraucherverträge<br />
finden auf Arbeitsverträge nach § 310 Abs. 4 BGB keine unbeschränkte sondern nur<br />
angemessene Anwendung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses.<br />
Jedoch finden die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2<br />
<strong>und</strong> Abs. 3 BGB keine Anwendung. Hier kommt das NachwG als Sonderregelung zur<br />
Anwendung. Der Verstoß gegen Klauselverbote aus §§ 307- 309 BGB führt gemäß §<br />
306 BGB nur zur Unwirksamkeit der betreffenden Klausel. Der Vertrag als solcher<br />
6 Rechtsfortbildung im Wege der teleologische Reduktion.
wird davon nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Klausel tritt die gesetzliche Regelung.<br />
e. Geltung von Tarifverträgen:<br />
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Der Inhalt von Arbeitsverträgen kann durch Tarifverträge geregelt werden. Tarifverträge<br />
können in folgenden Fällen zur Anwendung kommen.<br />
aa. Tarifbindung besteht nach § 3 TVG, wenn sowohl der Arbeitgeber wie auch der<br />
Arbeitnehmer Mitglied der Verbände sind, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben.<br />
bb. Wird ein Tarifvertrag nach § 5 TVG vom B<strong>und</strong>esminister <strong>für</strong> Arbeit <strong>für</strong> allgemeinverbindlich<br />
erklärt, gilt er auch <strong>für</strong> nicht tarifgeb<strong>und</strong>ene Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer.<br />
cc. Im Arbeitsvertrag kann nach §§ 145 ff. BGB die Geltung des Tarifvertrages einvernehmlich<br />
<strong>für</strong> anwendbar erklärt werden.<br />
Kommt ein Tarifvertrag unter diesen Voraussetzungen zur Anwendung darf von seinen<br />
Bestimmungen nicht durch Individualvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen<br />
werden außer nach § 4 Abs. 3 TVG, wenn der Tarifvertrag dies gestattet oder<br />
die Abweichung sich zugunsten des Arbeitnehmers auswirkt.<br />
Für den öffentlichen Dienst wurde von den Koalitionspartnern der Tarifvertrag öffentlicher<br />
Dienst (TVöD) geschaffen. Der TVöD hat einerseits zum Ziel, die Rechtsstellung<br />
der Angestellten der Rechtsstellung der Beamten anzugleichen, soweit dies erforderlich<br />
ist, weshalb einige Regelungen im TVöD Parallelen zum Beamtenrecht haben wie die<br />
Regelung von Nebentätigkeiten nach § 3 Abs. 3 TVöD, <strong>und</strong> andererseits <strong>für</strong> eine notwendige<br />
Flexibilisierung zu sorgen.<br />
Da nur wenige der Arbeitgeber <strong>und</strong> der Arbeitnehmer Mitglieder der Verbände sind, die den TVöD<br />
abgeschlossen haben, kommt dieser in den wenigsten Fällen über § 3 TVG zur Anwendung. Häufig<br />
wird er auf freiwilliger Basis über §§ 145 ff. BGB in den Arbeitsvertrag einbezogen.<br />
4. Die Pflichten des Arbeitnehmers<br />
Der Arbeitnehmer hat die Arbeit gr<strong>und</strong>sätzlich in eigener Person nach § 613 BGB zu<br />
leisten. Er darf keine Ersatzkraft schicken. Stirbt der Arbeitnehmer, so geht die Verpflichtung<br />
zur Arbeitsleistung nicht nach §§ 1922, 1967 BGB auf die Erben über.<br />
Stirbt der Arbeitgeber, treten seine Erben nach §§ 1922, 1967 BGB in das Arbeitsverhältnis<br />
ein. Das Arbeitsverhältnis besteht fort.<br />
Nach § 613 BGB ist der Anspruch des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung im Zweifel<br />
nicht übertragbar. Der Arbeitgeber kann also seinen Arbeitnehmer nicht an einen anderen<br />
Arbeitgeber abgeben. Es können im Arbeitsvertrag hiervon abweichende Vereinbarungen<br />
getroffen werden. Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeitsfirmen.<br />
a. Art der Arbeitsleistung:
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Die Art der Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer zu erbringen hat, ergibt sich aus<br />
dem Arbeitsvertrag <strong>und</strong> den sonstigen rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen. Im Arbeitsvertrag<br />
werden meistens nur Art <strong>und</strong> Umfang der Arbeit vereinbart. Die Einzelheiten der vom<br />
Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen ergeben sich regelmäßig nicht aus dem<br />
Arbeitsvertrag. Zur Konkretisierung der jeweiligen Pflichten des Arbeitnehmers hat<br />
der Arbeitgeber deshalb ein Direktionsrecht hinsichtlich der Ausführung der Arbeit<br />
nach § 315 BGB. Das Weisungsrecht muss sich im Rahmen der Gesetze <strong>und</strong> des<br />
Arbeitsvertrages halten. Die Grenzen der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen nach dem ArbZG<br />
dürfen nicht überschritten werden. Von der Halbtagskraft darf ohne deren Einverständnis keine Vollzeittätigkeit<br />
verlangt werden. Im Einzelfall kann das Weisungsrecht durch Gr<strong>und</strong>rechte des Arbeitnehmers<br />
begrenzt sein.<br />
Vielfach ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers durch ein Mitbestimmungsrecht des<br />
Betriebsrats nach § 87 BetrVG oder des Personalrats nach § 79 LPVG eingeschränkt.<br />
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht<br />
bei der Festlegung von Beginn <strong>und</strong> Ende der täglichen Arbeitszeit. Eine weitere<br />
Einschränkung kann sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer<br />
über einen langen Zeitraum nur mit bestimmten Aufgaben betraut hat. Hier konkretisiert<br />
sich die Arbeitspflicht auf diesen Aufgabenbereich.<br />
Änderungen kann der Arbeitgeber nur durch eine Änderungskündigung herbeiführen.<br />
Überschreitet der Arbeitgeber sein Weisungsrecht, darf der Arbeitnehmer die zugewiesene<br />
Arbeit verweigern. In Notfällen können ausnahmsweise andere als die vereinbarten<br />
Arbeiten vom Arbeitnehmer nach § 242 BGB gefordert werden.<br />
b. Ort der Arbeit:<br />
Für den Leistungsort gilt gr<strong>und</strong>sätzlich § 269 BGB. Regelmäßig ist die Arbeit im Betrieb<br />
des Arbeitgebers zu erbringen. Es ist eine Holschuld des Arbeitnehmers. Bei<br />
einer Betriebsverlegung muss der Arbeitnehmer an der neuen Betriebsstätte arbeiten,<br />
soweit ihm dies zumutbar ist, wobei z.B. der Arbeitsweg zu berücksichtigen ist.<br />
Ist dem Arbeitnehmer eine Weiterarbeit nicht zuzumuten, so behält er gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ohne Weiterarbeit seinen vertraglichen Lohnanspruch. Die Betriebsverlegung gibt<br />
dem Arbeitgeber regelmäßig einen Gr<strong>und</strong> zur Änderungskündigung. Gleichwohl sind<br />
viele Arbeitnehmer zur einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages <strong>und</strong> Vereinbarung<br />
eines neuen Arbeitsortes bereit, um das Arbeitsverhältnis nicht zu verlieren.<br />
Dies kann nach §§ 111, 112 BetrVG sozialplanpflichtig sein. § 4 Abs. 1 TVöD sieht weitergehende<br />
Versetzungsmöglichkeiten vor.<br />
c. Arbeitszeit:<br />
Arbeitszeit ist nach § 2 Abs. 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit<br />
ohne Ruhepause. Die gesetzlichen Regeln dienen dem Schutz des Arbeitnehmers.<br />
Sie sind öffentlich-rechtliche Normen, enthalten Straf- <strong>und</strong> Bußgeldvorschriften <strong>für</strong><br />
den Arbeitgeber <strong>und</strong> wirken über § 134 BGB auf die getroffenen Vereinbarungen ein.<br />
Zu beachten sind das ArbZG, §§ 7, 8 MuSchG, 8 ff. JArbSchG u.a..Tarifverträge<br />
können gemäß § 7 ArbZG die regelmäßige gesetzliche Höchstgrenze der täglichen<br />
Arbeitszeit erweitern.
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In Betriebsvereinbarungen wird häufig die Lage der Arbeitszeit auf betrieblicher Ebene<br />
geregelt gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BetrVG, 79 Abs. 1 Nr. 1 LPVG. Kernzeitenregelung,<br />
Gleitzeitreglung.<br />
Das ArbZG enthält keine Regelungen bezüglich der Vergütung der<br />
Mehrarbeit - Überschreitung der gesetzlichen täglichen Arbeitszeit - <strong>und</strong><br />
Überst<strong>und</strong>en - Überschreitung der einzel- oder tarifvertraglichen Arbeitszeit.<br />
Die Vergütung zusätzlicher Arbeit kann Gegenstand freier Übereinkünfte im Arbeits-<br />
oder Tarifvertrag sein. Da Mehrarbeit <strong>und</strong> Überst<strong>und</strong>en ebenso wie die normale Arbeitsleistung<br />
nur gegen Entgelt zu erwarten sind, ergibt sich ein Vergütungsanspruch<br />
trotz fehlender Regelung gr<strong>und</strong>sätzlich aus § 612 BGB. Ob darüber hinaus noch ein<br />
besonderer Zuschlag zu zahlen ist, richtet sich nach der Betriebs- oder Branchenüblichkeit.<br />
Kurzarbeit ist die vorübergehende Herabsetzung der vereinbarten Arbeitszeit. Wird<br />
sie vom Arbeitgeber einseitig angeordnet, so führt das nicht zu einer entsprechenden<br />
Lohnkürzung. Der Arbeitgeber gerät nach § 615 BGB lediglich in Annahmeverzug.<br />
Um nicht den vollen Lohn zahlen zu müssen, werden Kurzarbeitsklauseln vereinbart.<br />
Kurzarbeitsklauseln werden oft in Tarifverträgen aufgenommen. Sie können auch<br />
durch eine Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vereinbart werden<br />
oder im Einzelarbeitsvertrag. Die Zahlung von Kurzarbeitergeld aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung<br />
ist in §§ 169 ff. SGB III geregelt.<br />
d. Sonstige Pflichten:<br />
Den Arbeitnehmer trifft die Pflicht, den Weisungen des Arbeitgebers nachzukommen.<br />
Er hat dem Direktionsrecht des Arbeitgebers Folge zu leisten. Das Direktionsrecht<br />
ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene<br />
Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Ort <strong>und</strong> Art zu bestimmen nach § 315<br />
BGB. Die in § 315 BGB geforderte Billigkeit bei Ausübung des Weisungsrechts kann mit den verfassungsrechtlich<br />
geschützten Positionen des Arbeitnehmers kollidieren wie beim Kopftuchstreit mit Art.<br />
4 GG. Ein Ausgleich mit dem Recht des Unternehmers aus Art. 12 GG ist im Rahmen praktischer<br />
Konkordanz zu suchen. 7<br />
Der Arbeitnehmer hat die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers<br />
nach § 241 Abs. 2 BGB. Hierzu kann eine<br />
- Überwachungs- <strong>und</strong> Anzeigepflicht von drohenden Schäden<br />
- Pflicht, keine falschen Angaben zu machen wie falsche Entschuldigung bei<br />
Dienstversäumnis<br />
- Pflicht, sich nicht bestechen zu lassen<br />
- Pflicht zur Kleidung entsprechend dem Charakter des Betriebs <strong>und</strong> der K<strong>und</strong>schaft<br />
8<br />
zählen.<br />
Den Arbeitnehmer trifft eine Verschwiegenheitspflicht. Diese erstreckt sich auf alle<br />
Betriebs- <strong>und</strong> Geschäftsgeheimnisse. Diese Tatsachen sollen nach dem Willen des<br />
7 BAG NJW 2003 S. 1685, 1686 f.<br />
8 BAG NJW 2003 S. 1685, 1686
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Arbeitgebers im Rahmen seines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten<br />
werden. Der Verrat eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses ist nach § 17 UWG strafbar.<br />
Der Arbeitnehmer kann zum Schadensersatz verpflichtet werden. Die Verschwiegenheitspflicht<br />
kann durch gesetzliche Vorschriften oder durch Weisungen des Arbeitgebers<br />
begründet werden, wie es §§ 203 StGB, 3 Abs. 1 TVöD vorsehen. Hierbei geht es<br />
weniger um technische <strong>und</strong> wirtschaftliche Betriebsgeheimnisse sondern um persönliche<br />
<strong>und</strong> soziale Daten, die von Ratsuchenden <strong>und</strong> Antragstellern offenbart werden.<br />
Aufgr<strong>und</strong> einer Verschwiegenheits- <strong>und</strong> Interessenwahrungspflicht ist der Arbeitnehmer gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
gehalten, von Anzeigen gegen den Arbeitgeber abzusehen. Er hat sich zunächst innerbetrieblich um<br />
Abhilfe zu bemühen, ggf. den Betriebs- oder Personalrat einzuschalten, den Vorgesetzten oder Arbeitgeber<br />
selbst zu unterrichten. Führen diese Maßnahmen nicht zum Erfolg, darf sich der Arbeitnehmer<br />
an die außerbetrieblichen zuständigen Stellen wenden.<br />
Nur ausnahmsweise ist der Arbeitnehmer befugt, unmittelbar die zuständigen Behörden zu informieren,<br />
so wenn eine Abhilfe nicht möglich ist, nicht zu erwarten ist oder unzumutbar ist. Nach dem<br />
Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit muss der Arbeitnehmer versuchen, den unschädlichsten Weg zur<br />
Aufdeckung <strong>und</strong> Abschaffung der Missstände zu suchen. Der Arbeitnehmer ist in der Regel nicht berechtigt,<br />
Presse, R<strong>und</strong>funk oder Fernsehen einzuschalten.<br />
Analog § 667 BGB hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber herauszugeben, was er<br />
anlässlich der Arbeitsleistung erlangt hat. Hierzu zählen Schmiergelder <strong>und</strong> Bonusmeilen aus<br />
einem Vielfliegerprogramm, soweit der Arbeitgeber die Flüge bezahlt hat. 9<br />
Gesetzlich ist ein Wettbewerbsverbot <strong>für</strong> Handlungsgehilfen nach §§ 60 ff. HGB geregelt,<br />
wonach der Arbeitnehmer keine Konkurrenztätigkeit ausüben darf. Oft werden<br />
in anderen Bereichen entsprechende Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote getroffen.<br />
Nach § 3 Abs. 3 TVöD sind Nebentätigkeiten anzeigepflichtig, selbst wenn es<br />
sich um keine Konkurrenztätigkeit handelt.<br />
Im öffentlichen Dienst ist vom Arbeitnehmer der Dienstweg bei Anträgen, Anfragen<br />
<strong>und</strong> Beschwerden einzuhalten.<br />
e. Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers:<br />
Kommt der Arbeitnehmer seinen vertraglichen Pflichten nicht nach, kann der Arbeitgeber<br />
vor dem Arbeitsgericht auf Erfüllung klagen <strong>und</strong> ein Urteil erstreiten, das den<br />
Arbeitnehmer zum Handeln verurteilt. Aus einem Urteil auf Arbeitsleistung ist nach §<br />
888 Abs. 3 ZPO die Zwangsvollstreckung nicht möglich. Auf Antrag des Arbeitgebers<br />
kann das Gericht nach freiem Ermessen den Arbeitnehmer zur Entschädigungspflicht<br />
verurteilen, wenn er die Handlung nicht innerhalb einer bestimmten Frist vornimmt, §<br />
61 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Der Arbeitgeber kann nach § 320 BGB die Lohnzahlung ganz<br />
oder teilweise verweigern, bis der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt.<br />
Bei einer Schlechtleistung des Arbeitnehmers entfällt § 320 BGB, weil der Arbeitnehmer<br />
die Leistung – zwar schlecht aber trotzdem– erbracht hat. Der Arbeitgeber<br />
darf das Arbeitsentgelt nicht zurückbehalten. Der Arbeitgeber ist nicht befugt, die<br />
Vergütung entsprechend zu kürzen. Im Dienstvertragsrecht gibt es anders als bei<br />
9 BAG in JA 2007 S. 464 f
Kauf, Miete <strong>und</strong> Werkvertrag kein Minderungsrecht. Bei Schlechtleistung ist eine<br />
Lohnminderung nur zulässig, wenn dies vertraglich explizit vorgesehen wurde.<br />
f. Haftungsbeschränkung:<br />
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Ludwigsburg<br />
19<br />
Bei schuldhafter Nichtleistung oder Schlechtleistung erwächst dem Arbeitgeber ein<br />
Schadensersatzanspruch aus §§ 280 ff., 823 ff. BGB oder ein Regressanspruch aus<br />
§§ 426, 840 BGB, wenn ein Dritter geschädigt wurde. Das Gesetz sieht nach § 276<br />
BGB als Verschuldensmaßstab Vorsatz <strong>und</strong> Fahrlässigkeit vor. Hiernach müsste der<br />
Arbeitnehmer bei leichtester Fahrlässigkeit dem Arbeitgeber den Schaden voll ersetzen,<br />
selbst wenn dessen Höhe die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers weit übersteigt.<br />
Aus dem Betriebsrisikogedanken wurde eine Haftungsbeschränkung <strong>für</strong><br />
den Arbeitnehmer hergeleitet. Sie setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den Schaden<br />
durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht hat. Die Tätigkeit, die zum Schaden<br />
geführt hat, muss dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übertragen worden sein oder<br />
im Interesse <strong>für</strong> den Arbeitgeber <strong>für</strong> den Betrieb ausgeführt worden sein. Der Arbeitnehmer<br />
haftet dann<br />
- bei Vorsatz voll<br />
- bei grober Fahrlässigkeit gr<strong>und</strong>sätzlich voll<br />
- bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig<br />
- bei leichter Fahrlässigkeit nicht.<br />
§ 3 Abs. 6 <strong>und</strong> Abs. 7 TVöD sehen weitergehende Haftungsbeschränkungen vor.<br />
Bei Vorsatz haftet der Arbeitnehmer voll. Eine vorsätzliche Pflichtverletzung führt nur<br />
dann zur vollen Haftung des Arbeitnehmers, wenn auch der Schaden vom Vorsatz<br />
erfasst ist. 10 Bei grob fahrlässigem Verhalten kann jedoch im Einzelfall die Haftung<br />
des Arbeitnehmers nach § 254 beschränkt sein, wenn der Arbeitgeber durch eigenes<br />
Verhalten das Schadensrisiko erhöht hat oder der Ersatz des vollen Schadens den<br />
Arbeitnehmer unangemessen wirtschaftlich ruinieren würde. Eine Aufteilung scheidet<br />
jedoch aus, wenn der Arbeitnehmer mit gröbster Fahrlässigkeit gehandelt hat.<br />
Anteilige Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit bedeutet in der Regel eine Haftung zu<br />
50 %. Hierzu können sich Abweichungen ergeben im Rahmen einer Abwägung der<br />
Gesamtumstände wie Grad des Verschuldens, gefahrgeneigte Tätigkeit, Schadenshöhe, ein vom<br />
Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, die Höhe des Arbeitsentgelts <strong>und</strong> die Frage, ob im Arbeitsentgelt<br />
eine Risikoprämie enthalten ist. Die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb <strong>und</strong> persönliche Umstände<br />
sind ebenfalls zu berücksichtigen wie Dauer der Betriebszugehörigkeit, bisheriges Verhalten, Lebensalter<br />
<strong>und</strong> Familienverhältnisse. 11 Beim Arbeitgeber ist zu berücksichtigen, ob er dem Arbeitnehmer<br />
einen besonderen Risikozuschlag zahlt oder das Schadensrisiko versichert hat.<br />
Für Arbeitnehmer kann eine Mankohaftung entstehen, wenn sie im Rahmen ihrer<br />
Arbeit Warenlager, Kassenbestände, Gerätschaften zu verwalten haben. Für Fehlbestände<br />
in diesem Bereich gelten die beschriebenen Haftungsgr<strong>und</strong>sätze. Kann der<br />
Arbeitnehmer Gegenstände, die er zu verwahren hat, nicht herausgeben, so kommt es <strong>für</strong> die Frage<br />
der Beweislast darauf an, ob der Arbeitnehmer Alleinbesitzer war. Nur wenn der Arbeitnehmer Alleinbesitz<br />
hatte, trifft ihn die Beweislast über den Verbleib der Gegenstände. Kommt ein Diebstahl durch<br />
Dritte in Betracht, ist zu prüfen, in welchem Grad der Arbeitnehmer seine Sorgfaltspflicht verletzt hat.<br />
10 BAG JuS 2003 S. 510<br />
11 BAG AP Br. 106 zu § 611 BGB
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20<br />
Es ist hierbei die vom Arbeitgeber zu verantwortende Betriebsorganisation zu berücksichtigen. Eine<br />
vertragliche Vereinbarung über eine weitergehende Mankohaftung des Arbeitnehmers ist nur wirksam,<br />
wenn der Arbeitnehmer eine angemessene Gegenleistung hier<strong>für</strong> erhält.<br />
g. Betriebsbußen:<br />
Zur Ahndung von Verstößen gegen die betriebliche Ordnung werden in manchen<br />
Betrieben in Abstimmung mit Betriebs- <strong>und</strong> Personalrat Betriebsbußen verhängt<br />
nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Rechtsprechung bejaht die Zulässigkeit von Betriebsbußen<br />
als Ausfluss der autonomen Gewalt der Betriebspartner.<br />
h. Kündigung:<br />
Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers können die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />
<strong>für</strong> den Arbeitgeber unzumutbar machen. Es kommen Abmahnung <strong>und</strong> Kündigung<br />
in Betracht nach §§ 620 BGB, 1 Abs. 2 KSchG oder gar § 626 BGB.<br />
5. Die Pflichten des Arbeitgebers<br />
Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitgeber in erster Linie zur Lohnzahlung. Daneben<br />
kommen weitere Pflichten wie Schutzpflichten in Betracht.<br />
5.1 Entrichtung der Vergütung<br />
Der Arbeitgeber ist verpflichtet dem Arbeitnehmer Geldlohn zu zahlen. Daneben wird<br />
zum Teil Naturallohn entrichtet. Naturallohn ist Sachlohn wie Wohnung, Kleidung, Kost, Brennmaterial,<br />
Deputate, Dienstwagen, Jahreswagen. Vergünstigungen dieser Art werden steuerrechtlich<br />
<strong>und</strong> sozialversicherungsrechtlich nach speziellen Vorschriften zum Arbeitsentgelt hinzu gerechnet.<br />
Die Vergütung des Arbeitnehmers kann sich<br />
- als Zeitlohn nach der Dauer der geleisteten Arbeit oder<br />
- als Akkordlohn nach ihrem Ergebnis<br />
richten.<br />
Als Gr<strong>und</strong>lohn bezeichnet man das normale Arbeitsentgelt im Unterschied zu den<br />
Zuschlägen, die neben dem Gr<strong>und</strong>lohn als besondere Vergütung aus verschiedenen<br />
Anlässen wie Wegegeld, Schmutzzulage gewährt werden. Diese Aufteilung<br />
schließt es aber nicht aus, dass auch der Gr<strong>und</strong>lohn z.B. nach Lebens- <strong>und</strong> Dienstalter,<br />
Familienstand, Kinderzahl gestaffelt ist.<br />
Als Lohnzuschläge kommen vor allem Prämien, Gratifikationen, Provisionen <strong>und</strong> Zulagen<br />
in Betracht. Bei den Lohnzuschlägen handelt es sich nicht um unentgeltliche<br />
Zuwendungen sondern um Lohnbestandteile, die dem Lohnschutz bei Pfändung unterliegen.<br />
Gratifikationen sind Sonderzuwendungen aus bestimmtem Anlass, wie das<br />
Weihnachts- <strong>und</strong> Urlaubsgeld. Sie werden als Anerkennung <strong>für</strong> geleistete Dienste<br />
<strong>und</strong> oft mit der Absicht gewährt, den Arbeitnehmer weiterhin an den Betrieb zu binden.<br />
Neben diesen Zwecken kann eine zusätzliche Vergütung der im Bezugszeitraum<br />
geleisteten Arbeit gewollt sein.
