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Gesamtskript BGB Schuldrecht Allgemeiner Teil - Hochschule für ...

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Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig <strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche<br />

Verwaltung und Finanzen<br />

Ludwigsburg<br />

<strong>BGB</strong><br />

<strong>Schuldrecht</strong> AT<br />

Skript<br />

mit • Übersichten<br />

• Beispielen<br />

• Fällen<br />

Stand: August 2011


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Hochschule</strong> <strong>für</strong> öffentliche<br />

Verwaltung und Finanzen<br />

Ludwigsburg<br />

2<br />

I. Allgemeines ......................................................................................................... 4<br />

II. Das rechtsgeschäftliche Schuldverhältnis ........................................................... 6<br />

1. Pflichten aus Schuldverhältnissen ................................................................... 7<br />

2. Rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis und Privatautonomie .......................... 8<br />

III. Inhalt der Schuldverhältnisse ........................................................................... 9<br />

1. Leistungszeit .................................................................................................. 10<br />

2. Leistungsort ................................................................................................... 10<br />

2.1 Holschuld ................................................................................................ 11<br />

2.2 Bringschuld ............................................................................................. 11<br />

2.3 Schickschuld ........................................................................................... 11<br />

2.4 Bestimmung des Leistungsortes ............................................................. 11<br />

3. Leistungsgegenstand ..................................................................................... 12<br />

3.1 Bestimmung durch Dritte ........................................................................ 13<br />

3.2 Bestimmung durch eine Partei ................................................................ 13<br />

3.3 Bestimmung der Gegenleistung durch den Schuldner ............................ 13<br />

3.4 Wahlschuld ............................................................................................. 13<br />

3.5 Gattungsschuld und Stückschuld............................................................ 13<br />

3.6 Geldschuld .............................................................................................. 15<br />

IV. Erlöschen des Schuldverhältnisses ............................................................... 15<br />

1. Erfüllung ......................................................................................................... 15<br />

2. Aufrechnung .................................................................................................. 18<br />

3. Rücktritt .......................................................................................................... 19<br />

4. Kündigung ...................................................................................................... 22<br />

5. Verzichtsvertrag ............................................................................................. 23<br />

6. Aufhebungsvertrag......................................................................................... 23<br />

V. Leistungsstörungen ........................................................................................... 23<br />

1. Unmöglichkeit ................................................................................................ 24<br />

1.1 Arten der Unmöglichkeit ......................................................................... 24<br />

1.2 Faktische Unmöglichkeit ......................................................................... 26<br />

1.3 Rechtsfolgen der Unmöglichkeit ............................................................. 27<br />

Fall: Jahreswagen ...................................................................................... 29<br />

2. Leistungsverzögerung und Schuldnerverzug ................................................. 30<br />

2.1 Schadensersatz wegen Schuldnerverzug: .............................................. 30<br />

2.2 Rücktritt .................................................................................................. 34<br />

Fall: Teure Mahnung .................................................................................. 35<br />

Fall: Garagenwagen ................................................................................... 37<br />

3. Sonstige Pflichtverletzungen .......................................................................... 38<br />

Diese Pflichtverletzungen können zur Folge haben ................................... 39<br />

3.1 Schadensersatzanspruch ....................................................................... 39<br />

3.2 Rücktritt .................................................................................................. 42<br />

4. Annahmeverzug ............................................................................................. 42<br />

Fall: Autoradio ............................................................................................ 44<br />

Fall: Küchenmaschine ................................................................................ 45<br />

5. Rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse ................................................ 46<br />

Fall: Probefahrt ........................................................................................... 48<br />

6. § 313 Störung der Geschäftsgrundlage ......................................................... 49<br />

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<strong>Schuldrecht</strong> AT<br />

Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />

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3<br />

7. Verjährung bei Leistungsstörungen ............................................................... 52<br />

VI. Vertretenmüssen des Schuldners .................................................................. 53<br />

Fall: Wasserleitung ..................................................................................... 54<br />

VII. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ................................................. 56<br />

Fall: Fahrstuhl ............................................................................................ 58<br />

VIII. Zurückbehaltungsrechte ................................................................................ 59<br />

IX. Gläubiger- und Schuldnermehrheit ................................................................ 61<br />

1. Abtretung ....................................................................................................... 61<br />

2. Schuldübernahme .......................................................................................... 62<br />

3. Gesamtschuld ................................................................................................ 62<br />

X. Übungsfälle zum Selbststudium ........................................................................ 63<br />

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Prof. Dr. Eleonora Kohler-Gehrig<br />

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Ludwigsburg<br />

4<br />

I. Allgemeines<br />

Das <strong>Schuldrecht</strong> ist geregelt in den §§ 241 bis 853 <strong>BGB</strong>. Es enthält Bestimmungen<br />

zum Recht der Schuldverhältnisse. Das Schuldverhältnis ist nach § 241 Abs. 1 ein<br />

Rechtsverhältnis, kraft dessen die eine Person, der Gläubiger, von der anderen Person,<br />

dem Schuldner, eine Leistung zu fordern berechtigt ist. Anders ausgedrückt:<br />

Das Schuldverhältnis regelt<br />

• das Recht des Gläubigers, vom Schuldner eine Leistung zu verlangen<br />

und (spiegelbildlich ausgedrückt)<br />

• die Verbindlichkeit des Schuldners, dem Gläubiger eine Leistung zu<br />

erbringen.<br />

Der Gläubiger erlangt aus dem Schuldverhältnis das Recht, vom Schuldner und nur<br />

von diesem etwas zu verlangen. Im Schuldverhältnis geht es um relative Rechte, die<br />

nur zwischen zwei Personen - zwischen Gläubiger und Schuldner - bestehen. Die<br />

relativen Forderungsrechte sind zu unterscheiden von den absoluten Rechten, die<br />

gegenüber jedermann bestehen, wie der Schutz von Körper, Eigentum und Gesundheit.<br />

Aus der Verletzung eines absoluten Rechts kann nach § 823 Abs. 1 wiederum ein relatives<br />

Recht erwachsen: Der Geschädigte kann als Gläubiger Schadensersatz vom Schädiger als Schuldner<br />

verlangen.<br />

Die Schuldverhältnisse lassen sich nach ihrer Entstehung untergliedern in<br />

• Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse und<br />

• Gesetzliche Schuldverhältnisse<br />

Die rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse ergeben sich aus einem Rechtsgeschäft.<br />

Rechtsgeschäfte sind die auf einen rechtlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen<br />

wie §§ 433 ff Kaufvertrag oder §§ 662 ff Auftrag.<br />

Schuldverhältnisse können ohne Rechtsgeschäft unmittelbar kraft Gesetzes entstehen.<br />

Zu diesen gesetzlichen Schuldverhältnissen zählen die ungerechtfertigte Bereicherung<br />

nach §§ 812 ff. und die unerlaubten Handlungen nach §§ 823 ff. Diese<br />

gesetzlichen Schuldverhältnisse setzen weder seitens des Gläubigers noch des<br />

Schuldners ein Rechtsgeschäft voraus, d.h. keine mit Rechtsbindungswillen abgegebene<br />

Willenserklärung über eine Leistungspflicht. Der Dieb hat heimlich eine fremde Sache<br />

gestohlen. Er will keineswegs dem Bestohlenen gegenüber haften und keine Willenserklärung dieses<br />

Inhalts abgeben. Gleichwohl entstehen kraft Gesetzes Ansprüche aus § 812 und §§ 823 Abs. 1, 823<br />

Abs. 2 i. V. m. § 242 StGB und § 826.<br />

Das <strong>BGB</strong> gliedert das <strong>Schuldrecht</strong> in<br />

• das Allgemeine <strong>Schuldrecht</strong> und<br />

• das Besondere <strong>Schuldrecht</strong>.<br />

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Im Besonderen <strong>Schuldrecht</strong> sind<br />

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5<br />

• die typischen rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse wie §§ 433 ff Kaufvertrag,<br />

§§ 631 ff Werkvertrag, §§ 611 ff Dienstvertrag, §§ 598 ff Leihe, §§ 662<br />

ff Auftrag<br />

• die gesetzlichen Schuldverhältnisse wie ungerechtfertigte Bereicherung §§<br />

812 ff, das Recht der unerlaubte Handlung §§ 823 ff geregelt.<br />

Diesem Besonderen <strong>Teil</strong> des <strong>Schuldrecht</strong>s findet sich ein Allgemeines <strong>Schuldrecht</strong><br />

vorangestellt. Hier wiederholt sich das bereits aus dem Allgemeinen <strong>Teil</strong> des <strong>BGB</strong><br />

bekannte Klammerprinzip: Im Allgemeinen <strong>Teil</strong> des <strong>Schuldrecht</strong>s sind all die Vorschriften<br />

vor die Klammer gestellt, die grundsätzlich <strong>für</strong> alle rechtsgeschäftlichen und<br />

gesetzlichen Schuldverhältnisse gleichermaßen zur Anwendung kommen können. §<br />

362 regelt die Erfüllung von Leistungspflichten unabhängig davon, ob es um eine Leistungspflicht aus<br />

einem Kaufvertrag oder aus unerlaubter Handlung geht. Soweit das <strong>Schuldrecht</strong> Besonderer<br />

<strong>Teil</strong> (BT) Sonderregeln enthält, gehen diese dem <strong>Schuldrecht</strong> <strong>Allgemeiner</strong> <strong>Teil</strong> (AT)<br />

vor gemäß dem Grundsatz, dass Sonderregeln die allgemeinen Regeln verdrängen.<br />

Sonderregeln im <strong>Schuldrecht</strong> BT verdrängen<br />

die allgemeinen Regeln im <strong>Schuldrecht</strong> AT<br />

Das Allgemeine <strong>Schuldrecht</strong> hat Vorbildfunktion <strong>für</strong> alle Schuldverhältnisse, selbst<br />

wenn sie nicht im <strong>BGB</strong> geregelt sind, wie die Versicherungsverträge nach dem Versicherungsvertragsgesetz<br />

(VVG) oder die Vertragsformen des Handelsgesetzbuches<br />

(HGB). Es findet selbst auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse analoge Anwendung<br />

wie den öffentlich-rechtlichen Verwahrungsvertrag.<br />

Der Begriff des Schuldverhältnisses wird vom Gesetz in zweierlei Hinsicht verwendet:<br />

- Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne bezieht sich auf ein Rechtsverhältnis<br />

aus dem sich eine ganze Reihe von Rechten und Pflichten ergeben können.<br />

Hierzu zählen alle Verträge. Der Mietvertrag ist ein Schuldverhältnis im weiteren<br />

Sinn mit einer Vielzahl von Pflichten wie der Mietzinszahlungspflicht des Mieters, der Überlassungs-<br />

und Erhaltungspflicht des Vermieters, die Pflicht zur Rückgabe der Mietsache bei Beendigung<br />

des Mietverhältnisses.<br />

- Das Schuldverhältnis im engeren Sinne bezieht sich auf das Recht eine<br />

Leistung zu verlangen, wie es in § 241 ausgedrückt wird. Es bezeichnet den<br />

Anspruch, die Forderung. Aufgrund des Mietvertrages ist die Miete <strong>für</strong> den Monat Januar<br />

zu bezahlen.<br />

Der Kaufvertrag ist ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne. Die Kaufpreisforderung ist ein Schuldverhältnis<br />

im engeren Sinne. Vom Schuldverhältnis im engeren Sinne handelt § 362. Wenn der Käufer<br />

den Kaufpreis zahlt, dann erlischt der Anspruch auf die Kaufpreisforderung, also das Schuldverhältnis<br />

im engeren Sinne, nicht aber der Kaufvertrag, das Schuldverhältnis im weiteren Sinne. Aus dem fortbestehenden<br />

Schuldverhältnis im weiteren Sinne können Ansprüche geltend gemacht werden, wenn<br />

sich der Kaufgegenstand als mangelhaft erweist.<br />

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6<br />

II. Das rechtsgeschäftliche Schuldverhältnis<br />

1. Nach § 311 Abs. 1 ist zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses<br />

regelmäßig ein Vertrag erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorsieht.<br />

Die vertragliche Begründung des Schuldverhältnisses erfolgt durch übereinstimmende<br />

Willenserklärungen nach §§ 145 ff. Verträge sind zweiseitige Rechtsgeschäfte,<br />

die durch Angebot und Annahme zustande kommen. Für das Zustandekommen<br />

gelten alle im Allgemeinen <strong>Teil</strong> des <strong>BGB</strong> in §§ 104 ff aufgestellten Regelungen über Rechtsgeschäfte<br />

wie Geschäftsfähigkeit, Form, Stellvertretung.<br />

Ein einseitiges Rechtsgeschäft und damit eine Willenserklärung genügt ausnahmsweise<br />

bei der Auslobung nach § 657 oder dem Vermächtnis nach § 1939. Der Verlierer<br />

eines Aktenkoffers mit wichtigen Geschäftsunterlagen verspricht durch öffentliche Erklärung dem<br />

Finder einen stattlichen Finderlohn. Er verpflichtet sich nach § 657 gegenüber dem Finder, selbst<br />

wenn diesem die Auslobung nicht bekannt ist.<br />

Nach den Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag ergeben können, unterscheidet<br />

man:<br />

a. Einseitig verpflichtende Verträge wie das Schenkungsversprechen nach § 518<br />

oder die Bürgschaft nach § 765. Hier hat nur eine Vertragspartei eine Leistung zu<br />

erbringen<br />

b. Bei zweiseitig verpflichtenden Verträgen wird zwischen zwei Arten unterschieden:<br />

aa. Bei den gegenseitigen Verträgen verspricht der eine Vertragsteil eine Leistung,<br />

weil auch der andere Vertragsteil eine Gegenleistung verspricht. Die Besonderheit<br />

dieser Verträge besteht in der gegenseitigen Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung.<br />

Für die gegenseitigen Verträge gelten speziell die §§ 320 ff. Der Verkäufer verspricht<br />

nach § 433 Abs. 1 S. 1 die Lieferung der Ware, gerade weil der Käufer die Zahlung des Kaufpreises<br />

nach § 433 Abs. 2 verspricht. Solange der Verkäufer die Ware nicht bereithält, muss der Käufer<br />

nicht bezahlen. Er kann seine Leistung nach § 320 zurück behalten.<br />

bb. Bei den unvollkommen zweiseitig verpflichtenden Verträgen können zwar <strong>für</strong><br />

beide Vertragsparteien Leistungspflichten entstehen, die jedoch nicht in einem Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis<br />

stehen. Gegenstand des Leihvertrages ist die Pflicht des<br />

Verleihers zur unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung nach § 598. Dem stehen Pflichten des Entleihers<br />

wie die Rückgabe des Leihgegenstandes nach § 604 gegenüber. Bei der Rückgabe handelt es<br />

sich jedoch um keine Gegenleistung aus dem Vermögen des Entleihers.<br />

2. Schuldverhältnisse können ach der Vertragsdauer unterschieden werden. Manche<br />

Verträge sind nur auf eine einmalige Leistungspflicht, einen einmaligen Leistungsaustausch<br />

gerichtet wie § 433 beim Kauf einer Sache. Im Gegensatz dazu stehen die<br />

sogenannten Dauerschuldverhältnisse wie die Miete nach § 535, der Arbeitsvertrag<br />

nach § 611, aus denen immer neue Rechte und Pflichten erwachsen. Die Besonderheit<br />

von Dauerschuldverhältnissen bestehen darin, dass sie <strong>für</strong> die Zukunft nur durch Kündigung<br />

beendet werden können, § 314.<br />

3. Von den rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen sind Gefälligkeitsverhältnisse<br />

zu unterscheiden. Das rechtsgeschäftliche Schuldverhältnis entsteht durch eine mit<br />

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7<br />

Rechtsbindungswillen abgegebene Willenserklärung. Bei Gefälligkeitsverhältnissen<br />

fehlt der Wille, sich rechtlich zu verpflichten. Deshalb entsteht hieraus kein rechtsgeschäftliches<br />

Schuldverhältnis. Liegt eine bloße Gefälligkeitszusage vor, besteht kein<br />

Anspruch auf Erfüllung und deshalb auch kein Schadensersatzanspruch aus Nichterfüllung.<br />

Gleichwohl können Ansprüche aus Gesetz erwachsen. Nimmt ein Autofahrer einen Anhalter<br />

mit, will er diesem gegenüber nicht die Pflicht eingehen, ihn bis zu einem bestimmten Ort mitzunehmen.<br />

Kommt es zu einem Schadensereignis, kann er ihm gleichwohl aus §§ 823 ff., 7 ff. StVG haften.<br />

Die Abgrenzung zwischen unverbindlichem Gefälligkeitsverhältnis und verbindlichem<br />

unentgeltlichem Rechtsgeschäft, den sogenannten Gefälligkeitsverträgen wie Leihe §<br />

598 oder Auftrag § 662, ist im Einzelfall nicht eindeutig und nach den Regeln der<br />

Auslegung §§ 133, 157 zu bestimmen. Indizien <strong>für</strong> einen Rechtsbindungswillen und<br />

damit ein Rechtsgeschäft sind<br />

- Wert einer anvertrauten Sache<br />

- wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit<br />

- das erkennbare Interesse des Begünstigten<br />

- dem Leistenden erkennbare Gefahren, in die der Begünstigte<br />

durch fehlerhafte Leistung geraten kann.<br />

Verspricht der Nachbar während des Urlaubs die Blumen zu gießen, liegt regelmäßig ein unverbindliches<br />

Gefälligkeitsverhältnis vor. Es besteht kein Erfüllungsanspruch gegen den Nachbarn, der eingeklagt<br />

werden kann und es besteht kein Anspruch wegen Schlechterfüllung einer versprochenen vertraglichen<br />

Leistung. Jedoch können aus § 823 Abs. 1 Schadensersatzansprüche aus Unterlassen<br />

entstehen.<br />

4. Aus einem Schuldverhältnis ergeben sich unmittelbar Primärpflichten, ohne dass<br />

weitere Umstände hinzutreten müssen. Daneben gibt es Sekundärpflichten. Diese<br />

entstehen, wenn die Primärpflichten nicht oder nicht richtig erbracht werden. Wird eine<br />

vertragliche Leistung erst verspätet erbracht, können Schadensersatzansprüche aus Verzug - §§ 280,<br />

286 - neben die primäre Leistungspflicht treten.<br />

1. Pflichten aus Schuldverhältnissen<br />

Zu den Primärpflichten zählen die Hauptleistungspflichten aus Vertrag wie die Lieferpflicht<br />

aus Kaufvertrag nach § 433 Abs. 1 S. 1 und die Zahlungspflicht nach § 433<br />

Abs. 2. Diese Hauptleistungspflichten geben dem Vertrag sein Gepräge. Sie sind einklagbar<br />

und vollstreckbar.<br />

Daneben zählen zu den Primärpflichten noch leistungsbezogene Nebenleistungspflichten.<br />

Sie sollen die Durchführung des Vertrages und die Erbringung der Hauptleistungspflicht<br />

gewährleisten. Hierzu gehören<br />

- Offenbarungspflichten wie Unfalleigenschaft eines Gebrauchtwagens<br />

- Verschwiegenheitspflichten der Bank beim Darlehensvertrag<br />

- Aufklärungspflichten über Gefahren bei Handhabung technischer Geräte<br />

- Anzeigepflichten<br />

- Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nach §§ 666, 675, 681, 713.<br />

Manche dieser Nebenpflichten sind im Gesetz geregelt wie die Informationspflicht<br />

des § 312 c bei Fernabsatzverträgen. Da der Gesetzgeber nicht alle Eventualitäten<br />

im Rechtsalltag vorhersehen konnte, blieben diese Regelungen bewusst fragmentarisch.<br />

Weitere Nebenpflichten können im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133,<br />

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157oder aus § 242 hergeleitet werden wie die Pflicht zur Gebrauchsanleitung bei technischen<br />

Gütern.<br />

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8<br />

Sollen die oben beschriebenen Nebenleistungspflichten die sinnvolle und effektive<br />

Erbringung der Primärleistungspflichten gewährleisten, gibt es noch nichtleistungsbezogene<br />

Nebenleistungspflichten nach § 241 Abs. 2. Sie sollen die Vertragspartner<br />

zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Rechtsgüter sowie Interessen der anderen<br />

Seite anhalten. Hierzu zählen Schutz- und Obhutspflichten <strong>für</strong> den anderen Vertragspartner,<br />

die den Verkehrssicherungspflichten im Recht der unerlaubten Handlung<br />

entsprechen. Die Geschäftsräume des Verkäufers dürfen keine Gefahrenquellen bergen, die<br />

zu einer Schädigung des Käufers führen, der sich zur Abwicklung des Kaufvertrages in die Geschäftsräume<br />

begeben hat.<br />

Während die Haupt- und Nebenleistungspflichten eines Vertrages auf die Veränderung<br />

der Güterlage des Gläubigers abzielt und dem Leistungsinteresse dienen, sollen<br />

die nichtleistungsbezogenen Nebenpflichten die gegenwärtige Güterlage der Vertragspartner<br />

bewahren und dienen dem Schutzinteresse. Die Unterscheidung ist<br />

wichtig, wenn es zu Pflichtverletzungen kommt, da das Gesetz nach der Art der verletzten<br />

Pflicht unterschiedliche Rechtsfolgen vorsieht. Die aus der Verletzung von<br />

Primärpflichten erwachsenden Sekundärpflichten sind von der Art der Primärpflichten<br />

abhängig. Bei Verletzung von Haupt- und Nebenleistungspflichten kommen die §§ 280, 281, 283,<br />

311a, 323, 326 zur Anwendung, während bei Verletzung nichtleistungsbezogener Nebenpflichten die<br />

§§ 280, 282,324 heranzuziehen sind. 1<br />

Aus einem Schuldverhältnis können sich verschiedene Arten von Pflichten ergeben.<br />

1. Primärpflichten sind<br />

- Hauptleistungspflichten<br />

- leistungsbezogene Nebenleistungspflichten<br />

- nicht leistungsbezogene Nebenleistungspflichten<br />

2. Sekundärpflichten folgen aus der Verletzung von Primärpflichten.<br />

2. Rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis und Privatautonomie<br />

Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat ein jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit...soweit<br />

er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen...das Sittengesetz<br />

verstößt. Hieraus folgt der Grundsatz der Privatautonomie, auch Vertragsfreiheit genannt,<br />

der dem <strong>Schuldrecht</strong> zugrunde liegt. Dem Grundsatz der Privatautonomie lassen<br />

sich weitere Grundsätze entnehmen wie<br />

- Grundsatz der Abschlussfreiheit<br />

- Grundsatz der Inhalts- oder Gestaltungsfreiheit<br />

- Grundsatz der Formfreiheit.<br />

a. Die Abschlussfreiheit gibt jedermann die Möglichkeit, darüber selbst zu entscheiden,<br />

ob, wann und mit wem er einen Vertrag abschließen will. Nur ausnahmsweise<br />

1 Stephan Madaus: Die Abgrenzung der leistungsbezogenen von den nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten<br />

im neuen <strong>Schuldrecht</strong>, Jura 2004 S. 289 ff; der Unterschied kann bei der Verjährung re-<br />

levant werden.<br />

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kennt das Gesetz Abschlussverbote wie § 5 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) oder Abschlussgebote<br />

wie § 22 Personenbeförderungsgesetz (PBefG).<br />

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9<br />

b. Zur Privatautonomie zählt die Formfreiheit. Grundsätzlich kann jeder Vertrag<br />

formlos geschlossen werden. Nur ausnahmsweise besteht ein Formzwang kraft Gesetzes<br />

wie §§ 311 b, 766. Ein Verstoß hiergegen führt nach § 125 S. 1 zur Nichtigkeit.<br />

Den Vertragsparteien steht es jedoch frei, die Gültigkeit eines Vertrages von der Beachtung<br />

einer bestimmten Form abhängig zu machen. Insbesondere zur Beweissicherung oder zur Förderung<br />

der Rechtsklarheit wird dies vereinbart. Hier spricht man von einem gewillkürten oder rechtsgeschäftlichen<br />

Formzwang, weil durch rechtsgeschäftliche Willenserklärung vereinbart. Dieser ist in §§ 125 S.<br />

2, 127 geregelt.<br />

c. Die Gestaltungsfreiheit überlässt es den Vertragsparteien, was sie als Inhalt des<br />

Vertrages bestimmen wollen. Die Gestaltungsfreiheit gestattet es den Vertragsparteien,<br />

einen Vertragstyp zu gestalten, der nicht im Gesetz geregelt ist – den sogenannten<br />

atypischen Vertrag. Selbst wenn sie einen vom Gesetz geregelten Vertragtyp<br />

wählen, können sie eine Vielzahl der gesetzlichen Regeln durch frei ausgehandelte<br />

Bestimmungen ersetzen, soweit es sich nicht um zwingendes Recht handelt.<br />

Viele Regelungen des Gesetzes spiegeln nur ein Leitbild des Gesetzgebers wieder und können durch<br />

vertragliche Vereinbarung im Einzelfall aufgehoben oder durch eine frei ausgehandelte Vereinbarung<br />

ersetzt werden. Zu diesen Regeln, die dispositiv, auch abdingbar genannt werden, zählt § 448, der<br />

die Transportkosten dem Käufer auferlegt, soweit keine abweichende Regelung getroffen wurde.<br />

Die Gestaltungsfreiheit in Verträgen kommt besonders in der Verwendung von Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen zum Ausdruck. Um dem Missbrauch durch Allgemeine<br />

Geschäftsbedingungen vorzubeugen, hat der Gesetzgeber Sonderregeln<br />

- <strong>für</strong> den Abschluss von Verträgen unter Einbeziehung <strong>Allgemeiner</strong><br />

Geschäftsbedingungen und<br />

- deren Inhalt<br />

in §§ 305 ff geschaffen. Diese schränken die Gestaltungsfreiheit durch Verwendung<br />

<strong>Allgemeiner</strong> Geschäftsbedingungen ein.<br />

III. Inhalt der Schuldverhältnisse<br />

Der Inhalt eines Schuldverhältnisses kann sich aus Gesetz oder aus einer getroffenen<br />

Vereinbarung ergeben. Die Bestimmung des Inhalts ist wichtig <strong>für</strong> die Frage,<br />

welche Leistung der Schuldner erbringen muss, welche Leistung eingeklagt und<br />

vollstreckt werden kann, ob die Schuld durch Erfüllung erloschen ist, ob eine Leistungsstörung<br />

vorliegt. Damit Ansprüche aus einem Schuldverhältnis einklagbar und<br />

vollstreckbar sind, muss das Schuldverhältnis dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen.<br />

Ansonsten wären Klagbarkeit und Vollstreckbarkeit nicht gegeben. Jedes<br />

Schuldverhältnis setzt mindestens voraus, dass<br />

- der Leistungsgegenstand<br />

- der Leistungsort<br />

- die Leistungszeit<br />

bestimmt oder bestimmbar sind.<br />

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1. Leistungszeit<br />

Mit dem Begriff der Leistungszeit werden zwei verschiedene rechtliche Gesichtspunkte<br />

umschrieben, die<br />

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10<br />

Erfüllbarkeit<br />

Fälligkeit<br />

Unter Leistungszeit versteht man einmal den Zeitpunkt, in dem der Schuldner die<br />

Leistung erbringen darf, die Erfüllbarkeit. Ist die Leistung <strong>für</strong> den Schuldner erfüllbar,<br />

so kommt der Gläubiger bei Nichtannahme in Annahmeverzug nach §§ 293 ff.<br />

Kommt der Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme pünktlich in den Betrieb, gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug,<br />

wenn er ihn wegen Arbeitsmangels wegschickt gemäß §§ 293, 615.<br />

Auf der anderen Seite versteht man unter Leistungszeit den Zeitpunkt, in dem der<br />

Schuldner leisten muss und damit der Gläubiger die Leistung verlangen darf, die Fälligkeit.<br />

Erst wenn der Schuldner zur Leistung verpflichtet ist, kann der Gläubiger die<br />

Leistung verlangen. Die Leistung ist fällig und bei Nichtleistung kann unter den Voraussetzungen<br />

der §§ 286 ff. Schuldnerverzug eintreten. Der Arbeitnehmer kann am Zahltag<br />

nach § 614 sein Gehalt verlangen. Zahlt der Arbeitgeber nicht, kommt er nach §§ 286 ff. in Zahlungsverzug.<br />