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21<br />
Ohne Stichtags- <strong>und</strong> Rückzahlungsklausel ist im Zweifel eine 13. Monatsvergütung<br />
gewollt, mit der die im Kalenderjahr geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden soll.<br />
Scheidet ein Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr aus, steht ihm ein seiner Beschäftigungszeit<br />
entsprechender anteiliger Anspruch zu.<br />
Ist die Gratifikation rückzahlbar gestellt, <strong>für</strong> den Fall, dass der Arbeitnehmer zu einem<br />
bestimmten Zeitpunkt im Folgejahr selbst kündigt oder aufgr<strong>und</strong> seines Verhaltens<br />
die Kündigung durch den Arbeitgeber veranlasst, soll die Gratifikation einen Anreiz<br />
<strong>für</strong> zukünftige Betriebstreue bieten. Solche Klauseln sind unwirksam, wenn sie den<br />
Arbeitnehmer übermäßig lange an den Betrieb binden. Bei Gratifikationen zwischen<br />
€ 100,-- <strong>und</strong> einem Monatsverdienst kann die Rückzahlung vereinbart werden bis<br />
zum Ablauf des ersten Quartals des Folgejahres. Bei Gratifikationen von mehr als<br />
einem <strong>und</strong> weniger als zwei Monatsverdiensten kann die Rückzahlung bei Ausscheiden<br />
des Arbeitnehmers im ersten Halbjahr des Folgejahres vereinbart werden.<br />
Ob der Arbeitgeber eine Jahressonderzahlung <strong>für</strong> Zeiten ohne Arbeitsleistung im Bezugszeitraum<br />
anteilig kürzen darf, hängt in erster Linie davon ab, ob eine Kürzungsmöglichkeit vereinbart wurde.<br />
Fehlt eine Kürzungsregelung, ist nach der Art der Sonderzahlung zu unterscheiden: Hat die Zahlung<br />
ausschließlich Entgeltcharakter, ist der Arbeitgeber berechtigt, sie anteilig um Zeiten zu kürzen, <strong>für</strong> die<br />
kein Lohnanspruch besteht z.B. nach Ablauf des 6wöchigen Vergütungsfortzahlungszeitraums bei<br />
Krankheit, bei Erziehungsurlaub oder unbezahltem Sonderurlaub. Soll mit der Gratifikation nur die<br />
Betriebstreue honoriert werden, kommt es allein auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Bezugszeitraum<br />
an.<br />
aa. Zahlungsmodalitäten:<br />
Vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer auszuzahlen ist der Nettolohn. Der Nettolohn<br />
wird ermittelt, indem vom Bruttolohn die Lohn- <strong>und</strong> Kirchensteuer, die Sozialversicherungsbeiträge<br />
<strong>und</strong> sonstige Abzüge wie Gehaltsabtretungen oder Gehaltspfändungen<br />
abgezogen <strong>und</strong> abgeführt werden.<br />
Die Zahlungszeit <strong>und</strong> Zahlungsweise richtet sich in erster Linie nach den kollektiv-<br />
oder einzelvertraglichen Vereinbarungen gemäß §§ 271 Abs. 1 BGB, 87 Abs. 1 Nr. 4,<br />
Abs. 2 BetrVG, 79 Abs. 1 Nr. 2 LPVG. Fehlt eine solche Vereinbarung, ist der Lohn<br />
nach §§ 614, 270 BGB am Monatsende zu leisten.<br />
bb. Besonderheiten nach TVöD:<br />
Die Vergütung eines TVöD-Arbeitnehmers bestimmt sich nach der Entgeltgruppe,<br />
der seine Tätigkeit zuzuordnen. Gemäß § 15 TVöD wurden 15 Entgeltgruppen geschaffen.<br />
Die Eingruppierung richtet sich nach den im Einzelfall erfüllten Tätigkeitsmerkmalen<br />
der Entgeltordnung. Je höherwertiger die Merkmale einer Entgeltgruppe<br />
sind, umso höher ist das tarifvertraglich geschuldete Entgelt. Die Entgeltgruppen<br />
umfassen mit Ausnahme von E 1 jeweils 6 Entgeltstufen. Es ist vorgesehen,<br />
dass sie nach einer Beschäftigungsdauer von 1 Jahr in die jeweils nächste Entgeltstufe<br />
gelangen. Bei überdurchschnittlichen Leistungen kann gemäß § 17 TVöD<br />
der Aufstieg rascher erfolgen <strong>und</strong> umgekehrt bei unterdurchschnittlichen Leistungen<br />
kann sich der Aufstieg in die nächsthöhere Entgeltstufe verzögern.<br />
Hinzu kann nach § 18 TVöD eine leistungs- <strong>und</strong> erfolgsorientierte Bezahlung treten.<br />
Der Vergütungsanspruch steigt um eine persönliche Zulage, wenn dem Arbeitneh-
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22<br />
mer Tätigkeiten einer höheren Vergütungsgruppe <strong>für</strong> geraume Zeit zugewiesen werden<br />
nach § 14 Abs. 2 TVöD.<br />
Der Vergütungsanspruch des TVöD-Arbeitnehmers steigt obendrein bei Erhöhungen<br />
des Tariflohns. Der Vorteil gegenüber nicht-tarifgeb<strong>und</strong>enen Arbeitnehmern liegt darin,<br />
dass diese Erhöhungen des Entgelts automatisch eintreten, sogenannter Tarifautomatismus.<br />
Nicht-tarifgeb<strong>und</strong>ene Arbeitnehmer müssen eine Lohnerhöhung mit<br />
ihrem Arbeitgeber aushandeln, sollte dieser nicht aus freien Stücken eine Lohnerhöhung<br />
gewähren. Der nicht-tarifgeb<strong>und</strong>ene Arbeitgeber kann eine Lohnerhöhung ablehnen.<br />
cc. Betriebsübung:<br />
Hat der Arbeitgeber freiwillige Leistungen ohne Vorbehalt mehrfach erbracht, erwächst<br />
hieraus ein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Fortentrichtung der Leistungen<br />
<strong>für</strong> die Zukunft. Die betriebliche Übung wird aus einer stillschweigenden Vereinbarung<br />
bzw. der Zurechnung eines Vertrauenstatbestandes hergeleitet. Die betriebliche<br />
Übung führte in zahlreichen Fällen zur Begründung eines Rechtsanspruchs<br />
auf ein zusätzliches Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nach vorbehaltloser dreifacher<br />
Gewährung in der Vergangenheit.<br />
Wird ein eindeutiger Vorbehalt der Freiwilligkeit seitens des Arbeitgebers angebracht, kann er jedes<br />
Jahr aufs Neue entscheiden, ob, in welcher Höhe <strong>und</strong> an welche Arbeitnehmer er die freiwillige Leistung<br />
erbringen will. Es fehlt dann an einer versprochenen Leistung nach § 308 Nr. 4 BGB. Steht eine<br />
freiwillige Leistung unter Widerrufsvorbehalt, dann kommt § 308 Nr. 4 BGB zur Anwendung. 12<br />
dd. Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz:<br />
Aus Art. 3 GG wird der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />
hergeleitet. Der Arbeitgeber darf bei kollektiven Maßnahmen einzelne<br />
Arbeitnehmer nicht willkürlich benachteiligen. Dies verbietet es ihm jedoch nicht, im<br />
Rahmen der Vertragsfreiheit einzelne Arbeitnehmer zu bevorzugen. Die Vertragsfreiheit<br />
hat im <strong>Arbeitsrecht</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich Vorrang vor der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer.<br />
Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz verbietet es,<br />
einzelne Arbeitnehmer willkürlich von der ansonsten einheitlich gewährten Erhöhung<br />
des Arbeitsentgeltes oder der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen wie Weihnachtsgeld,<br />
Urlaubsgeld auszunehmen. Gewährt der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern<br />
eine Gehaltserhöhung, darf er nicht einen Arbeitnehmer ohne sachlichen<br />
Gr<strong>und</strong> von dieser allgemeinen Maßnahme ausnehmen.<br />
§ 81 Abs. 2 SGB IX verbietet die Benachteiligung schwerbehinderter Menschen wegen<br />
ihrer Behinderung.<br />
§§ 4 TzBfG, 75 Abs. 1 BetrVG, 67 Abs. 1 LPVG enthalten eine gesetzliche Pflicht zur<br />
Gleichbehandlung von Männern <strong>und</strong> Frauen <strong>und</strong> § 7 AGG verbietet darüber hinaus<br />
die Diskriminierung wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Religion, Weltanschauung,<br />
Behinderung, Alter <strong>und</strong> sexueller Identität.<br />
12 BAG NJW 2009, 2703
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23<br />
a) Darunter fällt einmal die unmittelbare Diskriminierung, wenn eine Vorschrift an das<br />
Geschlecht anknüpft.<br />
b) Aus § 3 Abs. 2 AGG ergibt sich weitergehend das Verbot mittelbarer Diskriminierung<br />
wegen des Geschlechts. Im Unterschied zur unmittelbaren Geschlechtsdiskriminierung<br />
knüpft die Ungleichbehandlung bei der mittelbaren Diskriminierung nicht<br />
an das Merkmal Geschlecht sondern an geschlechtsneutrale Kriterien an. Führt die<br />
benachteiligende Regelung im Ergebnis gleichwohl dazu, dass ganz überwiegend<br />
entweder Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen von ihr betroffen sind, kann eine<br />
mittelbare Diskriminierung vorliegen. Die Rechtsprechung nimmt eine einseitige Benachteiligung<br />
an, wenn eine Regelung mindestens 90 % Frauen oder Männer betrifft. Das kommt fast nur im<br />
Bereich der Teilzeitbeschäftigung vor.<br />
ee. Lohnsicherung:<br />
Die Gläubiger des Arbeitnehmers können aufgr<strong>und</strong> eines Vollstreckungstitels in die<br />
Gehaltsforderung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber vollstrecken. Sie müssen<br />
beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Pfändung <strong>und</strong> Überweisung des Gehalts<br />
zur Einziehung stellen nach §§ 829, 835 ZPO. Jedoch ist die Pfändung von Arbeitseinkommen<br />
nach §§ 850 a bis k ZPO nur beschränkt zulässig, damit dem Arbeitnehmer<br />
ein Existenzminimum verbleibt. Soweit die Gehaltsforderung nicht der<br />
Pfändung unterworfen ist, kann sie auch nicht an einen Anderen abgetreten werden<br />
nach § 400 BGB. Soweit die Gehaltsforderung der Pfändung nicht unterworfen ist,<br />
besteht <strong>für</strong> den Arbeitgeber ein Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB. Der Arbeitgeber<br />
kann nur innerhalb der Pfändungsgrenzen mit einer Gegenforderung gegen die<br />
Gehaltsforderung des Arbeitnehmers aufrechnen.<br />
Gerät der Arbeitgeber in Insolvenz, werden offene Arbeitnehmerforderungen, die bei der Öffnung des<br />
Insolvenzverfahrens schon entstanden sind, Insolvenzforderungen nach §§ 38, 87, 147 ff. InsO. Für<br />
Entgeltansprüche aus den letzten 3 Monaten vor der Verfahrenseröffnung erhält der Arbeitnehmer ein<br />
Insolvenzgeld in Höhe der Nettobezüge nach §§ 183 ff. SGB III. Entgeltansprüche, die nach Verfahrensöffnung<br />
entstehen, werden Masseverbindlichkeiten nach §§ 103 Abs. 1, 55 Abs. 1 <strong>und</strong> 113 Abs. 1<br />
InsO. Dasselbe gilt <strong>für</strong> Sozialplanansprüche nach § 123 Abs. 2 S. 1 InsO.<br />
ff. Betriebsübergang:<br />
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil aufgr<strong>und</strong> eines Rechtsgeschäfts auf einen neuen Inhaber über, tritt<br />
dieser nach § 613 a BGB in die bei Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Outsourcing.<br />
gg. Verjährung <strong>und</strong> Ausschlussfristen:<br />
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist<br />
des § 195 BGB in drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gemäß §<br />
199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist<br />
<strong>und</strong> der Arbeitnehmer hiervon Kenntnis erlangt hat. Die 3-jährige Verjährungsfrist<br />
kann nach § 204 BGB durch gerichtliche Rechtsverfolgung gehemmt werden. Liegt<br />
ein titulierter Anspruch wie ein Urteil vor, kann gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB 30<br />
Jahre lang hieraus vorgegangen werden.
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24<br />
Neben der Verjährung können tarifvertragliche Ausschlussfristen zu beachten sein.<br />
Nach § 36 TVöD verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb<br />
von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.<br />
Ausschlussfrist <strong>und</strong> Verjährungsfrist laufen nebeneinander her. Wurde ein Anspruch<br />
unter Wahrung der Ausschlussfrist schriftlich geltend gemacht, besteht der Anspruch<br />
fort <strong>und</strong> kann weiterhin der Verjährung unterfallen. Wurde die Ausschlussfrist versäumt,<br />
geht der Anspruch unter. Auf die Verjährung kommt es dann nicht mehr an.<br />
5.2 Arbeitsausfälle<br />
Verletzt der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis,<br />
so kann das die bereits geschilderten Folgen wie Schadensersatzansprüche<br />
oder Kündigung auslösen.<br />
Es kann zur Nichtleistung der vereinbarten Arbeit kommen. In diesen Fällen stellt<br />
sich die Frage, ob der Arbeitnehmer endgültig von seiner Arbeitspflicht frei wird <strong>und</strong><br />
ob er trotz Nichtarbeit seinen Lohnanspruch behält.<br />
a. Geringfügige nachholbare Versäumnisse:<br />
Bei geringfügigen Arbeitsversäumnissen durch den Arbeitnehmer besteht der Anspruch<br />
des Arbeitgebers auf Erbringung der Arbeitsleistung aus § 611 BGB fort. Bis<br />
zur Nachholung der Arbeit kann der Arbeitgeber das Entgelt nach § 320 BGB zurück<br />
behalten. Liegt ein Verschulden des Arbeitnehmers vor, treten daneben die Regeln<br />
über den Schuldnerverzug <strong>und</strong> der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers aus<br />
§§ 286, 280 BGB.<br />
Ist der Arbeitgeber in Annahmeverzug gekommen, hat er nach §§ 615, 293 BGB das<br />
Entgelt zu entrichten ohne Nachholung der Arbeitsleistung verlangen zu können.<br />
b. Keine Arbeit kein Geld:<br />
In der Regel ist die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung jedoch eine Fixschuld,<br />
die nicht beliebig nachholbar ist. Wird die Arbeitsleistung nicht erbracht, tritt Unmöglichkeit<br />
nach §§ 275, 280, 283, 326 BGB ein. Dem § 326 BGB wird der allgemeine<br />
Gr<strong>und</strong>satz keine Arbeit kein Geld entnommen. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeit<br />
nicht, erhält er kein Entgelt. Von diesem Gr<strong>und</strong>satz gibt es eine Vielzahl von<br />
Ausnahmen.<br />
aa. Vorübergehende Verhinderung des Arbeitnehmers:<br />
Nach § 616 Abs. 1 BGB behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, wenn<br />
er durch einen in seiner Person liegenden Gr<strong>und</strong> ohne sein Verschulden <strong>für</strong> eine<br />
verhältnismäßig unerhebliche Zeit an der Arbeitsleistung verhindert ist. Objektive Hinderungsgründe,<br />
die jedermann treffen, wie Glatteis, witterungsbedingte Fahrverbote gehören nicht hierher.<br />
Persönliche Hinderungsgründe sind Heirat, gerichtliche Vorladungen, Todesfall. Weitergehende<br />
Regelungen enthält § 29 TVöD.