Fälligkeit und Erfüllbarkeit müssen nicht identisch sein. § 271 enthält die Auslegungsregel,<br />

dass der Schuldner im Zweifel schon vor Fälligkeit leisten darf. Die Erfüllbarkeit<br />

kann also vor der Fälligkeit liegen. Die Flugtickets müssen spätestens am Abflugtag <strong>für</strong> den<br />

Fluggast bereitliegen. Die Fluggesellschaft darf schon früher leisten. Es handelt sich nur um eine<br />

Auslegungsregel. Im Einzelfall kann etwas anderes gelten. Die Hochzeitskapelle darf nicht<br />

schon vor der Hochzeitsfeier ihre Leistung erbringen.<br />

Die Leistungszeit kann durch ausdrückliche Parteivereinbarung bestimmt werden<br />

oder konkludent aus den Umständen sich ergeben. Fehlt es an einer Parteiabrede<br />

kommen bei manchen Verträgen dispositive gesetzliche Regeln wie § 614 zur Anwendung.<br />

Ansonsten kann nach § 271 Abs. 1 der Gläubiger die Leistung sofort verlangen<br />

und der Schuldner sie sofort bewirken.<br />

Es besteht folgende Prüfungsreihenfolge bei Unsicherheit über den Leistungszeitpunkt:<br />

1. Parteivereinbarung<br />

2. dispositive gesetzliche Regelung<br />

3. § 271 sofortige Fälligkeit und Erfüllbarkeit<br />

2. Leistungsort<br />

Der Schuldner wird nur durch die Leistung am richtigen Ort befreit. Der Gläubiger<br />

kann eine Leistung am falschen Ort ablehnen. Gleichwohl steht es dem Gläubiger frei, die<br />

Leistung am falschen Ort zu akzeptieren.<br />

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11<br />

Leistungsort ist der Ort, an dem der Schuldner die Leistungshandlung zu erbringen<br />

hat. Davon ist der Erfolgsort zu unterscheiden. Am Erfolgsort tritt der Leistungserfolg<br />

beim Gläubiger ein. Je nachdem, wo der Schuldner die Leistung zu erbringen hat<br />

und der Erfolg eintreten soll unterscheidet man<br />

2.1 Holschuld<br />

Holschuld<br />

Bringschuld<br />

Schickschuld<br />

Bei der Holschuld muss der Gläubiger die Leistung beim Schuldner holen. Der<br />

Schuldner braucht nur die Leistung an seinem Sitz bereitzuhalten. Leistungs- und<br />

Erfolgsort sind der Sitz des Schuldners. Der Käufer muss die Ware beim Verkäufer<br />

abholen. Am Ende der Verwahrung nach § 697 ist die Sache am Verwahrungsort beim Verwahrer<br />

abzuholen.<br />

Mit Bereitstellung der geschuldeten Ware hat der Schuldner das zur Leistung Erforderliche<br />

getan. Der Leistungserfolg tritt mit Bereitstellung noch nicht ein. Er tritt erst<br />

ein, wenn der Gläubiger die bereitgestellte Ware abholt. Erst mit Abholung kann der Verkäufer<br />

seine Leistungspflicht nach § 433 Abs. 1 S. 1 zur Übergabe der Ware und Eigentumsverschaffung<br />

erfüllen. Gleichwohl hat er mit Bereitstellung das Erforderliche getan. Alles Weitere liegt in der<br />

Hand des Käufers.<br />

2.2 Bringschuld<br />

Bei der Bringschuld muss der Schuldner die Leistung dem Gläubiger bringen. Leistungs-<br />

und Erfolgsort befinden sich am Sitz des Gläubigers. Der Arbeitnehmer muss seine<br />

Arbeitskraft im Betrieb des Arbeitgebers anbieten. Am Ende der Leihe hat der Entleiher die Leihsache<br />

dem Verleiher nach § 604 zurückzubringen. Erst mit Anlieferung oder Erbringung der Leistung<br />

beim Gläubiger hat der Schuldner das zur Leistung Erforderliche getan.<br />

2.3 Schickschuld<br />

Bei der Schickschuld muss der Schuldner dem Gläubiger die Leistung schicken. Der<br />

Leistungsort ist am Sitz des Schuldners. Der Erfolgsort befindet sich am Sitz des<br />

Gläubigers. Der Einzelhändler bestellt 5 Paletten Mehl einer bestimmten Marke und Güte beim<br />

Großhändler, der die Ware auf Rechnung des Einzelhändlers versenden soll. Der Großhändler muss<br />

die Versendung der Ware veranlassen. Er kann diese einer dritten Transportperson wie einem Spediteur<br />

übergeben und hat dann das zur Leistung Erforderliche getan. Der Kaufvertrag wird jedoch erst<br />

bei Ankunft der Ware beim Einzelhändler, dem Gläubiger nach § 433 Abs. 1 S. 1 erfüllt. Erst jetzt wurde<br />

dem Käufer die Ware übergeben und das Eigentum daran nach § 929 verschafft. Erst beim Gläubiger,<br />

dem Käufer, kann der geschuldete Erfolg eintreten. Bei der Schickschuld fallen Leistungs-<br />

und Erfolgsort auseinander. Das Gesetz regelt die Schickschuld bei der Geldschuld<br />

nach § 270 und dem Versendungskauf nach § 447.<br />

2.4 Bestimmung des Leistungsortes<br />

Der Leistungsort richtet sich in erster Linie nach der Parteivereinbarung oder kann<br />

sich konkludent aus den Umständen und der Natur des Schuldverhältnisses ergeben.<br />

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2<br />

BGH NJW 2003 S. 3341<br />

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12<br />

Der Dachdecker hat seine Leistung beim Gläubiger zu erbringen – Bringschuld des Dachdeckers. Das<br />

Heizöl ist beim Kunden anzuliefern – Bringschuld des Lieferanten.<br />

Liegt keine Parteivereinbarung vor, können zu den einzelnen Schuldverhältnissen<br />

getroffene gesetzliche Regelungen zur Anwendung kommen wie § 604. Nach § 604 hat<br />

der Entleiher die geliehene Sache nach Ablauf der Leihzeit zum Verleiher zurückzubringen. Die Rückgabepflicht<br />

ist eine Bringschuld.<br />

Ansonsten ist nach § 269 Abs. 1 am Sitz des Schuldners zu leisten. Damit ist die<br />

Holschuld der gesetzliche Regelfall<br />

Aus einer Vereinbarung, dass der Schuldner die Kosten der Versendung zu übernehmen<br />

hat, kann nach § 269 Abs. 3 nicht geschlossen werden, dass eine Bringschuld<br />

besteht. Im Zweifel ist in solchen Fällen eine Schickschuld vereinbart. Darin<br />

kommt die gesetzliche Vermutung zum Ausdruck, wonach bei Unsicherheit über die<br />

Vereinbarung einer Bring- oder Schickschuld, im Zweifel eine Schickschuld gegeben<br />

ist. Bei Geschäften im Versandhandel liegt regelmäßig eine Schickschuld vor. 2<br />

Bei der Schickschuld ist der Schuldner alleine zur ordnungsgemäßen Versendung<br />

verpflichtet, er trägt jedoch grundsätzlich nicht das Risiko des Transportes. Damit ist<br />

der Schuldner bei der Schickschuld rechtlich besser gestellt als bei der Bringschuld.<br />

Diese Gefahrtragungsregel kommt in § 447 <strong>für</strong> den Versendungskauf zum Ausdruck.<br />

Dies hat <strong>für</strong> den Käufer zu Folge, dass er die Ware bezahlen muss, selbst wenn diese<br />

auf dem Transport - vom Verkäufer unverschuldet - untergeht. Der Käufer trägt<br />

dann die Mühe und das Risiko Ersatz von der Transportperson zu bekommen. Von<br />

der Gefahrtragungsregel des § 447 macht das Gesetz beim Verbrauchsgüterkauf nach § 474 Abs. 2<br />

eine wichtige Ausnahme. Bestellt ein Verbraucher eine Ware im Versandhaus, trägt nicht der Verbraucher<br />

sondern das Versandhaus als Verkäufer das Transportrisiko. Geht die Ware auf dem Transport<br />

unter, muss der Verbraucher diese nicht bezahlen.<br />

Der Unterschied zwischen Holschuld, Schickschuld und Bringschuld ist relevant <strong>für</strong><br />

das Maß der geschuldeten Mühewaltung und die Tragung des Transportrisikos.<br />

In Zweifelsfällen besteht folgende Prüfungsreihenfolge:<br />

1. Parteivereinbarung oder Natur der Sache<br />

2. dispositive gesetzliche Regelung<br />

3. § 269 Abs. 1 Holschuld<br />

3. Leistungsgegenstand<br />

Häufig sind in einem Vertrag die geschuldete Leistung oder Gegenleistung nicht oder<br />

nicht eindeutig bestimmt. Es genügt, wenn diese bestimmbar sind. Ist der Leistungsgegenstand<br />

nicht bestimmbar, ist der Vertrag unwirksam. Bestimmbarkeit liegt in<br />

den folgenden Fällen vor:<br />

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3.1 Bestimmung durch Dritte<br />

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13<br />

Die Bestimmung kann durch Vertragsabrede einem Dritten nach § 317 überlassen<br />

bleiben. So beim Kauf eines Geschenkgutscheins <strong>für</strong> ein Buch. Der Beschenkte bestimmt den Leistungsgegenstand.<br />

Ein Gutachter soll den Kaufpreis beim Kauf eines gebrauchten LKW bestimmen.<br />

Die Bestimmung durch Dritte wird häufig vorgesehen, wenn diese über besondere<br />

Sachkunde verfügen oder ihre Neutralität und Sachkunde gefragt ist wie bei Sachverständigen.<br />

Der Dritte hat die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen. Ist<br />

die Bestimmung offenbar unbillig, kann sie durch das Gericht nach § 319 getroffen<br />

werden.<br />

3.2 Bestimmung durch eine Partei<br />

Die Bestimmung der Leistung kann durch Vertragsbestimmung einer Vertragspartei<br />

übertragen werden nach § 315. Diese hat vertraglich vereinbarte Leistungsgrößen zu<br />

beachten. Hat der Reisekunde eine Fortuna-Reise im 3-Sterne-Hotel an der italienischen Adria-<br />

Küste gebucht, kann der Reiseveranstalter unter den 3-Sterne-Hotels an der Adria-Küste die Auswahl<br />

treffen. Die Bestimmung ist nach billigem Ermessen zu treffen. Entspricht die Bestimmung<br />

nicht billigem Ermessen, kann sie nach § 315 Abs. 3 durch Urteil erfolgen.<br />

3.3 Bestimmung der Gegenleistung durch den Schuldner<br />

Ist der Umfang der <strong>für</strong> eine Leistung versprochenen Gegenleistung nicht vertraglich<br />

vereinbart, können gesetzliche Bestimmungsregeln eingreifen. Besondere Regeln<br />

enthalten §§ 612, 632. Soweit es eine Taxe gibt, gilt diese als vereinbart. Taxe ist ein<br />

behördlich bestimmter Preis wie das Beförderungsentgelt bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.<br />

Gibt es keine Taxe, ist die übliche Vergütung geschuldet.<br />

Soweit weder eine Abrede getroffen ist, noch eine Taxe besteht oder sich eine übliche<br />

Vergütung bei §§ 612, 632 nicht bestimmen lässt, gilt § 316. Das Bestimmungsrecht<br />

steht einseitig dem Gläubiger der Gegenleistung zu. Er hat die Bestimmung<br />

gemäß § 315 Abs. 1 nach billigem Ermessen zu treffen.<br />

3.4 Wahlschuld<br />

Eine Wahlschuld liegt nach § 262 vor, wenn mehrere verschiedene Leistungen in der<br />

Weise geschuldet werden, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist. Die<br />

Wahl liegt bei einer der Vertragsparteien, im Zweifel beim Schuldner. Die Wahl ist<br />

zwischen verschiedenen nicht gleichartigen Sachen zu treffen. Dem Obstgroßhändler<br />

steht es frei, zum Liefertermin weiße spanische oder weiße italienische Trauben zu liefern.<br />

Verschiedentlich wird vom Gesetz dem Gläubiger ein Wahlrecht gewährt. Nach § 179 Abs. 1 besteht<br />

gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht ein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz. Bei<br />

Mangel des Kaufgegenstandes hat der Käufer, der Gläubiger, die Möglichkeit nach § 439 zwischen<br />

Nachlieferung und Mangelbeseitigung zu wählen.<br />

3.5 Gattungsschuld und Stückschuld<br />

Eine Gattungsschuld nach § 243 Abs. 1 liegt vor, wenn die geschuldete Leistung nur<br />

nach allgemeinen Merkmalen bestimmt ist. Werden Kartoffeln, Äpfel, Mehl geschuldet,<br />

genügt der Schuldner seiner Leistungspflicht, wenn er aus der so bezeichneten<br />

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14<br />

Gattung liefert, ohne dass es auf bestimmte Einzelstücke ankommt. Es ist Ware mittlerer<br />

Art und Güte zu leisten. Das können große, kleine und mittlere Exemplare der<br />

Gattung sein. Folglich besteht kein Anspruch auf Lieferung von Exemplaren einer<br />

bestimmten Größe.<br />

Bei der Gattungsschuld hat der Schuldner nach § 243 Abs. 1 nur Ware mittlerer Art<br />

und Güte zu liefern. Ist die gelieferte Sache von minderer Qualität, liegt keine vertragsgemäße<br />

Erfüllung vor. Liefert der Verkäufer Gattungsware minderer Qualität, kommt der<br />

Käufer nicht in Annahmeverzug nach §§ 293 ff, wenn er diese nicht annimmt. Die Ware minderer Qualität<br />

ist nicht die geschuldete Leistung, so wie sie nach § 297 zu bewirken ist.<br />

Die Gattungsschuld steht im Gegensatz zur Stückschuld, bei der nur eine ganz bestimmte<br />

Sache geschuldet wird. Ob eine Gattungs- oder eine Stückschuld vorliegt,<br />

hängt von der Parteiabrede ab. Es kann vereinbart werden, dass der Bauer eine bestimmte<br />

Menge von Kürbissen zu liefern hat – Gattungsschuld - oder einen ganz bestimmten Kürbis, den sich<br />

der Käufer herausgesucht hat – Stückschuld -.<br />

Der Käufer einer mangelhaften Gattungssache kann nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1<br />

Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache aus der Gattung verlangen.<br />

Bei Stückschulden ist diese Nachlieferung grundsätzlich ausgeschlossen.<br />

Während der Schuldner einer Stückschuld nach § 275 Abs. 1 von seiner Leistungspflicht<br />

frei wird, sobald die Leistung der vereinbarten Sache nach Vertragsabschluss<br />

unmöglich wird, haftet der Schuldner einer Gattungsschuld nach § 276 Abs. 1 <strong>für</strong> die<br />

Übernahme des Beschaffungsrisikos, solange noch Exemplare der Gattung existieren.<br />

Eine Beschränkung der Gattungsschuld und des damit verbundenen Beschaffungsrisikos<br />

kann der Schuldner durch Vereinbarung einer Vorratsschuld erreichen. Ausverkauf<br />

von Restposten in einem Warenhaus. Sobald seine Vorräte aus- und untergegangen<br />

sind, tritt Unmöglichkeit der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 ein. Ihn trifft kein weitergehendes<br />

Beschaffungsrisiko mehr. Gleichwohl können Schadensersatzansprüche wegen<br />

Unmöglichkeit nach § 283 gegeben sein.<br />

Das Beschaffungsrisiko entfällt gänzlich nach erfolgter Konkretisierung gemäß § 243<br />

Abs. 2, wenn der Schuldner das zur Leistung Erforderliche getan hat. Wann er das<br />

Erforderliche getan hat, hängt wesentlich vom Leistungsort ab. Der Schuldner muss<br />

auf jeden Fall Sachen mittlerer Art und Güte aussondern. Er muss daneben<br />

1. bei der Holschuld diese zur Abholung anbieten und bereithalten<br />

2. bei der Bringschuld diese anliefern und anbieten<br />

3. bei der Schickschuld diese zum Versand bringen.<br />

Hat er das zur Leistung Erforderliche getan, tritt Konkretisierung der Gattungs- in<br />

eine Stückschuld ein. Nur noch die ausgesonderte Sache ist geschuldet. Geht diese<br />

Sache vor Eintritt des Leistungserfolges unter, kommt § 275 zur Anwendung. Die<br />

Leistung der geschuldeten Sache ist unmöglich geworden. Der Schuldner wird von<br />

seiner Leistungspflicht frei. Er muss keine anderen Sachen aus der Gattung mehr<br />

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beschaffen. Welche Auswirkungen dieser Untergang auf den Anspruch auf die Gegenleistung<br />

hat, bestimmt sich nach § 326. Hier gilt der Grundsatz Keine Leistung kein Geld.<br />

3.6 Geldschuld<br />

Der Gattungsschuld ähnlich ist die Geldschuld nach §§ 270, 244. § 243 Abs. 1 passt<br />

nicht unmittelbar. Bei der Geldschuld sind nicht Gegenstände mittlerer Art und Güte<br />

zu leisten, sondern Geld in der vereinbarten Währung. Hierbei kann der Schuldner<br />

bestimmen mit welchen Geldscheinen oder Geldstücken, in welcher Stückelung er<br />

seine Verpflichtung erfüllen will. Entscheidend ist alleine, dass die Gesamtsumme<br />

betragsmäßig erreicht wird. Zahlungsunfähigkeit befreit den Schuldner nicht von seiner<br />

Leistungsverpflichtung. Es gilt der Grundsatz Geld hat man zu haben. Es besteht<br />

eine Beschaffungspflicht. Unmöglichkeit kann nicht eintreten sondern allenfalls Verzug.<br />

Bei der Geldschuld handelt es sich um eine Bringschuld, bei der nach § 270 Abs. 1<br />

der Schuldner das Übermittlungsrisiko trägt.<br />

IV. Erlöschen des Schuldverhältnisses<br />

Wurde ein Schuldverhältnis zwischen den Vertragsparteien begründet, gehen diese<br />

davon aus, dass es vertragsgemäß erfüllt wird. Die Erfüllung führt nach § 362 zum<br />

Erlöschen des Schuldverhältnisses. Neben der Erfüllung gibt es noch eine Reihe<br />

weiterer Erlöschensgründe wie<br />

• Aufrechnung<br />

• Rücktritt<br />

• Kündigung<br />

• Verzichtsvertrag<br />

• Aufhebungsvertrag<br />

Bei diesen Erlöschensgründen ist darauf zu achten, ob sie sich auf das Schuldverhältnis im weiteren<br />

Sinne oder auf das Schuldverhältnis im engeren Sinne beziehen.<br />

1. Erfüllung<br />

Zur Erfüllung nach § 362 genügt es nicht, dass der Schuldner alles Erforderliche getan<br />

hat wie bei § 243 Abs. 2, sondern es muss auch der Leistungserfolg eingetreten<br />

sein. Beim Versendungskauf nach § 447 hat der Verkäufer mit Abschicken der Kaufsache das Erforderliche<br />

getan. Erfüllung tritt jedoch erst mit dem Leistungserfolg ein, sobald Eigentum und Besitz auf<br />

den Käufer übergegangen sind nach § 929. Bei der Holschuld hat der Verkäufer mit Aussonderung<br />

und Angebot der Sache das Erforderliche getan. Erfüllung tritt jedoch erst mit Einigung und Übergabe<br />

der Ware nach § 929 bei Abholung ein.<br />

Erfüllung setzt voraus, dass der Schuldner<br />

• die geschuldete Leistung<br />

• an den richtigen Gläubiger<br />

• am richtigen Ort<br />

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ewirkt hat.<br />

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16<br />

a. Der Schuldner muss die geschuldete Leistung bewirken. Bei einer Gattungsschuld<br />

muss er nach § 243 Abs. 1 Sachen mittlerer Art und Güte liefern. Andernfalls kann der Gläubiger<br />

die Leistung zurückweisen, ohne in Annahmeverzug zu kommen. Es tritt keine<br />

Erfüllung ein.<br />

Der Gläubiger muss eine <strong>Teil</strong>lieferung nach § 266 nicht akzeptieren. Er hat Anspruch<br />

auf die Gesamtleistung, soweit keine abweichende Leistungsvereinbarung getroffen<br />

wurde. Gerade bei Geldschulden tut er gut daran, eine <strong>Teil</strong>leistung entgegenzunehmen.<br />

Erbringt der Schuldner eine andere als die geschuldete Leistung, so erlischt das<br />

Schuldverhältnis nach § 364 Abs. 1 nur, wenn der Gläubiger diese als Erfüllung annimmt.<br />

Wird ein Leistungsgegenstand einvernehmlich durch einen anderen ersetzt,<br />

spricht man von der Leistung an Erfüllungs statt. Der Großhändler kann die geschuldeten<br />

italienischen Trauben nicht liefern. Er bietet stattdessen spanische Trauben an. Die Vertragspartner<br />

einigen sich, dass diese anstatt der vereinbarten Sorte geliefert werden sollen.<br />

Die Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens beim Neuwagenkauf wird als Leistung an Erfüllungs<br />

statt aufgefasst. Der Käufer des neuen Fahrzeugs hat das Recht anstelle eines bestimmten <strong>Teil</strong>s der<br />

Kaufvertragssumme, seinen Gebrauchtwagen an Erfüllungs statt zu leisten.<br />

Von der Leistung an Erfüllungs statt ist nach § 364 Abs. 2 die Leistung erfüllungshalber zu unterscheiden.<br />

Bei der Leistung erfüllungshalber wird auch ein anderer als der geschuldete Gegenstand<br />

geleistet. Aber es bleibt der Anspruch bestehen, bis der Gläubiger durch Verwertung des ihm erfüllungshalber<br />

geleisteten Gegenstandes Befriedigung erlangt hat. Eine Leistung erfüllungshalber besteht<br />

bei Hingabe eines Schecks oder eines Wechsels bei einer Geldschuld. Diese sind Bargeld nicht<br />

gleichwertig. Es steht nicht mit Sicherheit fest, ob diese eingelöst werden und sie können nicht wie<br />

Bargeld sogleich verwendet werden.<br />

b. Die Leistung muss an den richtigen Gläubiger bewirkt werden. Die Leistung<br />

muss grundsätzlich an den Gläubiger in Person oder dessen Boten oder Empfangsvertreter<br />

erfolgen. Wurde an einen nicht legitimierten Dritten geleistet, kann der<br />

Gläubiger diese Leistung nach §§ 362 Abs. 2, 185 im Nachhinein genehmigen. Genehmigt<br />

der Gläubiger die Leistung an den Dritten nicht, tritt keine Erfüllung ein. Der<br />

Erfüllungsanspruch des Gläubigers der Leistung besteht fort. Der Schuldner kann die an<br />

den nicht legitimierten Dritten bewirkte Leistung von diesem nach § 812 zurückverlangen.<br />

Ausnahmsweise führt die Leistung an den Gläubiger nicht zum Erlöschen, wenn diesem<br />

die Empfangszuständigkeit fehlt. Wer einem Minderjährigen etwas schuldet<br />

kann nur befreiend an den Minderjährigen leisten, wenn die Erziehungsberechtigten<br />

nach §§ 108 ff ihre Zustimmung erteilt haben.<br />

Hat der Zwölfjährige von seinem Taschengeld Limonade gekauft, ist der Kaufvertrag nach § 110 wirksam,<br />

wenn er den Kaufpreis aus seinem Taschengeld begleicht. Eigentümer des Getränks wird er<br />

nach §§ 929, 107. Eine Zustimmung der Eltern bedarf es nicht, da der Eigentumserwerb nach § 929<br />

<strong>für</strong> ihn ohne unmittelbaren rechtlichen Nachteil einhergeht. Aus der Eigentumsübertragung des Getränks<br />

erwächst ihm nach § 929 kein rechtlicher Nachteil. Soweit er sich zur Zahlung des Kaufpreises<br />

verpflichtet hat, ist dies eine Folge des Verpflichtungsgeschäfts nach § 433 Abs. 2, das nach § 110<br />

wirksam wird mit Bezahlung. Es fragt sich, ob mit Übereignung des Getränks nach § 929 zugleich<br />

Erfüllung nach § 362 eintritt. Dem könnte entgegenstehen, dass die Erfüllung zum Erlöschen des<br />

Schuldverhältnisses im engeren Sinn und damit zum Untergang des Leistungsanspruchs aus § 433<br />

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Abs. 1 führt. Diese Rechtswirkung ist rechtlich nachteilig und deshalb nach § 107 zustimmungspflichtig.<br />

Mit der Überlassung des Taschengeldes zur freien Verfügung wird konkludent darin eingewilligt,<br />

dass die aus dem Taschengeld erworbene Leistung mit Erfüllungswirkung an den Minderjährigen bewirkt<br />

werden kann.<br />

Haben die Eltern <strong>für</strong> den unfallverletzten Minderjährigen in dessen Namen Schadensersatzansprüche<br />

geltend gemacht, kann der Schuldner nicht mit befreiender Wirkung an den Minderjährigen den Schadensersatz<br />

bewirken. Dem Minderjährigen fehlt die Empfangszuständigkeit. Nach §§ 362, 107 bedarf<br />

der Minderjährige zur rechtswirksamen Erfüllungsempfangnahme der Zustimmung der Eltern. Diese<br />

Zustimmung ist nicht schon in der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche enthalten. Nimmt<br />

der Minderjährige das Geld entgegen, wird er nach §§ 929, 107 Eigentümer des Geldes, denn der<br />

Eigentumserwerb vergrößert seinen Bestand an Rechtsgütern und ist deshalb rechtlich vorteilhaft, da<br />

er aus § 929 keine Rechtspflicht eingeht. Die negative Erfüllungswirkung nach § 362 tritt trotzdem<br />

nicht ein.<br />

Die Erfüllung bringt das Schuldverhältnis im engeren Sinne zum Erlöschen, das<br />

Schuldverhältnis im weiteren Sinne bleibt bestehen. Mit Leistung des Kaufgegenstandes<br />

erlischt der Anspruch aus § 433 Abs. 1. Der Kaufvertrag bleibt bestehen. Hieraus können nach § 437<br />

noch Ansprüche wegen mangelhafter Leistung entstehen. Der Verkäufer kann noch aus § 433 Abs. 2<br />

den Kaufpreis verlangen. Dieser Kaufvertrag bildet den Rechtsgrund nach § 812 <strong>für</strong> das Behaltendürfen<br />

der empfangenen Leistungen.<br />

Durch die Erfüllung erlischt die Schuld. Der Gläubiger hat auf Verlangen des Schuldners eine Quittung<br />

nach § 368 zu erteilen. Die Quittung befähigt den Schuldner später zum Beweis der Erfüllung. Der<br />

Gläubiger wird obendrein verpflichtet, nach § 371 einen Schuldschein zurückzugeben, soweit über<br />

den Anspruch ein Schuldschein ausgestellt worden ist.<br />

c. Die Leistung muss am richtigen Ort erbracht werden. Der Gläubiger muss ein<br />

Leistungsangebot am falschen Ort nicht akzeptieren. Er kann auf Leistung am Leistungsort<br />

beharren. Nach dem Grundsatz der Privatautonomie kann er gleichwohl die Leistung am<br />

falschen Ort akzeptieren, was bei Geldschulden ratsam sein kann.<br />

d. Die Einhaltung der Leistungszeit ist <strong>für</strong> die Erfüllung weniger bedeutsam. Nur<br />

wenn die Leistung vor einem vereinbarten Zeitpunkt <strong>für</strong> die Erfüllbarkeit erfolgt, kann<br />

der Gläubiger die Leistung zurückweisen. Wurde kein Zeitpunkt <strong>für</strong> die Erfüllbarkeit<br />

vereinbart gilt nach § 271 Abs. 2, dass der Schuldner die Leistung schon vor Fälligkeit<br />

erbringen darf.<br />

Erfolgt die Leistung verspätet, muss der Gläubiger diese abnehmen, solange das<br />