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Ludwigsburg<br />
25<br />
Zu den subjektiven Leistungshindernissen zählt die Erfüllung einer vorrangigen religiösen<br />
Verpflichtung wie das muslimische Morgengebet, ein Pflichtgebet, das unter<br />
dem Schutz der freien Religionsausübung nach Art. 4 GG steht. Eine solche<br />
3minütige Arbeitspause stellt eine verhältnismäßig geringe Arbeitsverhinderung dar.<br />
Kommt es durch die Gebetspausen zu betrieblichen Störungen, geht der Schutz des<br />
Arbeitgebers aus Art. 2, 12, 14 GG vor. 13<br />
bb. Krankheit:<br />
Nach § 3 EFZG behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt <strong>für</strong> die<br />
Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen. Die Arbeitsunfähigkeit muss<br />
durch Krankheit verursacht worden sein. Ob eine Krankheit im medizinischen Sinne<br />
zugleich die Arbeitsunfähigkeit verursacht, hängt von der Art der Erkrankung <strong>und</strong> der<br />
geschuldeten Arbeitsleistung ab. Die Heiserkeit des Sängers wirkt sich anders aus als die Heiserkeit<br />
des Lagerarbeiters. Eine Pflicht zur Erbringung von Teilleistungen besteht nicht.<br />
Der Arbeitgeber ist nicht befugt, dem Arbeitnehmer eine andere als die vertraglich<br />
vereinbarte Arbeit, Schonarbeit, zuzuweisen. Dies ist nur im Wege der Änderungsvereinbarung<br />
oder Änderungskündigung möglich.<br />
Die Krankheit darf vom Arbeitnehmer nicht verschuldet sein. Ein Verschulden ist anzunehmen,<br />
wenn der Arbeitnehmer grob gegen das von einem verständigen Menschen<br />
im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Bei krankhafter Alkoholabhängigkeit<br />
kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer sie selbst<br />
verschuldet hat.<br />
Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsunfähigkeit <strong>und</strong> deren Dauer unverzüglich mitzuteilen.<br />
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, hat der Arbeitnehmer<br />
eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, diese Bescheinigung<br />
schon früher zu verlangen. § 5 Abs. 1 S. 5 EFZG enthält die Regelung, dass die<br />
ärztliche Bescheinigung bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern einen Vermerk des Arztes darüber<br />
enthalten muss, wonach eine Bescheinigung gleichfalls an die Krankenkasse übersandt wird. Diese<br />
kann bei Zweifeln über die Erkrankung eine gutachtliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes<br />
nach §§ 275 SGB V einholen.<br />
Die Bescheinigung begründet keine gesetzliche Vermutung <strong>für</strong> das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit,<br />
ihre Beweiskraft beschränkt sich darauf, dass die in ihr enthaltenen Feststellungen vom ausstellenden<br />
Arzt getroffen worden sind. Wird diese vom Arbeitgeber durch die Darlegung geeigneter Tatsachen<br />
erschüttert, muss der Arbeitnehmer den Beweis auf andere Weise führen.<br />
Verletzt der Arbeitnehmer schuldhaft die Anzeige- oder Nachweispflicht, ist der Arbeitgeber<br />
zur Abmahnung <strong>und</strong> im Wiederholungsfall zur verhaltensbedingten Kündigung<br />
berechtigt.<br />
Hat ein Dritter die Arbeitsverhinderung verursacht <strong>und</strong> stehen deshalb dem Arbeitnehmer<br />
Schadensersatzansprüche gegen den Dritten zu, so geht dieser Schadensersatzanspruch<br />
im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 6 EFZG auf<br />
den Arbeitgeber über, soweit der Arbeitgeber das Entgelt fortentrichtet hat.<br />
13 LAG Hamm NJW 2002 S. 1970 ff
cc. Betriebs- <strong>und</strong> Wirtschaftsrisiko:<br />
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26<br />
Nach der Sphärentheorie trägt der Arbeitgeber gr<strong>und</strong>sätzlich das Risiko, wenn der<br />
Betrieb aus Gründen der Auftrags- oder Materialknappheit, eines Energieengpasses<br />
oder wegen einer behördlichen Verfügung den Arbeitnehmer nicht beschäftigen<br />
kann. Dem Arbeitgeber steht der erzielte Gewinn zu. Deshalb ist es nach § 615 S. 3<br />
BGB gerechtfertigt, ihn <strong>für</strong> die Gefahren einstehen zu lassen, die in den Bereich der<br />
Betriebsführung <strong>und</strong> Unternehmensverantwortung fallen. Der Arbeitnehmer verliert nur<br />
ausnahmsweise seinen Lohnanspruch, so wenn die Arbeitsverhinderung durch Ereignisse oder Handlungen<br />
verursacht wird, die auf Arbeitskampfmaßnahmen der Arbeitnehmerseite zurückzuführen sind.<br />
Die Pflicht zur Weiterzahlung des Arbeitsentgelts nach § 615 BGB kann ganz oder<br />
teilweise entfallen, wenn die betriebliche oder wirtschaftliche Störung ein solches<br />
Ausmaß erreicht hat, dass die Existenz des Betriebs <strong>und</strong> damit des Arbeitsverhältnisses<br />
bedroht ist. Bei Existenzgefährdung hat der Arbeitnehmer Einkommenseinbußen<br />
wegen eines Betriebs- <strong>und</strong> Wirtschaftsrisikos hinzunehmen.<br />
dd. Mutterschutz:<br />
Nach §§ 3, 6 MuSchG darf die Schwangere in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung<br />
nur mit ihrem ausdrücklichen Einverständnis <strong>und</strong> in den ersten 8 Wochen nach<br />
der Entbindung gar nicht beschäftigt werden. Sie behält ihren vollen Lohnanspruch<br />
gegen den Arbeitgeber.<br />
ee. Urlaub:<br />
Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer im Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.<br />
Die Dauer beträgt mindestens 24 Werktage. Tarif- <strong>und</strong> Arbeitsverträge<br />
sehen häufig längere Urlaubszeiten vor wie §§ 26 f. TVöD. Schwerbehinderte <strong>und</strong><br />
Jugendliche haben Anspruch auf zusätzlichen Urlaub nach §§ 125 SGB IX, 19 JArbSchG. Der Urlaubszeitpunkt<br />
wird vom Arbeitgeber festgelegt. Er hat die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu<br />
berücksichtigen.<br />
Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch Sonderurlaub, so ist er nicht zur Lohnzahlung<br />
verpflichtet, wie § 28 TvöD hervorhebt.<br />
ff. Bildungsurlaub:<br />
Ein Anspruch auf bezahlten Bildungsurlaub kann sich aus landesrechtlichen Regelungen<br />
<strong>und</strong> Tarifverträgen ergeben.<br />
gg. Gesetzliche Feiertage:<br />
An Sonn- <strong>und</strong> Feiertagen wird regelmäßig nicht gearbeitet. Welche Tage Feiertage<br />
sind richtet sich nach Landesrecht. B<strong>und</strong>esrechtlich ist nur der 3. Oktober als gesetzlicher<br />
Feiertag festgelegt. An gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Werktag fallen,<br />
besteht ein Anspruch auf Feiertagsvergütung nach § 2 EFZG. Arbeitnehmern, die an<br />
Sonn- oder Feiertagen arbeiten, wird meistens ein kollektiv- oder einzelvertraglich<br />
vereinbarter Feiertagszuschlag oder ein arbeitsfreier Werktag gewährt. Fällt ein gesetzlicher<br />
Feiertag in den Erholungsurlaub, so wird er nach § 3 Abs. 2 BUrlG nicht<br />
als Urlaubstag gerechnet. Diese Feiertage sind als Brückentage in der Arbeitnehmerschaft recht<br />
beliebt.
5.3 Schutz- <strong>und</strong> Fürsorgepflichten<br />
<strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche Skript <strong>Arbeitsrecht</strong> Stand 08-2011<br />
<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
27<br />
Der Arbeitnehmer bringt seine Person in großem zeitlichem Umfang in den räumlichen<br />
Bereich des Arbeitgebers ein. Aufgr<strong>und</strong> dieser umfassenden Inanspruchnahme<br />
<strong>und</strong> der besonderen Nähe erwachsen besondere Schutz- <strong>und</strong> Fürsorgepflichten.<br />
Eine Reihe dieser Pflichten sind gesetzlich geregelt wie<br />
- §§ 618, 619 BGB Pflicht zur Schaffung sicherer Arbeitsplätze;<br />
- §§ 81 f. BetrVG Pflicht zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über seine Stellung<br />
im Betrieb <strong>und</strong> Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers <strong>und</strong> Erörterung<br />
dessen Angelegenheiten<br />
- §§ 83 BetrVG, 3 Abs. 5 TVöD Gewährung der Einsicht in Personalakten;<br />
- §§ 12, 3 Abs. 4 AGG Verpflichtung des Arbeitgebers zur Unterbindung sexueller<br />
Belästigungen;<br />
Aus Art. 2 Abs. 1 GG erwächst eine Beschäftigungspflicht; der Arbeitgeber hat den<br />
Arbeitnehmer nicht nur zu bezahlen, sondern auch zu beschäftigen.<br />
Im Arbeitsvertrag kann von vornherein Teilzeitarbeit vereinbart werden. Nach § 8 TzBfG kann ein Arbeitnehmer<br />
die Verringerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verlangen. Dieser Anspruch<br />
besteht, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestand, der Betrieb mehr als 15 Arbeitnehmer<br />
beschäftigt <strong>und</strong> keine betrieblichen Gründe dem entgegenstehen.<br />
5.4 Pflichtverletzungen des Arbeitgebers<br />
a. Erfüllung:<br />
Der Arbeitnehmer kann gegen den Arbeitgeber auf Erfüllung der Vertragspflichten<br />
klagen: Lohnzahlungsklage, Klage auf Beschäftigung <strong>und</strong> Vollstreckung durch Beugemittel<br />
nach § 888 Abs. 1 ZPO.<br />
b. Zurückbehaltungsrecht:<br />
Erbringt der Arbeitgeber die geschuldete Vergütung nicht, steht dem Arbeitnehmer<br />
die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 BGB zu. Er darf seine Arbeitsleistung<br />
zurück behalten. Der Arbeitnehmer behält <strong>für</strong> den Zeitraum, da er sich zu<br />
Recht auf diese Einrede beruft, seinen Vergütungsanspruch nach §§ 615, 298 BGB.<br />
c. Schadensersatzanspruch:<br />
Der Schadensersatzanspruch kann sich aus § 611 i.V.m. §§ 280 ff., 311 Abs. 2 oder<br />
§§ 823 ff. BGB ergeben. Diese Ansprüche setzen Verschulden in der Form von Vorsatz<br />
oder Fahrlässigkeit nach § 276 BGB voraus.<br />
Gegenüber einem Bewerber besteht eine Aufklärungspflicht aus § 242 BGB über einen möglichen<br />
Stellenabbau, wenn die Planung eine hinreichende Reife <strong>und</strong> Konkretheit aufweist, was voraussetzt,<br />
dass sich der Arbeitgeber im Gr<strong>und</strong>satz dazu entschlossen hat, bestimmte Stellen zu streichen. Der<br />
Stellenabbau muss hinreichend bestimmt <strong>und</strong> in Einzelheiten bereits absehbar sein, seine bloße Möglichkeit<br />
reicht nicht aus. Allein das Bestehen einer schlechten wirtschaftlichen Lage, in der aber noch
keine konkrete Planung vorliegt, einen Arbeitsplatz zu streichen, begründet noch keine Auskunftspflicht.<br />
14<br />
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28<br />
Ausnahmsweise ist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer analog § 670 BGB ohne Verschulden<br />
zum Ersatz verpflichtet. Dieser Ausgleichsanspruch setzt voraus, dass der<br />
Arbeitnehmer in Ausführung der ihm übertragenen Arbeit einen Schaden erleidet, der<br />
auf einer mit der Tätigkeit verb<strong>und</strong>enen typischen Gefahrenlage beruht. Stellen sich<br />
Schäden des Arbeitnehmers als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar<br />
oder erhält der Arbeitnehmer einen Vergütungszuschlag <strong>für</strong> diese Risiken, hat er keinen<br />
Ersatzanspruch. Sozialarbeiter A benutzt seinen Privatwagen <strong>für</strong> Dienstfahrten. Während er<br />
einen Klienten besucht, wird sein geparktes Auto von einem unbekannten Verkehrsteilnehmer beschädigt.<br />
Hätte A nicht seinen Privatwagen sondern einen Dienstwagen benutzt, wäre das Eigentum<br />
des Arbeitgebers beschädigt worden, diesem wäre der Schaden entstanden. Es ist angemessen, dass<br />
der Arbeitgeber ihm diesen Schaden erstattet.<br />
d. Arbeitsunfall <strong>und</strong> Unfallversicherung:<br />
Hat ein Arbeitnehmer in Folge eines Arbeitsunfalls einen Personenschaden erlitten,<br />
greift nach § 1 SGB VII die gesetzliche Unfallversicherung ein. Es besteht ein Anspruch<br />
gegen die Berufsgenossenschaft. Der Arbeitgeber trägt allein die Beiträge zur<br />
Berufsgenossenschaft. Deshalb kann der Personenschaden eines Arbeitnehmers<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich nicht gegen den Arbeitgeber selbst oder eine andere im Betrieb beschäftigte<br />
Person geltend gemacht werden. Durch die Beitragszahlung wurden diese<br />
im Gr<strong>und</strong>satz von der eigenen Schadensersatzpflicht freigekauft. Davon gibt es zwei<br />
Ausnahmen:<br />
aa. Der Schädiger haftet bei vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalls nach §§ 104 f.<br />
SGB VII dem geschädigten Arbeitnehmer unmittelbar.<br />
bb. Wird der Arbeitnehmer bei einem Wegeunfall von <strong>und</strong> zur Arbeit verletzt, kann er<br />
nach § 104 Abs. 3 SGB VII privatrechtliche Schadensersatzansprüche <strong>und</strong> Schmerzensgeldansprüche<br />
gegen den schädigenden Arbeitgeber oder Arbeitskollegen geltend<br />
machen. Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber oder andere im<br />
Betrieb tätige Personen scheiden jedoch aus, wenn es sich um einen innerbetrieblichen<br />
Weg handelt.<br />
Soweit der Haftungsausschluss eingreift, gibt es keinen Anspruch wegen des erlittenen<br />
Personenschadens gegen den Arbeitgeber oder Arbeitskollegen. Auch ein<br />
Schmerzensgeldanspruch nach § 253 BGB entfällt obgleich aus der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung nie Schmerzensgeld bezahlt wird. Die gesetzliche Unfallversicherung<br />
hat den Vorteil <strong>für</strong> den Arbeitnehmer, dass sie Schadensfälle erfasst, in denen<br />
keine dritte Person den Unfall verschuldet hat. Sie erfasst obendrein Schadensereignisse,<br />
die der Arbeitnehmer selbst herbeigeführt hat.<br />
Schadensersatzansprüche gegen außenstehende Dritte werden vom gesetzlichen<br />
Unfallversicherungsrecht nicht ausgeschlossen.<br />
14 BAG NJW 2005 S. 3595
Die gesetzliche Unfallversicherung erfasst keine Sachschäden. Sachschäden sind<br />
dem geschädigten Arbeitnehmer nach den allgemeinen Haftungsregeln wie § 611<br />
BGB i.V.m. §§ 280 ff. <strong>und</strong> §§ 823 ff. BGB, 7, 18 StVG, 3 PflVG zu ersetzen.<br />
e. Kündigung:<br />
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Pflichtverletzungen des Arbeitgebers können eine fristlose Kündigung nach § 626<br />
BGB begründen, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />
nicht zumutbar ist. Ansonsten kommt nur die ordentliche Kündigung nach §§ 620 ff.<br />
BGB in Betracht.<br />
6. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses<br />
führen können.<br />
aa. Das Arbeitsverhältnis kann nach § 623 BGB einvernehmlich durch schriftlichen<br />
Aufhebungsvertrag beendet werden. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages am Arbeitsplatz<br />
kann nicht als Haustürgeschäft nach § 312 BGB widerrufen werden. § 312 BGB soll den Arbeitnehmer<br />
vor Überrumpelungen durch Vertragsverhandlungen in einer atypischen Umgebung schützen.<br />
Für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages am Arbeitsplatz handelt es sich um keine atypische<br />
Umgebung. 15<br />
bb. Es kann durch eine Befristung nach §§ 620, 158 BGB, 14 TzBfG enden.<br />
cc. Besonders einschneidend <strong>für</strong> den Arbeitnehmer ist die Kündigung durch den Arbeitgeber,<br />
die deshalb ausführlich dargestellt wird.<br />
Die Kündigung ist die empfangsbedürftige Willenserklärung eines Vertragspartners,<br />
durch die der Wille zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck gebracht<br />
wird. Die Kündigung ist nach § 623 BGB formbedürftig. Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit.<br />
Dies gilt <strong>für</strong> die ordentliche <strong>und</strong> außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers<br />
wie die Kündigung des Arbeitgebers.<br />
Die Kündigung kann durch einen Stellvertreter erfolgen nach § 164 BGB. Die Kündigung<br />
durch einen Stellvertreter ist nach § 174 BGB unwirksam, wenn dieser bei<br />
Kündigung keine Vollmachtsurk<strong>und</strong>e vorlegt <strong>und</strong> der Arbeitnehmer die Kündigung<br />
aus diesem Gr<strong>und</strong>e unverzüglich zurückweist. § 174 BGB greift nicht ein, wenn die<br />
Kündigung durch eine Person erfolgt, mit deren Stellung im Betrieb das Recht zur<br />
Kündigung regelmäßig verb<strong>und</strong>en ist wie bei einem Personalleiter.<br />
Die Kündigung wird erst dann wirksam, wenn sie dem Vertragspartner zugeht nach §<br />
130 BGB. Die Kündigung erfolgt durch Übergabe des Schreibens an den anwesenden<br />
Empfänger. Bei Übersendung wird sie wirksam, wenn sie in den Machtbereich<br />
des Empfängers gelangt <strong>und</strong> mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme unter normalen<br />
Umständen gerechnet werden kann. Ist der Empfänger ortsabwesend, hindert dies gr<strong>und</strong>sätz-<br />
15 BAG Urteil vom 27.11.2003, 2 ABR 177/03
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lich nicht den Zugang <strong>und</strong> das Wirksamwerden der Kündigung. Bei Versendung der Kündigung muss<br />
bedacht werden, dass der Absender den Zugang beweisen muss, wenn dieser bestritten wird.<br />
Nach § 102 BetrVG <strong>und</strong> § 77 LPVG ist der Betriebs- bzw. Personalrat vor jeder Kündigung<br />
durch den Arbeitgeber zu hören. Die Zustimmung zur Kündigung ist grds.<br />
nicht erforderlich. Wird die Anhörung versäumt, ist die Kündigung unwirksam. Bei<br />
Schwerbehinderten <strong>und</strong> Gleichgestellten kann die Anhörung des Betriebs- bzw. Personalrats schon<br />
vor Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt erfolgen. Eine erneute Anhörung ist nicht erforderlich,<br />
wenn die Entscheidung des Integrationsamtes erst später ergeht <strong>und</strong> sich der Kündigungssachverhalt<br />
mittlerweile verändert hat. Dies gilt selbst in Fällen, in denen die Zustimmung des Integrationsamtes<br />
erst nach mehrjährigem <strong>Verwaltung</strong>sverfahren erteilt wird.<br />
6.1 Die ordentliche Kündigung<br />
Bei der ordentlichen Kündigung ist eine Kündigungsfrist einzuhalten. Unter der<br />
Kündigungsfrist ist die Zeitspanne zu verstehen, die mindestens zwischen dem Zugang<br />
der Kündigungserklärung <strong>und</strong> dem Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Beendigung<br />
des Arbeitsverhältnisses liegen muss.<br />
Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind in § 622 BGB geregelt. Daneben sind Kündigungsfristen<br />
in Einzelverträgen <strong>und</strong> Tarifverträgen nur in bestimmten Grenzen zulässig<br />
wie § 34 Abs. 1 TVöD. Eine mit falscher Frist erklärte ordentliche Kündigung ist<br />
wirksam. Sie wirkt als Kündigung zum nächst zulässigen Termin.<br />
Bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, soweit sie nicht<br />
durch eine vertragliche Vereinbarung oder Tarifvertrag ausdrücklich zugelassen wird nach §§ 620<br />
Abs. 2 BGB, 15 Abs. 3 TzBfG.<br />
Der Arbeitnehmer hat die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung im Wege der<br />
Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht klären zu lassen.<br />
6.2 Die außerordentliche Kündigung<br />
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei aus wichtigem Gr<strong>und</strong> ohne Einhaltung<br />
einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Gr<strong>und</strong> deren<br />
dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles <strong>und</strong> unter<br />
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Als wichtiger<br />
Gr<strong>und</strong> kommen nur schwerwiegende Verletzungen vertraglicher Pflichten in Betracht.<br />
Allein der Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Pflichtverletzung kann zur<br />
fristlosen Kündigung berechtigen, wenn durch den Verdacht das Vertrauen gestört ist. Voraussetzung<br />
ist, dass der Arbeitgeber alles Erforderliche zur Aufklärung des Verdachts getan hat. Stellt sich später<br />
heraus, dass der Verdacht unbegründet war, so ist das während des Kündigungsrechtsstreits zugunsten<br />
des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Nach Beendigung des Rechtsstreits kann sich ein Wiedereinstellungsanspruch<br />
des gekündigten Arbeitnehmers ergeben.<br />
Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers können einen wichtigen Gr<strong>und</strong> zur<br />
fristlosen Kündigung darstellen. Bei einer Abwägung des Beendigungsinteresses des Arbeitgebers<br />
mit dem Bestandsinteresse des Arbeitnehmers kann sich zugunsten des Arbeitnehmers auswirken,<br />
dass er 30 Jahre lang unbeanstandet im Betrieb tätig war <strong>und</strong> sein Verhalten ohne negative
Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers blieb, weil dieser die entwendeten<br />
Gegenstände ohnehin als Müll entsorgt hätte. 16<br />
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Aus dem Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass eine außerordentliche Kündigung<br />
erst zulässig ist, wenn mildere Mittel wie Versetzung, Abmahnung nach §<br />
314 Abs. 2 BGB oder Weiterbeschäftigung zu veränderten Bedingungen nicht zur<br />