Schuldverhältnis fortbesteht. Es können dem Gläubiger jedoch Schadensersatzansprüche<br />

aus Verzug §§ 286, 280 Abs. 1 erwachsen.<br />

Nur wenn der Leistungszeitpunkt entscheidend <strong>für</strong> den Inhalt und das Gepräge der<br />

Leistung ist, muss eine verspätete Leistung nicht mehr akzeptiert werden. Die verspätete<br />

Lieferung des Weihnachtsbaums an Silvester muss nicht akzeptiert werden. Die Lieferpflicht<br />

und als deren Kehrseite die Abnahmepflicht geht bei solchen absoluten Fixgeschäften<br />

mit Ablauf des Leistungszeitpunktes nach § 275 unter. Der Leistungszeitpunkt ist<br />

von solch entscheidender Bedeutung, dass mit Ablauf des Leistungszeitpunktes Unmöglichkeit<br />

eintritt.<br />

Ein relatives Fixgeschäft im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 2 liegt vor, wenn der Gläubiger<br />

im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit<br />

der Leistung geknüpft hat. Beim relativen Fixgeschäft tritt im Falle der Leistungsver-<br />

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zögerung keine Unmöglichkeit nach § 275 ein. Jedoch ist der Gläubiger ohne Fristsetzung<br />

zur Nacherfüllung zum Rücktritt nach § 323 oder zum Schadensersatz statt der Leistung nach § 281<br />

berechtigt. Der Gläubiger muss diese rechtlichen Möglichkeiten jedoch nicht wählen. Er kann weiterhin<br />

Erfüllung verlangen.<br />

2. Aufrechnung<br />

Bei der Aufrechnung nach §§ 387 ff kommt es zur Tilgung zweier einander gegenüber<br />

stehender Forderungen durch eine Willenserklärung. Voraussetzung <strong>für</strong> die Aufrechnung<br />

ist eine bestimmte Aufrechnungslage nach § 387:<br />

1. Die Forderungen müssen zwischen denselben Personen bestehen. Jeder muss<br />

zugleich Gläubiger und Schuldner des anderen sein. Es muss Gegenseitigkeit bestehen.<br />

2. Haupt- und Gegenforderungen müssen ihrem Gegenstande nach gleichartig sein.<br />

Damit kommen <strong>für</strong> die Aufrechnung nur Gattungsschulden und in der Praxis nur<br />

Geldschulden in Betracht.<br />

3. Die Gegenforderung des Aufrechnenden muss fällig und einredefrei sein nach §<br />

390. Der Aufrechnende kann nicht mit einer Forderung aufrechnen, die noch nicht<br />

fällig ist. Ansonsten könnte er eigenmächtig die Erfüllung seiner Forderung herbeiführen,<br />

die ihm zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zusteht. Ist die Forderung des<br />

Aufrechnenden verjährt, kann mit dieser nicht mehr aufgerechnet werden. Sie ist mit<br />

einer Einrede behaftet. Davon macht § 215 eine Ausnahme, wenn bereits vor Verjährung<br />

dieser Forderung die Aufrechnung hätte erklärt werden können. Damals standen<br />

sich die Forderungen einredefrei gegenüber.<br />

4. Die Hauptforderung, gegen die der Aufrechnende die Aufrechnung erklärt, muss<br />

bereits erfüllbar sein. Nach § 271 Abs. 2 ist dies grundsätzlich sofort der Fall. Von<br />

der sofortigen Erfüllbarkeit gibt es jedoch Ausnahmen. Der Schuldner eines verzinslichen<br />

Darlehens, darf dieses nicht vor Fälligkeit zurückzahlen, da ansonsten der<br />

Gläubiger den Zinsanspruch verlieren würde. In der Praxis wird in diesen Fällen eine Vereinbarung<br />

getroffen, dass der Schuldner des Darlehens zwar aufrechnen darf, er der Gläubigerbank jedoch<br />

Ersatz der entgangenen Zinsen, sogenannte Vorfälligkeitszinsen, ganz oder teilweise zu entrichten<br />

hat.<br />

Die Wirkung der Aufrechnung tritt nur ein, wenn nach § 388 eine Aufrechnungserklärung<br />

abgegeben wird. Es handelt sich um eine einseitige empfangsbedürftige<br />

Willenserklärung. Der Zustimmung der Gegenseite in die Aufrechnung bedarf es<br />

nicht.<br />

Hauptforderung und Gegenforderung erlöschen, soweit sie sich decken. Sie erlöschen<br />

rückwirkend zu dem Zeitpunkt, in dem sie sich erstmals zur Aufrechnung geeignet<br />

gegenüberstanden nach § 389. Das Gesetz stellt nicht auf den Zeitpunkt der<br />

Erklärung, sondern auf den Zeitpunkt der frühesten Aufrechnungslage ab. Deshalb<br />

kann auch mit einer verjährten Forderung nach § 215 aufgerechnet werden, wenn der Anspruch in<br />

dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals hätte aufgerechnet werden können.<br />

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Die Aufrechnung kann ausnahmsweise ausgeschlossen sein. Gläubiger und Schuldner<br />

können den Ausschluss der Aufrechnung vereinbaren. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

und Verbraucherverträgen ist solch ein Ausschluss nur unter den Einschränkungen des<br />

§§ 309 Nr. 3, 310 Abs. 3 Nr. 2 zulässig: Die Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig<br />

festgestellten Forderung darf nicht ausgeschlossen werden.<br />

§ 393 bestimmt einen Aufrechnungsausschluss, wenn die Hauptforderung des Gläubigers<br />

aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners herrührt.<br />

Der Unrechtsgehalt einer vorsätzlich begangenen Handlung gebietet es, dem<br />

geschädigten Gläubiger Genugtuung zukommen zu lassen unabhängig von Gegenforderungen<br />

des Schuldners. Der Gläubiger G einer Darlehensforderung darf den Schuldner S,<br />

der zur Rückzahlung nicht bereit ist nicht verprügeln, um dann gegen den Schadensersatz- und<br />

Schmerzensgeldanspruch des S mit der Darlehensforderung aufzurechnen.<br />

Nach § 394 kann gegen eine unpfändbare Hauptforderung nicht aufgerechnet werden.<br />

Die Unpfändbarkeit einer Forderung kann sich ergeben aus §§ 850 ff. ZPO. Der<br />

Arbeitgeber kann mit einer Gegenforderung gegen den Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers aus §<br />

611 nur soweit aufrechnen, dass dem Arbeitnehmer noch der pfändungsfreie Betrag zur Bestreitung<br />

des Existenzminimums verbleibt.<br />

Ist die Hauptforderung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung beschlagnahmt<br />

worden, so kann nach § 392 der Schuldner mit seiner Gegenforderung nicht<br />

mehr aufrechnen. Durch die Beschlagnahme steht die Hauptforderung jetzt dem Dritten<br />

zu, der die Pfändung und Beschlagnahme erwirkt hat. Die Bank B hat eine offene Darlehensforderung<br />

gegen den Schuldner S, einen Grafiker. Sie betreibt die Pfändung und Beschlagnahme<br />

in dessen Forderungen gegen den Kunden K. Im Wege der Beschlagnahme der Kundenforderungen<br />

rückt jetzt die pfändende Bank B an die Stelle des S bei den beschlagnahmten Kundenforderungen<br />

ein. Der Kunde K kann nun nicht mehr mit einer Gegenforderung aufrechnen, die er gegen<br />

den S hat. Die Aufrechnungsmöglichkeit bleibt jedoch erhalten, wenn bereits vor Beschlagnahme die<br />

Aufrechnungslage bestand und zu diesem Zeitpunkt hätte aufgerechnet werden können.<br />

3. Rücktritt<br />

Beim Rücktritt nach § 346 kommt es zur Beendigung eines Schuldverhältnisses im<br />

weiteren Sinne durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Rücktrittsberechtigten.<br />

Wurden schon Leistungen in Hinblick auf das Schuldverhältnis erbracht,<br />

sind diese zurückzugewähren. Anstelle des beendeten Schuldverhältnisses<br />

tritt ein Rückgewährschuldverhältnis. Hat eine Partei noch nicht geleistet, erlischt die<br />

Primärleistungspflicht mit Wirksamwerden der Rücktrittserklärung. Hat sich der Käufer<br />

eines Springpferdes ein Rücktrittsrecht vorbehalten, erlischt durch seine Rücktrittserklärung der Kaufvertrag.<br />

Anstelle des Kaufvertrages tritt das Rückgewährschuldverhältnis gerichtet auf Rückgabe des<br />

Pferdes und des bereits bezahlten Kaufpreises. Wurden noch keine Leistungen erbracht, kann das<br />

Schuldverhältnis ersatzlos enden.<br />

Die Berechtigung zum Rücktritt kann sich ergeben<br />

• aus einem vertraglich ausbedungenen Vorbehalt – Rücktrittsklausel - oder<br />

• aus Gesetz bei Pflichtverletzungen in Schuldverhältnissen.<br />

Skript<br />

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20<br />

Das Gesetz sieht ein Rücktrittsrecht bzw. Ansprüche auf Rückgabe nach den Regeln<br />

des Rücktrittsrechts vor in<br />

- § 313 Abs. 3 Wegfall der Geschäftsgrundlage<br />

- § 323 Nicht- und Schlechtleistung iVm. §§ 437, 634<br />

- § 324 Verletzung einer sonstigen Pflicht aus § 241 Abs. 2<br />

- § 326 Abs. 5 Unmöglichkeit iVm. §§ 437, 634<br />

- § 357 Abs. 1 verbraucherschützendes Widerrufsrecht<br />

- § 281 Abs. 5 Rückforderung des Geleisteten bei Geltendmachung<br />

von Schadensersatz statt der Leistung<br />

- § 439 Abs. 4 Nacherfüllung mit mangelfreier Sache löst Anspruch<br />

auf Rückgabe der mangelhaft gelieferten Sache voraus<br />

- § 441 Abs. 4 Rückerstattung eines geleisteten Mehrbetrages bei<br />

Minderung des Kaufpreises wegen Mangel der gelieferten Sache<br />

- § 635 Abs. 4 Nacherfüllung mit neu hergestelltem Werk löst Anspruch<br />

auf Rückgabe des mangelhaft gelieferten Werkes aus<br />

- § 638 Abs. 4 Rückerstattung eines geleisteten Mehrbetrages bei<br />

Minderung des Werklohns wegen Mangel des hergestellten Werkes<br />

- § 376 HGB Fixhandelskauf.<br />

Ansonsten besteht nach dem Grundsatz Vertrag ist Vertrag kein gesetzliches Rücktrittsrecht.<br />

Häufig finden sich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Rücktrittsvorbehalte, wobei das Klauselverbot<br />

des § 308 Nr. 3 zu beachten ist. Hiernach bedarf es eines sachlich gerechtfertigten Grundes, der<br />

im Vertrag anzugeben ist. Außerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Verbraucherverträgen,<br />

<strong>für</strong> die die Klauselverbote nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 ebenfalls gelten, kann das Rücktrittsrecht<br />

bis zur Grenze des § 138 beliebig ausgestaltet werden.<br />

Damit wird das Rücktrittsrecht neben dem Bereicherungsrecht zur zentralen Rückabwicklungsregelung<br />

des <strong>Schuldrecht</strong>s. Soweit Rücktrittsrecht gilt, verdrängt dieses<br />

das Bereicherungsrecht.<br />

Das Rücktrittsrecht wird durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung,<br />

die Rücktrittserklärung gegenüber dem Vertragspartner nach §§ 349, 130 ausgeübt.<br />

Für die Ausübung des Rücktrittsrechts kann nach § 350 eine Ausschlussfrist<br />

vereinbart werden. Mit der Versäumung der Frist erlischt das Rücktrittsrecht.<br />

Der wirksam erklärte Rücktritt kann folgende Rechtsfolgen haben:<br />

a. Wird der Rücktritt wirksam ausgeübt, brauchen die bislang noch nicht erbrachten<br />

Leistungen nicht mehr erbracht zu werden. Die Leistungspflichten erlöschen.<br />

b. Soweit die Vertragspartner bereits ihre Pflichten erfüllt haben, sind die erbrachten<br />

Leistungen und die gezogenen Nutzungen zurückzugewähren nach § 346 S. 1. Anstelle<br />

des ursprünglichen Schuldverhältnisses mit seinen primären Leistungspflichten<br />

tritt nun ein Rückgewährschuldverhältnis. §§ 346 ff enthalten <strong>für</strong> die Rückabwicklung<br />

spezielle Regelungen, die die allgemeinen Rückabwicklungsreglungen des Bereicherungsrechts<br />

verdrängen. Das Bereicherungsrecht kommt nicht zur Anwendung.<br />

Skript<br />

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c. Neben die Rückgewähransprüche kann ein Wertersatzanspruch nach § 346<br />

Abs. 2 treten:<br />

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21<br />

Es ist nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 Wertersatz zu leisten, wenn die Rückgewähr der empfangenen<br />

Leistungen oder gezogenen Nutzungen ausgeschlossen ist. Tritt der Käufer<br />

eines mangelhaften Fahrzeugs nach §§ 437 Nr. 2, 323 vom Kaufvertrag zurück, hat er die gezogenen<br />

Nutzungen zurückzugewähren. Da diese nicht in Natur zurück gewährt werden können, ist Wertersatz<br />

zu leisten.<br />

Wertersatz ist weiter zu leisten nach § 346 Abs. 2 Nr. 2 bei Verbrauch, Verarbeitung<br />

oder Umgestaltung der Sache, wenn diese nicht mehr zurück gegeben werden kann.<br />

Nach § 346 Abs. 3 Nr. 1 entfällt der Wertersatzanspruch, wenn sich erst bei Verarbeitung<br />

oder Umgestaltung der Sache der zum Rücktritt berechtigende Mangel herausgestellt<br />

hat.<br />

Weiter besteht nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 ein Wertersatzanspruch, wenn der empfangene Gegenstand<br />

sich verschlechtert hat oder untergegangen ist. Diese Wertersatzpflicht besteht jedoch nicht, wenn die<br />

Verschlechterung eine Folge des bestimmungsgemäßen Gebrauchs war. Hat der Käufer eines mangelbehafteten<br />

Fahrzeugs den Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 erklärt, haftet er nicht <strong>für</strong> den üblichen<br />

Verschleiß. Hat ein Neuwagen durch die Erstzulassung eine Werteinbuße – bis zu 20 % - erlitten, ist<br />

diese nicht zu ersetzen. Der Käufer haftet nur <strong>für</strong> weitergehende Beeinträchtigungen.<br />

Die Pflicht zum Wertersatz entfällt weiter nach § 346 Abs. 3 Nr. 3 im Falle eines gesetzlichen<br />

Rücktrittsrechts, wenn die Verschlechterung beim Rücktrittsberechtigten<br />

eingetreten ist, obwohl er die in eigenen Angelegenheiten übliche Sorgfalt angewandt<br />

hat. Beim vertraglichen Rücktrittsrecht trägt hingegen der Empfänger der Leistung<br />

das Risiko des zufälligen Untergangs, wie es einem Umkehrschluss zu § 346<br />

Abs. 3 Nr. 3 zu entnehmen ist.<br />

Der Schuldner hat nach § 346 Abs. 2 und Abs. 3 Wertersatz zu leisten bei<br />

• Ausschluss der Rückgewähr der empfangenen Leistung aus der Natur des Erlangten<br />

• Verbrauch, Verarbeitung und Umgestaltung der empfangenen Sache,<br />

außer Mangel zeigt sich erst während Verarbeitung, Umgestaltung<br />

• Verschlechterung und Untergang der empfangenen Sache,<br />

außer diese sind vom Gläubiger zu vertreten oder<br />

dies ist eine Folge des bestimmungsgemäßen Gebrauchs<br />

d. Die §§ 346 ff enthalten keine eigene Schadensersatzregelung. Schadensersatz<br />

im Falle des Rücktritts ergibt sich aus den Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts<br />

nach §§ 280 ff gemäß § 346 Abs. 4. Ansprüche aus §§ 280 ff setzen<br />

eine Pflichtverletzung voraus. Die Rückgewährpflicht aus § 346 entsteht erst mit der<br />

Rücktrittserklärung. Erst danach kann sich bei Beschädigung des zurück zu gewährenden<br />

Gegenstandes ein Schadensersatzanspruch ergeben. In der Literatur wird die<br />

Ansicht vertreten, dass bereits ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund eine besondere Sorgfaltspflicht bestehe.<br />

3<br />

3 Schwab, <strong>Schuldrecht</strong>smodernisierung 2001/2002 – Die Rückabwicklung von Verträgen nach §§ 346<br />

ff <strong>BGB</strong> n.F., NJW 2002 S. 630, 636 m.w.N.<br />

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22<br />

e. Die Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen ergibt sich aus § 346 Abs. 1.<br />

Hingegen regelt § 347 Abs. 1 <strong>für</strong> nicht gezogene Nutzungen eine Wertersatzpflicht,<br />

soweit eine Nutzziehung möglich gewesen wäre. Beim gesetzlichen Rücktrittsrecht<br />

genießt der zum Rücktritt Berechtigte das Haftungsprivileg der eigenüblichen Sorgfalt<br />

aus § 277.<br />

Im Gegenzug erhält der zum Rücktritt Berechtigte aus § 347 Abs. 2 einen Anspruch<br />

auf Ersatz notwendiger Verwendungen.<br />

f. Nach § 348 sind die aus dem Rücktrittsrecht sich ergebenden Verpflichtungen der<br />

Vertragsparteien Zug um Zug zu erfüllen. Die Rückgewähr der erbrachten Leistung<br />

kann nicht gefordert werden, solange nicht die Herausgabe der erlangten Leistung<br />

angeboten wird. Der Käufer des Pferdes, muss nach erfolgter Rücktrittserklärung die Rückgabe<br />

des Pferdes anbieten, wenn er Herausgabe des von ihm entrichteten Kaufpreises fordert.<br />

An das Rücktrittsrecht angelehnt regelt § 355 ein 2-wöchiges Widerrufsrecht bei<br />

Verbraucherverträgen. Nicht in § 355 geregelt ist die Frage, wann ein Widerrufsrecht<br />

besteht. Dieses kann sich aus verschiedenen Verbraucherschutzregelungen ergeben, die zum <strong>Teil</strong><br />

außerhalb des <strong>BGB</strong> geregelt sind wie das Fernunterrichtsteilnehmergesetz. Im <strong>BGB</strong> ist ein Widerrufsrecht<br />

geregelt in<br />

- § 312 bei Haustürgeschäften,<br />

- § 312 d bei Fernabsatzverträgen,<br />

- § 485 bei <strong>Teil</strong>zeit-Wohnrechteverträgen,<br />

- § 495 bei Verbraucherdarlehen.<br />

4. Kündigung<br />

Dauerschuldverhältnisse können gekündigt werden, wie §§ 542 Abs. 1, 543 <strong>für</strong> das<br />

Mietverhältnis und §§ 620 Abs. 2, 626 <strong>für</strong> das Arbeitsverhältnis deutlich machen. Die<br />

Kündigung führt zur Beendigung des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne. Es endet<br />

<strong>für</strong> die Zukunft. Die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen verbleiben beim<br />

Empfänger.<br />

§ 314 bestimmt <strong>für</strong> alle Dauerschuldverhältnisse, dass diese aus wichtigem Grund<br />

gekündigt werden können. Dies ist wichtig <strong>für</strong> atypische Dauerschuldverhältnisse, die<br />

einer vertraglichen Vereinbarung entspringen und die nicht zu den typischen vom<br />

Gesetz geregelten Dauerschuldverhältnissen zählen. Daraus erhellt, dass die Kündigung<br />

aus wichtigem Grund niemals vertraglich ausgeschlossen werden kann. Wird<br />

wegen Verletzung einer vertraglichen Pflicht die Kündigung ausgesprochen, ist eine<br />

vorangegangene erfolglose Abmahnung erforderlich.<br />

Die allgemeine Vorschrift über die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus<br />

wichtigem Grund nach § 314 wird von den beim Mietvertrag und beim Arbeitsvertrag<br />

speziell getroffenen Regelungen der §§ 543, 626 verdrängt.<br />

Ein Gebäudereinigungsunternehmer verletzt einen Kunden vorsätzlich bei einem Streit in der Freizeit<br />

in erheblicher Weise. Der Kunde kündigt daraufhin den Reinigungsvertrag fristlos nach § 314 Abs. 1.<br />

Der Reinigungsvertrag sieht nur eine ordentliche Kündigung zum Jahresende vor. Der Reinigungsvertrag<br />

ist ein untypischer Werkvertrag nach § 631 mit Dauerschuldcharakter. Ein Recht zur fristlosen<br />

Kündigung kennt das Werkvertragsrecht nicht. Nach § 314 ist die Kündigung wirksam. Dem Kunden<br />

Skript<br />

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23<br />

ist es nicht zumutbar, dem Unternehmer regelmäßig wiederkehrend zu begegnen. Einer Abmahnung<br />

nach § 314 Abs. 2 bedurfte es nicht, da die Kündigung nicht wegen der Verletzung einer vertraglichen<br />

Pflicht erfolgt. 4<br />

5. Verzichtsvertrag<br />

Das Schuldverhältnis im engeren Sinn kann nach § 397 durch einen Erlass- oder<br />

Verzichtsvertrag aufgehoben werden.<br />

Entgegen der Alltagsvorstellung handelt es sich beim Verzicht nicht um eine einseitige<br />

Willenserklärung sondern um einen zweiseitigen Verzichtsvertrag nach § 145. Der<br />

Gläubiger kann nicht einseitig auf seinen Anspruch verzichten. Das Angebot des<br />

Gläubigers zum Verzicht muss vom Schuldner angenommen werden. Schweigt der<br />

Schuldner auf ein Verzichtsangebot, kann man darin nach §§ 133, 157 regelmäßig eine konkludente<br />

Annahmeerklärung erblicken. Nach § 151 hat der Antragende auf den Zugang der Erklärung verzichtet.<br />

Der Erlass- oder Verzichtsvertrag bringt die Forderung, das Schuldverhältnis im engeren<br />

Sinne, zum Erlöschen. Soll das ganze Schuldverhältnis, das Schuldverhältnis<br />

im weiteren Sinne aufgehoben werden, bedarf es eines Aufhebungsvertrages.<br />

6. Aufhebungsvertrag<br />

Ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne kann durch einen einvernehmlich abgeschlossenen<br />

Aufhebungsvertrag aufgehoben werden. Dieser ist nicht ausdrücklich im<br />

Gesetz geregelt. Er folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Wie ein Schuldverhältnis<br />

nach § 311 durch Vertrag begründet und abgeändert werden kann, so kann<br />

es über den Wortlaut des § 311 hinaus durch Vertrag aufgehoben werden. Der Aufhebungsvertrag<br />

im Arbeitsrecht hat in § 623 eine Erwähnung gefunden. Die Rückabwicklung<br />

bereits erbrachter Leistungen erfolgt nach den vertraglichen Abmachungen. Ergänzend kann<br />

das Bereicherungsrecht zur Anwendung kommen.<br />

V. Leistungsstörungen<br />

Wird ein Schuldverhältnis nicht ordnungsgemäß abgewickelt, liegt eine Leistungsstörung<br />

vor. Die Leistungsstörung kann auf Seiten des Schuldners oder des Gläubigers<br />

vorkommen.<br />

Die Leistungsstörung kann darin bestehen, dass<br />

- die Leistung gar nicht erbracht werden kann<br />

→ Unmöglichkeit<br />

- die Leistung verspätet erbracht wird<br />

→ verspätete Leistung und Schuldnerverzug<br />

- die Leistung nicht rechtzeitig in Empfang genommen wird<br />

4 Beispiel nach Marx, Claudius/Wenglorz, Georg S. 88.<br />

Skript<br />

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→ Annahmeverzug<br />

- die Leistung nicht einwandfrei erbracht wird<br />

→ Sach- und Rechtsmangel<br />

- die Art und Weise der Leistungserbringung nicht einwandfrei ist<br />

→ sonstige Pflichtverletzung<br />

- durch äußere Umstände die Geschäftsgrundlage erschüttert wird<br />

→ Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage<br />

Die Leistungsstörung kann zur Folge haben, dass neben die Primärleistungspflicht<br />

eine Sekundärleistungspflicht tritt. Beim Verzug nach § 286 besteht die Leistungspflicht fort,<br />

daneben können Ansprüche wegen Verzugsschaden treten.<br />

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24<br />

Durch die Leistungsstörung kann eine Befreiung des Schuldners von der Primärleistung<br />

erfolgen. An die Stelle der Primärleistungspflicht kann eine Sekundärleistungspflicht<br />

treten, so wenn der Gläubiger Schadensersatz statt der - ganzen - Leistung<br />

verlangen kann. Bei Unmöglichkeit der Leistung entfällt nach § 275 Abs. 1 die Leistungspflicht,<br />

da<strong>für</strong> kann nach §§ 280, 283 ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung entstehen.<br />

Im Folgenden sollen die einzelnen Leistungsstörungen dargestellt werden mit Ausnahme<br />

des Mangelhaftungsrechts. Das Mangelhaftungsrecht ist im <strong>Schuldrecht</strong> Besonderer<br />

<strong>Teil</strong> bei den einzelnen Vertragsarten speziell geregelt und wird deshalb erst<br />

im Skript <strong>Schuldrecht</strong> BT dargestellt. §§ 437 ff beim Kaufvertrag. §§ 634 beim Werkvertrag. §§<br />

536 ff beim Mietvertrag.<br />

1. Unmöglichkeit<br />

Eine Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Leistung nicht erbracht werden kann. Ist die<br />

Leistung hingegen noch nachholbar oder bestehen nur vorübergehende Leistungshindernisse,<br />

liegt ein Schuldnerverzug vor. Unmöglichkeit liegt auch beim absoluten<br />

Fixgeschäft vor, wenn der Leistungstermin überschritten ist. Von absoluten Fixgeschäften<br />

spricht man, wenn der Leistungstermin prägend <strong>für</strong> den Charakter der Leistung<br />

ist. Nach Ablauf des Leistungstermins verliert die Leistung ihren spezifischen<br />

Charakter und kann nicht mehr nachgeholt werden. Der Weihnachtsbaum muss zu Weihnachten<br />

geliefert werden, die Hochzeitstorte am Hochzeitstag. Die Leistungen können zwar später<br />

noch erbracht werden. Sie entbehren dann jedoch ihrer speziellen Bestimmung.<br />

1.1 Arten der Unmöglichkeit<br />

§ 275 Abs. 1 bestimmt <strong>für</strong> alle Arten der Unmöglichkeit, dass der Schuldner nicht zu<br />

leisten braucht. Der Primäranspruch auf die Leistung geht unter. Unmöglichkeit erfasst<br />

a. die objektive Unmöglichkeit, wenn die Leistung von keinem Menschen mehr<br />

erbracht werden kann. Dies kann auf Grund von tatsächlichen Umständen der<br />

Fall sein. Das einzigartige Gemälde eines alten Meisters wird zerstört. Möglich ist auch die<br />

rechtliche Unmöglichkeit, etwa bei einem Arbeitsverbot. Ist die Durchführbarkeit der Leistung<br />

theoretisch, aber nur mit einem völlig unverhältnismäßigen Aufwand möglich, liegt kein Fall<br />

des Abs. 1 sondern ein Fall des Abs. 2 vor – der faktischen Unmöglichkeit.<br />

Skript<br />

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25<br />

b. das Unvermögen - subjektive Unmöglichkeit - ist gegeben, wenn die Leistung<br />

objektiv zwar möglich ist, gleichwohl vom Schuldner nicht erbracht werden<br />

kann, weil er sich die Leistung nicht zu verschaffen vermag. Das Gesetz<br />

spricht davon, dass die Leistung dem Schuldner unmöglich sei. Wurde dem Verkäufer<br />

eines Gebrauchtwagens dieser gestohlen, liegt keine objektive Unmöglichkeit vor, da<br />

das Fahrzeug noch existiert. Gleichwohl vermag sich der Verkäufer dieses Fahrzeug nicht zu<br />

verschaffen. Erscheint es aussichtslos, dass sich der Schuldner den Leistungsgegenstand<br />

noch beschaffen kann, liegt subjektive Unmöglichkeit vor.<br />

Nicht hierunter fällt das finanzielle Unvermögen des Schuldners. Hier gilt der Grundsatz Geld<br />

hat man zu haben. Statt Unmöglichkeit treten hier Leistungsverzögerung und Verzug ein.<br />

c. die anfängliche Unmöglichkeit, wenn die Unmöglichkeit bereits bei der Entstehung<br />

des Schuldverhältnisses vorlag. Es gibt anfängliche objektive Unmöglichkeit<br />

und anfängliches Unvermögen. Der Verkäufer kann den verkauften Gegenstand,<br />

ein einzigartiges Designer-Möbelstück, nicht liefern, weil ihm dieser nicht gehört und nie<br />

gehört hat und er ihn sich nicht beschaffen kann. Der Eigentümer des verkauften Gegenstandes<br />

ist nicht zur Überlassung bereit.<br />

d. die nachträgliche Unmöglichkeit, wenn die Unmöglichkeit erst nach der Entstehung<br />

der Schuldverhältnisse eingetreten ist. Es gibt wiederum nachträgliche<br />

objektive Unmöglichkeit und nachträgliches Unvermögen, also nachträgliche<br />

subjektive Unmöglichkeit. Das verkaufte Springpferd stirbt nach Abschluss des<br />

Kaufvertrages und vor Übereignung durch den Verkäufer oder es wird gestohlen.<br />

e. die vollständige Unmöglichkeit, wenn die gesamte Leistung dem Schuldner<br />

nicht möglich ist. Der verkaufte Gebrauchtwagen wird gestohlen.<br />

f. die <strong>Teil</strong>-Unmöglichkeit, wenn dem Schuldner ein <strong>Teil</strong> der Leistung nicht möglich<br />

ist. Ein <strong>Teil</strong> des verkauften antiken 24-teiligen Speiseservices geht zu Bruch.<br />

Es wird bei § 275 Abs. 1 nicht zwischen zu vertretender und nicht zu vertretender<br />

Unmöglichkeit unterschieden. Unabhängig vom Verschulden führt die Unmöglichkeit<br />

dazu, dass der Schuldner nicht zu leisten braucht. Es wäre sinn- und zwecklos, dem Gläubiger<br />

einen Erfüllungsanspruch gegen den Schuldner einzuräumen, wenn von vornherein feststeht,<br />

dass der Schuldner diesen nicht erfüllen kann. Der Primäranspruch auf Leistung geht unter.<br />

Gleichwohl besteht bei zu vertretender Unmöglichkeit regelmäßig ein Sekundäranspruch<br />

des Gläubigers aus §§ 280 Abs. 1, 283.<br />

Die Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 umfasst<br />

• Objektive und subjektive Unmöglichkeit<br />

• Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit<br />

• Nicht zu vertretende und zu vertretende Unmöglichkeit<br />

• <strong>Teil</strong>weise und vollständige Unmöglichkeit<br />

Die vorübergehende Unmöglichkeit wurde vom Gesetz keiner ausdrücklichen Regelung zugeführt.<br />

Zumeist werden sich diese Fälle der Leistungsverzögerung und dem Verzug zuordnen lassen. Diese<br />

Fälle sind nach §§ 286 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 zu behandeln. Um sich von dem Vertrag<br />

zu lösen bedarf es einer Nachfristsetzung. Ausnahmsweise liegt ein Fall der Unmöglichkeit vor, wenn<br />

- die Behebung nicht absehbar ist und dem Gläubiger ein Abwarten nicht zumutbar ist wie oder<br />

- ein absolutes Fixgeschäft vorliegt.<br />

Skript<br />

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26<br />

Ein Unvermögen des Schuldners liegt vor, wenn er sich die Leistung nicht zu beschaffen<br />

vermag. Ist er nicht leistungsfähig obwohl eine Wiederbeschaffung denkbar<br />

ist, liegt kein Unvermögen vor. Ist dem Schuldner die Wiederbeschaffung der Leistung<br />

zwar theoretisch möglich, aber nur mit völlig indiskutablem Aufwand, liegt ein<br />

Fall der faktischen Unmöglichkeit des § 275 Abs. 2 und nicht des Abs. 1 vor. Das Heben<br />

einer gesunkenen Yacht durch deren Verkäufer, wenn die Kosten hier<strong>für</strong> vierzig Mal so hoch wie<br />

ihr Wert sind.<br />

Die Regelung des § 275 Abs. 1 ist als Einwendung ausgestaltet. Sie ist vor Gericht<br />

von Amts wegen zu beachten, wenn hier<strong>für</strong> Anhaltspunkte vorliegen und nicht nur<br />

auf die Einrede des Schuldners hin.<br />

1.2 Faktische Unmöglichkeit<br />

§ 275 Abs. 2 bezieht sich auf die sogenannte faktische Unmöglichkeit, die auch als<br />

praktische Unmöglichkeit bezeichnet wird. Mit diesem Begriff bezeichnet man Fälle,<br />

in denen die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich ist, die<br />

aber kein vernünftiger Gläubiger ernsthaft erwarten kann. Der geschuldete Ring, der<br />

durch ein Malheur auf dem Grund des Ozeans liegt. Nach § 275 Abs. 2 S. 1 darf der Schuldner<br />

die Primärleistung verweigern, wenn deren Erbringung einen unverhältnismäßigen<br />

Aufwand verlangt, der in grobem Missverhältnis zum Leistungsinteresse des<br />

Gläubigers steht. Das Gläubigerinteresse ist der entscheidende Bezugspunkt der<br />

Verhältnismäßigkeitsprüfung. Persönliche Interessen des Schuldners werden nicht<br />

berücksichtigt.<br />

Der Aufwand bemisst sich am Leistungsinteresse des Gläubigers.<br />

Persönliche Interessen des Schuldners bleiben außer Betracht.<br />

Die Vorschrift stellt auf den Inhalt des Schuldverhältnisses und damit auf die Art der<br />

Schuld ab. Bei Gattungsschulden nach §§ 243, 276 Abs. 1 S. 1 erscheint es als eine<br />

Selbstverständlichkeit, dass der Schuldner eine andere als das zur Leistung bestimmte<br />

Stück beschafft. Diese Beschaffungspflicht schließt eine faktische Unmöglichkeit<br />

regelmäßig aus.<br />

Für die Beurteilung des Missverhältnisses führt § 275 Abs. 2 S. 2 das Kriterium des<br />

Vertretenmüssens an. Hat der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten, sind<br />

ihm erhöhte Anstrengungen zur Überwindung zumutbar. Bei unverschuldetem Leistungshindernis<br />

hat der Schuldner geringere Bemühungen und Aufwendungen zu<br />

machen. Hat der Schuldner trotz Kaufvertrag mit einem Käufer K den Vertragsgegenstand an einen<br />

Dritten übereignet, so muss er diesem <strong>für</strong> dessen Rückerwerb in aller Regel wesentlich mehr als den<br />

Marktpreis bieten, um in den Genuss der Befreiung von seiner primären Leistungspflicht gegenüber<br />

dem Käufer K zu gelangen, um die Sache zurück zu erwerben und dem Käufer K zu übereignen.<br />

Für die Beurteilung des Missverhältnisses sind folglich zwei Kriterien maßgebend:<br />

Der Aufwand zur Behebung des Leistungshindernisses<br />

Das Vertretenmüssen des Leistungshindernisses<br />

Skript<br />

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27<br />

§ 275 Abs. 2 gewährt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht, das als Einrede<br />

ausgestaltet ist. Das Leistungshindernis ist nur zu berücksichtigen, wenn sich<br />

der Schuldner darauf beruft. Beruft er sich nicht darauf, ist er zur Leistung verpflichtet<br />

und kann vor Gericht zur Leistung verurteilt werden. Es steht im Belieben des<br />

Schuldners, ob er die Leistung etwa aus Imagegründen erbringen will oder sich auf<br />

das Leistungshindernis beruft. Die Regelung des § 275 Abs. 2 findet eine Parallele in den Vorschriften<br />

der §§ 251 Abs. 2, 439 Abs. 3, 651 c Abs. 2 S. 2. Diese Vorschriften stellen Ausprägung<br />

eines allgemeinen Rechtsgedankens dar, wonach bei unverhältnismäßig hohen Aufwendungen ein<br />

Leistungsverweigerungsrecht besteht. 5<br />

Nicht erfasst werden von § 275 Abs. 2 S. 1 die Fälle der sogenannten wirtschaftlichen<br />

Unmöglichkeit oder der Unerschwinglichkeit im Sinne der bloßen Leistungserschwerung<br />

<strong>für</strong> den Schuldner. Von wirtschaftlicher Unmöglichkeit ist zu sprechen,<br />

wenn der Leistung solche Schwierigkeiten entgegenstehen, dass sie dem Schuldner<br />

wegen Überschreitung der Opfergrenze nicht zugemutet werden kann oder dass diese<br />

dem Schuldner nur unter Opfern und Aufwendungen möglich ist, die auf sich zu<br />

nehmen, er nach Treu und Glauben nicht mehr verpflichtet ist. Diese Fallgruppen<br />

unterfallen nicht dem Recht der Unmöglichkeit sondern den Grundsätzen des Wegfalls<br />

der Geschäftsgrundlage nach § 313. Auch Fälle der Leistungsverweigerung aus<br />

Gewissensgründen, die sittliche Unmöglichkeit, fallen unter § 313.<br />

Die faktische Unmöglichkeit stellt auf die Sicht des Gläubigers ab, während die wirtschaftliche<br />

Unmöglichkeit auf den Aufwand des Schuldners, seine damit verbundenen<br />

Belastungen abstellt und die daraus resultierende Äquivalenzstörung.<br />

§ 275 Abs. 3 trifft eine Sonderregelung <strong>für</strong> den Fall einer Leistung, die in der Person<br />

des Schuldners zu erbringen ist. Bei Unzumutbarkeit der Leistungserbringung<br />

hat der Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht. Dies betrifft vor allem Arbeits-<br />

und Dienstverträge. Hierzu können auch Werkverträge oder Geschäftsbesorgungsverträge<br />

gehören. Eine Sängerin weigert sich aufzutreten, weil ihr Kind lebensgefährlich erkrankt<br />

ist. Der Arbeitnehmer kann seine Arbeit nicht verrichten, weil er in seinem Heimatland zum Wehrdienst<br />

einberufen wird und bei Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls mit der Todesstrafe rechnen muss.<br />

Weitere Beispiele sind während der Arbeitszeit notwendige Arztbesuche, Ladung zu Behörden und<br />

Gerichtsterminen.<br />

1.3 Rechtsfolgen der Unmöglichkeit<br />

a. Wie schon erläutert, führt Unmöglichkeit nach § 275 zum Wegfall des Anspruchs<br />

auf die Leistung. Die Leistungspflicht des Schuldners entfällt. Wie § 275 Abs. 4 deutlich<br />

macht, können noch weitere Rechte des Gläubigers aus der Unmöglichkeit erwachsen<br />

b. §§ 280, 283 sehen einen Schadensersatzanspruch <strong>für</strong> alle Fälle der Unmöglichkeit<br />

vor einschließlich der faktischen Unmöglichkeit.<br />

§ 283 bestimmt die Voraussetzungen <strong>für</strong> den Schadensersatz statt der Leistung im<br />

Fall der Unmöglichkeit. § 283 verweist auf die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1.<br />

Dies ist damit die eigentliche durch § 283 ergänzte Anspruchsgrundlage.<br />

5 BGHZ 62 S. 388, 393 f; BGH NJW 1988 S. 699, 700<br />

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28<br />

Der Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 S. 2 setzt ein Vertretenmüssen<br />

voraus, wie es § 276 definiert. Die negative Formulierung in § 280 Abs. 1 S. 2 bringt<br />

zum Ausdruck, dass dieses Vertretenmüssen vermutet wird. Es handelt sich insofern<br />

um eine Beweislastumkehr: Der Schuldner muss beweisen, dass ihn kein Verschulden<br />

an der Pflichtverletzung, der Unmöglichkeit trifft. Nur <strong>für</strong> den Fall der anfänglichen<br />

Unmöglichkeit sieht § 311 a eine Sonderregelung vor.<br />

b. § 284 gewährt anstelle des Schadensersatzanspruches einen Anspruch auf Ersatz<br />

der vergeblichen Aufwendungen. Dieser ist von Bedeutung, wenn der Gläubiger im<br />

Vorfeld der Unmöglichkeit freiwillige Aufwendungen, wie Vertragskosten, getätigt hat,<br />

die sich nun als vergeblich erweisen. Hierbei handelt es sich um keine Schäden, die kausal<br />

aus der Unmöglichkeit erwachsen sind, da sie schon im Vorfeld vor der Unmöglichkeit getätigt wurden.<br />

Da der Aufwendungsersatzanspruch anstelle des Schadensersatzanspruches tritt,<br />

setzt er wie der Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 S. 2 ein Vertretenmüssen<br />

des Schuldners voraus.<br />

c. § 285 gewährt einen Anspruch auf Herausgabe des Ersatzes. Der Schuldner<br />

kann durch den Umstand, der seine Befreiung vom Primäranspruch bewirkt hat einen<br />

Ersatz oder Ersatzanspruch erlangt haben. Hierunter fällt ein Anspruch auf eine Versicherungsleistung<br />

oder gegen einen Dritten, der den Leistungsgegenstand beschädigt<br />

hat und zu Schadensersatz verpflichtet ist. Herauszugeben sind auch Surrogate,<br />

die der Schuldner durch Rechtsgeschäft erworben hat. Der Anspruch setzt kein Vertretenmüssen<br />

voraus. Aus § 285 Abs. 2 ergibt sich, dass der Anspruch neben dem Schadensersatzanspruch<br />

geltend gemacht werden kann, wobei der Wert des erlangten Ersatzes auf den Schadensersatzanspruch<br />

angerechnet wird.<br />

d. § 326 regelt beim gegenseitigen Vertrag das Schicksal der Gegenleistung, wenn<br />

der Schuldner nach § 275 nicht zu leisten braucht. Die Gegenleistung entfällt nach §<br />

326 Abs. 1 kraft Gesetzes.<br />

Eine Ausnahme besteht nach § 326 Abs. 2, wenn die Unmöglichkeit vom Gläubiger<br />

zu verantworten ist oder während dessen Annahmeverzuges eintrat. Der Gegenleistungsanspruch<br />

bleibt dann bestehen. Weitere Ausnahmen ergeben sich in den Fällen des Gefahrübergangs<br />

im Kaufvertrag in §§ 446, 447 und im Werkvertragsrecht nach §§ 644, 645.<br />

Hat der Gläubiger seine Leistung bereits erbracht, kann er nach § 326 Abs. 4, das<br />

von ihm bereits Geleistete gemäß §§ 346 ff zurückfordern. Trotz des Rückforderungsverlangens<br />

kann er nach § 325 daneben noch Schadensersatz aus § 283 verlangen.<br />

Der Schaden besteht in der Differenz zwischen dem Wert der Leistung und<br />

der Gegenleistung. Im selben Fall könnte er anstelle des Rücktritts dem Schuldner die bereits<br />

erbrachte Leistung belassen und Schadensersatz aus § 283 verlangen.<br />

Auch wenn nach §§ 275, 326 Abs. 1 die Leistungs- und Gegenleistungspflichten kraft Gesetzes erlöschen,<br />

besteht nach § 326 Abs. 5 ein Rücktrittsrecht. Bei teilweiser Unmöglichkeit kann so vom ganzen<br />

Vertrag zurückgetreten werden.<br />

e. Nimmt der Gläubiger eine <strong>Teil</strong>leistung bei <strong>Teil</strong>-Unmöglichkeit in Anspruch ist der<br />

Gegenleistungsanspruch nach §§ 326 Abs. 1 S. 1, 441 Abs. 3 entsprechend zu mindern.<br />

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29<br />

Schadensersatz statt der gesamten Leistung kann unter den Voraussetzungen des<br />

§§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 2 bzw. S. 3 geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger<br />

kein Interesse an der <strong>Teil</strong>leistung hat.<br />

f. § 311a regelt die anfängliche Unmöglichkeit. Der Vertrag ist zwar wirksam, ein<br />

Anspruch auf die Primärleistung kommt jedoch von vornherein nicht in Betracht. Die<br />

Vorschrift hat neben § 275 Abs. 1 lediglich klarstellende Bedeutung.<br />

Ist der Vertrag nichtig wie nach §§ 134, 138 kommt § 311a nicht zum Zuge. Ein Anspruch auf Schadensersatz<br />

kann sich aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 ergeben.<br />

Es wird bei anfänglicher Unmöglichkeit ein Anspruch auf Schadensersatz statt der<br />

Leistung oder ein Aufwendungsersatzanspruch gewährt.<br />

Der Schadensersatzanspruch und der Aufwendungsersatzanspruch setzen nach §<br />

311a Abs. 2 S. 2 voraus, dass der Schuldner das Leistungshindernis kannte oder die<br />

Unkenntnis zu vertreten hat. Die Vorschrift umfasst eine Beweislastumkehr. Die<br />

Kenntnis wird vermutet. Der Schuldner hat zu beweisen, dass er keine Kenntnis hatte.<br />

Der Verkäufer eines abhanden gekommenen Kunstwerks, an dem er nach §§ 929, 932, 935 dem<br />

Käufer kein Eigentum verschaffen kann, haftet dem Käufer nicht auf Schadensersatz statt der Leistung,<br />

wenn das Abhandenkommen <strong>für</strong> ihn nicht erkennbar war. Ebenso wenig haftet der Verpächter<br />

eines Grundstücks, der als solcher im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist dem Pächter auf<br />

Schadensersatz statt der Leistung, wenn sich herausstellt, dass aufgrund eines jüngeren Testaments<br />

in Wahrheit nicht er, sondern ein anderer der Erbe und damit der Eigentümer des Grundstücks ist.<br />

Durch vertragliche Vereinbarung kann der Schuldner eine Garantie <strong>für</strong> seine Leistungsfähigkeit übernehmen.<br />

Es kommt dann nicht darauf an, ob er seine Unkenntnis zu vertreten hat gemäß § 276 Abs.1.<br />

Fall: Jahreswagen<br />

Herr Valentin (V) hat seinen Jahreswagen an Herrn Karl (K) verkauft. Es wurde vereinbart,<br />

dass der Wagen nach erfolgter Überweisung des Kaufpreises übereignet<br />

werden soll. Trotz Erhalt des Kaufpreises ist V nicht zur Übereignung des Jahreswagens<br />

bereit und in der Lage, da er mittlerweile das Fahrzeug einem zweiten Käufer<br />

veräußert und übereignet hat, der ihm einen um 200,-- € höheren Kaufpreis geboten<br />

hat.<br />

K verlangt von V Übereignung des Fahrzeugs oder Auskehrung des vom zweiten<br />

Käufer erlangten Erlöses.<br />

Lösung:<br />

1. Anspruch auf Übereignung aus § 433 Abs. 1 S. 1:<br />

K hat aus dem wirksam abgeschlossenen Kaufvertrag nach §§ 433 Abs. 1 S. 1, 145<br />

einen Anspruch auf Eigentumsverschaffung am Fahrzeug erworben. Der Anspruch<br />

könnte nach § 275 Abs. 1 untergegangen sein. Herr V hat durch Übereignung des<br />

Fahrzeugs nach § 929 an den zweiten Käufer sein Eigentum am Fahrzeug verloren.<br />

Die Übereignung auf den zweiten Käufer war wirksam erfolgt. Da V nach Abschluss<br />

des Kaufvertrages mit K noch immer Eigentümer des Fahrzeugs war, konnte er sein<br />

Eigentum wirksam auf den zweiten Käufer nach § 929 übertragen. K hatte nur einen<br />

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30<br />

Anspruch auf Übertragung des Eigentums aus dem Kaufvertrag erlangt, noch nicht<br />

das Eigentum selbst, hierzu hätte es der Übereignung nach § 929 bedurft, die noch<br />

nicht erfolgt war.<br />

Durch den Verlust des Eigentums, wurde dem V die Erfüllung seiner Eigentumsverschaffungspflicht<br />

aus dem Kaufvertrag mit K unmöglich. Es trat subjektive Unmöglichkeit<br />

ein. Dadurch erlosch nach § 275 Abs. 1 seine Leistungspflicht. Hier<strong>für</strong> ist es<br />

unerheblich, dass V schuldhaft gehandelt hat.<br />

2. Anspruch auf den Erlös aus § 285 Abs. 1:<br />

K kann von V Herausgabe des Surrogats verlangen, das V <strong>für</strong> die unmöglich gewordene<br />

Leistung erlangt hat. V hat <strong>für</strong> das Fahrzeug vom zweiten Käufer einen Erlös<br />

erlangt. Dieser Erlös ist an die Stelle des Fahrzeugs getreten und muss von V dem K<br />

ausgekehrt werden. K hat nach § 326 Abs. 3 jedoch seine Gegenleistung zu erbringen.<br />

Letztlich ist von V an K der aus dem zweiten günstigeren Geschäft erzielte Vorteil<br />

von 200,-- € dem K auszukehren.<br />

2. Leistungsverzögerung und Schuldnerverzug<br />

In den Fällen der Leistungsverzögerung erbringt der Schuldner die Leistung nicht<br />

rechtzeitig. Dies setzt voraus, dass die geschuldete Leistung noch möglich ist. Beruht<br />

die Nichtleistung des Schuldners darauf, dass die Leistung unmöglich geworden ist,<br />

liegt ein Fall der Unmöglichkeit vor.<br />

Unmöglichkeit schließt Leistungsverzögerung und Verzug aus<br />

Es kommt vor, dass die Unmöglichkeit der Leistung während der Leistungsverzögerung eintritt. In<br />

diesem Fall endet die Leistungsverzögerung ab dem Eintritt der Unmöglichkeit.<br />

Das Gesetz sieht in Fällen der Leistungsverzögerung vor<br />

- den Verzug nach § 286, der Schadensersatzansprüche auszulösen<br />

vermag und der neben den fortbestehenden Erfüllungsanspruch tritt<br />

- Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280, der anstelle der<br />

geschuldeten Leistung tritt, die nicht mehr zu erbringen ist<br />

- den Rücktritt nach § 323.<br />

2.1 Schadensersatz wegen Schuldnerverzug:<br />

Die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs sind in § 286 geregelt.<br />

a. Es muss ein rechtsgeschäftliches oder gesetzliches Schuldverhältnis bestehen.<br />

Ohne Schuldverhältnis gibt es weder Schuldner noch Gläubiger.<br />

b. Die vom Schuldner zu erbringende Leistung muss fällig und einredefrei sein. Die<br />

Fälligkeit bestimmt sich nach der Vertragsabrede oder Gesetz wie § 614, ansonsten<br />

ist die Leistung nach § 271 sofort fällig. Die Ware ist bei Abruf zu liefern. Der Abruf bestimmt<br />

die Fälligkeit. Einreden gegen die Forderung können sich aus § 214 Verjährung oder<br />

aus einem Zurückbehaltungsrecht aus §§ 320, 273 ergeben.<br />

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31<br />

c. Der Gläubiger muss den Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit mahnen. Die Mahnung<br />

ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die formlos wirksam<br />

ist. Den Zugang der Mahnung hat der Gläubiger zu beweisen, was in der Praxis häufig<br />

problematisch ist. Eine Freizeichnung vom Erfordernis der Mahnung kommt in Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen nach § 309 Nr. 4 nicht in Betracht.<br />

Die Mahnung kann mit der die Fälligkeit begründenden Willenserklärung zusammenfallen<br />

wie bei der Lieferung auf Abruf. Eine Mahnung vor Fälligkeit ist hingegen unwirksam.<br />

Eine Mahnung kann nach § 286 Abs. 2 entbehrlich sein, wenn<br />

- <strong>für</strong> die Leistung eine Zeit nach dem Kalender vertraglich vereinbart wurde.<br />

Eine einseitige Bestimmung genügt nicht. Am Mittwoch nach Pfingsten. Eine Woche<br />

nach Ostern. Der Leistungstermin lässt sich anhand des Kalenders bestimmen.<br />

- die Leistung nach einem vorhergehenden Ereignis nach dem Kalender bestimmt<br />

ist. Für die Bestimmung der Leistungszeit bedarf es einer vertraglichen<br />

Vereinbarung. Eine einseitige Bestimmung genügt nicht. Zwei Wochen<br />

seit Lieferung. Zwei Wochen nach Rechnungserteilung. Lieferung eine Woche nach Abruf.<br />

Eine Woche nach Fertigstellung. Eine Bestimmung Leistung sofort nach Abruf genügt<br />

nicht. Eine solche Klausel bedeutet keine Fristsetzung sondern lediglich eine <strong>für</strong> § 271 erhebliche<br />

Fälligkeitsbestimmung. Es ist erforderlich, dass der Zeitraum zwischen<br />

dem Ereignis und der Leistung <strong>für</strong> den Schuldner angemessen ist, ansonsten<br />

kann § 286 Abs. 2 nicht eingreifen. Deshalb genügt die Klausel Zahlung sofort<br />

nach Lieferung ebenfalls nicht als Mahnungsersatz.<br />

- Der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Eine Mahnung<br />

wäre dann zwecklos, eine sinnlose Förmelei. An die Leistungsverweigerung<br />

sind hohe Anforderungen zu stellen.<br />

- Aus besonderen Gründen bei eilbedürftigen Pflichten wie die Reparatur eines Wasserrohrbruches<br />

oder die Selbstmahnung des Gläubigers der Leistung, der durch die eigene<br />

Bestimmung des Leistungstermins einer Mahnung des Schuldners zuvorkommt oder wenn<br />

ein Untertauchen des Schuldners den Zugang der Mahnung unmöglich macht.<br />

d. Nach § 286 Abs. 3 tritt bei Entgeltforderungen automatischer Verzug ein durch<br />

die 30-Tages-Regelung ab Fälligkeit und Zugang der Rechnung oder einer gleichwertigen<br />

Zahlungsaufstellung. An die Zahlungsaufstellung sind geringere Anforderungen zu<br />

stellen wie an die Mahnung nach § 286 Abs. 1. Das liegt daran, dass die Mahnung sogleich den Verzug<br />

nach § 286 Abs. 1 auslöst. Die Zahlungsaufstellung führt erst nach der 30-Tages-Frist zum Verzug.<br />

Der Zugang der Rechnung ist vom Gläubiger zu beweisen. Die Rechnung kann<br />

schon vor Fälligkeit zugehen. Die 30-Tages-Frist läuft dann erst ab Fälligkeit und<br />

nicht schon ab Rechnungszugang. Ist der Zugang der Rechnung unsicher, kommt<br />

der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, nach § 286 Abs. 3 S. 3 spätestens 30 Tage<br />

nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.<br />

Die Regelung des § 286 Abs. 3 gilt nur <strong>für</strong> Entgeltforderungen und nicht <strong>für</strong> Geldforderungen<br />

schlechthin. Hierunter fallen Kaufpreisforderungen nicht hingegen der<br />

Anspruch auf Erbringung einer Schenkung in Geld. Mit der Beschränkung auf Entgeltforderungen<br />

sind Ansprüche auf Schadensersatz, aus Bereicherung, Rückzahlung<br />

von Darlehen oder Unterhaltsansprüche ausgeschlossen. Die Frist kommt nach §<br />

357 Abs. 1 S. 2 auf Rückforderungen nach Widerrufserklärung entsprechend zur Anwendung.<br />

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32<br />

Nach § 286 Abs. 3 S. 2 müssen beim Verbrauchsgüterkauf einem Verbraucher diese<br />

Rechtsfolgen auf der Rechnung mitgeteilt werden. Eine Mitteilung in AGB ist damit<br />

nicht ausreichend.<br />

Schon vor Ablauf der 30 Tage kann Verzug nach § 286 Abs. 1 und Abs. 2 eintreten.<br />

Die 30-Tages-Regelung ergänzt die allgemeinen Verzugsvoraussetzungen. Sie ist<br />

keine lex specialis, die diese verdrängt.<br />

e. Nach § 286 Abs. 4 setzt der Verzug Verschulden voraus. Das Gesetz sieht eine<br />

Beweislastumkehr vor und vermutet das Verschulden. Deshalb trifft den Schuldner<br />

die Beweislast, dass ihn kein Verschulden an der Verzögerung der Leistung trifft.<br />