Verfügung stehen oder nicht zumutbar sind. Bei gravierenden Fehlleistungen des<br />
Arbeitnehmers wie Diebstahl kann eine Abmahnung entbehrlich sein. Deren Hinweisfunktion<br />
geht ins Leere, weil der Arbeitnehmer selbst um die Unzumutbarkeit seines<br />
Fehlverhaltens weiß.<br />
Bei der fristlosen Kündigung ist eine Ausschlussfrist von zwei Wochen nach § 626<br />
Abs. 2 BGB einzuhalten, die sog. Kündigungserklärungsfrist. Es handelt sich um<br />
den Zeitraum zwischen Kenntnis vom Kündigungsgr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ausspruch der Kündigung<br />
im Gegensatz zur Kündigungsfrist bei der ordentlichen Kündigung, die erst<br />
nach Ausspruch der Kündigung läuft. Die Kündigungserklärungsfrist ist vor Ausspruch<br />
der Kündigung zu wahren.<br />
Die Ausschlussfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte<br />
oder eine Person, deren Kenntnis ihm analog § 166 BGB zuzurechnen ist, Kenntnis<br />
von den <strong>für</strong> die Kündigung maßgebenden Tatsachen erhält. Die Kündigung muss<br />
innerhalb der Frist zugehen. Verstreicht die Ausschlussfrist ungenutzt, geht das<br />
Recht zur fristlosen Kündigung unter. Eine ordentliche Kündigung kommt noch in Betracht.<br />
Während der Ausschlussfrist ist die Anhörung des Betriebs- <strong>und</strong> Personalrats vorzunehmen.<br />
Vor der außerordentlichen Kündigung eines Schwerbehinderten ist binnen 2 Wochen<br />
nach Kenntnis der <strong>für</strong> die Kündigung maßgebenden Tatsachen die Zustimmung des<br />
Integrationsamtes nach §§ 91, 85 SGB IX zu beantragen. Nach Erteilung der Zustimmung<br />
muss die Kündigung unverzüglich erklärt werden. Entsprechend ist bei der<br />
Kündigung einer Schwangeren nach § 9 MuSchG vorzugehen.<br />
Eine unberechtigte außerordentliche Kündigung kann unter den Voraussetzungen<br />
des § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Termin umgedeutet<br />
werden. Voraussetzung ist, dass die ordentliche Kündigung dem mutmaßlichen<br />
Willen des Kündigenden entsprach <strong>und</strong> dieser Wille dem Gekündigten erkennbar<br />
war. Die Anhörung des Betriebs- <strong>und</strong> Personalrats muss auch die ordentliche<br />
Kündigung umfassen.<br />
In der Praxis wird bei der fristlosen Kündigung vorsorglich der Passus angebracht, dass diese hilfsweise<br />
auch als ordentliche Kündigung gelten solle. Betriebs- <strong>und</strong> Personalrat werden zu beiden angehört.<br />
6.3 Das Kündigungsschutzgesetz<br />
16 Entscheidung des BAG vom 16.12.2004, 2 ABR 7/04
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32<br />
Das Kündigungsschutzgesetz gilt grds. nur <strong>für</strong> Betriebe <strong>und</strong> <strong>Verwaltung</strong>en nach § 23<br />
Abs. 1 KSchG, die in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen. Für die bereits<br />
vor dem 01.01.2004 beschäftigten Arbeitnehmer bleibt es bei der Schwelle von 5 Arbeitnehmern. Der<br />
Arbeitnehmer muss nach § 1 Abs. 1 KSchG beim Zugang der Kündigungserklärung<br />
länger als 6 Monate im selben Betrieb oder Unternehmen beschäftigt sein. Vorher<br />
soll es dem Arbeitgeber möglich sein, den Arbeitnehmer zu erproben <strong>und</strong> sich unter<br />
erleichterten Voraussetzungen von ihm wieder zu trennen.<br />
Die Regelungen nach dem KSchG treten ergänzend neben die normalen Vorschriften<br />
über eine Kündigung wie §§ 102 BetrVG, 77 LPVG, 623 BGB u.a..<br />
a. Soziale Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung:<br />
Die ordentliche Kündigung erfordert eine soziale Rechtfertigung. § 1 Abs. 2 KSchG<br />
nennt drei Gründe, die eine Kündigung sozial rechtfertigen können:<br />
aa. Gründe in der Person des Arbeitnehmers wie mangelnde körperliche oder geistige<br />
Eignung; Wegfall der Arbeitserlaubnis <strong>für</strong> einen ausländischen Arbeitnehmer. Es<br />
ist stets zu prüfen, ob die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung besteht. An<br />
die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers sind besonders<br />
strenge Anforderungen zu stellen. Es haben sich in der Rechtsprechung drei<br />
Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung herausgebildet:<br />
- Kündigung wegen langandauernder Krankheit;<br />
- Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen;<br />
- Kündigung wegen krankheitsbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit.<br />
bb. Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers sind vor allem Vertragsverletzungen<br />
wie Schlechtleistung, Bummelei, Unpünktlichkeiten, Verletzung der Anzeige- oder<br />
Nachweispflichten im Krankheitsfall. Bei einer ordentlichen verhaltensbedingten<br />
Kündigung muss im Regelfall - zumindest - eine Abmahnung vorausgegangen sein<br />
analog § 314 BGB. Das folgt aus dem Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit. Mit der<br />
Abmahnung soll der Arbeitnehmer darauf hingewiesen werden, dass sein Fehlverhalten<br />
<strong>für</strong> die Zukunft nicht mehr hingenommen wird. Ein eingerissener Schlendrian soll<br />
abgestellt werden. Einer Abmahnung bedarf es nicht bei Fehlleistungen, bei denen<br />
es <strong>für</strong> den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar war, dass diese nicht hingenommen<br />
werden können. Schlägerei mit Arbeitskollegen, Diebstähle, Betriebssabotage.<br />
cc. Dringende betriebliche Gründe können sich aus einer Rationalisierung oder einer<br />
Einschränkung der Produktion, Absatzschwierigkeiten, Auftragsrückgang ergeben.<br />
Beruht die Kündigung auf einer Organisationsentscheidung des Arbeitgebers,<br />
ist diese Organisationsentscheidung nicht auf ihre wirtschaftliche Erforderlichkeit<br />
<strong>und</strong> Notwendigkeit zu hinterfragen. Nur die Kündigung muss im Interesse des Betriebs <strong>und</strong> der<br />
durch die Organisationsentscheidung bewirkten Änderungen der Betriebs- <strong>und</strong> Arbeitsorganisation<br />
dringend erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn weniger einschneidende Maßnahmen wie Abbau von<br />
Überst<strong>und</strong>en, Einführung von Kurzarbeit <strong>für</strong> den Betrieb tragbar sind. Es darf keine Möglichkeit einer<br />
anderweitigen Beschäftigung im Betrieb oder im Unternehmen bestehen. Es ist eine sachgerechte<br />
Sozialauswahl zu treffen. Dabei sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten<br />
<strong>und</strong> die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. In die Sozialauswahl<br />
sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse,<br />
Fähigkeiten, Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten<br />
betrieblichen Interesse liegen. Auswahlrichtlinien können auch in Tarifverträgen, Betriebs- <strong>und</strong> Perso-
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nalvereinbarungen festgelegt werden. Bei einem Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie nach § 95<br />
BetrVG <strong>und</strong> einem deswegen erfolgten Widerspruch des Betriebsrats ist die Kündigung unwirksam,<br />
selbst wenn sie <strong>für</strong> sich betrachtet sozial gerechtfertigt wäre.<br />
Der Arbeitnehmer erwirbt nach § 1 a KSchG einen Abfindungsanspruch in Höhe eines halben Monatsgehaltes<br />
<strong>für</strong> jedes Jahr der Beschäftigung, wenn der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher<br />
Erfordernisse gekündigt hat, <strong>und</strong> der Arbeitnehmer keine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit<br />
der Kündigung innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG erhoben hat. Der Arbeitgeber muss den<br />
Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben auf die Kündigung wegen betrieblicher Erfordernisse <strong>und</strong> das<br />
Entstehen des Abfindungsanspruchs durch Verstreichenlassen der Klagefrist hingewiesen haben. Die<br />
Abfindung löst keine Sperrzeit <strong>für</strong> das Arbeitslosengeld aus, weil die Lösung des Arbeitsverhältnisses<br />
ohne aktives Zutun des Arbeitnehmers erfolgte. 17<br />
b. Geltendmachung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung:<br />
Die Unwirksamkeit der Kündigung muss der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage<br />
gegen den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht geltend machen. Die<br />
Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung in Schriftform<br />
erhoben werden nach § 4 KSchG. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung als<br />
von Anfang an wirksam, selbst wenn die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt war<br />
oder an einem anderen Rechtsverstoß leidet. Eine Ausnahme ist <strong>für</strong> den Unwirksamkeitsgr<strong>und</strong><br />
der Schriftform nach § 623 BGB zu machen, da Voraussetzung <strong>für</strong> den<br />
Fristenlauf der Zugang der schriftlichen Kündigung ist. Mit Fristablauf tritt eine Heilung<br />
der Unwirksamkeit ein. Eine verspätete Klage ist auf Antrag des Arbeitnehmers nachträglich<br />
zuzulassen, wenn dieser nach § 5 Abs. 1 KSchG trotz aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden<br />
Sorgfalt an der rechtzeitigen Einlegung der Klage verhindert war. Sieht ein Arbeitnehmer von<br />
der Erhebung der Kündigungsschutzklage ab, um Verhandlungen mit dem Arbeitgeber nicht zu belasten,<br />
geschieht dies auf eigenes Risiko. Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber führen nicht zur Unterbrechung<br />
der Klagefrist. 18<br />
Die einheitliche Klagefrist des § 4 KSchG gilt auch <strong>für</strong> Kleinbetriebe, wie die Ausnahmeregelung<br />
des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG belegt. Diese einheitliche Klagefrist gilt<br />
auch innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses, da nur so eine vollständige<br />
Vereinheitlichung erzielt werden kann. 19<br />
Hat der Betriebs- bzw. Personalrat nach §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 77 Abs. 2 LPVG der<br />
Kündigung widersprochen, besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers<br />
bis zur Entscheidung des Kündigungsrechtsstreites.<br />
Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat, so<br />
kann es auf Antrag des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des<br />
Arbeitsverhältnisses trotzdem das Arbeitsverhältnis auflösen gegen Zahlung einer Abfindung nach §<br />
10 KSchG.<br />
c. Geltendmachung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung:<br />
Die Kündigung aus wichtigem Gr<strong>und</strong>es gemäß § 626 BGB kann nur innerhalb der 3-<br />
Wochenfrist des §§ 13 Abs. 1, 4, 7 KSchG geltend gemacht werden. Nach § 23 Abs.<br />
17 BSG NZA 2003 S. 314<br />
18 LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.08.2003, 4 Ta 1023/03<br />
19 BAG NJW 2007 S. 2716
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34<br />
1 S. 2 KSchG gilt die Heilungsvorschrift auch <strong>für</strong> die außerordentliche Kündigung in<br />
Kleinbetrieben.<br />
d. Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes:<br />
Eine ordentliche Kündigung verstößt gegen §§ 242, 138 BGB, wenn sie aus Gründen,<br />
die nicht von § 1 KSchG erfasst werden, Treu <strong>und</strong> Glauben verletzt. Eine treuwidrige<br />
Kündigung kann vorliegen bei widersprüchlichem Verhalten des Arbeitgebers,<br />
Ausspruch der Kündigung in verletzender Form <strong>und</strong> die Kündigung zur Unzeit.<br />
Eine Kündigung zur Unzeit kann gegeben sein, wenn der Erklärende absichtlich oder aufgr<strong>und</strong> einer<br />
auf Missachtung der persönlichen Belange des Empfängers beruhenden Gedankenlosigkeit einen<br />
Zugangszeitpunkt wählt, der den Empfänger besonders beeinträchtigt. Der bloße zeitliche Zusammenhang<br />
mit einer Fehlgeburt der Arbeitnehmerin oder vor der Beerdigung des Lebensgefährten ist<br />
wie der Zugang am 24.12. nicht als ausreichend angesehen worden. Unwirksam war eine Kündigung,<br />
die dem Arbeitnehmer nach einem schweren Arbeitsunfall am gleichen Tag im Krankenhaus unmittelbar<br />
vor einer auf dem Unfall beruhenden Operation ausgehändigt wurde. 20<br />
Die materiellen Bestimmungen des KSchG gelten außerhalb des Geltungsbereichs<br />
des KSchG in Kleinbetrieben weder analog noch über die Generalklauseln der §§<br />
242, 138 BGB. Gleichwohl leitet das BVerfG aus Art. 12 GG einen allgemeinen Kündigungsschutz<br />
her: 21<br />
- Es muss auch bei der ordentlichen Kündigung ein sachlicher Gr<strong>und</strong> vorliegen.<br />
Ein willkürlicher Gr<strong>und</strong> genügt nicht.<br />
- Kommen mehrere Arbeitnehmer <strong>für</strong> die Kündigung in Betracht, muss der Arbeitgeber<br />
ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme anwenden.<br />
- Bei langjährig Beschäftigten muss ein verdientes Vertrauen berücksichtigt<br />
werden.<br />
Die einheitliche Klagefrist des § 4 KSchG gilt nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG nunmehr<br />
auch in Kleinbetrieben.<br />
6.4 Die Änderungskündigung<br />
Eine Änderungskündigung kommt immer in Betracht, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung<br />
des Arbeitnehmers zwar nicht mehr zu den ursprünglichen, wohl<br />
aber zu veränderten Bedingungen möglich <strong>und</strong> zumutbar ist. Sie ist ein Gebot der<br />
Verhältnismäßigkeit.<br />
Hat der Arbeitgeber eine Änderungskündigung ausgesprochen, kann der Arbeitnehmer<br />
zwischen verschiedenen Vorgehensweisen wählen,<br />
- ob er das Änderungsangebot annimmt, dann wird der Arbeitsvertrag einvernehmlich<br />
geändert <strong>und</strong> zu den geänderten Bedingungen fortgesetzt;<br />
20 BAG NJW 2001 S. 2994 f m.w.N.<br />
21 BVerfGE NZA 1998 S. 469
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- oder ob er die Änderung ablehnt; er hat im Geltungsbereich des KSchG innerhalb<br />
der 3-Wochenfrist die Kündigungsschutzklage zu erheben; verliert er den<br />
Rechtsstreit oder erhebt er keine Kündigungsschutzklage, ist durch die Kündigung<br />
das Arbeitsverhältnis aufgelöst<br />
- nach § 2 KSchG kann er das Angebot des Arbeitgebers unter dem Vorbehalt<br />
annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt<br />
ist. Der Arbeitnehmer hat innerhalb der 3-Wochenfrist Feststellungsklage dahin<br />
zu erheben, ob die Änderung sozial ungerechtfertigt ist. Verliert der Arbeitnehmer<br />
den Prozess, wird sein Vorbehalt wirksam, es gelten die neuen Arbeitsbedingungen.<br />
Gewinnt er, so gilt die Änderungskündigung als von Anfang<br />
an unwirksam; das Arbeitsverhältnis besteht zu den ursprünglichen Bedingungen<br />
fort. In beiden Fällen behält der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz.<br />
6.5 Kündigungsschutz <strong>für</strong> bestimmte Arbeitnehmergruppen<br />
a. Besonders geschützter Personenkreis:<br />
Nach § 9 Abs. 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der<br />
Schwangerschaft oder bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Niederkunft unzulässig,<br />
wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bekannt war oder ihm innerhalb einer<br />
Frist von 2 Wochen nach Ausspruch der Kündigung mitgeteilt wird. Die zuständige<br />
Behörde kann ausnahmsweise die Kündigung <strong>für</strong> zulässig erklären. Die Vorschrift<br />
gilt nur bei Kündigungen, nicht bei einer Anfechtung. Ein entsprechender Kündigungsschutz besteht<br />
während der Erziehungszeit.<br />
Gegenüber einem Schwerbehinderten, dessen Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate<br />
besteht, kann eine Kündigung gr<strong>und</strong>sätzlich nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes<br />
ausgesprochen werden nach §§ 85, 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX. Werden<br />
diese <strong>für</strong> die Kündigung erforderlichen Zustimmungen seitens der Behörden verweigert, hat der Arbeitgeber<br />
die Möglichkeit, die Verweigerung der Zustimmung im Wege eines Rechtsstreits anzugehen<br />
<strong>und</strong> die Zustimmung zu erstreiten.<br />
b. Kündigungsschutz <strong>für</strong> betriebs- <strong>und</strong> personalvertretungsrechtliche Funktionsträger:<br />
Eine ordentliche Kündigung der Mitglieder des Betriebs- oder Personalrats <strong>und</strong> der<br />
Jugend- <strong>und</strong> Ausbildungsvertretung ist während der Amtszeit <strong>und</strong> innerhalb eines<br />
Jahres nach Beendigung der Amtszeit nach § 15 Abs. 1 <strong>und</strong> Abs. 2 KSchG unzulässig.<br />
Kündigungsschutz genießen Mitglieder des Wahlvorstands <strong>und</strong> Wahlbewerber<br />
nach § 15 Abs. 3 KSchG.<br />
Eine außerordentliche Kündigung ist möglich. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit der<br />
Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 1 BetrVG. Verweigert der Betriebsrat<br />
seine Zustimmung, so kann sie auf Antrag des Arbeitgebers vom Arbeitsgericht gegebenenfalls<br />
ersetzt werden.<br />
c. Vereinbarte Unkündbarkeit:<br />
In einigen Bereichen ist es üblich, <strong>für</strong> langzeittätige Arbeitnehmer die ordentliche<br />
Kündigung vertraglich auszuschließen. Das kann durch Tarifvertrag wie § 34 Abs. 2
<strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche Skript <strong>Arbeitsrecht</strong> Stand 08-2011<br />
<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
36<br />
TVöD, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich vereinbart werden. § 34 Abs. 2<br />
TVöD schließt die ordentliche Kündigung nach einer Beschäftigungsdauer von mindestens<br />
15 Jahren <strong>und</strong> frühestens nach Vollendung des 40. Lebensjahres aus. Dies<br />
lässt eine Kündigung aus wichtigem Gr<strong>und</strong> nach § 626 BGB unberührt, soweit deren<br />
Voraussetzungen gegeben sind.<br />
6.6 Abmahnung<br />
Sowohl bei der außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung wie bei der ordentlichen<br />
verhaltensbedingten Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz bedarf<br />
es regelmäßig vor Ausspruch der Kündigung der Abmahnung analog § 314<br />
BGB. Diese folgt aus dem Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, wonach die Kündigung<br />
erst ausgesprochen werden soll, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen<br />
oder nicht zumutbar sind. Wie viele Abmahnungen einer Kündigung vorausgegangen<br />
sein müssen, richtet sich nach dem Einzelfall. Entscheidend sind insbesondere<br />
die Schwere der Verstöße <strong>und</strong> die dazwischen liegende beanstandungsfreie<br />
Zeit.<br />
Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber ein<br />
- bestimmtes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers beanstandet, Hinweisfunktion<br />
- ihn zu einem zukünftigen vertragsgemäßen Verhalten auffordert, Ermahnungsfunktion<br />
<strong>und</strong><br />
- ihm <strong>für</strong> den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen androht, Warnfunktion<br />
Dem Arbeitnehmer muss Gelegenheit zur Stellungnahme zur erfolgten Abmahnung<br />
gegeben werden. Die Abmahnung ist zur Personalakte zu nehmen. Ihr kommt auch<br />
Dokumentationsfunktion zu. Auf Antrag des Arbeitnehmers ist der Personalrat nach § 80 Abs. 1<br />
Nr. 8 c LPVG zu beteiligen. Der Arbeitnehmer kann vor dem Arbeitsgericht Klage auf Entfernung einer<br />
ungerechtfertigten Abmahnung aus der Personalakte erheben.<br />
Lässt sich der Arbeitnehmer nach Erhalt der Abmahnung nichts mehr zu Schulden<br />
kommen, verliert die Abmahnung im Laufe der Jahre ihre Wirkung <strong>und</strong> ist aus der<br />
Personalakte zu entfernen. Die Dauer ist abhängig von dem der Abmahnung zugr<strong>und</strong>eliegenden<br />
Vorwurf. Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einklagen. Selbst wenn die Abmahnung sich trotz<br />
Zeitablauf noch in der Personalakte befindet, kann sie nicht mehr als Voraussetzung einer verhaltensbedingten<br />
Kündigung herangezogen werden.<br />
Aus der Hinweis- <strong>und</strong> Warnfunktion folgt, dass der abgemahnte <strong>und</strong> der zum Anlass<br />
<strong>für</strong> die Kündigung genommene Verstoß gleichartig sein müssen. Nur der einschlägig<br />
abgemahnte Arbeitnehmer weiß, dass er mit einer Kündigung rechnen muss, wenn<br />
er erneut in ähnlicher Weise gegen den Arbeitsvertrag verstößt. Es braucht keine<br />
Identität der Pflichtverletzung vorliegen. Es genügt, wenn diese wertungsmäßig auf<br />
einer Ebene liegen. Pflichtverletzungen hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeit wie Zuspätkommen,<br />
vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes, unberechtigte Pausen, unentschuldigtes Fehlen<br />
liegen auf einer Ebene. Keine wertungsmäßige Entsprechung besteht zwischen Zuspätkommen <strong>und</strong><br />
Verstoß gegen das Rauchverbot.