Voraussetzungen des Schuldnerverzugs sind hiernach<br />

• Wirksamer Anspruch<br />

• Nichtleistung<br />

• Fälligkeit<br />

• Mahnung oder<br />

Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2<br />

Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 3<br />

• Vertretenmüssen<br />

f. Erhebt der Schuldner die Einrede der faktischen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 2 oder 3 so bewirkt<br />

dies, dass ab der Geltendmachung der Einrede der Verzug ausgeschlossen ist. Die Leistungsstörung<br />

ist nun als Unmöglichkeit zu behandeln. Der Schuldner gelangt in den Genuss der Befreiung von seiner<br />

Leistungspflicht. Erhebt der Schuldner die Einrede nicht, zeigt er sich als leistungsbereit, dann<br />

bleibt es beim Verzug.<br />

Die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs sind vielseitig geregelt:<br />

a. Nach § 287 haftet der Schuldner während des Verzugs auch <strong>für</strong> zufällige Beschädigung<br />

oder Untergang der geschuldeten Sache. Hätte der Schuldner rechtzeitig<br />

geleistet, so wäre der Leistungsgegenstand nicht mehr den Gefahren aus der Sphäre<br />

des Schuldners ausgesetzt gewesen. Hieraus erwächst ein Schadensersatzanspruch<br />

des Gläubigers aus § 283.<br />

b. Nach §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 ist ein Verzögerungsschaden zu ersetzen.<br />

Ersatzfähig sind nur Schäden, die nach Eintritt des Verzugs entstanden sind. Die<br />

Kosten einer verzugsbegründenden Mahnung hat der Gläubiger folglich selbst zu<br />

tragen. Zum ersatzfähigen Schaden können Kosten der Rechtsverfolgung, ein entgangener<br />

Gewinn oder Kosten <strong>für</strong> eine Mietsache zählen.<br />

Für Geldschulden können nach § 288 Verzugszinsen verlangt werden. Diese werden<br />

in Anlehnung an den Basiszinssatz aus § 247 berechnet. Beim Verzug mit einer<br />

Geldschuld ist diese nach § 288 Abs. 1 mit 5 % über dem Basiszinssatz als gesetzlicher<br />

Mindestschaden zu verzinsen. Ist kein Verbraucher beteiligt, beträgt der gesetzliche<br />

Mindestschaden 8 % über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2. Damit trägt<br />

das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass dem Gläubiger typischerweise ein Zinsverlust<br />

entsteht. § 288 entbindet vom konkreten Schadensnachweis. Es ist dem<br />

Gläubiger unbenommen, einen höheren Schaden nachzuweisen und vom Schuldner<br />

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33<br />

als Verzögerungsschaden geltend zu machen. Solch ein höherer Schaden kann dem Gläubiger<br />

erwachsen, wenn er einen Bankkredit in Anspruch nimmt.<br />

Der Verzögerungsschaden tritt – als Begleitschaden - neben den fortbestehenden<br />

Primäranspruch auf die Leistung. Hinsichtlich der Verjährung ist der Anspruch auf<br />

den Verzögerungsschaden nach § 217 an die Verjährung der Primärleistung gekoppelt.<br />

Ist die Primärleistung verjährt, kann kein Verzögerungsschaden mehr geltend gemacht werden.<br />

c. Der Gläubiger kann nach §§ 280 Abs.1 und Abs. 3, 281 Schadensersatz statt der<br />

- ganzen - Leistung verlangen. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung führt<br />

nach § 281 Abs. 4 zum Untergang des Primäranspruchs. Der Übergang vom Anspruch<br />

auf die Primärleistung zu einem diese Leistung ersetzenden Schadensersatzanspruch<br />

kann einem dringenden Interesse des Gläubigers entsprechen. Häufig will<br />

dieser nicht mehr auf die Primärleistung warten und wird sich anderswo Ersatz besorgen.<br />

aa. Nach § 281 Abs. 1 kann der Gläubiger vom Schuldner bei Verzögerung der Leistung<br />

oder bei Schlechtleistung Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er<br />

dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt<br />

hat und diese Frist erfolglos abgelaufen ist. Diese Fristsetzung erfüllt sogleich die Funktion<br />

einer Mahnung nach § 286 Abs. 1, deshalb erwähnt § 281 nicht das Erfordernis des Verzugs nach §<br />

286 Abs. 1.<br />

Die Frist muss so lang sein, dass der Schuldner die Leistung tatsächlich auch erbringen<br />

kann. Allerdings muss sie dem Schuldner, der noch nichts zur Erbringung der<br />

Leistung unternommen hat, nicht ermöglichen, die Leistung erst anzufangen und zu<br />

erbringen. Da der Schuldner seiner ursprünglichen Leistungspflicht nicht hinreichend<br />

entsprochen hat, können von ihm jetzt auch größere Anstrengungen und damit<br />

schnelleres Handeln erwartet werden. Erweist sich die Frist als unangemessen kurz,<br />

so ist sie damit nicht völlig unwirksam. Vielmehr setzt sie die angemessene Frist in<br />

Lauf.<br />

Nach § 281 Abs. 1 S. 2 kann bei <strong>Teil</strong>leistungen Schadensersatz statt der ganzen<br />

Leistung nach erfolgloser Fristsetzung nur verlangt werden, wenn an der <strong>Teil</strong>leistung<br />

kein Interesse mehr besteht, weil die übrige Leistung ausgeblieben ist.<br />

§ 281 Abs. 2 macht eine Fristsetzung entbehrlich, wenn Umstände vorliegen, die<br />

unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Geltendmachung des<br />

Schadensersatzes statt der Leistung erforderlich machen. Einen solchen Fall stellen etwa<br />

die Just-in-time-Verträge dar, bei denen eine Lieferung zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen muss,<br />

damit die Produktion des Empfängers ordnungsgemäß aufrecht erhalten bleiben kann. Bleibt die Leistung<br />

aus, muss der Gläubiger die Möglichkeit haben, sofort Ersatzbeschaffung anzuordnen, weil sein<br />

Schaden sonst viel größer würde durch einen Produktionsstillstand.<br />

Die Fristsetzung kann wegen eines zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Verzichts<br />

entbehrlich sein. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Verbraucherverträgen ist<br />

solch ein Verzicht auf die Fristsetzung nach § 309 Nr. 4, 310 Abs. 3 nicht statthaft.<br />

Nach § 281 Abs. 3 ist eine Fristsetzung entbehrlich, wenn diese nach der Art der Pflichtverletzung<br />

nicht in Betracht kommt. Anstelle der Fristsetzung tritt dann eine Abmahnung. Dies kommt bei Unterlassungspflichten<br />

in Betracht.<br />

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34<br />

Es ist der kausal aus der Leistungsverzögerung entstandene Schaden zu ersetzen.<br />

Der Gläubiger ist so zu stellen, wie wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte.<br />

bb. Nach § 281 Abs. 4 kann der Gläubiger den Erfüllungsanspruch nicht mehr geltend<br />

machen, sobald er Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat. Es kommt<br />

nicht darauf an, ob er tatsächlich Schadensersatz auch erhält. Damit wird klargestellt,<br />

dass mit Fristablauf der Erfüllungsanspruch noch nicht erlischt. Dieser geht erst unter,<br />

wenn der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt. Mit Fristablauf bestehen der Erfüllungsanspruch<br />

– der Primäranspruch – und ein Schadensersatzanspruch – der Sekundäranspruch<br />

nebeneinander. Durch Erbringung der Primärleistung kann der Schuldner dem Gläubiger die Möglichkeit,<br />

Schadensersatz zu verlangen, nehmen. 6<br />

Bis zu diesem Schadensersatzverlangen muss der Schuldner trotz erfolgter Fristsetzung<br />

und Fristablauf noch mit dem Leistungsverlangen des Gläubigers rechnen. Für<br />

ihn kann eine gewisse Unwägbarkeit entstehen.<br />

cc. Mit der Bezugnahme auf § 280 wird klargestellt, dass der Schuldner die Leistungsverzögerung<br />

nach §§ 280 Abs. 1, 276 zu vertreten haben muss, wobei das Vertretenmüssen<br />

vermutet wird. Es ist Sache des Schuldners zu beweisen, dass ihn kein Verschulden<br />

getroffen hat.<br />

dd. Der Schadensersatzanspruch berechnet sich nach der sogenannten Differenztheorie<br />

nach der Differenz zwischen dem Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung<br />

und der von ihm ersparten Gegenleistung.<br />

d. Nach § 284 kann der Gläubiger anstelle des Schadensersatzes Ersatz seiner vergeblichen<br />

Aufwendungen verlangen. Hierunter fällt der Anspruch auf Vertragskosten.<br />

2.2 Rücktritt<br />

Der Rücktritt wegen Leistungsverzögerung im gegenseitigen Vertrag ist in § 323 geregelt.<br />

a. § 323 gilt <strong>für</strong> Leistungsverzögerungen im gegenseitigen Vertrag und damit nicht<br />

bei Schenkung, Bürgschaft oder Auftrag.<br />

b. § 323 verzichtet darauf, den Verzug des Schuldners als Voraussetzung zu nennen.<br />

Es kommt deshalb nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht darauf an, ob die<br />

Voraussetzungen des § 286 vorliegen. Die Leistung muss lediglich fällig und zum<br />

vertraglich versprochenen Zeitpunkt nicht erbracht worden sein. Ein Verschulden des<br />

Schuldners wird nicht vorausgesetzt. Nach § 323 Abs. 4 kann der Gläubiger schon<br />

vor Eintritt der Fälligkeit zurück treten, wenn absehbar ist, dass die Voraussetzungen<br />

des Rücktritts eintreten werden. Darunter fallen die Fälle endgültiger Erfüllungsverweigerung<br />

schon vor Eintritt der Fälligkeit.<br />

c. Jedoch kann der Rücktritt erst erfolgen, wenn dem Schuldner eine Frist zur<br />

Nacherfüllung gesetzt und diese erfolglos verstrichen ist. Der Gläubiger muss lediglich<br />

eine Frist setzen. Anders als bei § 286 wird eine Mahnung nicht gefordert. Diese<br />

ist durch die Fristsetzung entbehrlich. Der Gläubiger braucht keine besondere Ableh-<br />

6 h.M. ; zum Meinungsstand Bressler, NJW 2004 S. 3382, 3385<br />

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35<br />

nungsandrohung oder andere Maßnahmen zu ergreifen, um die Ernsthaftigkeit seiner<br />

Fristsetzung zu unterstreichen. Er muss bei der Fristsetzung insbesondere nicht<br />

androhen oder zu erkennen geben, ob er Schadensersatz, Rücktritt oder weiterhin<br />

Erfüllung verlangen wird.<br />

Nach § 323 Abs. 2 ist eine Nachfristsetzung entbehrlich, wenn<br />

- der Schuldner die Leistung ernsthaft und entgültig verweigert hat,<br />

- ein relatives Fixgeschäft vorliegt, bei dem mit der Einhaltung des Leistungstermins<br />

der Vertrag stehen oder fallen soll und der Vertragspartner den Fortbestand<br />

seines Erfüllungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Erfüllung gebunden hat<br />

durch eine ausdrücklich dahingehende Vereinbarung im Vertrag – sogenannte Fixklausel.<br />

Allein die Vereinbarung eines festgelegten Leistungstermins genügt nicht.<br />

- besondere Umstände vorliegen, die ein sofortiges Rücktrittsrecht rechtfertigen,<br />

wenn Ware unverkäuflich wird, ein Exportgeschäft undurchführbar wird, weil der ausländische<br />

Käufer wegen des Lieferverzugs keine Importlizenz mehr bekommen kann.<br />

Nach § 323 Abs. 6 ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Gläubiger den maßgeblichen<br />

Umstand allein oder weit überwiegend zu verantworten hat oder der Gläubiger<br />

im Verzug der Annahme ist und der Schuldner den maßgeblichen Umstand<br />

nicht zu vertreten hat.<br />

Der Rücktritt nach § 323 hat folgende Voraussetzungen<br />

• Vorliegen eines gegenseitigen Vertrages<br />

• Fälliger und durchsetzbarer Anspruch auf die Leistung<br />

• Keine Leistung<br />

• Fristsetzung<br />

• Erfolgloser Ablauf der Nachfrist<br />

• Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts nach § 323 Abs. 6<br />

d. Der Verzögerungsschaden aus §§ 280 Abs. 1, 286 kann neben dem Rücktritt aus<br />

§ 323 geltend gemacht werden. Der Verzögerungsschaden kann ab Eintritt des Verzugs<br />

bis zur Wirksamkeit des Rücktritts geltendgemacht werden. Mit Erklärung des<br />

Rücktritts endet das Schuldverhältnis und damit der Verzug. Für einen späteren Zeitpunkt<br />

kann kein Verzögerungsschaden mehr geltend gemacht werden. Der Primäranspruch<br />

auf Erfüllung des Vertrages ist durch den Rücktritt entfallen.<br />

e. Nach §§ 325, 281, 280 kann nach erklärtem Rücktritt auch Schadensersatz statt<br />

der Leistung verlangt werden. Die beiden Rechtsinstitute schließen sich nicht aus.<br />

Fall: Teure Mahnung<br />

Herr Kraus ( K ) hat beim Händler Vogt ( V ) einen Fernsehapparat gekauft und sogleich<br />

bezahlt. K bittet um Anlieferung des Gerätes, da er keine Transportmöglichkeit<br />

hat. V sichert ihm dies zu und verspricht baldige Lieferung. Jedoch hat V nach zwei<br />

Wochen immer noch nicht geliefert. Daraufhin beauftragt K den Rechtsanwalt Ritter<br />

(R). R fordert den V zur Lieferung auf unter Androhung der Klageerhebung.<br />

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Stand 08-2011


Haben R oder K einen Anspruch gegen V auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren?<br />

Welche sonstigen Möglichkeiten stehen dem K zu?<br />

Lösung:<br />

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36<br />

1. R könnte einen Anspruch gegen V aus §§ 611, 675 haben. Den Beratungs- und<br />

Geschäftsbesorgungsvertrag hat er alleine mit K abgeschlossen. K schuldet ihm hieraus<br />

die Entrichtung der Gebühren und nicht V.<br />

2. K könnte gegen V einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 286 haben. Ihm müsste ein<br />

Schaden aus der verspäteten Leistung des V entstanden sein und V müsste sich<br />

zum Zeitpunkt des Schadenseintritts mit der Leistung nach § 286 in Verzug befunden<br />

haben.<br />

a. Zwischen K und V war ein Kaufvertrag zu Stande gekommen. Hieraus erlangte K<br />

einen Lieferanspruch nach § 433 Abs. 1. Dieser Anspruch war nach § 271 Abs. 1<br />

sofort fällig.<br />

b. Nach § 286 Abs. 1 bedarf es einer Mahnung zur Begründung des Verzugs, außer<br />

wenn nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 der Leistungszeitpunkt kalendermäßig bestimmt wurde.<br />

Eine kalendermäßige Bestimmung ist nicht erfolgt. Es bedurfte deshalb der Mahnung<br />

zur Begründung des Verzugs.<br />

Die Mahnung wurde von Rechtsanwalt R ausgesprochen. Mit der Mahnung trat Verzug<br />

ein. V hat den aus dem Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Anwaltskosten<br />

sind jedoch schon vor Verzug und nicht erst aus Verzug entstanden. Die<br />

Anwaltskosten sind keine erst nach Eintritt des Verzugs aus diesem entstandene<br />

Schadensfolgen.<br />

c. Der Verzug könnte durch die 30-Tages-Regelung nach § 286 Abs. 3 eingetreten<br />

sein. Die 30 Tages-Regelung gilt nur <strong>für</strong> Entgeltforderungen nicht hingegen <strong>für</strong> Ansprüche<br />

auf Sachleistungen. Im Übrigen war bei Einschaltung des Rechtsanwaltes die 30 Tages-<br />

Frist noch nicht verstrichen.<br />

Damit handelt es sich um keinen Verzögerungsschaden nach Eintritt des Verzugs. K<br />

hat keinen Anspruch aus § 286 Abs. 1.<br />

3. K kann weiterhin seinen Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 geltend machen.<br />

4. K kann nach § 323 Abs. 1 nach erfolgloser Fristsetzung zur Nacherfüllung vom<br />

Vertrag zurücktreten. Nach erfolgtem Rücktritts kann er sodann gemäß § 346 Abs. 1<br />

Rückzahlung seiner bereits erbrachten Geldleistung fordern. Diese Fristsetzung zur<br />

Nacherfüllung ist bislang nicht erfolgt und muss noch veranlasst werden. Erfolgt ist<br />

lediglich eine Aufforderung zur Leistung, die eine Mahnung im Sinne von § 286 aber<br />

keine Fristsetzung nach § 323 umfasst.<br />

5. Nach §§ 280 Abs. 1, 281 kann er Schadensersatz statt der Leistung geltend machen,<br />

so wenn die Beschaffung eines Ersatzgerätes mit höheren Kosten verbunden<br />

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ist. Der Anspruch setzt jedoch voraus, dass eine erfolglose Fristsetzung zur Nacherfüllung<br />

erfolgt ist. Das Verschulden des V wird im Wege der Beweislastumkehr nach<br />

§ 280 Abs. 1 S. 2 vermutet.<br />

Fall: Garagenwagen<br />

Herr Krüger (K) hat einen Gebrauchtwagen von Herrn Volker (V) erworben. Die<br />

Übereignung soll am 29.11. erfolgen. An diesem Termin soll K den Kaufpreis in bar<br />

vorbeibringen. Als K wie vereinbart zur Abholung bei V vorbeikommt, ist dieser nicht<br />

anzutreffen. Am nächsten Abend teilt V dem K mit, dass er wegen eines dringenden<br />

geschäftlichen Termins verhindert war. K könne am Morgen das 02.12. das Fahrzeug<br />

abholen. In der Nacht zum 02.12. wird das Fahrzeug von unbekannten Dieben<br />

aus der verschlossenen Garage des V entwendet.<br />

K verlangt Schadensersatz. Er hatte sich darauf verlassen, dass ihm am 30. 11. das<br />

gekaufte Fahrzeug zur Verfügung stehen würde und musste an diesem Tag einen<br />

Mietwagen nehmen. Für den Erwerb eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs muss er<br />

mindestens € 1. 000,-- mehr aufwenden.<br />

Lösung:<br />

1. Verzögerungsschaden aus §§ 286 Abs. 2, 280 Abs. 1:<br />

Infolge des Verzuges mit der Erfüllung des Kaufvertrages müsste ein Verzögerungsschaden<br />

eingetreten sein.<br />

a. Zwischen K und V war wirksam ein Kaufvertrag nach §§ 433 Abs. 1 S. 1, 145 über<br />

die Lieferung eines Fahrzeugs abgeschlossen worden.<br />

b. Die Fälligkeit der Lieferung war mit dem vereinbarten Liefertermin am 29.11. eingetreten.<br />

Einer Mahnung bedurfte es nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 nicht, da ein Liefertermin<br />

und damit eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war.<br />

c. Die Verzögerung der Leistung muss nach § 286 Abs. 4 vom Schuldner zu vertreten<br />

sein, wobei das Verschulden vom Gesetz vermutet wird. V gibt einen dringenden<br />

geschäftlichen Termin <strong>für</strong> die Verzögerung der Leistung an. Damit liefert er zwar eine<br />

Erklärung <strong>für</strong> die Verzögerung. Gleichwohl ändert dies nichts am Vertretenmüssen.<br />

Trotz des Termins hätte er pünktlich liefern können. Er hätte den Termin und nicht<br />

die Lieferung zurückstellen müssen.<br />

V schuldet Ersatz des hieraus erwachsenen Verzögerungsschadens. Das sind die<br />

am nächsten Tag, dem 30.11., dem K erwachsenen Kosten <strong>für</strong> einen Mietwagen.<br />

Diese Kosten müssen während des Verzugs entstanden sein. Der Verzug endete<br />

nach § 275 Abs. 1 mit dem Verschwinden des Fahrzeugs in der Nacht zum 02.12.,<br />

was zu einer subjektiven Unmöglichkeit des V führte. Die Unmöglichkeit brachte die<br />

Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 zum Erlöschen und beendete den Verzug <strong>für</strong> die<br />

Zukunft. Verzug setzt die Möglichkeit zur Leistungserbringung voraus. Unmöglichkeit<br />

schließt den Verzug aus. Dieser Ausschluss des Verzugs tritt jedoch erst mit Eintritt<br />

der Unmöglichkeit ein. Der Diebstahl des Fahrzeugs erfolgte erst in der Nacht zum<br />

02.12., während es dem K um einen schon am 30. 11. entstandenen Verzögerungsschaden<br />

geht. Solange dauerte auf jeden Fall der Verzug an.<br />

K hat Anspruch auf Ersatz des am 30.11. entstandenen Verzögerungsschadens.<br />

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2. Schadensersatz wegen erhöhter Anschaffungskosten aus §§ 283, 280 Abs. 1:<br />

Der Gläubiger K kann vom Schuldner V Schadensersatz statt der Leistung verlangen,<br />

wenn V gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 die Unmöglichkeit zu vertreten hat.<br />

a. Durch den Diebstahl des Fahrzeugs, einer Stückschuld, ist nach § 275 Abs. 1 subjektive<br />

Unmöglichkeit <strong>für</strong> V eingetreten.<br />

b. Da V das Fahrzeug in einer verschlossenen Garage verwahrt hat, trifft ihn kein<br />

Vorwurf nach § 276 am Verschwinden des Fahrzeugs. Er hat weder vorsätzlich noch<br />

fahrlässig gehandelt.<br />

Gleichwohl könnte er <strong>für</strong> das Verschwinden nach § 287 S. 2 verantwortlich sein. Der<br />

Schuldner hat während des Verzugs auch eine zufällige Unmöglichkeit der Leistung<br />

zu vertreten.<br />

Wie oben unter 1. gezeigt, befand sich V in Verzug mit der Lieferung des Fahrzeugs<br />

als der Schaden eintrat.<br />

Diese verschärfte Haftung während des Verzugs ist nur ausgeschlossen, wenn der<br />

Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre. Der Schaden wäre bei<br />

rechtzeitiger Leistung nicht eingetreten. Die Diebe hätten dann das Fahrzeug nicht<br />

aus der Garage des V entwenden können.<br />

V haftet hiernach dem K auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens aus der Nichterfüllung,<br />

das sind die Mehrkosten der Ersatzbeschaffung.<br />

3. Sonstige Pflichtverletzungen<br />

Neben den speziell geregelten Verletzungen von Pflichten aus Schuldverhältnissen<br />

durch Unmöglichkeit und Verzug gibt es noch eine Reihe anderer Pflichtverletzungen<br />

bei Abwicklung eines Schuldverhältnisses:<br />

- die Schlechterfüllung der vertraglichen Hauptpflichten, der Arbeitnehmer ist bei<br />

Erbringung seiner Arbeitsleistung unaufmerksam und verursacht einen Maschinenstillstand, weshalb<br />

es zu einem Produktionsausfall kommt; frisch gekauftes jedoch verdorbenes Hundefutter<br />

führt zum Tod des Hundes. Die Verletzung vertraglicher Hauptpflichten ist bei manchen<br />

Vertragsarten im Besonderen <strong>Teil</strong> des <strong>Schuldrecht</strong>s als spezielles Mangelhaftungsrecht<br />

geregelt. So sieht §§ 437 Nr. 2, 441 bei Sachmangel des Kaufgegenstandes<br />

ein Minderungsrecht vor, das speziell <strong>für</strong> den Kaufvertrag gilt und im <strong>Schuldrecht</strong> AT keine Erwähnung<br />

gefunden hat. Auf diese Besonderheiten im Mangelhaftungsrecht wird erst<br />

im Zusammenhang mit dem Kaufrecht, Mietrecht, Werkvertragsrecht eingegangen.<br />

Hier werden nur die allgemeinen Regelungen erörtert, die <strong>für</strong> alle Schuldverhältnisse<br />

ohne Rücksicht auf die Vertragsart und die Sonderregeln im BT gelten.<br />

- die Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten, die der Erfüllung des spezifisch<br />

vertraglichen Leistungsinteresses des Gläubigers dienen Aushändigung einer<br />

Bedienungsanleitung <strong>für</strong> eine Maschine oder die Anbringung von Warnhinweisen bei gefährlichen<br />

Produkten.<br />

- die Verletzung nichtleistungsbezogenen Nebenpflichten, die der Bewahrung<br />

der Rechte, Interessen und Rechtsgüter der Vertragsparteien dienen, wie sie in §<br />

241 Abs. 2 bestimmt werden. Der Käufer rutscht beim Verlassen des Supermarkts auf einem<br />

Salatblatt aus und verletzt sich. Hier hat der Verkäufer und Geschäftsinhaber eine Schutz-<br />

und Obhutspflicht verletzt, die zugunsten seiner Kundschaft besteht. Durch die uneingeschränkte<br />

Erwähnung der Rechtsgüter neben den Rechten wird deutlich ge-<br />

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macht, dass auch das Vermögen geschützt werden soll. Darin besteht ein erheblicher<br />

Unterschied zu § 823 Abs. 1, der nur ganz bestimmte Rechtsgüter schützt.<br />

Diese Pflichtverletzungen können zur Folge haben<br />

- einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1,<br />

- einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus §§ 280, 281oder §§ 280,<br />

282<br />

- Ersatz vergeblicher Aufwendungen nach § 284<br />

- den Rücktritt nach §§ 323, 324.<br />

3.1 Schadensersatzanspruch<br />

a. Der Schadensersatzanspruch nach § 280 setzt ein Vertretenmüssen voraus, wie<br />

es § 276 definiert. Nach § 280 Abs. 1 S. 2 wird dieses Vertretenmüssen vermutet.<br />

Die Beweislastumkehr betrifft nur das subjektive Verschulden und nicht auch die objektive<br />

Pflichtverletzung. Die Pflichtverletzung ist vom Gläubiger zu beweisen. § 280<br />

Abs. 1 führt zum sogenannten kleinen Schadensersatz: Soweit die Leistung schlecht<br />

erbracht wird, kann Schadensersatz verlangt werden. Die Kleidung des Patienten wurde<br />

beim Arztbesuch, Dienstvertrag nach § 611, beschädigt, weil Jodtinktur darauf getropft war. Der Patient<br />

kann Schadensersatz aus § 280 verlangen. Den Arztvertrag lässt dieser Begleitschaden unberührt.<br />

Der Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass<br />

- in einem wirksamen Schuldverhältnis<br />

- eine Pflichtverletzung begangen wird, die<br />

- adäquat kausal zu einem Schaden führt und<br />

- die Pflichtverletzung nach § 276 zu vertreten ist.<br />

b. Weitergehend kann unter den besonderen Voraussetzungen des § 281 oder § 282<br />

der Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht werden: Der Begriff Schadensersatz<br />

statt der Leistung soll zum Ausdruck bringen, dass diese Art des Schadensersatzes<br />

nicht neben dem Primäranspruch sondern nur an dessen Stelle geltend<br />

gemacht werden kann. Hat der Gläubiger an der Erfüllung kein Interesse mehr<br />

und will vom Erfüllungsanspruch auf Sekundäransprüche übergehen, kann er Schadensersatz<br />

statt der Leistung wählen.<br />

- §§ 280, 281 erfasst den Fall der Verletzung einer vertraglichen Hauptpflicht<br />

oder einer leistungsbezogenen Nebenpflicht<br />

- §§ 280, 282 erfasst die nichtleistungsbezogenen Nebenpflichten.<br />

Gegenstand des Schadensersatzanspruches statt der Leistung sind alle Einbußen,<br />

die wegen des endgültigen Ausbleibens der Leistung eingetreten sind. Sind Nachteile<br />

schon vor dem endgültigen Ausbleiben der Leistung eingetreten, unterfallen sie alleine § 280 Abs. 1<br />

und nicht dem Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 Abs. 3 iVm. §§ 281, 282, 283.<br />

aa. Der Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 setzt eine erfolglose<br />

Fristsetzung zur Nacherfüllung voraus.<br />

Die Schlechterfüllung muss vom Schuldner zu vertreten sein, wie die Verweisung<br />

auf § 280 Abs. 1 deutlich macht.<br />

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Gemäß § 281 Abs. 4 kann der Gläubiger den Erfüllungsanspruch nicht mehr geltend<br />

machen, sobald er Schadensersatz verlangt hat. Es kommt nicht darauf an, ob er tatsächlich<br />

Schadensersatz auch erhält. Die bloße Drohung, Schadensersatz verlangen zu wollen, genügt nicht.<br />

Der Gläubiger hat ein Wahlrecht zwischen dem<br />

- kleinen Schadensersatz aus § 281 Abs. 1 S. 1 und<br />

- dem großen Schadensersatz nach § 281 Abs. 1 S. 3, dem Schadensersatz<br />

statt der ganzen Leistung.<br />

Beim kleinen Schadensersatz behält der Gläubiger die unzureichende Leistung und<br />

verlangt so gestellt zu werden, als wäre gehörig erfüllt worden. Er kann den Minderwert<br />

der mangelhaften Leistung oder Reparaturkosten, einen entgangenen Gewinn<br />

geltend machen. Der gekaufte Gebrauchtwagen stellt sich im Nachhinein als schlecht reparierter<br />

Unfallwagen heraus. Der Käufer verlangt als Schadensersatz die Kosten <strong>für</strong> eine erneute Reparatur<br />

und den Minderwert, weil es sich um einen Unfallwagen handelt.<br />

Nach § 281 Abs. 1 S. 3 kann der Gläubiger bei einer Schlechtleistung Schadensersatz<br />

statt der gesamten Leistung geltend machen, wenn die Schlechtleistung erheblich<br />

ist. Dieser große Schadensersatz führt zur Rückgewähr der erbrachten unzureichenden<br />

Leistung und Ersatz des Schadens, der durch Nichterfüllung des ganzen<br />

Vertrages entstanden ist wie Rückzahlung einer Gegenleistung, entgangener Gewinn,<br />

Mehrkosten <strong>für</strong> eine Ersatzleistung. Wählt der Gläubiger den großen Schadensersatz,<br />

hat er dem Schuldner den bereits von diesem erbrachten <strong>Teil</strong> der Leistung<br />

zurückzugewähren. Beschädigungen und Nutzungen des Leistungsgegenstandes<br />

sind nach den Rücktrittsregeln auszugleichen. Der gekaufte Gebrauchtwagen stellt sich<br />

im Nachhinein als schlecht reparierter Unfallwagen heraus. Diese Schlechtleistung ist erheblich. Der<br />

Käufer gibt das Fahrzeug zurück, verlangt den von ihm bezahlten Kaufpreis heraus und macht einen<br />

entgangenen Gewinn geltend, weil er das Fahrzeug nicht mit Gewinn an einen Interessenten weiterverkaufen<br />

konnte.<br />

Die nicht gesetzestechnischen Begriffe großer und kleiner Schadensersatz orientieren sich am typischen<br />

Leistungsbild des jeweils gewählten Schadensersatzes. Beim kleinen Schadensersatz wird<br />

regelmäßig nicht soviel bewegt wie beim großen Schadensersatz, bei dem die gesamten erbrachten<br />

Leistungen zurückzugewähren sind und der Umfang deshalb regelmäßig größer ist.<br />

bb. Nach § 282 kann Schadensersatz statt der Leistung geschuldet werden, wenn<br />

lediglich nichtleistungsbezogene Nebenpflichten - wie in § 241 Abs. 2 geregelt -<br />

verletzt werden. Soweit sich die Verletzung dieser Pflichten auf die Hauptleistung auswirkt und zur<br />

Folge hat, dass die Leistung nicht vertragsgemäß erbracht wird, ist § 281 einschlägig.<br />

Die Pflichtverletzung muss vom Schuldner zu vertreten sein, wie die Verweisung auf<br />

§ 280 Abs. 1 deutlich macht.<br />

Es kann sein, dass die Verletzung der Neben- und Schutzpflichten das eigentliche<br />

Leistungsinteresse des Gläubigers unberührt lassen und nur Schadensersatz aus §<br />

280 Abs. 1 geltend gemacht wird. Gleichwohl kann sich auch in solchen Fällen die<br />

Notwendigkeit ergeben, Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu wählen. Zu<br />

denken ist an den Fall, dass der Schuldner die von ihm versprochene Leistung zwar<br />

an sich ordnungsgemäß erbringt, aber unter Begleitumständen, die <strong>für</strong> den Gläubiger<br />

nicht erträglich sind. Ein Maler führt die von ihm übernommenen Malerarbeiten ordentlich aus,<br />

beschädigt jedoch immer wieder schuldhaft während der einige Zeit in Anspruch nehmenden Arbeiten<br />

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die Eingangstür und Einrichtungsgegenstände. Schadensersatz wegen der Sachschäden kann der<br />

Gläubiger unmittelbar aus § 280 Abs. 1 verlangen. Unter den Voraussetzungen des § 282 kann der<br />

Gläubiger noch vor Abschluss der Arbeiten einen anderen Maler mit der Beendigung der Arbeiten<br />

beauftragen, die hier<strong>für</strong> entstandenen Mehrkosten dem ersten unsorgfältigen Maler in Rechnung stellen.<br />

In diesen Fällen kommt obendrein ein Rücktrittsrecht nach § 324 in Betracht.<br />

Die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenleistungspflichten auf der einen Seite<br />

und nichtleistungsbezogenen Nebenpflichten ist nicht immer eindeutig. Haupt- und<br />

Nebenleistungspflichten dienen einer Veränderung der Güterlage des Gläubigers,<br />

während nichtleistungsbezogene Nebenpflichten dem Schutz der gegenwärtigen Güterlage<br />

dienen. Es ist anerkannt, dass es doppelrelevante Nebenpflichten gibt. Eine<br />

Bedienungsanleitung kann der Information über die Inbetriebnahme und damit der Erreichung des<br />

Vertragszwecks dienen oder dem Schutz des Bedienungspersonals vor Verletzungen. Die h.L. geht<br />

von einem Vorrang der Regelungen über Leistungspflichten aus und wendet §§ 280, 281,<br />

283, 311a, 323, 326 an und nicht die Regeln über nichtleistungsbezogene Nebenpflichten wie §§ 280,<br />

282, 324.<br />

Da aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis nach § 311 keine Leistungspflichten erwachsen,<br />

kommen bei Pflichtverletzungen nicht §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282 zur Anwendung sondern § 280 Abs.<br />

1 direkt, denn § 282 behandelt den Schadensersatz statt der Leistung.<br />

c. Nach § 284 hat der Gläubiger die Möglichkeit, anstelle des Schadensersatzes statt<br />

der Leistung Aufwendungsersatz zu verlangen. Die Formulierung anstelle beinhaltet<br />

eine Verweisung auf die Voraussetzungen des §§ 280 Abs. 1 und Abs.3. Einschränkend<br />

werden nur die Aufwendungen ersetzt, die der Gläubiger billigerweise<br />

machen durfte und die zur Zweckerreichung geeignet waren. Verlangt der Gläubiger<br />

Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen, so wird er so gestellt, als wäre der Vertrag<br />

nicht geschlossen worden. Hat der Erwerber im Vertrauen auf die Beschaffung eines<br />

Kunstwerks seine Wohnung umgestaltet, kann er nach § 284 seine frustrierten Aufwendungen geltend<br />

machen, wenn das Kunstwerk mangelbehaftet ist.<br />

d. Die Abgrenzung zwischen den Fällen des § 280 Abs. 1 und den Fällen des § 280<br />

Abs. 1, Abs. 3 ist recht verwirrend. § 280 Abs. 1 und Abs. 3 Schadensersatz statt der Leistung<br />

erfassen den Schaden, der dadurch entsteht, dass die geschuldete Leistung<br />

endgültig ausbleibt. Da der Schaden an die Stelle der primär geschuldeten Leistung<br />

tritt, heißt er Schadensersatz statt der Leistung. Für diesen Schaden gelten neben<br />

den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 die weiteren Voraussetzungen des § 280<br />

Abs. 3, der auf §§ 281-283 verweist. Der Schadensersatz statt der Leistung setzt<br />

voraus, dass die geschuldete Leistung endgültig nicht erbracht wird. Der Vertrag wird<br />

nicht mehr wie ursprünglich vereinbart durchgeführt. Diese weitreichende Rechtsfolge<br />

kann nur eingreifen, wenn die besonderen Voraussetzungen der §§ 281- 283 eingreifen.<br />

Hingegen erfasst § 280 Abs. 1 den Schadensersatzanspruch neben der Leistung.<br />

Hierunter fallen Schäden, die bestehen bleiben, selbst wenn die geschuldete Leistung<br />

– noch - ordnungsgemäß erbracht wird. Das sind Schäden, die außerhalb der<br />

geschuldeten Leistung an anderen Rechtsgütern des Gläubigers entstanden sind.<br />

Sie werden zumeist durch die Verletzung einer Schutzpflicht aus § 241 Abs. 2 ausgelöst<br />

und auch als Mangelfolgeschäden bezeichnet.<br />

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3.2 Rücktritt<br />

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a. § 323 betrifft den Rücktritt wegen Verletzung einer Hauptpflicht oder einer leistungsbezogenen<br />

Nebenpflicht. Dies setzt grundsätzlich eine erfolglose Nachfristsetzung<br />

und nach § 323 Abs. 5 S. 2 Erheblichkeit voraus.<br />

b. § 324 regelt den Rücktritt wegen Verletzung einer nichtleistungsbezogenen Nebenpflicht<br />

aus § 241 Abs. 2. Der Gläubiger kann zurücktreten, wenn ihm ein Festhalten<br />

am Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Eine Nachfristsetzung ist vor Ausspruch des<br />

Rücktritts nicht erforderlich. Hierbei geht es um die nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten<br />

wie Schutz- und Obhutspflichten.<br />

Der Rücktritt nach § 324 setzt voraus<br />

• Gegenseitiger Vertrag<br />

• Verletzung einer Pflicht nach § 241 Abs. 2<br />

• Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag<br />

c. Nach § 325 wird der Anspruch auf Schadensersatz durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen.<br />

4. Annahmeverzug<br />

Der Gläubiger gerät in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht<br />

annimmt oder eine sonstige zur Erfüllung erforderliche Mitwirkungshandlung unterlässt.<br />

Der Annahmeverzug wird auch Gläubigerverzug genannt. Der Besteller eines<br />

maßgeschneiderten Anzugs muss zur Anprobe kommen. Der Tennisschüler muss zum Unterricht auf<br />

den Platz kommen. Der Käufer muss die ihm angebotene Ware abholen. Hat der Besteller von Gipserarbeiten<br />

dem Handwerker zugesagt, dass er ein Gerüst aufstellt, kommt er in Annahmeverzug mit<br />

einer Mitwirkungshandlung, wenn zum vorgesehenen Beginn der Gipserarbeiten das Gerüst nicht<br />

steht.<br />

Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers befreit den Schuldner nicht von seiner<br />

Leistungspflicht. Der Bestand des Schuldverhältnisses wird dadurch nicht berührt.<br />

Das Schuldverhältnis erlischt nicht. Der Annahmeverzug lässt<br />

- den Fortbestand des Schuldverhältnisses<br />

- den Fortbestand des Leistungsanspruchs<br />

unberührt. Gleichwohl können dem Gläubiger Nachteile erwachsen, wenn er in Annahmeverzug<br />

nach §§ 293 ff. gerät.<br />

a. Der Annahmeverzug setzt voraus, dass der Schuldner nach § 271 Abs. 2 zur Leistung<br />

berechtigt ist. Die Leistung muss erfüllbar sein.<br />

b. Der Schuldner muss nach § 297 zur Leistung bereit und im Stande sein. Solange<br />

der Schuldner nicht leistungsbereit ist, kommt ein Annahmeverzug nicht in Betracht.<br />

Kann der Schuldner die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringen, kommt<br />

der Gläubiger nicht in Annahmeverzug. Der Tennisunterricht kann wegen Regen nicht stattfinden.<br />

Die Anprobe beim Schneider kommt wegen dessen Erkrankung nicht in Betracht. Die gelieferte<br />

Gattungssache ist nicht von mittlerer Art und Güte.<br />

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aa. Nach § 293 ist in der Regel ein Angebot des Schuldners an den Gläubiger erforderlich.<br />

Er muss die Leistung, so wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anbieten gemäß<br />

§ 294. Ist die angebotene Leistung nicht einwandfrei, muss der Gläubiger sie nicht<br />

annehmen.<br />

bb. Es genügt nach § 295 ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger erklärt hat, die<br />

Leistung nicht annehmen zu wollen. Ein wörtliches Angebot ist auch ausreichend,<br />

wenn zur Leistungsbewirkung eine Mitwirkungshandlung des Gläubigers erforderlich<br />

ist wie die Abholung bei der Holschuld. Nach § 295 genügt dann die Aufforderung des<br />

Schuldners an den Gläubiger, die erforderliche Mitwirkungshandlung vorzunehmen.<br />

cc. Nach § 296 bedarf es keines Angebots, wenn der Gläubiger seine Mitwirkungshandlung<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen hat und dieser nicht pünktlich<br />

nachkommt. Die Abholung der bereitgestellten Ware soll am Montag erfolgen. Wird sie am<br />

Montag nicht abgeholt, tritt automatisch Annahmeverzug ein, ohne dass der Schuldner die Leistung<br />

tatsächlich oder wörtlich anbieten musste.<br />

c. Eine vorübergehende Annahmeverhinderung des Gläubigers führt nach § 299<br />

nicht zum Gläubigerverzug, wenn der Schuldner ihm die Leistung ohne Ankündigung<br />

unerwartet liefert. Der Gläubiger muss sich nicht zu jeder Zeit annahmebereit sein.<br />

Der Schuldner sollte bis spätestens Freitag, den 30. 05. liefern. Nach § 271 Abs. 2 darf er auch früher<br />

liefern. Liefert er ohne Ankündigung schon am Donnerstag, kommt der Gläubiger nicht in Verzug.<br />

Dieser muss sich nicht jederzeit annahmebereit halten.<br />

d. Nach § 293 setzt der Annahmeverzug alleine voraus, dass der Gläubiger das Leistungsangebot<br />

des Schuldners nicht angenommen hat. Es bedarf keines Verschuldens<br />

des Gläubigers. In §§ 293 ff. fehlt es anders als beim Schuldnerverzug in § 286<br />

Abs. 4 am Erfordernis des Verschuldens. Annahmeverzug tritt ohne Verschulden des<br />

Gläubigers ein.<br />

e. Annahmeverzug tritt nach § 298 auch dann ein, wenn der Gläubiger die ihm angebotene<br />

Leistung zwar annehmen, aber die geforderte und fällige Gegenleistung nicht<br />

erbringen will.<br />

Der Annahmeverzug löst eine Vielzahl recht unterschiedlicher Konsequenzen aus:<br />

a. Wie der Schuldnerverzug so führt auch der Annahmeverzug nicht zum Erlöschen<br />

der Leistungspflichten. Die Leistungspflicht bleibt bestehen: Der Schuldner muss sich<br />

weiterhin leistungsbereit halten. Als Ausgleich gewährt § 300 eine Haftungserleichterung.<br />

Der Schuldner haftet während des Annahmeverzugs nur <strong>für</strong> Vorsatz und<br />

grobe Fahrlässigkeit. Beschädigt der Schuldner den Leistungsgegenstand leicht fahrlässig, hat er<br />

<strong>für</strong> diese Beschädigung nicht einzustehen.<br />

b. Nach § 300 Abs. 2 geht bei Gattungsschulden mit Annahmeverzug die Leistungsgefahr<br />

auf den Gläubiger über. Aus der Gattungsschuld ist eine Stückschuld<br />

geworden. Es besteht keine Beschaffungspflicht mehr. Der Schuldner kann sich auf<br />

Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 berufen, sollte der geschuldete Gegenstand untergehen.<br />

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44<br />

c. Im gegenseitigen Vertrag behält der Schuldner trotz Untergangs der geschuldeten<br />

Sache nach § 326 Abs. 2 den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Untergang<br />

durch einen von ihm nicht zu vertretenden Umstand während des Annahmeverzugs<br />

des Gläubigers eintritt. Da der Schuldner im Annahmeverzug nach § 300 Abs. 1 nur<br />

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, muss der Gläubiger bei leicht fahrlässig vom<br />

Schuldner herbeigeführter Unmöglichkeit die Gegenleistung erbringen.<br />

d. Der Schuldner kann vom Gläubiger die Mehraufwendungen verlangen, die ihm<br />

durch den Annahmeverzug entstehen gemäß § 304. Hierzu zählen die Kosten <strong>für</strong> die<br />

Aufbewahrung und Erhaltung der geschuldeten Leistung sowie die Kosten einer<br />

zweiten Anlieferung. Nach § 372 ist der Schuldner zur Hinterlegung berechtigt.<br />

e. Nach § 301 muss der Schuldner eine Geldschuld während des Annahmeverzugs<br />

nicht mehr verzinsen. Der Gläubiger verliert den Zinsanspruch.<br />

Der Zirkus Z hat vom Tierfänger T einen Elefanten erworben. Zum vorgesehenen Termin ist Z nicht<br />

bereit, das angelieferte Tier abzunehmen. T muss das Tier abtransportieren und andernorts unterbringen.<br />

Soweit es um die Lieferpflicht des T aus § 433 Abs. 1 geht, ist Z nach §§ 293, 294 in Gläubigerverzug<br />

geraten. Der T ist Schuldner und Z ist Gläubiger der Lieferpflicht. Hinsichtlich der Abnahmepflicht<br />

aus § 433 Abs. 2 ist Z Schuldner und T Gläubiger. Hier kann seitens des Schuldners Z Leistungsverzögerung<br />

nach §§ 323, 281 und Schuldnerverzug nach § 286 vorliegen. Beim Kaufvertrag<br />

können deshalb Schuldner- und Gläubigerverzug gleichzeitig nebeneinander gegeben sein. Aus dem<br />

Schuldnerverzug ergeben sich nach §§ 323, 281 Möglichkeiten, sich vom Vertrag zu lösen. Die Regelung<br />

des Gläubigerverzugs in §§ 293 ff kennt keine solche Möglichkeit.<br />

Fall: Autoradio<br />

Autohändler Vogel (V) hat an Herrn Krüger (K) und an Herrn Müller (M) jeweils ein<br />

Gebrauchtfahrzeug veräußert. K bittet um Einbau eines Autoradios und M um die<br />

Montage von Sportreifen. V ist zu diesen Zusatzarbeiten bereit. Deshalb sollen K und<br />

M ihre Fahrzeuge erst am Freitag abholen.<br />

Als K am Freitag bei V erscheint, stellt sich heraus, dass V mit den Arbeiten noch<br />

nicht fertig ist. M kommt am Freitag nicht vorbei, weil er aus beruflichen Gründen<br />

verhindert ist. Beide Fahrzeuge bleiben deshalb über Nacht auf dem abgeschlossenen<br />

Betriebsgelände des V stehen. In derselben Nacht stiehlt eine Diebesbande verschiedene<br />

Fahrzeuge darunter auch die von K und M gekauften Fahrzeuge vom Betriebsgelände.<br />

Sowohl K wie M melden nun Schadensersatzansprüche bei V an.<br />

Beide hatten vor, die erworbenen Fahrzeuge mit Gewinn weiter zu veräußern.<br />

Lösung:<br />

1. K könnte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 283, 280 geltend machen. Es<br />

wurde ein Kaufvertrag wirksam abgeschlossen nach §§ 433, 145. Wegen nachträglichen<br />

Unvermögens ist die Lieferpflicht des V nach § 275 Abs. 1 erloschen.<br />

V müsste das Unvermögen zu vertreten haben. Es liegt zwar nicht § 276 vor. V hat<br />

den Diebstahl weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt. Jedoch ist § 287 gegeben.<br />

V befand sich mit der Lieferung nach § 286 in Verzug. Er hat den fälligen und<br />

kalendermäßig bestimmten Liefertermin nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 nicht eingehalten.<br />

Einer Mahnung bedurfte es nicht. Nach § 286 Abs. 4 wird vermutet, dass er den Verzug<br />

zu vertreten hat. Hiernach hat er während des Verzugs nach § 287 selbst zufälli-<br />

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45<br />

ges Unvermögen zu vertreten. K hat einen Schadensersatzanspruch aus §§ 283,<br />

280 gegen V. (Hinweis: Der Anspruch auf die Gegenleistung ist nach § 326 Abs. 1 untergegangen)<br />

2. Ein Schadensersatzanspruch des M könnte sich gleichfalls aus §§ 283, 280 ergeben.<br />

V müsste das nachträgliche Unvermögen zu vertreten haben.<br />

Da sich M nach §§ 293, 296, in Annahmeverzug befand, hat V nur Vorsatz und grobe<br />

Fahrlässigkeit nach § 300 Abs. 1 zu vertreten. Hier<strong>für</strong> bietet der Sachverhalt keinerlei<br />

Anhaltspunkte. M hat keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 283, 280 gegen V.<br />

(Hinweis: Nach § 326 Abs. 2 bleibt er obendrein zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet)<br />

Fall: Küchenmaschine<br />

Herr Krüger (K) kauft im Haushaltswarengeschäft des Herrn Volkmann (V) eine<br />

hochmoderne Küchenmaschine. Da die Küchenmaschine sehr schwer und sperrig<br />

ist, will K die Maschine erst am nächsten Tag mit seinem Fahrzeug abholen. V verpackt<br />

die Maschine und hält sie zur Abholung am nächsten Tag bereit. Trotz mehrfacher<br />

Aufforderung kommt K dem in den nächsten zwei Wochen nicht nach. Nach einem<br />

Verkehrsunfall liegt er im Krankenhaus. Bei einem nächtlichen Einbruch in das<br />

Geschäft des V werden zahlreiche hochwertige Maschinen sowie die <strong>für</strong> K bereitgehaltene<br />

Maschine gestohlen.<br />

V verlangt Zahlung der Küchenmaschine. Hingegen verlangt K Lieferung einer Maschine<br />

des ausgewählten Typs.<br />

Lösung:<br />

1. Der Lieferanspruch des K könnte sich aus § 433 Abs. 1 S. 1 ergeben. Zwischen V<br />

und K wurde ein Kaufvertrag nach §§ 145 ff abgeschlossen.<br />

Der Lieferanspruch könnte jedoch nach § 275 Abs. 1 untergegangen sein. Es könnte<br />

ein nachträgliches Unvermögen vorliegen, da die <strong>für</strong> K ausgewählte Maschine sich<br />

bei den Einbrechern befindet und <strong>für</strong> V nicht erreichbar ist.<br />

Ein Unvermögen scheidet jedoch aus, wenn nach wie vor eine Gattungsschuld besteht.<br />

V hat dann seiner Lieferpflicht aus der Gattung weiter nachzukommen. Bei der<br />

Lieferung einer neuwertigen Küchenmaschine handelt es sich um eine Gattungsschuld<br />

nach § 243 Abs. 1, da es dem Erwerber nur darauf ankommt, eine Küchenmaschine<br />

des ausgewählten Typs zu bekommen. Er legt keinen Wert auf ein ganz<br />

bestimmtes Einzelstück. Neuwertige Küchenmaschinen sind als Gattungsschulden<br />

einzuordnen.<br />

Gleichwohl könnte diese mittlerweile nach § 243 Abs. 2 zu einer Stückschuld konkretisiert<br />

worden sein. Der Schuldner V müsste das zur Leistung der Maschine seinerseits<br />

Erforderliche getan haben. Was zur Leistung erforderlich ist, ergibt sich daraus,<br />

welcher Leistungsort vorgesehen ist. Aufgrund der vertraglichen Abrede wurde eine<br />

Holschuld bestimmt. K wollte die Maschine abholen. V hat eine einwandfreie Küchenmaschine<br />

mit den vereinbarten Gattungsmerkmalen ausgesondert und diese zur<br />

Abholung bereitgehalten. Damit hat V alle seinerseits zur Erfüllung erforderlichen<br />

Handlungen vorgenommen. Es war damit Konkretisierung zu einer Stückschuld eingetreten.<br />

Nur die ausgesonderte Maschine war geschuldet. Durch den Diebstahl die-<br />

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46<br />

ser Maschine ist Unvermögen eingetreten. Die Leistungspflicht ist nach § 275 Abs. 1<br />

durch Diebstahl erloschen.<br />

2. Der Zahlungsanspruch des V gegen K könnte sich aus § 433 Abs. 2 ergeben.<br />

Wegen nachträglichen Unvermögens mit der Leistungspflicht könnte der Anspruch<br />

auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 untergegangen sein. Nach § 326 Abs. 1<br />

erlischt der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn dem Schuldner die Erbringung<br />

der vertragsgemäßen Leistung unmöglich geworden ist.<br />

Gleichwohl könnte die Regel des § 326 Abs. 1 Keine Leistung kein Geld hier durch<br />

die Vorschrift des § 326 Abs. 2 durchbrochen sein. Befindet sich der Käufer in Annahmeverzug<br />

und geht während des Annahmeverzugs die geschuldete Leistung unter,<br />

so bleibt der Anspruch auf die Gegenleistung bestehen, wenn der Schuldner den<br />

Untergang nicht zu vertreten hat. Den V traf am Diebstahl der geschuldeten Maschine<br />

kein Verschulden. K befand sich im vorliegenden Fall in Annahmeverzug. V hatte<br />

ihm die geschuldete Leistung so wie sie nach § 297 zu bewirken war bereitgestellt.<br />

Eines Angebots bedurfte es nach § 296 nicht, da die Abholung am nächsten Tag erfolgen<br />

sollte. Damit war der Leistungszeitpunkt kalendermäßig bestimmt.<br />

Für den Annahmeverzug ist es unerheblich, dass K im Krankenhaus lag. Der Annahmeverzug<br />

setzt kein Verschulden seitens des Gläubigers voraus.<br />

Damit befand sich K in Annahmeverzug und ist weiterhin zur Gegenleistung nach §<br />

326 Abs. 2 verpflichtet.<br />

5. Rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse<br />

Kommt es im Vorfeld des Vertragsabschlusses zu einer Schädigung des potentiellen<br />

Vertragspartners, greifen die oben beschriebenen Leistungsstörungsinstitute nicht<br />

ein. Diese setzen ein wirksam begründetes Schuldverhältnis voraus. Der Geschädigte<br />

kann allenfalls nach den Regeln der unerlaubten Handlung Ersatz verlangen.<br />

Gleichwohl ist anerkannt, dass bereits bei Vertragsanbahnung ein vertragsähnliches<br />

Vertrauensschuldverhältnis entstehen und bei dessen Verletzung eine vertragsähnliche<br />

Haftung eingreifen kann. Hier spricht man von Verschulden bei Vertragsschluss<br />

oder culpa in contrahendo. Dieses ursprünglich gewohnheitsrechtlich entwickelte<br />

Rechtsinstitut hat eine Ausgestaltung in § 311 Abs. 2 und Abs. 3 gefunden. Bei Verletzung<br />

vorvertraglicher Pflichten kann sich ein Schadensersatzanspruch aus § 280<br />

Abs. 1 ergeben. Es kommt nicht darauf an, ob der Vertrag später geschlossen wird.<br />

Die rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisse sind in § 311 Abs. 2 nicht abschließend geregelt.<br />

Eine abschließende Regelung ist in Anbetracht der großen Bandbreite und Vielfalt der zu berücksichtigenden<br />

Pflichten und der Unterschiede in den durch diese Pflichten geschützten Interessen nicht zu<br />

leisten und nicht erstrebenswert.<br />

Das rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis setzt ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis<br />

voraus:<br />

a. Das Schuldverhältnis entsteht nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 mit dem Beginn der Vertragsverhandlungen.<br />

Hierdurch entstehen Pflichten zur Rücksichtnahme, Fürsorge<br />

und Loyalität. Hierzu zählen Obhuts- und Sorgfaltspflicht sowie Aufklärungspflichten<br />

über wesentliche Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Die Inhaber von<br />

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7<br />

BGH NJW 1996 S. 1884<br />

8<br />

BGHZ 66 S. 4<br />

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47<br />

Ladengeschäften trifft eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber ihrer Kundschaft; Hinweis des<br />