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Ludwigsburg<br />
37<br />
Die Abmahnung erfolgt durch eine schriftliche oder mündliche Erklärung gegenüber<br />
dem Vertragspartner. Die Erteilung einer Abmahnung dient dazu, dem Arbeitnehmer<br />
einen von diesem aus der Sicht des Arbeitgebers begangenen Vertragsverstoß deutlich<br />
zu machen. Zum Ausspruch der Abmahnung ist außer dem Arbeitgeber jeder<br />
Mitarbeiter berechtigt, der aufgr<strong>und</strong> seiner Aufgabe befugt ist, Weisungen hinsichtlich<br />
der Art <strong>und</strong> Weise der Arbeitsleistung zu erteilen.<br />
Einer vorherigen Abmahnung bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn von vornherein<br />
feststeht, dass der mit ihr verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann. Der Arbeitnehmer<br />
ist nicht in der Lage oder erklärtermaßen nicht willens, sein Verhalten zu ändern.<br />
Das Vertrauensverhältnis ist durch eine schwere Pflichtverletzung derart gestört,<br />
dass es nicht wieder hergestellt werden kann. Schwere Beleidigung, Handgreiflichkeit;<br />
die Abmahnung ist entbehrlich, weil der Arbeitnehmer von vornherein mit einer Kündigung rechnen<br />
muss. Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers erkennen lässt,<br />
dass er ein unkalkulierbares Risiko <strong>für</strong> die erforderliche Betriebssicherheit darstellt. Gerade beim Vorliegen<br />
von Gründen <strong>für</strong> eine fristlose Kündigung ist oftmals eine Abmahnung entbehrlich.<br />
6.7 Sonstige Beendigungsgründe<br />
a. Aufhebungsvertrag:<br />
Die Parteien können jederzeit vertraglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
vereinbaren nach § 311 Abs. 1 BGB. Der Aufhebungsvertrag bedarf nach § 623 BGB<br />
der Schriftform. Betriebs- <strong>und</strong> Personalrat müssen nicht beteiligt werden.<br />
b. Befristetes Arbeitsverhältnis:<br />
Nach dem im <strong>Arbeitsrecht</strong> geltenden Gr<strong>und</strong>satz der Vertragsfreiheit können Arbeitsverträge<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich auch befristet abgeschlossen werden nach § 620 Abs. 1<br />
BGB. 22 Ein befristetes Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf<br />
allein durch Zeitablauf oder durch Eintritt des Ereignisses, bis zu welchem es abgeschlossen<br />
wurde. Zeit- oder zweckbefristete Arbeitsverträge sind zulässig.<br />
Kündigungsschutzvorschriften wie<br />
- § 77 LPV / § 102 BetrVG Beteiligung<br />
- § 9 MuSchG Zustimmungserfordernis<br />
- §§ 85 ff. SGB IX Zustimmungserfordernis des Integrationsamtes<br />
- § 1 KSchG soziale Rechtfertigung der Kündigung<br />
kommen nicht zur Anwendung. Diese gelten nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur <strong>für</strong><br />
die Kündigung <strong>und</strong> nicht <strong>für</strong> die Befristung.<br />
Da mit einer Befristung die Kündigungsschutzvorschriften umgangen werden, ist diese<br />
nicht ohne weiteres zulässig:<br />
22 Stuttgarter Zeitung vom 9. 9. 2000: Die Zahl der befristeten Stellen hat sich in Baden-Württemberg<br />
von 1994 bis 1999 um 40 % erhöht. Vor allem im Dienstleistungssektor werden Arbeitsverhältnisse<br />
befristet.1994 arbeiteten 16 % aller Erwerbstätigen in Teilzeit.1999 waren es 26 %.
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Ludwigsburg<br />
38<br />
a) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ist ohne Vorliegen eines<br />
sachlichen Gr<strong>und</strong>es bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig nach § 14 Abs. 2 TzBfG<br />
<strong>und</strong> in den ersten vier Jahren nach Gründung des Unternehmens sogar bis vier Jahre<br />
nach § 14 Abs. 2a TzBfG.<br />
b) Die Befristung ist darüber hinaus zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Gr<strong>und</strong><br />
gerechtfertigt ist. Sachliche Gründe können sein: Vorübergehender Bedarf, Vertretung<br />
eines Arbeitnehmers, Eigenart der Arbeitsleistung oder eine Konkurrentenklage<br />
um eine bestimmte Stelle. 23 Es ist gestattet an eine zulässige Befristung ohne Sachgr<strong>und</strong><br />
eine Befristung mit Sachgr<strong>und</strong> anzuschließen oder an eine Befristung mit<br />
Sachgr<strong>und</strong> eine weitere Befristung mit Sachgr<strong>und</strong> anzuschließen, wobei die Anforderungen<br />
an den Sachgr<strong>und</strong> zunehmen.<br />
Ist die Befristung unzulässig, tritt an die Stelle des befristeten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis,<br />
auf das die Kündigungsschutzbestimmungen anzuwenden sind. Die<br />
Unwirksamkeit einer Befristung braucht vom Arbeitnehmer nicht innerhalb der 3wöchigen<br />
Klagefrist des § 4 KSchG gerichtlich geltend gemacht werden. Bei längerem<br />
Zuwarten kann das Klagerecht jedoch verwirkt sein.<br />
Während eines befristeten Arbeitsverhältnisses ist nach § 15 Abs. 3 TzBfG eine ordentliche<br />
Kündigung ausgeschlossen. Die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung<br />
kann durch vertragliche Sonderregelung vorgesehen werden.<br />
c. Altersgrenzen:<br />
Eine gesetzliche Altersgrenze <strong>für</strong> Arbeitsverhältnisse existiert nicht. Allerdings enthalten<br />
viele Tarifverträge aber auch Einzelverträge die Regelung, dass das Arbeitsverhältnis<br />
mit dem Erreichen des Alters der Regelaltersrente des Arbeitnehmers endet<br />
wie § 33 Abs. 1 TVöD.<br />
d. Keine Beendigungsgründe:<br />
aa. Stirbt der Arbeitgeber, führt das regelmäßig nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.<br />
Vielmehr treten die Erben des Arbeitgebers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge<br />
nach §§ 1922, 1967 BGB in die Rechte <strong>und</strong> Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis<br />
ein.<br />
bb. Der rechtsgeschäftliche Betriebsübergang ist kein Beendigungsgr<strong>und</strong>. Geht ein<br />
Betrieb oder Betriebsteil aufgr<strong>und</strong> eines Rechtsgeschäfts auf einen neuen Inhaber<br />
über, tritt dieser im Wege der Einzelrechtsnachfolge nach § 613 a BGB in die bei Betriebsübergang<br />
bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Voraussetzung <strong>für</strong> den Übergang ist,<br />
dass der Arbeitnehmer nicht innerhalb von 3 Wochen dem Übergang widerspricht.<br />
cc. Die Einstellung oder Auflösung eines Betriebes stellt keinen automatisch wirkenden<br />
Beendigungsgr<strong>und</strong> dar. Sie kann den Arbeitgeber berechtigen, das Arbeitsverhältnis<br />
betriebsbedingt zu kündigen. Die Insolvenz des Arbeitgebers löst ein besonderes Kündigungsrecht<br />
des Insolvenzverwalters aus nach § 113 InsO.<br />
23 BAG NJW 2005 S. 3595, 3597 f
6.8 Pflichten anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
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39<br />
Anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses entstehen eine Reihe besonderer<br />
Pflichten zur sachgerechten Abwicklung, die insbesondere den Pflichten zur<br />
gegenseitigen Förderung <strong>und</strong> Rücksichtnahme entspringen.<br />
a. Gewährung von Freizeit zur Stellensuche:<br />
Nach § 629 BGB hat der Arbeitgeber bei bevorstehender Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen angemessene Zeit zur Suche<br />
eines neuen Arbeitsverhältnisses zu gewähren. Für die Zeit der Beurlaubung steht<br />
dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Zahlung der Vergütung zu, § 616 BGB.<br />
b. Zeugniserteilung:<br />
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer<br />
auf dessen Verlangen ein schriftliches Zeugnis auszustellen wie es §§ 630 BGB, 35<br />
TVöD regeln.<br />
Das einfache Zeugnis enthält nur Angaben über die Art <strong>und</strong> Dauer der Tätigkeit,<br />
nicht über den Gr<strong>und</strong> der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.<br />
Das qualifizierte Zeugnis erstreckt sich auch auf die Führung <strong>und</strong> die Leistungen<br />
des Arbeitnehmers. Das Zeugnis soll dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers<br />
dienen. Das setzt eine wohlwollende Beurteilung durch den Arbeitgeber voraus.<br />
Geringfügige Fehlleistungen sind nicht aufzunehmen. Auf der anderen Seite muss<br />
das Zeugnis der Wahrheit entsprechen. Es darf weder unrichtige oder unbewiesene<br />
Tatsachen enthalten noch <strong>für</strong> die Beurteilung wesentliche Umstände verschweigen.<br />
Ist das Zeugnis unrichtig, kann der Arbeitnehmer auf Berichtigung klagen. Erteilt der<br />
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wider besseres Wissen ein zu günstiges Zeugnis, dann läuft er Gefahr<br />
von einem späteren Arbeitgeber auf Schadensersatz aus § 826 BGB in Anspruch genommen zu werden,<br />
wenn diesem hieraus ein Schaden entsteht. So wenn der Arbeitnehmer wegen Unterschlagungen<br />
entlassen wurde, was im Arbeitszeugnis nicht zum Ausdruck gebracht wurde <strong>und</strong> beim neuen<br />
ahnungslosen Arbeitgeber erneut Unterschlagungen begeht.<br />
c. Auskunftserteilung:<br />
Der Arbeitnehmer kann ein Interesse daran haben, dass sein bisheriger Arbeitgeber<br />
über das Zeugnis hinaus einem anderen Arbeitgeber, bei dem er sich beworben hat,<br />
Auskunft erteilt.<br />
d. Verschwiegenheitspflicht:<br />
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer zur Verschwiegenheit<br />
über Geschäfts- <strong>und</strong> Betriebsgeheimnisse verpflichtet, wie es z.B. § 3 Abs. 1<br />
TVöD bestimmt. Er darf rechtmäßig erworbenes Wissen nicht zu unlauterem Wettbewerb oder zu<br />
vorsätzlicher Schadenszufügung verwenden nach §§ 1 UWG, 826 BGB.<br />
e. Wettbewerbsverbot:
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40<br />
Die Parteien können <strong>für</strong> die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
Wettbewerbsverbote vereinbaren. Geregelt ist das nachträgliche Wettbewerbsverbot<br />
in §§ 74 ff. HGB <strong>für</strong> Handlungsgehilfen. Diese Regelung wird von der Rechtsprechung<br />
auf andere Arbeitsverhältnisse entsprechend angewandt.<br />
Die Vereinbarung bedarf der Schriftform. Die Abrede ist nur verbindlich, wenn der<br />
Arbeitgeber sich verpflichtet, <strong>für</strong> die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen.<br />
Diese muss <strong>für</strong> jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der bisherigen Bezüge<br />
betragen.<br />
7. Besondere Arbeitsverhältnisse<br />
Es gibt eine Reihe von arbeitsvertraglichen Gestaltungen, die Besonderheiten aufweisen<br />
wie das<br />
- Teilzeitarbeitsverhältnis,<br />
- Befristete Arbeitsverhältnis,<br />
- Probearbeitsverhältnis.<br />
Deren Besonderheiten sollen im Folgenden erläutert werden.<br />
7.1 Das Teilzeitarbeitsverhältnis<br />
Nach dem Gr<strong>und</strong>satz der Vertragsfreiheit steht es Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer frei,<br />
bei Abschluss des Arbeitsvertrages eine Arbeitszeit zu vereinbaren, die hinter der<br />
gesetzlichen oder tarifvertraglich üblichen Arbeitszeit zurückbleibt nach § 2 TzBfG.<br />
Ohne Vorliegen eines sachlichen Gr<strong>und</strong>es dürfen nach § 4 TzBfG teilzeitbeschäftigte<br />
Arbeitnehmer nicht gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern benachteiligt<br />
werden. Dieses Diskriminierungsverbot erfasst vor allem den Entgeltbereich.<br />
In Betrieben mit in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmern kann ein Arbeitnehmer frühestens<br />
sechs Monate nach Aufnahme der Arbeit verlangen, dass seine vertraglich<br />
vereinbarte Arbeitszeit reduziert wird gemäß § 8 Abs. 7 TzBfG. Es handelt sich um<br />
eine Durchbrechung des Gr<strong>und</strong>satzes Vertrag ist Vertrag. Dem Verlangen des Arbeitnehmers<br />
ist zu entsprechen, soweit betriebliche Gründe dem nicht entgegenstehen.<br />
Kosten, Raum, Organisation, Arbeitsablauf.<br />
§ 11 Abs. 1 TVöD sieht vor, dass Arbeitnehmern auf deren Wunsch Teilzeitarbeit zu gewährt werden<br />
soll, wenn diese ein Kind unter 18 Jahren oder pflegebedürftigen Angehörige betreuen. Sie erhalten<br />
nach § 24 TVöD das anteilige Tabellenentgelt.<br />
Besondere Formen der Teilzeitarbeit sind die Arbeit auf Abruf, § 12 TzBfG, <strong>und</strong> die Arbeitsplatzteilung,<br />
§ 13 TzBfG.<br />
7.2 Das befristete Arbeitsverhältnis<br />
Nach § 620 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis befristet abgeschlossen werden.<br />
Es gibt die kalendermäßige Befristung <strong>und</strong> die Zweckbefristung, auch auflösende<br />
Bedingung genannt.
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Ludwigsburg<br />
41<br />
Es endet mit Fristablauf oder Zweckerreichung - <strong>und</strong> Auslauffrist nach § 15 Abs. 2<br />
TzBfG -, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Da eine Kündigung nicht erforderlich<br />
ist, kommen §§ 1 ff. KSchG, 9 MuSchG, 85 SGB IX, 77 LPVG, 102 BetrVG nicht zur<br />
Anwendung. Diese Vorschriften knüpfen nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut an eine<br />
Kündigung an.<br />
Mit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses können folglich eine Vielzahl von<br />
Schutzvorschriften im Kündigungsfall umgangen werden. Deshalb kann nur unter<br />
besonderen Voraussetzungen eine Befristung wirksam abgeschlossen werden:<br />
a. Zulässig ist eine Befristung bis maximal 2 Jahre nach § 14 Abs. 2 TzBfG. Hierzu<br />
zählen auch dreimalig verlängerte befristete Arbeitsverhältnisse bis zur Gesamtdauer<br />
von 2 Jahren. In den ersten vier Jahren nach Unternehmensgründung ist eine<br />
4jährige Befristung zulässig nach § 14 Abs. 2a TzBfG.<br />
b. Ansonsten ist eine weitergehende Befristung nur zulässig, wenn ein sachlicher<br />
Gr<strong>und</strong> diese rechtfertigt gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG. Das Gesetz nennt eine Reihe<br />
von sachlichen Gründen wie ein vorübergehender betrieblicher Bedarf Arbeitsspitzen,<br />
Saisonbedarf oder einen Vertretungsfall. Bei den im Gesetz genannten Gründen handelt es<br />
sich um Regelbeispiele. Daneben können weitere vom Gesetz nicht erwähnte,<br />
gleichwertige Gründe treten. In Sondergesetzen finden sich noch weitergehende Befristungsmöglichkeiten.<br />
Eine wirksame Befristung setzt neben § 14 TzBfG voraus, dass die Befristung nach<br />
§§ 14 Abs. 4 TzBfG, 623 BGB schriftlich vereinbart wird. Ansonsten ist die Befristung<br />
unwirksam <strong>und</strong> das Arbeitsverhältnis ist als unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande<br />
gekommen. Das gilt auch <strong>für</strong> eine Zweckbefristung. Da die Vertragsdauer bei der Zweckbefristung<br />
allein vom Vertragszweck abhängt, muss der Vertragszweck schriftlich vereinbart sein, während beim<br />
befristeten Arbeitsverhältnis der Sachgr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Befristung nicht dem Schriftformerfordernis unterfällt.<br />
24<br />
§ 30 TVöD schränkt die Befristungsmöglichkeiten des TzBfG ein. Das befristete Arbeitsverhältnis<br />
ist nach Maßgabe des § 30 Abs. 4 <strong>und</strong> Abs. 5 TVöD ordentlich kündbar.<br />
7.3 Das Probearbeitsverhältnis<br />
Zur Erprobung eines Arbeitnehmers kommen <strong>für</strong> den Arbeitgeber zwei Gestaltungsformen<br />
in Betracht.<br />
a. Es können die ersten Monate eines neu abgeschlossenen Arbeitsvertrages als<br />
Probezeit vereinbart werden. Während einer Probezeit von nicht mehr als 6 Monaten<br />
kann nach § 622 Abs. 3 BGB mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.<br />
Diese kurze Frist kann vollständig ausgenutzt werden zur Kündigung. Es kann noch<br />
am letzten Tag der Probezeit die Kündigung wirksam erfolgen.<br />
24 BAG NJW 2006 S. 1084 ff
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42<br />
Im Geltungsbereich des TVöD gilt nach § 2 Abs. 4 S. 1 TVöD gr<strong>und</strong>sätzlich eine<br />
Probezeit von 6 Monaten. Die Kündigungsfrist während der ersten 6 Monate beläuft<br />
sich auf 2 Wochen zum Monatsende nach § 34 Abs. 1 S. 1 TVöD.<br />
Trotz Vereinbarung einer Probezeit muss<br />
- vor Kündigung einer Schwangeren nach § 9 MuSchG die Zustimmung der zuständigen<br />
Behörde eingeholt werden.<br />
- vor Kündigung die Anhörung nach §§ 102 BetrVG, 77 LPVG erfolgen,<br />
- die Kündigung nach § 623 BGB schriftlich erfolgen.<br />
Unabhängig davon, ob eine Probezeit vorgesehen ist oder nicht, hat ein neu abgeschlossenes<br />
Arbeitsverhältnis während den ersten 6 Monaten einen geringen Bestandsschutz:<br />
- Das Arbeitsverhältnis kann nach § 1 Abs. 1 KSchG ohne soziale Rechtfertigung<br />
gekündigt werden.<br />
- Einem Schwerbehinderten kann ohne Zustimmung des Integrationsamtes<br />
nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX gekündigt werden.<br />
b. Es kann alternativ ein befristetes Arbeitsverhältnis nach § 14 TzBfG zum Zwecke<br />
der Erprobung abgeschlossen werden. Das Arbeitsverhältnis endet mit der zur Erprobung<br />
vorgesehenen Frist. Es steht dem Arbeitgeber frei, daran ein unbefristetes<br />
Arbeitsverhältnis anzuschließen. Diese Gestaltungsform ist seltener. Die Befristung muss<br />
schriftlich erfolgen.<br />
IV. Das kollektive <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitgeber können sich zu Interessenverbänden zusammenschließen.<br />
Diese werden als Koalitionen bezeichnet. Sie wirken an der Gestaltung<br />
der Arbeitsbedingungen mit. Sie haben das Recht, Tarifverträge zu schließen <strong>und</strong><br />
Arbeitskämpfe zu führen. Dies wird als kollektive Koalitionsfreiheit bezeichnet. Art.<br />
9 Abs. 3 GG schützt die Koalitionen in ihrem Bestand <strong>und</strong> in ihrer Betätigungsfreiheit.<br />
Es handelt sich hierbei um ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 1 BGB.<br />
Daneben gibt es die individuelle Koalitionsfreiheit. Diese umfasst das Recht des<br />
einzelnen Arbeitgebers <strong>und</strong> Arbeitnehmers Koalitionen zu gründen, einer Koalition<br />
beizutreten oder aber einer solchen fernzubleiben oder aus dieser auszutreten.<br />
Das kollektive <strong>Arbeitsrecht</strong> gliedert sich in die nachfolgend erörterten Bereiche<br />
- Tarifvertragsrecht<br />
- Arbeitskampfrecht<br />
- Mitbestimmungsrecht.<br />
1. Tarifvertragsrecht<br />
Koalitionen können Tarifverträge abschließen. Für Tarifverträge gilt das TVG.