Wohnbauunternehmens auf notarielle Beurkundungspflicht eines Grundstückskaufvertrages gegenüber<br />

dem unerfahrenen Käufer.<br />

K hatte von B ein Gebäude zum Betrieb einer Druckerei gemietet. Später kam es zwischen den beiden<br />

zu Kaufverhandlungen zum Preis von € 380.000,--. Im Vertrauen auf den Erwerb führte K Umbaumaßnahmen<br />

im Einverständnis mit B aus. Der Erwerb scheiterte, weil B nunmehr einen Preis von<br />

€ 500.000,-- verlangte. Nach dem BGH 7 hat jeder der Vertragspartner im Rahmen der Vertragsfreiheit<br />

bis zum Vertragsschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsabschluss Abstand zu<br />

nehmen. Der in Erwartung des Vertragsabschlusses gemachte Aufwand erfolgt grundsätzlich auf eigene<br />

Gefahr. Alles andere würde dem Zweck der Formvorschrift des § 311b Abs. 1 zuwiderlaufen.<br />

Selbst ein ohne triftigen Grund erfolgter Abbruch von Vertragsverhandlungen löst keine Schadensersatzansprüche<br />

aus. Ausnahmsweise kann eine vorsätzliche Treupflichtverletzung einen Schadensersatzanspruch<br />

aus cic begründen wie sie im Vorspiegeln einer nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft<br />

gegeben sein kann. Dem ist der Fall gleichzustellen, dass ein Verhandlungspartner zwar zunächst<br />

die von ihm geäußerte Verkaufsabsicht hatte, im Verlauf der Verhandlungen aber innerlich<br />

davon abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der potentielle<br />

Verkäufer bereits mit Aus- und Umbaumaßnahmen des Kaufinteressenten einverstanden erklärt hatte.<br />

In solchen Fällen wird durch die Äußerung einer endgültigen Abschlussbereitschaft zu bestimmten<br />

Bedingungen dem Verhandlungspartner der Eindruck einer besonderen Verhandlungslage vermittelt,<br />

der den Verhandlungspartner der erhöhten Gefahr nachteiliger Vermögensdispositionen aussetzt.<br />

Diese besondere Gefährdungslage begründet eine gesteigerte Vertrauensbeziehung, die den Verhandelnden<br />

zu erhöhter Rücksichtnahme auf die Interessen seines Partners verpflichtet. Aus ihr folgt<br />

die Verpflichtung, den Partner vor einem Irrtum über den (Fort-) Bestand einer geäußerten, tatsächlich<br />

aber nicht (mehr) vorhandenen endgültigen Abschlussbereitschaft zu bestimmten Bedingungen zu<br />

bewahren.<br />

b. Das rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis kann sich aus der Anbahnung eines<br />

Vertrages ergeben nach § 311 Abs. 2 Nr. 2, auch wenn noch keine Verhandlungen<br />

aufgenommen wurden. Eine Kundin betritt das Lebensmittelgeschäft und rutscht auf einem Salatblatt<br />

aus. 8 Der Kunde beschädigt aus Unachtsamkeit ausgestellte Waren im Geschäft. Plaudert ein<br />

potentieller Vertragspartner Betriebsgeheimnisse aus, die er bei den vorbereitenden Gesprächen <strong>für</strong><br />

sein Angebot erfahren hat, haftet er nach §§ 280, 311 Abs. 2 Nr. 2.<br />

c. Ansprüche aus rechtsgeschäftsähnlichem Schuldverhältnis können nach § 311<br />

Abs. 2 Nr. 3 bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten entstehen. Das sind Kontakte,<br />

bei denen noch kein Vertrag angebahnt, ein solcher aber vorbereitet werden soll.<br />

d. Nach § 311 Abs. 3 haftet ein Sachwalter, der gar nicht selbst Vertragspartei werden<br />

sollte. Das sind die Fälle der Eigenhaftung eines Vertreters oder Verhandlungsgehilfen.<br />

Der Sachwalter muss das Vertrauen <strong>für</strong> seine eigene Person in Anspruch<br />

nehmen und nicht <strong>für</strong> den potentiellen Vertragspartner, <strong>für</strong> den er agiert. Er muss aus<br />

seiner Rolle als Verhandlungsgehilfe, Stellvertreter, Makler heraustreten und eine<br />

eigenständige Funktion übernehmen. Der Sachwalter muss ein besonderes Vertrauen<br />

<strong>für</strong> sich selbst in Anspruch nehmen. Dieses besondere Vertrauen muss über das<br />

normale Verhandlungsvertrauen hinausgehen.<br />

aa. Sachwalter kann nach § 311 Abs. 3 S. 2 insbesondere ein Sachverständiger oder<br />

eine andere Auskunftsperson sein, die nicht selbst ein Eigeninteresse am Abschluss<br />

des Vertrages hatte, aber durch ihre Äußerungen entscheidend zum Vertragsabschluss<br />

beigetragen hat, weil sich ein Verhandlungspartner auf ihre Objektivität,<br />

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Stand 08-2011


9<br />

Kohler-Gehrig: Die fehlerhafte Vergabe von Bauleistungen – ein Anwendungsfall <strong>für</strong> die culpa in<br />

contrahendo, in: apf-Zeitschrift <strong>für</strong> staatliche und kommunale Verwaltung 2000 S. 141 ff, 163 ff<br />

Stand 08-2011<br />

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48<br />

Neutralität und Sachkunde verlässt. Die Auskunft oder Expertise muss in Hinblick auf<br />

ein konkretes Projekt oder eine bestimmte Person erteilt werden. Informationen <strong>für</strong><br />

den allgemeinen Rechtsverkehr begründen keine Haftung aus § 311 Abs. 3. Stiftung<br />

Warentest haftet nicht <strong>für</strong> fehlerhafte Informationen, aufgrund deren ein Leser eine fehlerhafte Kaufentscheidung<br />

trifft.<br />

bb. Ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Vertragsabschluss kann nach § 311 Abs.<br />

3 S. 1 zur Sachwalterhaftung des Dritten führen.<br />

Die Rechtsfolgen einer Verletzung eines rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses<br />

sind:<br />

a. Ein Erfüllungsanspruch besteht nicht.<br />

b. Es erwächst ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1. Der Schadensersatzanspruch<br />

nach § 280 setzt ein Vertretenmüssen voraus, wie es §§ 276, 278 definieren.<br />

Hat ein Angestellter zwar Verhandlungs- aber keine Abschlussvollmacht, handelt er als Vertreter ohne<br />

Vertretungsmacht, wenn er trotzdem Vertragsabschlüsse tätigt. Der Vertrag ist schwebend unwirksam.<br />

Genehmigt der Geschäftsherr den vom vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Vertrag nicht, ist<br />

dieser nach § 177 unwirksam. Der Geschäftsherr kann nach §§ 311 Abs. 2, 280, 278 <strong>für</strong> das Verhalten<br />

seines vollmachtlosen Vertreters haften, wenn er den vollmachtlosen Vertreter als Erfüllungsgehilfen<br />

in die konkreten Vertragsverhandlungen eingeschaltet hat. Erfüllung des Vertrages kann aus §§<br />

311 Abs. 2, 280 nicht verlangt werden.<br />

Bei der Ausschreibung von Bauleistungen nach VOB wurde der Auftrag zu Unrecht nicht dem günstigsten<br />

Bieter erteilt sondern einem teuren Konkurrenten. Der übergangene Bieter kann verlangen, so<br />

gestellt zu werden, als hätte er den Auftrag bekommen. Er kann seinen entgangenen Gewinn geltend<br />

machen. Ein Anspruch auf Vertragsabschluss besteht nicht. 9<br />

Der Verkäufer des Gebrauchtwagens hat einen Unfallschaden verschwiegen. Der Käufer ficht den<br />

Vertrag nach § 123 an. Er hat Anspruch auf Ersatz seiner vergeblich aufgewandten Kosten <strong>für</strong> die<br />

Anmeldung des Fahrzeuges aus §§ 280, 278, 311 Abs. 2. § 122 greift nicht ein. Diese Vorschrift deckt<br />

nicht den Schaden des Anfechtenden.<br />

Liegt die vorvertragliche Pflichtverletzung in der Erweckung oder Aufrechterhaltung<br />

eines Irrtums, kann sich aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 ein Anspruch auf Vertragsaufhebung<br />

im Wege der Naturalrestitution nach § 249 ergeben, wenn es durch die<br />

Pflichtverletzung zu einem nachteiligen Vertragsabschluss gekommen ist. Dieser Anspruch<br />

auf Vertragsaufhebung vermeidet die Gefahr von Schadensersatzansprüchen aus § 122, die bei<br />

einer Anfechtung durch den irrenden Vertragspartner bestehen könnte.<br />

Fall: Probefahrt<br />

Herr Kaufmann (K) will beim PKW-Händler Heinrich (H) ein Fahrzeug erwerben. Vorher<br />

will er mit dem Fahrzeug eine Probefahrt machen. H überlässt ihm das Fahrzeug<br />

zu einer Geschäftsreise, auf der K das Fahrzeug erproben will. Bei dieser Fahrt bleibt<br />

K mit dem Fahrzeug liegen. Zu der Panne war es gekommen, weil die Zündung de-<br />

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49<br />

fekt war. Hiervon hatte H zwar gewusst. Er hatte sich jedoch darauf verlassen, es<br />

werde nichts passieren. Den Defekt wollte er erst nach der Probefahrt reparieren. Um<br />

den wichtigen Geschäftstermin nicht zu versäumen, muss K die Fahrt mit einem<br />

Mietwagen fortsetzen, was erhebliche Kosten verursacht.<br />

Kann K von H Ersatz seiner Aufwendungen verlangen?<br />

Lösung:<br />

1. Schadensersatzanspruch aus §§ 433, 434, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1:<br />

Der Schadensersatzanspruch kommt nicht in Betracht, da bislang noch kein Kaufvertrag<br />

abgeschlossen worden ist. Ansprüche wegen Mängel der Kaufsache setzen<br />

voraus, dass ein Kaufvertrag besteht.<br />

2. Schadensersatzansprüche aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1:<br />

Hier könnte ein Schadensersatzanspruch aus der Verletzung eines rechtsgeschäftsähnlichen<br />

Schuldverhältnisses gegeben sein. Durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen<br />

traten K und H in einen rechtsgeschäftsähnlichen Kontakt. Durch die<br />

Überlassung des Fahrzeugs zur Probefahrt eröffneten sich beide Seiten die Möglichkeit<br />

zur Einwirkung auf ihre Rechtsgüter und Interessen. Durch den Defekt des Fahrzeugs<br />

entstand dem K ein Schaden. Dieser Schaden resultiert aus einer Pflichtverletzung<br />

des H. H war verpflichtet, dem K das Fahrzeug zu einem <strong>für</strong> eine Probefahrt<br />

gebrauchstauglichen Zustand zu überlassen. Das Verschulden des H wird nach §<br />

280 Abs. 1 S. 2 vermutet und geht im Übrigen aus dem Sachverhalt eindeutig hervor.<br />

H wusste um die Schadhaftigkeit der Zündung und hat dem K trotzdem das Fahrzeug<br />

zu einer Geschäftsreise überlassen.<br />

H haftet <strong>für</strong> den dem K entstandenen Schaden.<br />

3. Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1:<br />

Ein Schadenseratzanspruch entfällt. H hat den K nicht an dessen geschützten<br />

Rechtsgütern verletzt. Es liegt lediglich ein von § 823 Abs. 1 nicht gedeckter reiner<br />

Vermögensschaden vor.<br />

4. Schadensersatzanspruch aus § 826:<br />

Ein Schadensersatzanspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung entfällt. H<br />

wusste zwar um den Defekt der Zündung. Er ging jedoch davon aus, dass es schon<br />

gut gehen werde. Er nahm es also nicht schon in Kauf, dass das Fahrzeug liegen<br />

bleiben werde und der K Aufwendungen haben werde im Sinne eines Eventualvorsatzes.<br />

Er hatte damit keine vorsätzliche Schädigungsabsicht.<br />

6. § 313 Störung der Geschäftsgrundlage<br />

Verträge können durch nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände<br />

in ihren Grundlagen so schwerwiegend gestört sein, dass ihre unveränderte<br />

Durchführung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles insbesondere<br />

der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung nicht mehr zumutbar erscheint.<br />

Historischer Ausgangspunkt <strong>für</strong> das Rechtsinstitut waren Inflationsfälle nach dem Ersten Weltkrieg.<br />

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12<br />

hypothetisches Moment<br />

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50<br />

Liegt ein Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, führt dies zu einem Anspruch<br />

auf<br />

- Vertragsanpassung und ausnahmsweise zur<br />

- Vertragsaufhebung.<br />

Im öffentlichen Recht hat die vergleichbare Situation beim öffentlich-rechtlichen Vertrag in § 60 Abs. 1<br />

S. 1 LVwVfG eine Ausgestaltung gefunden, die der des § 313 entspricht.<br />

Eine Störung der Geschäftsgrundlage setzt nach § 313 Abs. 1 kumulativ voraus:<br />

- Es müssen sich nach Vertragsschluss Umstände entscheidend verändert haben<br />

10 .<br />

- Diese Umstände müssen zwar Geschäftsgrundlage, sie dürfen aber nicht Inhalt<br />

des Vertrages geworden sein. Geschäftsgrundlage sind all die Umstände,<br />

die nicht Vertragsinhalt geworden sind, gleichwohl zumindest von einem Vertragsteil<br />

bei Vertragsabschluss vorausgesetzt wurden. Sie müssen der anderen<br />

Vertragsseite erkennbar gewesen sein, von dieser gebilligt worden sein.<br />

Der gemeinsame Geschäftswille muss darauf aufgebaut haben. 11 Deshalb zählen<br />

nicht hierzu:<br />

einseitige Motivirrtümer: Der Kauf eines Verlobungsgeschenks, wenn<br />

die Verlobung platzt.<br />

enttäuschte einseitige Erwartungen: Steuerliche Absetzbarkeit eines<br />

Erwerbs.<br />

- die Parteien müssten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, den Vertrag<br />

nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen haben 12 ,<br />

- das Festhalten am unveränderten Vertrag muss <strong>für</strong> den einen <strong>Teil</strong> unter Berücksichtigung<br />

aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen<br />

oder gesetzlichen Risikoverteilung unzumutbar sein. In den Risikobereich einer Vertragspartei<br />

allein fallen zum Beispiel voraussehbare Entwicklungen wie die normale Inflation;<br />

verregnete Ferien am Urlaubsort; selbstverschuldete oder eigenverantwortlich veranlasste Störungen.<br />

Eine Störung der Geschäftsgrundlage kann sich in den folgenden Fallgruppen ergeben:<br />

a) Äquivalenzstörungen:<br />

Zur Grundlage eines gegenseitigen Vertrages gehört der Gedanke der Gleichwertigkeit<br />

von Leistung und Gegenleistung. Durch unvorhergesehene Umstände wie<br />

eine massive Geldentwertung kann es zu einer Störung der Äquivalenz kommen.<br />

b) Leistungserschwernisse:<br />

Die Grundlage des Vertrages kann dadurch gestört sein, dass nach Vertragsschluss<br />

Umstände eintreten, die es einer Partei erschweren, die von ihr geschul-<br />

10 realles Moment<br />

11 normatives Moment, das durch Wertung zu bestimmen ist<br />

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dete Leistung zu erbringen.<br />

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51<br />

c) Zweckstörungen:<br />

Zur Grundlage eines Vertrages kann es gehören, dass eine Partei mit der von ihr<br />

zu beanspruchenden Leistung einen bestimmten Zweck erreichen will. Die Erreichung<br />

dieses Leistungszwecks kann sinnlos werden.<br />

Gründe hier<strong>für</strong> können Sozialkatastrophen wie Krieg, Währungsverfall oder Umweltkatastrophen<br />

sein, die sich auf eine Vielzahl von Verträgen auswirken. Das RG 13 sah<br />

einen Wegfall der Geschäftsgrundlage als gegeben an, wenn wegen galoppierender Inflation der Preis<br />

<strong>für</strong> einen Betriebserwerb innerhalb kürzester Zeit um mehr als 80 % entwertet worden war, ohne dass<br />

den Parteien dieses Risiko bei Vertragsabschluss bewusst war. Der BGH nahm bei einem Bierimportvertrag<br />

einen Wegfall der Geschäftsgrundlage an, weil der iranische Importeur wegen eines 1979<br />

erlassenen absoluten Alkoholverbots infolge des Machtwechsels nach der Flucht des Schahs keine<br />

Verwertungsmöglichkeit mehr hatte. Normalerweise liegt das Weiterverkaufsrisiko allein beim Käufer.<br />

In diesem Fall lag die Besonderheit darin, dass das Bier bei der Erstlieferung 1977 unbrauchbar war,<br />

weshalb Ersatzlieferungen in späteren Jahren vereinbart wurden, die jedoch wegen der iranischen<br />

Revolution <strong>für</strong> den Importeur wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll waren. 14<br />

Die Lehre von der Geschäftsgrundlage betrifft ein Problem der Risikotragung. Sie<br />

greift nicht ein, wenn eine spezielle Risikotragungsregel eingreift. Es können vertragliche<br />

oder gesetzliche Risikotragungsregeln vorgehen:<br />

a. Wurde einer Seite des Vertrages das Risiko zugewiesen, so ist es von dieser<br />

zu tragen und es bleibt kein Raum mehr <strong>für</strong> § 313.<br />

b. Schwerwiegende Leistungsstörungen können dazu führen, dass eine Vertragspartei<br />

die von ihr geschuldete Leistung nur mit Anstrengungen zu erbringen<br />

vermag, die unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und<br />

das Gebot von Treu und Glauben in einem großen Missverhältnis zu dem<br />

Leistungsinteresse des Gläubigers stehen. Hier stellt sich die Frage nach einer<br />

Abgrenzung zwischen § 275 und § 313. In seinem Anwendungsbereich<br />

geht § 275 dem § 313 grundsätzlich vor, weil § 275 die Grenzen der Leistungspflicht<br />

regelt. § 275 greift ein, wenn der Leistungsaufwand den Leistungsnutzen<br />

deutlich übersteigen. Die Frage nach einer Anpassung des Vertrages<br />

kann sich nur dann stellen, wenn der Schuldner nicht schon nach § 275<br />

frei geworden ist.<br />

c. Die Fälle des Zweckfortfalls und der Zweckerreichung fallen grds. unter § 275<br />

Abs. 1. Als der zu einem liegengebliebenen PKW gerufene Abschleppunternehmer<br />

eintrifft, ist der PKW mittlerweile von Dieben entwendet worden<br />

(Zweckfortfall) oder wieder fahrtüchtig geworden (Zweckerreichung).<br />

§ 313 Abs. 2 nimmt die Fälle des ursprünglichen Fehlens der subjektiven Geschäftsgrundlage<br />

in den Regelungsbereich des § 313 auf. Es geht hierbei um<br />

- die Fälle des gemeinschaftlichen Motivirrtums, wenn beide Seiten eine falsche<br />

Preisliste beim Vertragsabschluss zugrunde gelegt haben<br />

13 RGZ 103 S. 328<br />

14 BGH NJW 1984 S. 1746<br />

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15<br />

BGH NJW-RR 2002 S. 853 f.<br />

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52<br />

- und den Fall, dass sich nur eine Partei falsche Vorstellungen machte und die<br />

andere Partei diesen Irrtum, ohne eigene Vorstellungen entwickelt zu haben,<br />

hingenommen hat.<br />

Die Störung der Geschäftsgrundlage gibt einen Anspruch auf<br />

• Anpassung des Vertrags an die veränderten Verhältnisse und ausnahmsweise<br />

• Aufhebung des Vertrages.<br />

§ 313 stellt eine Durchbrechung des Grundsatzes Vertrag ist Vertrag dar wie wir es<br />

bereits bei Anfechtung und Rücktritt kennen gelernt haben. Sie ist subsidiärer Natur<br />

gegenüber anderen Rechtsinstituten wie Anfechtung nach § 119, Unmöglichkeit nach<br />

§ 275 Abs. 2 und Abs. 3.<br />

Nach § 313 Abs. 3 kommt eine Aufhebung des Vertrages nur in Betracht, wenn eine<br />

Anpassung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Aufhebung ist folglich subsidiärer<br />

Natur. G hatte sein Grundstück auf B übertragen gegen Bestellung eines Nießbrauchs <strong>für</strong> G am<br />

Grundstück und Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen des B zugunsten des G im Alter.<br />

Die Pflege- und Betreuungsleistungen wurden später wegen erheblicher Zerrüttung eingestellt. Werden<br />

Pflege und Betreuung durch persönliche Leistungen später unzumutbar, tritt nach den Grundsätzen<br />

des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Zahlungsverpflichtung an die Stelle der Pflicht zur<br />

Pflege. Es erfolgt eine Vertragsanpassung. 15<br />

Notwendig <strong>für</strong> eine Auflösung des Vertrags ist eine Rücktrittserklärung der benachteiligten<br />

Partei. Bei Dauerschuldverhältnissen tritt an die Stelle des Rücktrittrechts das Recht zur Kündigung<br />

aus wichtigem Grund nach § 314.<br />

Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, müsste eigentlich auf Anpassung geklagt werden. Mit<br />

Rechtskraft des stattgebenden Urteils würde nach § 894 ZPO die Zustimmung der anderen Vertragsseite<br />

in die Anpassung fingiert werden. Gleichwohl ist es zulässig, sogleich einen Anspruch aus dem<br />

geänderten Vertrag gerichtlich geltend zu machen. Dabei trägt der Kläger das Risiko, das Ausmaß der<br />

Anpassung richtig einzuschätzen.<br />

7. Verjährung bei Leistungsstörungen<br />

Nach § 217 verjährt mit dem Anspruch auf die Hauptleistung auch der Anspruch auf<br />

die Nebenleistung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 217 auch auf den Verzugsschaden<br />

nach §§ 280, 286 Anwendung finden.<br />

Keine Nebenansprüche sind hingegen Schadensersatzansprüche, die an Stelle des<br />

eigentlichen Anspruchs treten wie §§ 280, 283, 281, die nach §§ 195, 199 Abs. 1<br />

verjähren, soweit nicht die Sonderregeln der §§ 438, 634a abweichende Verjährungsvorschriften<br />

enthalten.<br />

Nach § 194 Abs. 1 unterliegen nur Ansprüche der Verjährung. Der Rücktritt ist kein<br />

Anspruch sondern ein Gestaltungsrecht. Für ihn gilt speziell § 218. Der Rücktritt ist ausgeschlossen,<br />

wenn im Falle der Nichtleistung der Anspruch auf die Leistung oder im Falle der<br />

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983 ff<br />

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53<br />

Schlechtleistung der Anspruch auf die Nacherfüllung verjährt ist und der Schuldner sich nach § 214<br />

auf die Verjährung beruft. Für den Rücktritt ist solange die Verjährung des Erfüllungsanspruchs maßgeblich,<br />

bis sich dieser z. B. durch Übergabe der Kaufsache nach §§ 434, 437 in einen Nacherfüllungsanspruch<br />

wandelt. Nach Übergabe kommt es auf die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs<br />

an. Der Erfüllungsanspruch verjährt nach §§ 195, 199 Abs. 1 in 3 Jahren, hingegen der Nacherfüllungsanspruch<br />

nach §§ 438 in 2 Jahren.<br />

VI. Vertretenmüssen des Schuldners<br />

Eine Reihe von Ansprüchen setzen ein Vertretenmüssen des Schuldners voraus wie<br />

§§ 280 Abs. 1 S. 2, 281, 282, 283, 284, 286 Abs. 4.<br />

a. Der Schuldner haftet in erster Linie <strong>für</strong> Vorsatz und Fahrlässigkeit, sofern nicht ein<br />

anderes bestimmt ist:<br />

aa. Andere Bestimmungen finden sich im <strong>BGB</strong> wie §§ 521, 599 Beschränkung der<br />

Haftung des Schenkers und Entleihers auf grobe Fahrlässigkeit oder in<br />

bb. Vereinbarungen im Individualvertrag oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

- wobei nach § 276 Abs. 3 in Individualverträgen die Haftung wegen Vorsatzes<br />

nicht im Voraus erlassen werden darf.<br />

- § 309 Nr. 7 schränkt Haftungsausschlüsse in Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen weitergehend ein.<br />

cc. Der Inhalt des Schuldverhältnisses kann einen anderen Haftungsmaßstab ergeben.<br />

- Hierzu zählt die Übernahme einer Garantie nach § 276 Abs. 1 S. 1.<br />

- Hinzu kommt eine Haftung <strong>für</strong> zugesicherte Eigenschaften nach § 276 Abs. 1<br />

- Übernahme eines Beschaffungsrisikos wie bei Gattungsschulden nach § 243<br />

was zu einem strengeren Haftungsmaßstab zu führen vermag nach § 276<br />

Abs.1 S.1.<br />

dd. Aus der Natur der Sache kann sich ein abweichender Haftungsmaßstab ergeben.<br />

Darunter fallen Geldschulden. Für diese gilt der Grundsatz Geld hat<br />

man zu haben.<br />

Hindernisse bei der Bereitstellung des geschuldeten Gegenstandes entlasten den Schuldner nicht, es<br />

sei denn, das damit verbundene Risiko ist durch besondere Kriterien wie die Vertragsklausel Solange<br />

Vorrat reicht, die Umstände des Falles oder die Eigentümlichkeit des Risikos beschränkt.<br />

b. Nach § 278 haftet der Schuldner im Rahmen eines gesetzlichen, rechtsgeschäftlichen<br />

und rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses obendrein <strong>für</strong> ein Verschulden<br />

seines gesetzlichen Vertreters und seines Erfüllungsgehilfen. Durch die Verwendung<br />

der Begriffe Schuldner und Gläubiger wird klargestellt, dass im Zeitpunkt der<br />

schädigenden Handlung bereits ein Schuldverhältnis bestehen muss. Wird das Schuldverhältnis<br />

erst durch die schädigende Handlung begründet, kommen allenfalls §§ 831, 31 als in Betracht.<br />

16<br />

16 Lorenz, Stephan : Grundwissen – Zivilrecht: Haftung <strong>für</strong> den Erfüllungsgehilfen (§ 278), JuS 2007 S.<br />

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Erfüllungsgehilfen sind alle dritten Personen, deren sich der Schuldner zur Erfüllung<br />

seiner Verbindlichkeit bedient. Der Dritte muss<br />

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54<br />

• zur Erfüllung der Verbindlichkeit<br />

• mit Wissen und Wollen des Schuldners<br />

• herangezogen worden sein.<br />

Es ist nicht erforderlich, dass zwischen Schuldner und Drittem ein Schuldverhältnis<br />

besteht oder der Dritte darum weiß, dass er <strong>für</strong> den Schuldner tätig wird. Der Dritte<br />

muss weder in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis noch in einem Weisungsverhältnis<br />

zum Schuldner stehen im Gegensatz zu § 831. Erfüllungsgehilfe kann auch<br />

ein selbständiger Unternehmer sein.<br />

aa. Der Erfüllungsgehilfe muss in Ausführung der ihm aufgetragenen Pflichten gehandelt<br />

haben. Der Schuldner haftet nicht <strong>für</strong> seinen Erfüllungsgehilfen, wenn dieser<br />

die aufgetragenen Arbeiten nur dazu benutzt, bei deren Gelegenheit den Gläubiger<br />

zu schädigen. Anlässlich der Reparatur einer Jalousie in der Wohnung des Gläubigers entwendet<br />

der Geselle einen Geldbetrag aus dem Schreibtisch.<br />

bb. Es muss eine Verpflichtung des Schuldners erfüllt werden. Betraut der Geschädigte<br />

Personen mit der Behebung eines Schadens, sind diese nicht seine Erfüllungsgehilfen. Die Schadensbehebung<br />

ist nach § 249 Sache des Schädigers. 17 Im Rahmen eines Versendungskaufes schuldet<br />

der Verkäufer lediglich Absendung nicht aber Transport, weshalb der Spediteur nicht sein Erfüllungsgehilfe<br />

ist.<br />

cc. Der Erfüllungsgehilfe muss nach § 278 seinerseits schuldhaft im Sinne von § 276<br />

gehandelt haben.<br />

Bei der Prüfung schuldrechtlicher Ansprüche kann der Schuldner <strong>für</strong> den eingeschalteten<br />