a. Normativer Teil des Tarifvertrages:<br />
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Ludwigsburg<br />
43<br />
Die Normen des Tarifvertrages gelten unmittelbar nach § 4 Abs. 1 TVG <strong>für</strong> die Mitglieder<br />
der Tarifvertragsparteien, also die Mitglieder der am Tarifvertrag beteiligten<br />
Gewerkschaften <strong>und</strong> Arbeitgeberverbände. Diese unmittelbare Wirkung erfasst<br />
nicht Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, selbst wenn ihr Arbeitgeber<br />
Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist oder Partei eines Firmentarifvertrages.<br />
Um den Zulauf zu den Gewerkschaften nicht noch zu fördern, gewähren viele Arbeitgeber diesen Mitarbeitern<br />
freiwillig die tariflichen Leistungen oder vereinbaren sogar im Arbeitsvertrag die Geltung des<br />
Tarifvertrages. Nach dem Sinn des Tarifrechts, die Arbeitnehmer zu schützen, bleiben Abmachungen<br />
unberührt, die <strong>für</strong> den Arbeitnehmer günstiger als der Tarifvertrag sind. Ist der Tarifvertrag abgelaufen,<br />
gelten seine Rechtsnormen weiter bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt<br />
werden nach § 4 Abs. 5 TVG.<br />
Die Bindung an den Tarifvertrag endet nicht schon mit dem Austritt des Arbeitgebers<br />
aus dem Verband. Die Tarifgeb<strong>und</strong>enheit endet erst mit dem Ende des Tarifvertrages<br />
nach § 3 Abs. 3 TVG.<br />
Bei tariflichen Normen über betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Fragen genügt die Tarifgeb<strong>und</strong>enheit<br />
des Arbeitgebers. Diese Normen gelten <strong>für</strong> den Betrieb nach § 3 Abs. 2 TVG <strong>und</strong> damit<br />
auch <strong>für</strong> nichtorganisierte Arbeitnehmer.<br />
Durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung des B<strong>und</strong>esministers <strong>für</strong> Arbeit können die Normen des<br />
Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die nicht-tarifgeb<strong>und</strong>enen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />
nach § 5 Abs. 4 TVG binden.<br />
Der Tarifvertrag kann im Übrigen im Rahmen der Vertragsfreiheit nach §§ 145 ff BGB<br />
durch übereinstimmende Willenserklärung des Arbeitgebers <strong>und</strong> Arbeitnehmers dem<br />
Arbeitsvertrag zugr<strong>und</strong>e gelegt werden. In diesem Fall müssen weder der Arbeitgeber<br />
noch der Arbeitnehmer Mitglied der tarifvertragsschließenden Parteien sein.<br />
b. Schuldrechtlicher Teil des Tarifvertrages:<br />
Der Tarifvertrag enthält nicht nur Normen <strong>für</strong> den Arbeitsvertrag. Er enthält wie jeder<br />
schuldrechtliche Vertrag auch Rechte <strong>und</strong> Pflichten der Tarifvertragsparteien.<br />
a. Friedenspflicht: Darunter versteht man die Pflicht der Tarifvertragsparteien, während<br />
der Laufzeit des Tarifvertrages von Kampfmaßnahmen keinen Gebrauch zu<br />
machen. Streikmaßnahmen haben zu unterbleiben.<br />
b. Durchführungspflicht: Jede Partei hat auf ihre Mitglieder einzuwirken, dass diese<br />
sich tarifmäßig verhalten.<br />
2. Streik <strong>und</strong> Aussperrung<br />
Art. 9 Abs. 3 GG schützt neben dem Abschluss von Tarifverträgen auch die zwangsweise<br />
Durchsetzung mittels Arbeitskampf. Arbeitskampf ist die Ausübung von Druck<br />
durch kollektive Maßnahmen wie Streik der Arbeitnehmerseite <strong>und</strong> Aussperrung der<br />
Arbeitgeberseite. Streik <strong>und</strong> Aussperrung haben im Gesetz keine Regelung gef<strong>und</strong>en.<br />
Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen wurden <strong>und</strong> werden von der Rechtspre-
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<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
44<br />
chung entwickelt. Während rechtmäßiger Arbeitskampfmaßnahmen ruhen die Rechte<br />
<strong>und</strong> Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, insbesondere die Pflicht zur Arbeitsleistung<br />
<strong>und</strong> zur Entgeltleistung. Nach Beendigung des Arbeitskampfes lebt das alte Arbeitsverhältnis<br />
wieder auf. Zum längsten Streik in der Geschichte der B<strong>und</strong>esrepublik wurde 1956/57<br />
in Schleswig Holstein <strong>für</strong> die Dauer von 16 Wochen aufgerufen. Die Arbeitnehmer streikten <strong>für</strong> Lohnfortzahlung<br />
im Krankheitsfall. 1984 wurde 7 Wochen lang <strong>für</strong> die Verkürzung der Arbeitszeit auf 35<br />
St<strong>und</strong>en/Woche im Südwesten gestreikt. Bestreikte Unternehmen erhalten vom Arbeitgeberverband<br />
Unterstützung, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Andere im Verband organisierte Unternehmen<br />
dürfen keine Marktsegmente wegnehmen. Es werden Lieferhilfeabkommen garantiert.<br />
a. Streik<br />
Der Streik ist nirgends gesetzlich geregelt. Die Rechtsprechung hat folgende Kriterien<br />
<strong>für</strong> das Vorliegen eines rechtmäßigen Streikes entwickelt:<br />
- gemeinsame planmäßige Arbeitsniederlegung<br />
- gewerkschaftliche Organisation (Sicherungsfunktion)<br />
- zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele über<br />
- Inhalt, Abschluss, Beendigung von Arbeitsverhältnissen oder<br />
betriebliche <strong>und</strong> betriebsverfassungsrechtliche Fragen<br />
nicht:<br />
politische Streiks<br />
Regelung individualrechtlicher Fragen<br />
Sympathiestreiks, die sich nicht gegen den Tarifpartner richten<br />
- Beachtung der Friedenspflicht<br />
- Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes:<br />
Erst nach Scheitern der Verhandlungen <strong>und</strong> Schlichtung (außer<br />
Warnstreiks)<br />
Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen der Daseinsvorsorge<br />
Beim Warnstreik legen die Arbeitnehmer die Arbeit nach Ablauf eines Tarifvertrages aber schon vor<br />
Scheitern der neuen Tarifverhandlungen nieder. Der Warnstreik soll den Abschluss des Tarifvertrages<br />
beschleunigen.<br />
Ein politischer Streik ist kein rechtmäßiger Streik, da er nicht der Erreichung tarifmäßiger Ziele dient.<br />
Die Arbeitsniederlegung verschiedener Arbeitnehmer ohne gewerkschaftliche Führung ist kein Streik.<br />
Nur Gewerkschaften nicht hingegen einzelne Arbeitnehmer können Tarifverträge abschließen. Die<br />
gewerkschaftliche Führung sichert den ordnungsgemäßen Rahmen des Arbeitskampfes.<br />
Solch ein rechtswidriger Streik kann die fristlose Kündigung des Arbeitgebers wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung<br />
zur Folge haben oder zu Schadensersatzansprüchen führen aus §§ 611 iVm. §§<br />
280 ff., 823 ff. BGB. Die Arbeitsniederlegung ist nicht durch die Koalitionsfreiheit gedeckt.<br />
Der Streik verstößt objektiv gegen die Arbeitsvertragspflicht aus § 611 BGB <strong>und</strong> stellt<br />
einen Eingriff in den eingerichteten <strong>und</strong> ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs.<br />
1 BGB dar. Der rechtmäßige Streik ist jedoch durch das Gr<strong>und</strong>recht der Koalitionsfreiheit<br />
aus Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt <strong>und</strong> damit nicht rechtswidrig. Deshalb kommen<br />
Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gegen rechtmäßig streikende Arbeitnehmer<br />
nicht in Betracht.<br />
Die rechtmäßig streikenden Arbeitnehmer erbringen keine Arbeitsleistung, weshalb<br />
sie gemäß § 326 BGB nach dem Gr<strong>und</strong>satz keine Arbeit kein Lohn keinen Anspruch<br />
auf Entgeltzahlung haben. Gewerkschaftlich organisierte Streikende können Gelder aus der<br />
Streikkasse ihrer Gewerkschaft erhalten, die die Lohnhöhe regelmäßig bei weitem nicht erreichen.
<strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche Skript <strong>Arbeitsrecht</strong> Stand 08-2011<br />
<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
45<br />
Kann der Arbeitgeber wegen des Streiks arbeitswillige Arbeitnehmer nicht beschäftigen,<br />
erhalten diese nach § 326 BGB keine Entgeltzahlung. Da ihnen der Vorteil eines<br />
Tarifvertragsabschlusses <strong>und</strong> damit des Streikes langfristig zugute kommen kann,<br />
wird dieses Ergebnis als sachgerecht erachtet. Während eines Streiks erhalten die Arbeitnehmer<br />
nach § 146 SGB III kein Arbeitslosengeld nach dem Gr<strong>und</strong>satz der Neutralitätspflicht des<br />
Staates. Ansonsten könnte durch die staatlichen Leistungen die Arbeitskampfbereitschaft der Arbeitnehmer<br />
noch gesteigert werden.<br />
b. Aussperrung:<br />
Die Aussperrung ist die planmäßige Verweigerung der Beschäftigung <strong>und</strong> Entgeltzahlung<br />
seitens des Arbeitgebers zum Zwecke des Abschlusses eines Tarifvertrages.<br />
Es gibt die Angriffs- <strong>und</strong> die Abwehraussperrung. Die Abwehraussperrung ist<br />
die Reaktion auf einen Streik. Die Angriffsaussperrung, mit der ein Arbeitskampf von der Arbeitgeberseite<br />
eingeleitet wird, wird in der Praxis nicht angewandt.<br />
Aussperrung ist die planmäßige Verweigerung der Beschäftigung <strong>und</strong> Lohnzahlung<br />
durch einen oder mehrere Arbeitgeber, die es in zwei Formen gibt:<br />
- Angriffsaussperrung zur Eröffnung des Arbeitskampfes,<br />
- Abwehraussperrung als Reaktion auf einen Streik,<br />
deren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen sind:<br />
- Beachtung der Friedenspflicht<br />
- Verfolgung eines tarifvertraglich regelbaren Zieles<br />
- Keine gezielte Aussperrung von Gewerkschaftsmitgliedern<br />
- Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips.<br />
Bei der Aussperrung ist nach einem abgestuften Kampfmittelsystem vorzugehen.<br />
Die Aussperrung beginnt mit der suspendierenden Aussperrung, die das Ruhen der Rechte <strong>und</strong><br />
Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bewirkt. Danach kann die lösende Aussperrung folgen. Diese<br />
beendet die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer. Sie ist gegenüber Arbeitnehmern mit<br />
besonderem Kündigungsschutz nicht möglich. Nach Beendigung des Arbeitskampfes besteht ein<br />
Anspruch auf Wiedereinstellung nach billigem Ermessen. Wegen der weitreichenden Wirkungen ist<br />
diese nur bei hoher Kampfintensität oder bei Wegfall von Arbeitsplätzen zulässig.<br />
3. Das Recht der Mitbestimmung<br />
Die Betriebs- <strong>und</strong> Personalverfassung ist die gr<strong>und</strong>legende Ordnung der Zusammenarbeit<br />
von Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmern.<br />
Für <strong>Verwaltung</strong>en <strong>und</strong> Betriebe eines Trägers des öffentlichen Rechts gelten nach §<br />
130 BetrVG die Personalvertretungsgesetze des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder. Haben juristische<br />
Personen des öffentlichen Rechts Gesellschaften in Privatrechtsform wie<br />
GmbH <strong>und</strong> AG gegründet, gelten <strong>für</strong> diese das BetrVG wie <strong>für</strong> alle Betriebe in privatrechtlicher<br />
Hand.<br />
Die Beteiligungsrechte des Betriebs- <strong>und</strong> Personalrats sind abgestuft geregelt:<br />
- Informationsrechte
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46<br />
- Mitspracherechte durch Anhörung, Beratung, Vorschlagsrecht<br />
- Mitbestimmungsrechte: Kommt es zu keiner Einigung, hat die fragliche Maßnahme<br />
zu unterbleiben; die Einigungsstelle kann angerufen werden, deren<br />
Spruch die Einigung ersetzt nach § 87 Abs. 2 BetrVG.<br />
Verbietet eine Bank den Mitarbeitern im K<strong>und</strong>enbereich, Speisen <strong>und</strong> Getränke am Arbeitsplatz zu<br />
sich zu nehmen, bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Ein<br />
solches Verbot bezieht sich nicht auf die Erfüllung von Dienstpflichten, sondern in erster Linie auf das<br />
allgemeine Verhalten von Mitarbeitern. 25 Erging ein Verbot ohne Wahrung des Mitbestimmungsrechts,<br />
muss es nicht befolgt werden.<br />
Nach § 118 BetrVG findet das BetrVG keine Anwendung auf Unternehmen, die unmittelbar<br />
<strong>und</strong> überwiegend<br />
- einen politischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen,<br />
- wissenschaftlichen oder künstlerischen Zweck verfolgen oder<br />
- Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen <strong>und</strong><br />
- soweit die Eigenart des Unternehmens dem entgegensteht.<br />
Ähnliche Einschränkungen sieht § 81 LPVG vor.<br />
So beschränkt sich bei diesen Tendenzbetrieben die Beteiligung des Betriebsrates<br />
bei künstlerischen Mitarbeitern auf eine bloße Anhörung nach § 102 BetrVG ohne<br />
Widerspruchsrecht <strong>und</strong> Weiterbeschäftigungsanspruch, soweit die Kündigung ihren<br />
Gr<strong>und</strong> im künstlerischen Bereich hat. 26 Die Beteiligungsrechte bleiben unbeschränkt<br />
bestehen bei Kündigungen wegen Leistungsmängeln ohne unmittelbaren Bezug zum<br />
Tendenzzweck oder aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten.<br />
Die außerordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern als Tendenzträger aus<br />
tendenzbedingten Gründen unterliegt nur dem Anhörungsgebot des § 102 Abs. 1<br />
BetrVG <strong>und</strong> nicht der Zustimmung nach § 103 BetrVG. 27<br />
Diese Ausnahmen von der Mitbestimmung tragen dem verfassungsrechtlichen Rang<br />
der Art. 5, 140 GG Rechnung.<br />
V. Das Arbeitsgerichtsverfahren<br />
Die Gerichtsbarkeit in Arbeitssachen wird durch die Arbeitsgerichte, die Landesarbeitsgerichte<br />
<strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht mit Sitz in Erfurt ausgeübt.<br />
Vor den Arbeitsgerichten können die Parteien den Rechtsstreit selbst führen oder<br />
sich vertreten lassen nach § 11 ArbGG. Auch die Vertretung durch einen Verbandsvertreter<br />
kommt in Betracht. Vor den Landesarbeitsgerichten müssen sich die Parteien<br />
durch einen Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter vertreten lassen. Vor dem<br />
B<strong>und</strong>esarbeitsgericht ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben.<br />
25 VG Mainz vom 20.01.2004, 5 K 819/03<br />
26 BAG NJW 1976 S. 727<br />
27 Str.
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47<br />
Die mündliche Verhandlung in Arbeitsvertragsstreitigkeiten beginnt mit einer Güteverhandlung<br />
nach § 54 ArbGG. Diese soll in Kündigungsverfahren binnen 2 Wochen<br />
nach Klageerhebung stattfinden. Die mündliche Verhandlung ist zwingend vorgeschrieben.<br />
Das Urteil soll gr<strong>und</strong>sätzlich noch im Verhandlungstermin verkündet<br />
werden.<br />
Die Gerichtskosten sind niedriger als in vergleichbaren Verfahren. Der obsiegenden<br />
Partei sind die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten von der unterliegenden<br />
Partei nicht zu ersetzen nach § 12 a Abs. 1 ArbGG. Diese Regelung soll das Kostenrisiko<br />
des Klägers verringern. Ansonsten vermag die Angst vor dem Kostenrisiko manchen Arbeitnehmer<br />
von der Erhebung der Klage abzuhalten.<br />
Nach § 64 ArbGG ist die Berufung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten grds. nur zulässig, wenn der<br />
Wert der Beschwerde € 600,-- übersteigt oder wenn die Berufung im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen<br />
wurde.<br />
VI. <strong>Arbeitsrecht</strong> in der Kirche<br />
Der Staat hat sein Verhältnis zu den Kirchen durch Rezeption der Kirchenartikel 136 bis 141<br />
WRV ( Weimarer Reichsverfassung ) mittels Artikel 140 GG festgelegt. Es heißt in Art. 137<br />
Abs. 3 WRV: Jede Religionsgesellschaft ordnet <strong>und</strong> verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig<br />
innerhalb der Schranken des <strong>für</strong> alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne<br />
Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. In Art. 137 Abs. 5 WRV heißt es:<br />
Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts soweit sie solche<br />
bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu<br />
gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung <strong>und</strong> die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der<br />
Dauer bieten... . Die Weimarer Kirchenartikel sind durch Art. 140 GG vollgültiges Verfassungsrecht<br />
der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland geworden.<br />
Mit der Garantie des Selbstbestimmungsrechts erkennt der Staat die Kirchen als Institutionen<br />
mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat<br />
sind <strong>und</strong> ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Deshalb kann er der Kirche nicht vorschreiben,<br />
wie <strong>und</strong> in welcher Form sie ihren Auftrag wahrnimmt.<br />
a) Hieraus leitet sich die Eigenständigkeit der kirchlichen Dienstverfassung her. Für den Bereich der<br />
katholischen Kirche findet deshalb staatskirchenrechtlich Anerkennung, dass die Kirche eine hierarchische<br />
Struktur hat <strong>und</strong> die Unterscheidung zwischen Klerikern <strong>und</strong> Laien unumstößlich ist.<br />
b) Zu den Kompetenzen, die mit der Körperschaftsqualität verb<strong>und</strong>en sind, gehört vor allem die<br />
Dienstherrenfähigkeit. Die Kirchen können ihr Amtsrecht entsprechend dem staatlichen Beamtenrecht<br />
regeln. Dabei bestimmen die Kirchen selbst, wie die entsprechende kirchliche Regelung aussehen<br />
soll. Sie müssen nur die verfassungsrechtlich garantierten Gr<strong>und</strong>sätze des Berufsbeamtentums respektieren.<br />
Diese öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse treten neben die kirchlichen Regelungen der<br />
Beschäftigungsverhältnisse.<br />
c) Ist den Kirchen das Recht gewährleistet, ihr Ämterwesen eigenständig zu regeln, verleiht ihnen dies<br />
die Befugnis, besondere Gestaltungsformen <strong>für</strong> die zivilrechtlichen Arbeitsverhältnisse im Dienste<br />
der Kirche zu entwickeln. Dies umfasst vor allem die Befugnis, ihnen einen religiös geprägten Inhalt zu
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geben <strong>und</strong> dem Arbeitsvertrag das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer<br />
Mitarbeiter zugr<strong>und</strong>e zu legen. 28<br />
Eine kirchliche Einrichtung kann erwarten, dass jeder Mitarbeiter das kirchliche Selbstverständnis der<br />
Einrichtung anerkennt <strong>und</strong> es sich in seinem dienstlichen Handeln zu Eigen macht. Bei Begründung<br />
<strong>und</strong> Gestaltung eines Arbeitsverhältnisses wird das Leitbild einer Dienstgemeinschaft, die den spezifisch<br />
religiösen Charakter des kirchlichen Dienstes respektiert <strong>und</strong> diesem zu dienen bestimmt ist, mit<br />
den Mitteln des Vertragsrechts verwirklicht. 29 Daneben können sich die Kirchen gleichwohl des allgemeinen<br />
<strong>Arbeitsrecht</strong>s bedienen.<br />
d) Den Kirchen kommt das Recht zu, aufgr<strong>und</strong> des ihnen verfassungsrechtlich gewährleisteten<br />
Selbstbestimmungsrechts Dienstordnungen zu erlassen, in denen sie die Aufgaben, Einstellungsvoraussetzungen<br />
<strong>und</strong> Pflichten <strong>für</strong> einzelne kirchliche Berufe regeln. Die Deutsche Bischofskonferenz hat<br />
auf ihrer Herbstvollversammlung am 22. September 1993 in Fulda <strong>für</strong> die katholische Kirche die<br />
Gr<strong>und</strong>ordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse verabschiedet. Sie<br />
ist das Recht der in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland gelegenen Teilkirchen, in denen <strong>und</strong> aus denen<br />
die eine <strong>und</strong> einzige katholische Kirche besteht. Hierunter fallen nicht Mitglieder, die aufgr<strong>und</strong> eines<br />
Klerikerdienstverhältnisses oder ihrer Ordenszugehörigkeit tätig sind. Wer als Mitglied eines Ordens<br />
der katholischen Kirche oder als evangelische Diakonisse in kirchlichen Einrichtungen beschäftigt<br />
wird, ist nicht deren Arbeitnehmer. Die Dienste werden ausschließlich vom religiösen Bekenntnis geprägt.<br />
Die Herausnahme aus dem <strong>Arbeitsrecht</strong> wird durch das Gr<strong>und</strong>recht der Glaubensfreiheit in Art.<br />
4 GG gefordert. Wird ein Ordensangehöriger aufgr<strong>und</strong> eines Gestellungsvertrages in einer weltlichen<br />
Einrichtung beschäftigt, ist er gleichwohl nicht Arbeitnehmer sondern behält seine besondere Stellung<br />
als Ordensangehöriger.<br />
Nach Art. 137 Abs. 3 WRV gelten <strong>für</strong> kirchliche Arbeitsverhältnisse die allgemeinen Gesetze. Das<br />
allgemeine Gesetz ist ein Gesetz, das trotz gr<strong>und</strong>sätzlicher Bejahung der kirchlichen Autonomie vom<br />
Standpunkt der Gesamtnation als sachlich notwendige Schranke der kirchlichen Freiheit anerkannt<br />
werden muss. Bei rein inneren kirchlichen Angelegenheiten kann ein staatliches Gesetz <strong>für</strong> die Kirche<br />
keine Schranke bilden.<br />
Die arbeitsrechtliche Regelungsautonomie beschränkt sich nicht auf die verfasste Kirche, die amtskirchliche<br />
Organisation, sondern sie erstreckt sich auf alle Einrichtungen, die einer Kirche als Kirche<br />
zugeordnet sind wie deren karitativen <strong>und</strong> erzieherischen Einrichtungen. Dies wird in §§ 118 BetrVG,<br />
107 a LPVG anerkannt. Unter den Geltungsbereich der arbeitsrechtlichen Regelungsautonomie fallen<br />
privatrechtlich verselbständigte Einrichtungen, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem<br />
Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen<br />
<strong>und</strong> zu erfüllen. Das Selbstbestimmungsrecht bezieht sich deshalb auf die kirchlich getragene<br />
Krankenpflege <strong>und</strong> die Organisation des kirchlichen Krankenhauses. Gleiches gilt <strong>für</strong> eine kirchliche<br />
Schule, auch wenn ihr Rechtsträger ein Verein nach Bürgerlichem Recht ist. Öffentlichkeitsarbeit mit<br />
publizistischen Mitteln ist ebenfalls Teil der kirchlichen Mission.<br />
1. Fehlbestand<br />
VII. Beispielsfälle<br />
Kassiererin K war bei der Stadt L in der Kantine beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hieß<br />
es u.a.: „Neben den gesetzlichen Gründen ist die Stadt zur fristlosen Kündigung be-<br />
28 BVerfGE 70 S. 138, 165<br />
29 Die Kirchen haben nach §§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 1 SGB IV, 5 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI Autonomie zur<br />
Regelung der sozialen Sicherung. Treffen sie keine eigene Regelung, so gilt die gesetzliche Sozialversicherung.
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49<br />
rechtigt, wenn Fehlbestände am Geld- oder Warenbestand oder am Inventar festgestellt<br />
werden...“. Bei routinemäßig angesetzten Inventuren wurden Warenfehlbestände<br />
festgestellt <strong>und</strong> K mit dieser Begründung fristlos entlassen. K verweist darauf, dass<br />
noch andere Arbeitnehmer im Geschäft tätig sind <strong>und</strong> behauptet, sie habe den Fehlbestand<br />
nicht verursacht. L vertritt die Auffassung, eines Nachweises bedürfe es wegen<br />
der vereinbarten Kündigungsklausel nicht.<br />
Ist die Kündigung wirksam?<br />
Lösung:<br />
Die fristlose Kündigung ist nur wirksam, wenn die Kündigungsvereinbarung selbst<br />
zulässig ist. Dies ist nicht der Fall. Die Parteien eines Arbeitsvertrages können das<br />
Recht zur außerordentlichen Kündigung vertraglich nicht über das gesetzliche Maß<br />
des § 626 Abs. 1 BGB erweitern. Diese Vorschrift ist zwingendes Recht. Durch eine<br />
solche Vereinbarung würden die Vorschriften über die <strong>für</strong> die ordentliche Kündigung<br />
eines Arbeitsverhältnisses geltenden zwingenden gesetzlichen Mindestkündigungsfristen<br />
umgangen werden. Deshalb kann eine Vereinbarung, wonach der Arbeitgeber<br />
berechtigt sein soll einer Verkäuferin, die zusammen mit mehreren anderen in einer<br />
Verkaufsstelle beschäftigt ist, dann fristlos zu kündigen, wenn Fehlbestände festgestellt<br />
werden, bei der Prüfung des wichtigen Gr<strong>und</strong>es nur dann berücksichtigt werden,<br />
wenn wenigstens feststeht, dass die Fehlbestände von der Verkäuferin (mit-<br />
)verursacht worden sind. 30<br />
2. Vorstellungstermin<br />
Dem Ingenieur A aus Stuttgart wird fristgemäß gekündigt zum 31.12. des Jahres, da<br />
er den ihm gestellten Aufgaben nicht gewachsen ist. Er gibt verschiedene Stellenanzeigen<br />
in Fachzeitschriften auf. Im November wird er von der Firma F mit Sitz in<br />
Hamburg zu einem Vorstellungsgespräch am Dienstag um 09.00 Uhr eingeladen. A<br />
bittet seinen bisherigen Arbeitgeber G um Freistellung <strong>für</strong> 2 Tage.<br />
Frage 1: Kann G fristlos kündigen, wenn A trotz Ablehnung der Freistellung eigenmächtig<br />
frei nimmt, was er vorher angekündigt hat?<br />
Frage 2: Bekommt A von F seine Reisekosten ersetzt.<br />
Lösung:<br />
1. Die fristlose Kündigung ist nach § 626 BGB nur dann wirksam, wenn ein wichtiger<br />
Gr<strong>und</strong> vorliegt, somit die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses unzumutbar<br />
ist. Eigenmächtiger Urlaubsantritt ist nach ständiger Rechtsprechung eine beharrliche<br />
Arbeitsverweigerung, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Dies<br />
gilt jedoch nicht <strong>für</strong> den vorliegenden Fall. Beim Urlaub zum Zwecke der Stellensuche<br />
besteht nach § 629 BGB die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer auf<br />
30 BAG AP Nr. 67 zu § 626 BGB
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50<br />
Verlangen angemessene Zeit zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses zu<br />
gewähren. Allerdings muss auch hier der Arbeitnehmer sich den Urlaub „gewähren<br />
lassen“, darf ihn also nicht eigenmächtig nehmen. A hatte jedoch vergeblich um Urlaubsgewährung<br />
nachgesucht <strong>und</strong> die Wahrnehmung des Termins angekündigt. In<br />
diesem Sachverhalt liegt nach der Rechtsprechung keine beharrliche Arbeitsverweigerung,<br />
die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen würde. Die Abwesenheit hält<br />
sich auch in der „Angemessenheitsgrenze“ des § 629 BGB, wenn man bedenkt, dass<br />
schon aufgr<strong>und</strong> der räumlichen Entfernung je 1 Tag zur Hin- bzw. Rückfahrt erforderlich<br />
ist. Auf jeden Fall war das Verhalten des A nicht geeignet, die Fortsetzung des<br />
demnächst ohnehin auslaufenden, weil gekündigten Arbeitsverhältnisses als unzumutbar<br />
erscheinen zu lassen.<br />
2. A hat Anspruch auf Ersatz der Vorstellungskosten, da er die Reise nach Hamburg<br />
auf Aufforderung der dortigen Firma zum Zwecke der Vorstellung unternommen hatte<br />
analog § 670 BGB. Anders wäre es, wenn der Arbeitnehmer nur eine “unverbindliche<br />
Rücksprache“ gewünscht hätte oder die Firma von vornherein die Kostenerstattung<br />
ausgeschlossen hätte.<br />
3. Langschläfer<br />
Herr Anton (A) hat zum zweiten Mal in Folge montags verschlafen <strong>und</strong> kommt 3<br />
St<strong>und</strong>en zu spät zur Arbeit. Daraufhin erklärt ihm sein Arbeitgeber, Herr Grau (G),<br />
schriftlich die fristlose Kündigung. Den Betriebsrat hat er nicht angehört. Er ist der<br />
Ansicht, dass es bei einer fristlosen Kündigung dieser Anhörung nicht bedarf. Auf die<br />
Kündigungsschutzklage des A hin entscheidet das Gericht, dass die fristlose Kündigung<br />
unwirksam ist. Daraufhin nimmt A die Tätigkeit bei G wieder auf.<br />
A verlangt Nachzahlung des Gehalts. Zwischen Ausspruch der Kündigung <strong>und</strong> der<br />
Entscheidung des Gerichts ist er seiner Arbeit nicht nachgekommen <strong>und</strong> hat kein<br />
Gehalt bekommen. G meint, wer nicht arbeite, bekomme auch kein Geld.<br />
Lösung:<br />
Der Anspruch des A könnte aus §§ 611, 615 BGB folgen. Das Arbeitsverhältnis mit G<br />
hat nach der fristlosen Kündigung fortbestanden, weil diese Kündigung wegen Verstoßes<br />
gegen § 102 Abs. 1 BetrVG mangels Anhörung des Betriebsrats unwirksam<br />
war. Nach § 615 BGB hat G die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der<br />
Annahme der Dienste des A in Verzug gekommen ist. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs<br />
richten sich nach §§ 293 ff. BGB. Nach §§ 294, 295 BGB muss der<br />
Schuldner gr<strong>und</strong>sätzlich die geschuldete Leistung anbieten. Der Sachverhalt enthält<br />
keinen Hinweis darauf, dass A nach Ausspruch der fristlosen Kündigung dem G angeboten<br />
hat, weiter zu arbeiten. Jedoch ist nach § 296 BGB ein Angebot des Arbeitnehmers<br />
überflüssig, wenn vom Arbeitgeber eine Mitwirkungshandlung erforderlich<br />
ist <strong>und</strong> der Arbeitgeber diese Handlung nicht rechtzeitig vornimmt. Die Mitwirkungshandlung<br />
des Arbeitgebers besteht darin, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz zur<br />
Verfügung zu stellen. Mit der fristlosen Kündigung gab der Arbeitgeber G unmissverständlich<br />
zu erkennen, dass er die Arbeitsleistung <strong>für</strong> die Zukunft ablehnt. Er hat damit<br />
zu verstehen gegeben, dass er den Arbeitnehmer G nicht weiter beschäftigen
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51<br />
wolle <strong>und</strong> ihm keinen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung stellt. In diesen Fällen muss er<br />
den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern, wenn er trotz fristloser Kündigung nicht in<br />
Annahmeverzug geraten will.<br />
Eine Ausnahme von diesen Gr<strong>und</strong>sätzen besteht nur, wenn dem Arbeitgeber die Annahme<br />
der Arbeitsleistung nach Treu <strong>und</strong> Glauben nicht zuzumuten ist. Solch eine<br />
Unzumutbarkeit liegt nur bei einem besonders groben Vertragsverstoß vor, der zur<br />
Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers <strong>und</strong> anderer Arbeitnehmer geführt<br />
hat oder führen kann <strong>und</strong> deren Schutz den Interessen des Arbeitnehmers vorrangig<br />
ist. Ein solcher Fall liegt bei bloßer wiederholter Verspätung nicht vor.<br />
G ist nach § 615 BGB in Annahmeverzug geraten <strong>und</strong> hat <strong>für</strong> die Dauer des Annahmeverzugs<br />
dem A das Entgelt fort zu entrichten.<br />
4. Operation<br />
Oberarzt O ist bei den Städtischen Kliniken S beschäftigt. Bei einer Operation unterläuft<br />
ihm ein Fehler. Er vergisst eine Operationsklemme im Bauchraum eines Patienten.<br />
Bei diesem Patienten treten erhebliche Komplikationen auf <strong>und</strong> eine erneute<br />
Operation ist erforderlich. S muss an den Patienten Schadensersatz <strong>und</strong> Schmerzensgeld<br />
bezahlen.<br />
Dem O war vor geraumer Zeit bereits derselbe Fehler unterlaufen gewesen. Deshalb<br />
war er vom vorgesetzten Chefarzt dringlich ermahnt worden, eine höhere Sorgfalt<br />
walten zu lassen.<br />
Prüfen Sie, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen ergriffen werden können <strong>und</strong><br />
wieweit der Landespersonalrat zu beteiligen ist.<br />
Lösung:<br />
I. Regress:<br />
a. Ein Regressanspruch könnte sich aus §§ 611, 280 Abs. 1 BGB ergeben. O hat im<br />
Rahmen der Erfüllung seines Dienstvertrages einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht<br />
begangen. Ihm ist ein Kunstfehler unterlaufen. Nach den Regeln über die Haftungserleichterung<br />
<strong>für</strong> Arbeitnehmer haftet O nur bei Vorsatz <strong>und</strong> grober Fahrlässigkeit<br />
in vollem Umfang <strong>und</strong> bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig. Bei leichter Fahrlässigkeit<br />
scheidet eine Haftung aus. Hier kommt eine Haftung wegen grober Fahrlässigkeit<br />
in Betracht. Auch wenn bei einem objektiven Sorgfaltsverstoß eine gewisse<br />
Vermutung <strong>für</strong> eine subjektive Sorgfaltswidrigkeit besteht, muss der Arbeitgeber nach<br />
§ 619 a BGB Umstände darlegen, aus denen die grobe Fahrlässigkeit sich ergibt. Ihn<br />
trifft die Beweislast hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers. In Anbetracht<br />
der Erkennbarkeit einer Operationsklemme, der Möglichkeit, das Fehlen einer<br />
Operationsklemme durch Nachzählen festzustellen <strong>und</strong> des Umstandes, dass O<br />
zuvor schon eindringlich auf seine Sorgfaltspflichten hingewiesen wurde, kann im<br />
vorliegenden Fall eine grobe Fahrlässigkeit bejaht werden.
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52<br />
Die Stadt S hat einen Schadensersatzanspruch gegen O wegen der von ihr dem Patienten<br />
nach §§ 611, 280 Abs.1, 831, 253 BGB erbrachten Schadensersatz- <strong>und</strong><br />
Schmerzensgeldleistungen. Der Sachverhalt enthält keinen Hinweis darauf, dass die Höhe des<br />
Anspruchs im Verhältnis zum Einkommen des A unverhältnismäßig ist.<br />
Der Personalrat ist nach § 79 Abs. 3 Nr. 3 LPVG zu beteiligen, soweit es um Ersatzansprüche<br />
gegen den beschäftigten Arzt A geht.<br />
b. S könnte gegen O einen Rückgriffsanspruch aus §§ 840, 421, 426 Abs. 1 BGB<br />
haben. Zwischen S <strong>und</strong> O müsste Gesamtschuldnerschaft vorliegen.<br />
S haftet dem Patienten aus §§ 611, 280 Abs. 1, 276, 831, 253 BGB. O haftet dem<br />
Patienten aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB, 253 BGB.<br />
Nach § 840 BGB haften sie als Gesamtschuldner.<br />
Zwischen den Gesamtschuldnern besteht nach §§ 421, 426 Abs. 1 BGB ein Ausgleichsanspruch.<br />
Im Zweifel haftet jeder Gesamtschuldner zur Hälfte, soweit keine<br />
anderweitige Haftungsverteilung angemessen ist. Nach den Gr<strong>und</strong>sätzen der Arbeitnehmerhaftung<br />
hat der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit – wie oben festgestellt<br />
– alleine <strong>für</strong> die Schadensfolgen aufzukommen.<br />
c. Ein weiterer Ausgleichsanspruch ergibt sich nach §§ 421, 426 Abs. 2 BGB aus<br />
übergegangenem Recht.<br />
d. Ein deliktischer Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB entfällt. O hat die Stadt S nicht<br />
an ihren geschützten Rechtsgütern verletzt.<br />
II. Kündigung<br />
a. Eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB entfällt. Es ermangelt an einem<br />
wichtigen Gr<strong>und</strong>, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf einer<br />
ordentlichen Kündigung unzumutbar macht. A kann weiterhin unter Aufsicht oder besonderer<br />
Kontrolle beschäftigt werden.<br />
b. Eine ordentliche Kündigung nach §§ 620 BGB, 1 KSchG ist mangels Abmahnung<br />
ausgeschlossen. Eine ordentliche Kündigung setzt analog § 314 BGB voraus, dass<br />
dem Arbeitnehmer eindringlich sein Fehlverhalten vor Augen geführt wird <strong>und</strong> ihm<br />
deutlich gemacht wird, dass eine Wiederholung arbeitsrechtliche Konsequenzen haben<br />
kann. Im vorliegenden Fall wurde A nur auf die erforderliche Sorgfalt hingewiesen<br />
<strong>und</strong> ermahnt, dies in der Zukunft einzuhalten, nicht jedoch wurden ihm arbeitsrechtliche<br />
Konsequenzen deutlich gemacht. Die Ermahnung seines Vorgesetzten<br />
erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Abmahnung. Deshalb ist eine verhaltensbedingte<br />
Kündigung nicht möglich.<br />
Sowohl <strong>für</strong> die außerordentliche wie <strong>für</strong> die ordentliche Kündigung wäre nach § 77<br />
LPVG der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung zu beteiligen gewesen.<br />
III. Abmahnung
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53<br />
Dem O kann eine Abmahnung analog § 314 BGB erteilt werden. Der Personalrat ist<br />
nach § 80 Abs. 1 Nr. 8 c LPVG vor Erteilung der schriftlichen Abmahnung auf Antrag<br />
des betroffenen A zu beteiligen.<br />
5. Untreue<br />
Bei der Stadt S ist die 42jährige Frau Alster (A) seit ihrem 25. Lebensjahr beschäftigt.<br />
Sie ist TVöD - Angestellte. Während ihrer Ferienabwesenheit entdeckt ihr Vorgesetzter,<br />
dass sie in den zurückliegenden Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit Gebührenzahlungen<br />
in Höhe von € 12.000,-- unterschlagen hat. Am Tag ihrer Urlaubsrückkehr<br />
am Montag, dem 13. Juni bestellt der Oberbürgermeister sie sogleich zu einer Rücksprache<br />
ein. A gesteht die Tat. Am Montag, dem 27. Juni lässt der Oberbürgermeister<br />
O der A eine schriftliche außerordentliche Kündigung zum 30. Juni aushändigen,<br />
nachdem der Personalrat angehört wurde <strong>und</strong> sich mit der Kündigung einverstanden<br />
erklärt hat. Zwei Tage später, am 29. Juni, unterrichtet er den zuständigen <strong>Verwaltung</strong>sausschuss.<br />
A ist der Ansicht, die Kündigung sei verspätet erfolgt. Sie habe im Übrigen erst nach<br />
Anhörung des <strong>Verwaltung</strong>sausschusses erfolgen dürfen.<br />
Ist die Kündigung wirksam erfolgt?<br />
Lösung:<br />
Die außerordentliche Kündigung ist gemäß § 623 BGB von einer Schriftform abhängig.<br />
Diese wurde eingehalten. Die Kündigung ist der A am 27. Juni zugegangen.<br />
Die außerordentliche Kündigung setzt einen wichtigen Gr<strong>und</strong> voraus. Die Fortsetzung<br />
des Arbeitsverhältnisses muss unzumutbar sein. Die Veruntreuung eines Betrages<br />
von € 12.000,-- ist ein besonders schwerwiegender strafrechtlich relevanter<br />
Vertrauensbruch. Solch ein Vertrauensbruch führt zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung<br />
des Arbeitsverhältnisses. Strafbare Vermögensdelikte werden gr<strong>und</strong>sätzlich als<br />
fristloser Kündigungsgr<strong>und</strong> anerkannt. Eine vorangehende Abmahnung ist in diesen<br />
Fällen unmöglich <strong>und</strong> überflüssig.<br />
Der A wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Sie hat die Tat eingestanden.<br />
Damit liegt ein wichtiger Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> eine außerordentliche Kündigung nach §<br />
626 BGB vor. § 34 Abs. 2 TVöD steht der fristlosen Kündigung nicht entgegen. Zwar<br />
zählt die A nach § 34 Abs. 2 TVöD zu den sog. unkündbaren Angestellten, da sie seit<br />
mehr als 15 Jahren bei der Stadt S beschäftigt ist <strong>und</strong> das 40. Lebensjahr überschritten<br />
hat. Die Unkündbarkeit schließt zwar die ordentliche Kündigung aus, nicht hingegen<br />
die außerordentliche Kündigung.<br />
Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen nach<br />
Kenntnis vom Kündigungsgr<strong>und</strong> erfolgen. Diese Kündigungserklärungsfrist beginnt<br />
ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Kündigungsberechtigte von den <strong>für</strong> die Kündigung<br />
maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Die kündigungsberechtigte<br />
Stadt S hat sich nach § 166 BGB analog die Kenntnis des Vorgesetzten der A zurechnen<br />
zu lassen. Da dieser nur mit hoher Wahrscheinlichkeit die Veruntreuung
<strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche Skript <strong>Arbeitsrecht</strong> Stand 08-2011<br />
<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
54<br />
vermutete, war nach der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht die Anhörung der A geboten.<br />
Diese ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt am Montag, dem 13. Juni erfolgt.<br />
Es stellt sich die Frage, ob die Kündigung am Montag dem 27. Juni noch rechtzeitig<br />
innerhalb der 2-Wochenfrist erfolgt ist. Für die Fristberechnung gelten §§ 188 Abs. 2,<br />
187 Abs. 1 BGB. Für den Fristbeginn ist die Kenntnisnahme von dem zur Kündigung<br />
berechtigenden Ereignis nach § 187 Abs. 1 BGB maßgebend. Dies war Montag 13.<br />
Juni. Die 2-Wochenfrist endet nach § 188 Abs. 2. Bei Fristen, die an Ereignisse anknüpfen<br />
gilt § 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB. Hiernach endigt die Frist mit Ablauf desjenigen<br />
Tages, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den das Ereignis fiel.<br />
Das Ereignis der Kenntnisnahme fiel auf Montag den 13. Juni <strong>und</strong> endigt damit am<br />
Montag 2 Wochen später, dem 27. Juni. Der Zugang der Kündigung am 27. Juni ist<br />
noch fristgemäß.<br />
Die erforderliche Anhörung des Personalrats nach § 77 Abs. 3 S. 1 LPVG vor Ausspruch<br />
der Kündigung ist erfolgt.<br />
Der Oberbürgermeister O ist nach § 42 GemO vertretungsberechtigtes Organ der<br />
Gemeinde <strong>und</strong> konnte die Kündigungserklärung nach § 164 BGB mit Wirkung <strong>für</strong> die<br />
Stadt abgeben. Die erforderliche Schriftform nach § 623 BGB wurde eingehalten. §<br />
54 Abs. 1 GemO kommt nicht zur Anwendung. Eine Kündigung ist keine Verpflichtungserklärung<br />
der Gemeinde. Eine Mitwirkung des Gemeinderats ist <strong>für</strong> die Kündigung<br />
unbeachtlich.<br />
Die Stadt S konnte das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist am<br />
27. Juni mit sofortiger Wirkung beenden. Es steht ihr frei eine weniger einschneidende<br />
Maßnahme zu ergreifen <strong>und</strong> das Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni zu kündigen.<br />
Solche soziale Auslauffristen sind bei fristloser Kündigung zulässig.<br />
1. Lizenzfußballspieler<br />
VIII. Übungsfälle zum Selbststudium<br />
Herr Andreas (A) war aufgr<strong>und</strong> eines schriftlichen Vertrags beim B-Fußballclub e.V.<br />
als Lizenzfußballspieler der 2. Liga Süd beschäftigt. Neben dieser Lizenzspielertätigkeit<br />
übte A noch halbtags den Beruf eines Bankkaufmanns aus. Vom 02.01. bis<br />
14.02. des Jahres war A laut verschiedener Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erkrankt.<br />
Er nahm weder am Training noch an Spielen teil. Während dieser Zeit stellte<br />
B die Zahlungen an A ein.<br />
A verlangt Fortzahlung des vertragsgemäßen Entgelts.<br />
2. Verlagsarbeit<br />
Die Sozialpädagogin Frau Dreier (D) ist als freie Mitarbeiterin im Lektorat eines Jugendbuch-<br />
<strong>und</strong> Jugendzeitschriftenverlags beschäftigt. Ihr obliegt die Durchsicht von
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<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
55<br />
Manuskripten auf sprachliche <strong>und</strong> inhaltliche Angemessenheit in Hinblick auf den<br />
besonderen Leserkreis. Für die Arbeit an Zeitschriftenmanuskripten muss sie sich<br />
dienstags, mittwochs <strong>und</strong> donnerstags <strong>für</strong> jeweils 5 – 7 St<strong>und</strong>en einfinden. Diese Arbeiten<br />
erledigt sie im Lektoratsbüro des Verlages. Die Arbeit an Buchmanuskripten<br />
wird D nach Bedarf zugeteilt. Diese kann sie überwiegend zu Hause erledigen. Es<br />
wird ihr lediglich ein Termin <strong>für</strong> die Abgabe des durchgesehenen Manuskripts gesetzt.<br />
Die geleistete Arbeitszeit wird nach einem von D auszufüllenden Arbeitszeiterhebungsbogen,<br />
der vom Lektoratsleiter gegen zu zeichnen ist, abgerechnet. D arbeitet<br />
zumeist zwischen 25 – 28 St<strong>und</strong>en in der Woche <strong>für</strong> den Verlag.<br />
In der verbleibenden Zeit ist sie gelegentlich noch als Dozentin bei einem Träger der<br />
Erwachsenenbildung tätig.<br />
Ist D Arbeitnehmerin oder freie Mitarbeiterin i.S. einer Selbständigen?<br />
3. Vorstrafen<br />
Die Ladenkette L-GmbH sucht Kassierer <strong>und</strong> Kassiererinnen. Herr Vogel (V) stellt<br />
sich beim Personalchef Herrn Paul (P) vor. Die Frage nach Vorstrafen verneint er,<br />
obwohl er 11 Monate zuvor wegen Unterschlagung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt<br />
worden war. Nach 6 Monaten erfährt P von der Vorstrafe.<br />
P will das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall lösen. Da er mit den Leistungen des V ohnehin<br />
nicht zufrieden war, will er das ausbezahlte Gehalt zurückfordern. Zumindest<br />
das Gehalt von 2 Wochen will er zurückfordern, während deren V in Urlaub war.<br />
Wie ist die Rechtslage?<br />
4. Rückwirkung<br />
Die Sozialarbeiterin Frau Anden (A) arbeitete aufgr<strong>und</strong> eines befristeten Arbeitsvertrages<br />
vom 01.01. bis 31.07. beim Verein <strong>für</strong> soziale Jugendarbeit e.V. . Das Bruttogehalt<br />
wurde arbeitsvertraglich auf € 2.000,-- festgesetzt. Durch Beschluss des Vorstands<br />
vom 20.09. wurden die Löhne <strong>und</strong> Gehälter der Mitarbeiter rückwirkend ab<br />
01.05. um 4 % erhöht entsprechend den Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst zum<br />
01.03. des Jahres.<br />
Auch A verlangt den erhöhten Lohn vom 01.05. bis 31.07. Der Verein verweigert die<br />
Zahlung, weil A zwischenzeitlich ausgeschieden sei.<br />
5. Fahrgeld<br />
Herr Angermann (A) wird bei der Stadt G als Sozialarbeiter angestellt. Im Anstellungsvertrag<br />
wird auf die Geltung des TVöD verwiesen, ohne dass A eine Ausfertigung<br />
des TVöD erhält. Der Anstellungsvertrag wird versehentlich nur vom Oberbürgermeister<br />
<strong>und</strong> nicht von A unterschrieben. A behauptet später, der Oberbürgermeister<br />
habe ihm die Erstattung der Fahrtkosten vom Wohnsitz zum Arbeitsplatz zugesagt.<br />
Diese Regelung sei <strong>für</strong> ihn von großer Bedeutung gewesen, was er dem Oberbürgermeister<br />
auch deutlich gesagt habe. Der Oberbürgermeister kann sich an einen
solchen Gesprächsinhalt überhaupt nicht mehr erinnern. Er vertritt die Ansicht, den<br />
Vertrag solle man dann eben vergessen.<br />
Ist der Vertrag wirksam? Mit welchem Inhalt?<br />
6. Schwerbehinderter<br />
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Ludwigsburg<br />
56<br />
Herr Anton (A) wird seit 3 Jahren bei der Gemeinde G im Bauhof beschäftigt. Er ist<br />
Schwerbehinderter mit einem Behinderungsgrad von 60 % wegen eines Bandscheibenleidens.<br />
Bei der Einstellung verneinte er wahrheitswidrig die Frage nach einer die Arbeitsverrichtung<br />
betreffenden Schwerbehinderung. Die von A verrichtete Tätigkeit wird zu 90<br />
% im Stehen ausgeführt <strong>und</strong> ist eine körperlich schwere Arbeit. Auf Anraten seines<br />
Hausarztes teilte er am 09.04. seinem Vorgesetzten mit, dass er Schwerbehinderter<br />
sei. Er bat um Zuweisung einer anderen Tätigkeit. Bürgermeister (B) focht mit<br />
Schreiben vom 13.04. den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an.<br />
A hält die Anfechtung <strong>für</strong> unwirksam:<br />
Er habe sich bei Vertragsabschluss in der Lage gefühlt, die Tätigkeit auszuüben. Er<br />
habe nicht arglistig gehandelt. Die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft sei<br />
unzulässig. Der Personalrat sei nicht angehört worden. Nach 3 Jahren sei die Anfechtung<br />
treuwidrig, da er trotz Behinderung seine Pflichten bislang erfüllt habe.<br />
Ist die Anfechtung wirksam? Welche Rechtswirkungen hat die Anfechtung eines Arbeitsvertrages?<br />
7. Zeugnis<br />
Herr Schreiber (S) ist bei der Stadt Albstadt (A) als Sozialarbeiter angestellt. Im<br />
schriftlichen Arbeitsvertrag, den er mit dem Ersten Bürgermeister abgeschlossen hat,<br />
wurde vereinbart, dass der Tarifvertrag <strong>für</strong> den öffentlichen Dienst (TVöD) <strong>für</strong> das<br />
Arbeitsverhältnis gilt. Da S mittlerweile eine neue Arbeitsstelle gef<strong>und</strong>en hat, kündigt<br />
er das Arbeitsverhältnis bei A fristgemäß zum Jahresende. Bei einem Gespräch mit<br />
dem Personalamtsleiter (P) am 26.11. verlangt er:<br />
Die Ausstellung eines Zeugnisses über Art <strong>und</strong> Dauer des Arbeitsverhältnisses <strong>und</strong><br />
über die erbrachten Leistungen. Angaben über seine Führung sollen nicht aufgenommen<br />
werden, da es damit nicht zum Besten steht. Er wünscht obendrein eine<br />
Aufstellung der Fortbildungsveranstaltungen, an denen er teilgenommen hat.<br />
Die Erstattung von € 50,-- Telefonkosten. Diese hatte er im März während seines<br />
Urlaubs in der Schweiz aufwenden müssen. Sein Vorgesetzter hatte in seinem Urlaubshotel<br />
angerufen <strong>und</strong> um Rückruf gebeten zur Aufklärung einer dringenden Angelegenheit<br />
des Amtes. S legt einen Rechnungsbeleg vor.<br />
Muss P den Wünschen des S entsprechen?
8. Befristeter Arbeitsvertrag<br />
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Ludwigsburg<br />
57<br />
Der kaufmännische Angestellte Herr Bernhard (B) wird von der Großen Kreisstadt G<br />
als Mutterschaftsvertretung <strong>für</strong> die Dauer von 2 Jahren angestellt. Nach Ablauf der 2<br />
Jahre wird das Arbeitsverhältnis um weitere 8 Monate verlängert zur Abdeckung unvorhersehbarer<br />
Personalengpässe. Zwei Wochen nach Aufnahme des 2. befristeten<br />
Arbeitsverhältnisses erhält B ein unbefristetes Arbeitsverhältnis von einem anderen<br />
Arbeitgeber in Aussicht gestellt. Diese Gelegenheit will sich B nicht entgehen lassen.<br />
Er kündigt schriftlich das Arbeitsverhältnis bei G. Der <strong>für</strong> das Personalwesen zuständige<br />
Beigeordnete P weist die Kündigung zurück. Befristete Arbeitsverhältnisse seien<br />
nicht kündbar. In der bevorstehenden Urlaubszeit könne auf die Arbeitskraft des B<br />
nicht verzichtet werden. B sei fest eingeplant.<br />
B weist darauf hin, dass der Leiter des Sozialamtes - wo er zur Zeit beschäftigt ist -<br />
ihm zugesagt habe, sein Arbeitsverhältnis werde sicherlich vorzeitig beendet. Arbeitnehmer<br />
mit befristeten Arbeitsverträgen würden regelmäßig vorzeitig freigegeben,<br />
wenn sie eine Festanstellung gef<strong>und</strong>en hätten. Die Festanstellung sei sogar ein<br />
wichtiger Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Aufhebung des Arbeitsvertrages.<br />
Ist die Kündigung des B wirksam?<br />
9. Probearbeitsverhältnis<br />
Die Stadt S sucht Schreibkräfte. Frau Friedrich (F) bewirbt sich. Auf die Frage, ob sie<br />
schwanger sei, antwortet sie wider besseren Wissens mit nein. Sie erhält einen Arbeitsvertrag<br />
nach TVöD, in dem eine Probearbeitszeit von 6 Monaten vereinbart wird.<br />
Nach 2 Monaten offenbart sie die Schwangerschaft. Der Personalamtsleiter will das<br />
Arbeitsverhältnis lösen. Er ist der Ansicht, während der Probezeit sei ein Solches<br />
problemlos möglich.<br />
10. Bestechung<br />
Der 50jährige Herr Albrecht (A) ist beim Landratsamt Lichtenau seit mehr als 20 Jahren<br />
als Sachbearbeiter beschäftigt. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages wurde die<br />
Geltung des TVöD vereinbart. A bearbeitet Einbürgerungsanträge. Es kommt heraus,<br />
dass er seit Jahren gegen Zahlung hoher Schmiergelder aussichtslose Anträge positiv<br />
beschieden hat.<br />
Die Kündigung soll ausgesprochen werden. Was ist zu beachten?<br />
11. Streik<br />
Herr Maier (M) ist Industriemeister <strong>und</strong> leitet seit Jahren die Produktendkontrolle der<br />
Metallwarenfabrik Alber-GmbH (A). Die A wird von einem gewerkschaftlich organisierten<br />
Streik in der Metallindustrie betroffen. Die Produktion der A kommt fast zum
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Ludwigsburg<br />
58<br />
Erliegen, weshalb es auch in der Warenkontrolle keine Arbeit mehr gibt. Der Personalchef<br />
Paul (P) fordert den arbeitswilligen M auf, bis zur Beendigung des Streiks,<br />
die Arbeit am Band in der Produktion aufzunehmen. M ist hierzu nicht bereit.<br />
Darauf spricht P die fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus.<br />
M hält die Kündigung <strong>für</strong> unwirksam <strong>und</strong> verlangt auch während des Arbeitsmangels<br />
in der Produktendkontrolle sein Arbeitsentgelt.<br />
12. Arbeitsüberlastung<br />
Herr Huber (H) ist als Sachbearbeiter im Liegenschaftsamt der Stadt Karlsruhe tätig.<br />
In seinem Arbeitsvertrag ist die Geltung des TVöD vereinbart. Wegen Arbeitsüberlastung<br />
hat er von Februar – April des Jahres die vorgeschriebenen Kontrollgänge<br />
durch die der Stadt gehörende Reihenhausanlage Flurgasse 11 – 15 nicht durchgeführt.<br />
Auf die wiederholte Mängelanzeige eines losen Bodenbelages im Gebäude<br />
Flurgasse 13, die der Mieter am 27.04. <strong>und</strong> 30.05. vorgebracht hat, unternimmt er<br />
nichts. Zwei Wochen später rutscht der Mieter des Gebäudes Flurgasse 13 auf dem<br />
gelockerten Bodenbelag aus <strong>und</strong> verletzt sich. Die Stadt wird deshalb auf € 2.800,--<br />
Schadensersatz in Anspruch genommen.<br />
Drei Monate vor diesem Vorfall war Herr Huber vom Leiter des Personalamts, Herrn<br />
Krug, in einem Gespräch zugesagt worden, auf den nächsten Fortbildungslehrgang<br />
entsandt zu werden. Die Teilnahme ist Voraussetzung <strong>für</strong> eine Höhergruppierung.<br />
Die Zusage wurde schriftlich bestätigt. Allerdings hat der vom Bürgermeister schriftlich<br />
bevollmächtigte Herr Krug (K) das Schreiben nicht unterzeichnet. Aufgr<strong>und</strong> der<br />
Versäumnisse in der Reihenhausanlage möchte Herr Krug von der Entsendung absehen.<br />
Bereits vor 6 Jahren hatte Herr Huber eine Abmahnung wegen verschiedener<br />
Versäumnisse erhalten.<br />
Frage 1: Hat Herr Huber einen Anspruch auf Entsendung?<br />
Frage 2: Welche arbeitsrechtliche Maßnahme kommt gegen Herrn Huber in<br />
Betracht? Formulieren Sie ein entsprechendes Schreiben.<br />
Frage 3: Hat die Stadt einen Regressanspruch gegen Herrn Huber wegen des<br />
bezahlten Schadensersatzes an den verletzten Bewohner?<br />
13. Schneefall<br />
Am 23.12. fiel in Baden-Württemberg pausenlos Schnee. Der öffentliche <strong>und</strong> private<br />
Personennahverkehr kommt bis zum späten Nachmittag vollständig zum Erliegen.<br />
Frau Feuerstein aus Marbach bei Ludwigsburg kann nicht zur Arbeit nach Stuttgart<br />
fahren. Frau Feuerstein arbeitet in der Stadtbücherei Stuttgart. Ihr Arbeitsverhältnis<br />
unterfällt keinem Tarifvertrag.<br />
Hat sie Anspruch auf Entgeltzahlung, obwohl sie ihre Arbeitsleistung am 23.12. nicht<br />
erbracht hat?
14. Arbeitswilliger<br />
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Ludwigsburg<br />
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Die Weberei Wilhelm (W) produziert Stoffe, die vom Freizeitbekleidungshersteller<br />
Hansen (H) zu Hemden verarbeitet werden. Während eines Schwerpunktstreiks der<br />
Textilgewerkschaft legen Mitarbeiter der W <strong>und</strong> der H die Arbeit nieder. Der arbeitswillige<br />
Arbeiter Anzug (A) der W will seine Arbeit fortsetzen. W lehnt die Beschäftigung<br />
ab mit dem Hinweis, während des Streiks seien keine Bestellungen von H eingegangen.<br />
Eine Beschäftigung des A sei auch wegen des streikbedingten Produktionsstillstandes<br />
ausgeschlossen.<br />
Kann A Lohn verlangen?<br />
15. Auszubildender<br />
Der 17jährige A steht bei den Stadtwerken T GmbH seit 2 Jahren in einem Berufsausbildungsverhältnis.<br />
Am Montag, dem 01.03. gerät er in den dringenden Verdacht<br />
wiederholter Gelddiebstähle, die er in einem Gespräch am selben Tag eingesteht.<br />
Am 10.03. erhält er nach Anhörung des Betriebsrats die fristlose Kündigung ausgehändigt<br />
unter Angabe der Gründe.<br />
Vorsorglich wird die Kündigung auch per Einschreiben mit Rückschein an seinen Vater<br />
versandt. Der Briefträger kann ihn am 15.03. nicht antreffen <strong>und</strong> hinterlässt eine<br />
Benachrichtigungskarte. Der Vater holt am Dienstag, dem 16.03. das Schreiben ab.<br />
Ist die Kündigung wirksam?<br />
Hinweis:<br />
§ 22 Abs. 2 BBiG lautet: Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis<br />
nur gekündigt werden …<br />
Aus einem wichtigen Gr<strong>und</strong> ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist…<br />
§ 22 Abs. 4 BBiG bestimmt: Eine Kündigung aus wichtigem Gr<strong>und</strong> ist unwirksam,<br />
wenn die ihr zugr<strong>und</strong>eliegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger<br />
als 2 Wochen bekannt sind….<br />
16. Kasino<br />
Die A-GmbH betreibt das Kasino der Stadt S, in dem die Mitarbeiter der Stadt S<br />
Mahlzeiten einnehmen <strong>und</strong> Nahrungsmittel kaufen können. Bei der A-GmbH besteht<br />
kein Betriebsrat. Am 04.09. ertappt der Alleingeschäftsführer Herr Gans (G) der A-<br />
GmbH den Herrn Carl (C) – einen Mitarbeiter der A-GmbH – beim Verzehr unbezahlter<br />
Waren, obwohl eine allgemeine Arbeitsanweisung besteht, dass Waren vor Verzehr<br />
zu bezahlen sind. Er händigt auf der Stelle die fristlose Kündigung aus.<br />
C ist der Ansicht, ohne Beteiligung des Personalrats der S sei eine Kündigung unwirksam.<br />
Er weist die Kündigung zurück, da G keine Vollmacht vorgelegt. Er erhebt<br />
am 04.10. die Kündigungsschutzklage. C ist erst seit 4 Monaten bei der A-GmbH beschäftigt.
17. Nachtfahrt<br />
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Ludwigsburg<br />
60<br />
Herr Schnell (S) ist Fahrer bei der D-Molkerei. Er fährt nachts. Am 15.10. 2002<br />
kommt er bei Regenwetter in einer Linkskurve von der Fahrbahn ab. Am LKW der D<br />
entstand ein Sachschaden von € 8.000,--. Hat D einen Schadensersatzanspruch gegen<br />
Schnell?<br />
Von Januar bis August 2003 behält die D jeweils € 1.000.- vom Gehalt des Herrn<br />
Schnell ein. Im Dezember 2005 klagt Schnell auf rückständigen Lohn in Höhe von €<br />
4.000.-, weil er den Einbehalt der D <strong>für</strong> überhöht hält. Die D macht Verjährung geltend.<br />
Wie wird das Arbeitsgericht entscheiden?<br />
18. Rutschgefahr<br />
Herr Albrecht (A) ist als Bürobote bei der Gemeinde G beschäftigt. Mit dem Fahrrad<br />
transportiert er Päckchen zum Postamt. Auf dem regennassen Kopfsteinpflaster einer<br />
abschüssigen Straße kommt er ins Rutschen <strong>und</strong> fährt den Fußgänger Herrn<br />
Friedrich (F) an. F erleidet einen Schaden von insgesamt € 500,-- an Kleidung <strong>und</strong><br />
Gepäck. Er verlangt von A <strong>und</strong> G Ersatz.<br />
Frage 1: Welche Ansprüche hat F gegen A <strong>und</strong> G?<br />
Frage 2: G begleicht den Schadensersatzanspruch des F.<br />
Hat G einen Rückgriffsanspruch gegen A?<br />
Frage 3: A begleicht den Schadensersatzanspruch des F.<br />
Hat A einen Rückgriffsanspruch gegen G?<br />
IX. Literaturhinweise<br />
Ein Skript will den Studierenden eine leicht lesbare, verständliche Einführung in ein<br />
Rechtsgebiet geben. Es soll lediglich einen Überblick geben. Deshalb werden in einem<br />
Skript auf die die Vertiefung von Problemen <strong>und</strong> die Wiedergabe von zahllosen<br />
Ausnahmevorschriften im Interesse der Verständlichkeit verzichtet. Zur weiteren Vertiefung<br />
<strong>und</strong> Wiederholung wird auf die Heranziehung von Fachbüchern, Lehrbüchern<br />
<strong>und</strong> Kommentaren verwiesen. Kommentare <strong>und</strong> Fachbücher eignen sich insbesondere<br />
zur Vertiefung von speziellen Fragestellungen wie Kündigung oder Befristung<br />
von Arbeitsverhältnissen. Solche Werke finden Sie in großer Auswahl in der Bibliothek<br />
(Regalstandort: V). Daneben gibt es zur Prüfungsvorbereitung Fallsammlungen<br />
mit Musterlösungen. Arbeiten Sie immer mit aktuellen Auflagen, da im <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Gesetze <strong>und</strong> auch die Rechtsprechung sich ständig ändern.<br />
Genannt seien<br />
Dieterich, Thomas: Erfurter Kommentar zum <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Gruber, Joachim: Standardfälle <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Marschollek, Günter: <strong>Arbeitsrecht</strong>
Michalski, Lutz: Fälle zum <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Müller, Bernd: <strong>Arbeitsrecht</strong> im öffentlichen Dienstag<br />
Schade/Beckmann/Pfaff: Fälle zum <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Wedde, Peter: <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Wörlen, Rainer: <strong>Arbeitsrecht</strong> (bei Studierenden sehr beliebt)<br />
Um aktuelle Gerichtsentscheidungen aufzufinden, lohnt sich der Blick in Online-<br />
Sammlungen wie juris oder beck-Online.<br />
<strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche Skript <strong>Arbeitsrecht</strong> Stand 08-2011<br />
<strong>Verwaltung</strong> <strong>und</strong> Finanzen Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />
Ludwigsburg<br />
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