Dritten als Erfüllungsgehilfe haften und gleichzeitig kann bei der Prüfung deliktischer<br />

Ansprüche, der Dritte ein Verrichtungsgehilfe nach § 831 sein. § 278 und §<br />

831 dürfen nicht verwechselt werden:<br />

- § 831 ist eine selbständige Anspruchsgrundlage. § 278 ist eine Zurechnungsnorm,<br />

die nur im Zusammenhang mit einer schuldrechtlichen Anspruchsgrundlage<br />

von Bedeutung ist.<br />

- Bei § 831 kann der Schuldner sich exkulpieren, wenn ihm bei Auswahl und<br />

Beaufsichtigung des Verrichtungsgehilfen kein Verschulden trifft. Bei § 278 gibt<br />

es keine Exkulpationsmöglichkeit <strong>für</strong> sorgfältige Auswahl und Beaufsichtigung.<br />

Fall: Wasserleitung<br />

In der Wohnung von Herrn Albert (A) ist eine Wasserleitung schadhaft. Er bittet den<br />

Installateur Igel (I) um rasche Behebung des Schadens. Dieser schickt seinen bislang<br />

stets zuverlässigen Gesellen Gustav (G), um die Reparatur vorzunehmen.<br />

Als G die Wohnung des A betritt, beschädigt er aus Unaufmerksamkeit die Eingangstür<br />

mit dem Werkzeugkasten, die nun einen tiefen Kratzer aufweist. Als A außer<br />

17 OLG Celle NJW-RR 2004 S. 526 f.<br />

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18<br />

BGH NJW 1993 S. 1705<br />

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55<br />

Haus muss, unterbricht G seine Arbeit. Er setzt sich vor den Fernseher, um ein interessantes<br />

Fußballspiel anzuschauen und raucht eine Zigarette. Versehentlich brennt<br />

er dabei ein Loch in den Teppich.<br />

A verlangt Schadensersatz <strong>für</strong> die beschädigte Tür und den beschädigten Teppich<br />

von I.<br />

Lösung:<br />

1. Schadensersatz aus §§ 631, 280 Abs. 1:<br />

Zwischen I und A wurde ein Werkvertrag nach §§ 631, 145 einvernehmlich abgeschlossen.<br />

a. Die Mängelgewährleistungsvorschriften des Werkvertragsrechts nach §§ 634 ff<br />

kommen nicht zur Anwendung. Es liegt kein Mangel des geschuldeten Werkes, der<br />

Reparaturleistung vor.<br />

b. Es liegt eine Verletzung einer nichtleistungsbezogenen Nebenpflicht aus § 241<br />

Abs. 2 vor. Hiernach hat der Vertragspartner bei Erfüllung des Vertrages Rücksicht<br />

auf die Rechtsgüter seines Vertragspartners zu nehmen. Diese Pflicht zur Rücksichtnahme<br />

wurde objektiv dadurch verletzt, dass Tür und Teppich beschädigt wurden.<br />

Nach § 280 Abs. 1 kann A Schadensersatz wegen Pflichtverletzung verlangen, wenn<br />

I die Pflichtverletzung zu vertreten hat. I hat jedoch selbst keine Pflicht verletzt. Dies<br />

geschah durch seinen Gesellen G. Er haftet <strong>für</strong> das Verhalten des G nach §§ 278,<br />

276, wenn dieser sein Erfüllungsgehilfe war. Er hat den G wissentlich und gewollt zur<br />

Erbringung der Reparaturleistung eingesetzt. Damit war G sein Erfüllungsgehilfe bei<br />

diesen Arbeiten, auch wenn er dabei nicht im Sinne des I gehandelt hat.<br />

Eine Ausnahme besteht nur, wenn G nicht bei Erfüllung sondern nur bei Gelegenheit<br />

der Erfüllung die schädigende Handlung vorgenommen hat. 18 Hier<strong>für</strong> ist entscheidend,<br />

ob die schädigende Handlung noch in einem inneren Zusammenhang zu der<br />

aufgetragenen Handlung steht.<br />

aa. Der Transport der Werkzeugkiste und die dadurch verursachte Beschädigung der<br />

Eingangstür sind durch den Reparaturauftrag veranlasst. Es bedarf der Werkzeugkiste<br />

zur Ausführung der Reparatur in der Wohnung. Nach § 280 Abs. 1 S. 2 wird vermutet,<br />

dass die Pflichtverletzung schuldhaft erfolgt ist. I hat nichts unternommen, um<br />

diese widerlegliche Vermutung zu entkräften. Damit haftet er nach §§ 249 ff <strong>für</strong> den<br />

Schaden an der Türe.<br />

bb. Das Rauchen der Zigarette im Wohnzimmer während einer Fernsehpause hat<br />

nichts mit dem Reparaturauftrag zu tun. G nutzt nur eine Gelegenheit, die sich ihm<br />

aus Anlass des Reparaturauftrages bietet.<br />

Ergebnis: I haftet dem A wegen der Beschädigung der Eingangstür, nicht hingegen<br />

wegen der Beschädigung des Teppichs.<br />

2. Schadensersatz aus § 831:<br />

I könnte <strong>für</strong> seinen Verrichtungsgehilfen haften. G ist von seinem Arbeitgeber weisungsabhängig<br />

und sozial abhängig. Er müsste bei seiner Verrichtung den A geschädigt<br />

haben. Er hat das Eigentum des A an der Türe und dem Teppich widerrechtlich<br />

beschädigt. Dies müsste bei Ausführung der Verrichtung geschehen sein. Auch<br />

hier muss wie beim Begriff des Erfüllungsgehilfen zwischen einer Schädigung bei<br />

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56<br />

Ausführung der Verrichtung und bei Gelegenheit der Verrichtung differenziert werden.<br />

Wie schon oben erläutert, steht die Beschädigung der Türe in einem inneren<br />

Zusammenhang mit der Reparaturarbeit als Verrichtung. In keinem inneren Zusammenhang<br />

steht hingegen die Beschädigung des Teppichs.<br />

Hiernach haftet der Geschäftsherr A nur <strong>für</strong> die Beschädigung der Türe durch seinen<br />

Verrichtungsgehilfen. Nach § 831 Abs. 1 S. 2 kann sich der Geschäftsherr A jedoch<br />

exkulpieren, da er nach dem Sachverhalt einen stets zuverlässigen Mitarbeiter eingesetzt<br />

hat.<br />

Ergebnis: I haftet nicht aus § 831.<br />

VII. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter<br />

Beim Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 erwirbt ein Dritter aus einem Vertrag des<br />

Schuldners mit dem Gläubiger einen Anspruch gegen den Schuldner. Dies ist ein<br />

Ausnahmefall von der Regel, dass der Schuldner nur an den Gläubiger leisten muss.<br />

Ein Vertrag zugunsten Dritter liegt bei der Lebensversicherung vor. Der bezugsberechtigte Dritte erlangt<br />

einen eigenen Anspruch gegen die Lebensversicherung als Schuldner des Versicherungsvertrages.<br />

Die Rechtsprechung hat analog § 328 das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung<br />

zugunsten Dritter entwickelt. Durch den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten<br />

Dritter soll ein geschädigter Dritter Schadensersatzansprüche gegen den<br />

Schuldner aus dem Vertragsverhältnis erlangen, obwohl der Dritte selbst nicht Partei<br />

des Vertrages ist.<br />

Im Unterschied zu § 328 erhält der geschädigte Dritte beim Vertrag mit Schutzwirkung<br />

<strong>für</strong> Dritte keinen eigenen Erfüllungsanspruch auf die vertragliche Leistung. Er<br />

erlangt jedoch einen vertraglichen Schadensersatzanspruch, wenn der Schuldner<br />

den Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt.<br />

Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hat in § 311 Abs. 3 S. 1 Anklang<br />

gefunden, ohne die Voraussetzungen im Einzelnen zu benennen. 19 Rücksichtspflichten<br />

im Sinne von § 241 Abs. 2 können danach auch gegenüber Personen bestehen,<br />

die nicht Vertragspartei werden. Der Sohn des Mieters erleidet einen Schock, als er stundenlang<br />

im defekten Fahrstuhl zwischen den Stockwerken verbringen muss. Der Fahrstuhl war vom<br />

Hausmeister des Vermieters nicht ordnungsgemäß gewartet worden. Der Vermieter haftet nach §§<br />

536a, 278 aus Vertrag mit Schutzwirkung <strong>für</strong> Dritte <strong>für</strong> den dem Sohn entstandenen Schaden. Daneben<br />

kommt die Haftung <strong>für</strong> den Verrichtungsgehilfen aus § 831 in Betracht. Bei der Haftung aus § 831<br />

besteht jedoch <strong>für</strong> den Vermieter die Chance der Exkulpation, wenn er nachweisen kann, dass er die<br />

erforderliche Sorgfalt bei Auswahl und Beaufsichtigung des Hausmeisters erbracht hat.<br />

Das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gewährt unter<br />

folgenden Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch:<br />

a. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter setzt ein Schuldverhältnis oder<br />

ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger<br />

19<br />

In der Literatur ist umstritten, ob der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf § 311 Abs. 3<br />

S. 1 oder eine Analogie zu § 328 zu begründen ist.<br />

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20<br />

BGH NJW-RR 2002 S. 1528<br />

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57<br />

voraus. Die Mutter nimmt ihren 5-jährigen Sohn zum Einkauf ins Warenhaus mit. Das Kind gleitet auf<br />

dem rutschigen Boden aus und verletzt sich. Hier gelten §§ 311 Abs. 2 Nr. 2, 241, 280, 328 analog<br />

bzw. § 311 Abs. 3 S. 1 und gewähren dem Sohn einen Schadensersatzanspruch.<br />

b. Der Gläubiger muss ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten haben. Ein<br />

Schutzinteresse hat der Gläubiger und Mieter in den vom Vermieter angemieteten Räumen dahingehend,<br />

dass seinen Kindern, seinem Ehegatten und seinen Arbeitnehmern nichts passiert.<br />

c. Der Dritte muss bestimmungsgemäß den Gefahren des Schuldverhältnisses genauso<br />

ausgesetzt sein wie der Gläubiger. Er muss in Leistungsnähe zum Schuldverhältnis<br />

oder zumindest zu den Rücksichtnahmepflichten des Schuldverhältnisses<br />

stehen. Familienangehörige des Mieters halten sich wie der Mieter in den angemieteten Wohnräumen<br />

auf. Mitarbeiter des Mieters gewerblich genutzter Räume erbringen dort ihre Arbeitsleistung.<br />

d. Leistungsnähe des Dritten und Schutzinteresse des Gläubigers müssen <strong>für</strong> den<br />

Schuldner bei Vertragsabschluss erkennbar sein. Bei Vertragsschluss muss <strong>für</strong> ihn<br />

das Risiko kalkulierbar sein.<br />

e. Dem Schuldner muss die Haftungserstreckung auf den Dritten zumutbar sein. Ist<br />

der Kreis der Dritten unübersehbar groß, kann es an der Zumutbarkeit fehlen.<br />

f. Der Dritte muss schutzbedürftig sein. Daran fehlt es, wenn er einen eigenen<br />

schuldrechtlichen Anspruch hat.<br />

g. Es muss eine Anspruchsgrundlage erfüllt sein wie §§ 536 a Abs. 1, 280, 286.<br />

Unmittelbar aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kann kein Schadensersatz<br />

geltendgemacht werden. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vermag<br />

dem verletzten Dritten Ansprüche aus einem fremden Schuldverhältnis zu verschaffen.<br />

Einer Anspruchsgrundlage zur Begründung des Anspruchs bedarf es daneben<br />

noch. Das im Warenhaus verletzte Kind kann Schadensersatzansprüche aus Vertrag mit<br />

Schutzwirkung zugunsten Dritter iVm. §§ 311 Abs. 2 Nr. 2, 280 geltend machen.<br />

Schadensersatzansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter setzen<br />

folglich voraus:<br />

- Schuldverhältnis – auch rechtsgeschäftsähnliches<br />

- Schutzinteresse des Vertragspartners am Schutz des Dritten<br />

- Leistungsnähe<br />

- Erkennbarkeit<br />

- Zumutbarkeit<br />

- Schutzbedürftigkeit<br />

+<br />

Anspruchsgrundlage<br />

Wer im Auftrag des Verkäufers eines Hausgrundstücks ein Gutachten über den Verkehrswert erstellt<br />

und dem bekannt ist, dass das Gutachten Kaufinteressenten vorgelegt werden soll, haftet nach den<br />

Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter den Käufern bei Unrichtigkeit des<br />

Gutachtens. 20<br />

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58<br />

Überträgt der Vermieter eines Mehrfamilienhauses die Räum- und Streupflicht auf einen Reinigungsunternehmer<br />

im Rahmen eines Vertrages, können die dort wohnenden Mieter in den Schutzbereich<br />

des Vertrages einbezogen sein. 21<br />

Fall: Fahrstuhl<br />

Herr Bauer (B) hat von der Stadt Abbrand (A) eine Wohnung gemietet in einem 5geschossigen<br />

Wohnhaus, die er zusammen mit seiner Ehefrau (E) und seinen Kindern<br />

bewohnt. Als Herr B und seine Ehefrau E am Dienstag morgens um 5 Uhr die<br />

Wohnung verlassen, um zur Arbeit zu gehen, bleibt der Fahrstuhl wegen eines technischen<br />

Defekts stecken. Sie müssen drei Stunden lang ausharren, bis sie befreit<br />

werden können. Die E muss wegen Herzbeschwerden mehrfach den Arzt aufsuchen.<br />

Der Zwangsaufenthalt im Fahrstuhl hat sie derart in Panik versetzt, dass sie wochenlang<br />

an Angstattacken und Schlaflosigkeit leidet und arbeitsunfähig ist. Deshalb rät<br />

ihr der Arzt zu einer Kur in einer psychosomatischen Klinik.<br />

Der Fahrstuhl war am Vortag vom Aufzugsmechaniker Müller (M), Inhaber eines<br />

Wartungsbetriebes, gewartet worden, dem ein Fehler unterlaufen war. Deshalb kam<br />

es zu dem Defekt.<br />

E verlangt Schmerzensgeld und Ersatz der von ihrer Krankenversicherung nicht gedeckten<br />

Kosten des Kuraufenthaltes von A. Von der Erhebung von Ansprüchen gegen<br />

M sieht sie ab, da mittlerweile das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen<br />

eröffnet worden ist.<br />

Lösung:<br />

1. Ansprüche aus § 536 a Abs. 1, 2. Alt.:<br />

E könnte Ansprüche aus § 536 a Abs. 1 haben. E ist zwar nicht selbst Partei des<br />

Mietvertrages, der zwischen B und A abgeschlossen wurde. Sie könnte jedoch als<br />

Familienangehörige des B in diesen Mietvertrag analog § 328 einbezogen worden<br />

sein:<br />

a. Der Mieter hat ein Schutzinteresse daran, dass seine Familienangehörigen, die mit<br />

ihm die Räumlichkeiten bewohnen, nicht durch die Beschaffenheit der Mieträume zu<br />

Schaden kommen.<br />

b. Die in die Wohnung aufgenommenen Familienangehörigen kommen bestimmungsgemäß<br />

und zwangsnotwendig in Kontakt und Leistungsnähe der Mietsache wie der<br />

Mieter B selbst.<br />

c. Es ist bei der Wohnraummiete allgemein und auch dem Vermieter A von vornherein<br />

erkennbar, dass ein Mieter in die Mieträume Familienangehörige mit aufnehmen<br />

will und wird. Dies ist eine Folge der Pflicht zur Lebensgemeinschaft unter Ehegatten<br />

nach § 1353 und unterfällt dem Schutz aus Art. 6 GG. Der Kreis der Familienangehörigen<br />

ist überschaubar. Er ist auf einen bestimmten Kreis von Personen beschränkt,<br />

weshalb dem Vermieter diese Erststreckung seiner Haftung zumutbar ist.<br />

d. Die Anspruchsgrundlage des § 536 a Abs. 1 müsste erfüllt sein:<br />

Es müsste ein Fehler der Mietsache gegeben sein. Der technische Defekt beeinträchtigt<br />

erheblich die Gebrauchstauglichkeit des Aufzugs, der <strong>für</strong> mehrere Stunden<br />

nicht funktionsbereit war. Es fragt sich ob der Mangel des Aufzugs einen Mangel der<br />

21 BGH NJW 2008 S. 1440 = NZM 2008 S. 242<br />

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59<br />

Mietsache darstellt. Die Erhaltungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 umfasst<br />

neben der eigentlichen Mietsache die Gebäudeteile, die zur gemeinschaftlichen<br />

Benutzung durch die Mieter bestimmt sind wie die Zugänge und Aufgänge. Dazu<br />

zählt ein bereitgestellter Aufzug.<br />

Der Vermieter haftet <strong>für</strong> anfängliche Mängel nach § 536 a Abs. 1, 1. Alt. ohne Verschulden.<br />

§ 536 a Abs. 1, 1. Alt. entfällt, da nach dem Sachverhalt der Fehler nicht<br />

bereits bei Vertragsbeginn vorlag.<br />

Für später entstandene Mängel haftet der Vermieter A nur, wenn er den Mangel verschuldet<br />

hat nach § 536 a Abs. 1, 2. Alt.. Ein eigenes schuldhaftes Handeln der Stadt<br />

als juristischer Person kommt nicht in Betracht. Sie haftet jedoch nach § 278 <strong>für</strong> ihre<br />

Erfüllungsgehilfen wie <strong>für</strong> eigenes Verschulden. Nach dem Sachverhalt liegt objektiv<br />

und subjektiv ein Fehlverhalten des M vor. M war von der Vermieterin A mit den Wartungsarbeiten<br />

am Aufzug beauftragt worden. A haftet <strong>für</strong> das Verhalten des M, wenn<br />

dieser ihr Erfüllungsgehilfe war. Erfüllungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen des<br />

Schuldners - hier A - zur Erfüllung einer ihm obliegenden Verpflichtung als Hilfsperson<br />

eingeschaltet worden war. Anders als bei § 831 können auch Selbständige, die<br />

weder weisungsabhängig noch sozial abhängig sind, Erfüllungsgehilfen sein. M wurde<br />

von der Vermieterin A zur Erfüllung ihrer Instandhaltungspflicht eingeschaltet und<br />

ist damit deren Erfüllungsgehilfe gegenüber den Mietern. Damit haftet A <strong>für</strong> den Fehler,<br />

der dem M unterlaufen war wie <strong>für</strong> eigenes Verschulden.<br />

Aus § 536 a Abs. 1 kann die E Schadensersatzansprüche nach §§ 249 ff geltend<br />

machen. Hierzu zählen Kosten zur Wiederherstellung der Gesundheit nach § 249<br />

Abs. 2 und nach § 253 ein angemessenes Schmerzensgeld wegen der eingetretenen<br />

Körperverletzung.<br />

2. Ansprüche aus § 831:<br />

Ansprüche aus § 831 gegen A entfallen. M war kein Verrichtungsgehilfe der A, da M<br />

in keinem weisungsabhängigen und sozial abhängigen Verhältnis zu A stand.<br />

VIII. Zurückbehaltungsrechte<br />

Trotz fälliger Schuld muss der Schuldner nicht leisten, wenn ihm ein Zurückbehaltungsrecht<br />

zusteht.<br />

a. Für den gegenseitigen Vertrag enthält das Gesetz in §§ 320 bis 322 ein Leistungsverweigerungsrecht.<br />

Wegen der engen Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung<br />

muss ein Vertragspartner die Leistung erst erbringen, wenn er gleichzeitig<br />

die ihm zustehende Gegenleistung erhält. Andernfalls kann er seine Leistung zurückbehalten.<br />

Das Leistungsverweigerungsrecht hat seinen Grund in der inneren Verknüpfung von<br />

Leistung und Gegenleistung, dem sogenannten Gegenseitigkeitsverhältnis. Es muss<br />

beachtet werden, dass nicht alle Leistungen in einem gegenseitigen Vertrag in einem<br />

Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Beim Mietvertrag stehen die Überlassung der Mietsache<br />

und die Zahlung des Mietzinses in solch einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Der Vermieter findet sich<br />

zur Überlassung der Mietsache nur bereit, wenn er hier<strong>für</strong> Miete bekommt. Hingegen steht die Rückgabepflicht<br />

des § 546 am Ende der Mietzeit in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis. Für die Rückgabe<br />

der Mietsache bekommt der Mieter keine Gegenleistung. Sollte er eine von ihm entrichtete Kaution<br />

zurück fordern, stellt dies keine Gegenleistung des Vermieters dar. Es handelt sich um die vom Mieter<br />

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60<br />

selbst erbrachte Leistung. Er kann die Rückgabe der Mietsache nicht nach § 320 zurückbehalten, bis<br />

er die Kaution erhalten hat.<br />

Das Zurückbehaltungsrecht des Schuldners ist ausgeschlossen nach § 320 Abs. 1 S.<br />

1, wenn er zur Vorleistung verpflichtet ist. Vorleistungspflicht kennt das Gesetz im<br />

Dienstvertrag nach § 614.<br />

Die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 sind<br />

- gegenseitiger Vertrag<br />

- die geschuldeten Leistungen müssen zueinander im Gegenseitigkeitsverhältnis<br />

stehen<br />

- die Gegenforderung, wegen der das Leistungsverweigerungsrecht erhoben<br />

wird, muss fällig sein.<br />

Ist bei einem Kaufvertrag bestimmt, dass die Zahlung des Käufers erst zwei Wochen nach Lieferung<br />

des Verkäufers zu erfolgen hat, kann der Verkäufer seine Lieferung nicht unter Berufung auf § 320<br />

zurückhalten, weil der Käufer seine Zahlung nicht anbietet. Die Zahlung als Gegenforderung ist bei<br />

Lieferung der Ware noch nicht fällig.<br />

Solange ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 besteht, kommt der Schuldner nicht<br />

in Schuldnerverzug, wenn er seine Leistung nicht erbringt. Verzug tritt erst ein, wenn<br />

der Gläubiger mahnt und bereit ist, die eigene Leistung zu erbringen.<br />

§ 320 kommt nur zur Anwendung solange Leistung und Gegenleistung möglich sind.<br />

Sind diese unmöglich geworden, gilt das Unmöglichkeitsrecht.<br />

b. Ein weiteres Zurückbehaltungsrecht ergibt sich aus § 273 Abs. 1. Hiernach hat der<br />

Schuldner, dem aus demselben rechtlichen Verhältnis ein fälliger Gegenanspruch<br />

zusteht, das Recht seine Leistung zu verweigern, bis die ihm gebührende Leistung<br />

bewirkt wurde.<br />

Dieses Zurückbehaltungsrecht ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben<br />

nach § 242. Der Anspruch des Gläubigers und der Gegenanspruch des Schuldners<br />

müssen auf demselben rechtlichen Verhältnis nach dem Gesetzeswortlaut beruhen.<br />

Es soll ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Gegenanspruchs ausgeschlossen<br />

werden, der mit dem Anspruch nichts zu tun hat.<br />

Es genügt nach der Rechtsprechung, dass zwischen Anspruch und Gegenanspruch<br />

ein natürlicher wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, ein sogenanntes einheitliches<br />

Lebensverhältnis. Bei laufenden Geschäftsbeziehungen besteht solch ein einheitlicher<br />

Lebensvorgang, selbst wenn Anspruch und Gegenanspruch aus verschiedenen<br />

Verträgen herrühren. Wurde ein Kaufvertrag von beiden Seiten erfüllt, stellt sich im Nachhinein<br />

jedoch dessen Nichtigkeit heraus, haben beide Seiten einen Bereicherungsanspruch aus § 812.<br />

Diese Ansprüche entspringen demselben einheitlichen Lebensverhältnis, demselben wirtschaftlichen<br />

Vorgang. Dasselbe rechtliche Verhältnis liegt wegen der Nichtigkeit des Kaufvertrages gerade nicht<br />

vor, ist nach der Rechtsprechung auch nicht erforderlich.<br />

Das Zurückbehaltungsrecht des § 273 tritt an die Stelle der Aufrechnung, wenn Leistung und Gegenleistung<br />

nicht gleichartig sind. Die Aufrechnung setzt nach § 387 Gleichartigkeit von Forderung und<br />

Gegenforderung voraus. Dieser Gleichartigkeit bedarf es beim Zurückbehaltungsrecht aus § 273 nicht.<br />

Die Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechtes aus § 273 sind<br />

- Gegenseitigkeit der Ansprüche<br />

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61<br />

- der Gegenanspruch des Schuldners, auf Grund dessen er sich auf das Zurückbehaltungsrecht<br />

beruft, muss fällig sein<br />

- die Ansprüche müssen einem einheitlichen Lebensverhältnis entspringen.<br />

Das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 schließt den Verzug des Schuldners nur aus,<br />

wenn dieser die Einrede erhebt.<br />

Im Prozess wird das Zurückbehaltungsrecht nach § 320 wie auch das Zurückbehaltungsrecht nach §<br />

273 nur beachtet, wenn sich der Schuldner hierauf beruft. Beide Rechte sind als Einrede ausgestaltet.<br />

IX. Gläubiger- und Schuldnermehrheit<br />

Es kommt vor, dass sowohl auf der Schuldner- wie auch auf der Gläubigerseite mehrere<br />

Personen<br />

- gleichzeitig oder<br />

- hintereinander<br />

beteiligt sind: Eine Wohnung wird von einem Ehepaar gemietet. Beide schulden gemeinsam den<br />

Mietzins und haben gemeinsam einen Anspruch auf Überlassung der Mietsache.<br />

Nach dem Tod des Vermieters treten seine Erben als Rechtsnachfolge nach § 1922 in seine Rechtsstellung<br />

ein. Kraft Gesetzes bewirkt dies einen Wechsel in der Person des Vermieters.<br />

Der Handwerker verkauft eine Forderung gegen einen säumigen Schuldner an eine Bank. Der Kaufvertrag<br />

ist das Verpflichtungsgeschäft gerichtet auf zwei Verfügungen: Zum einen die Abtretung des<br />

Anspruchs gegen den Schuldner an die Bank und zum anderen die Zahlung des Kaufpreises durch<br />

die Bank an den Handwerker.<br />

1. Abtretung<br />

Nach § 398 bewirkt eine Abtretung den Forderungsübergang vom alten Gläubiger<br />

auf den neuen Gläubiger. Es handelt sich um ein Verfügungsgeschäft, bei dem sich<br />

die rechtliche Zuordnung einer Forderung ändert. Der Arbeitnehmer tritt im Darlehensvertrag<br />

sein Gehalt an seine Bank ab <strong>für</strong> den Fall, dass er seine Darlehensschulden nicht erfüllen wird. Der<br />

Darlehensvertrag ist das Verpflichtungsgeschäft. Die Abtretung ist das Verfügungsgeschäft.<br />

Die Abtretung setzt voraus:<br />

a. Eine bestehende oder künftig entstehende Forderung. Es gibt keinen gutgläubigen Erwerb<br />

nichtbestehender Forderungen, sieht man von dem Ausnahmefall des § 405 ab.<br />

b. Es darf kein Abtretungsausschluss gemäss §§ 399 f bestehen. Nach § 400 kann der<br />

Arbeitnehmer sein Gehalt nicht abtreten, soweit es dem Pfändungsschutz nach §§ 850 ff ZPO unterfällt.<br />

Ihm muss das Minimum zum Lebensunterhalt verbleiben.<br />

c. Die Abtretung ist formfrei wirksam. Die Pflicht zur Beurkundung nach § 403 ist<br />

nicht Voraussetzung einer Abtretung sondern deren Rechtsfolge. Die wirksam erfolgte<br />

Abtretung begründet die Beurkundungspflicht. Um seinen Anspruch nach § 410<br />

beweisen zu können, braucht der neue Gläubiger eine Urkunde über die erfolgte Abtretung.<br />

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62<br />

d. Einer Mitwirkung oder Benachrichtigung des Schuldners bedarf es nicht. Deshalb<br />

kann die Abtretung sogar ohne sein Wissen erfolgen. Er ist nach §§ 404 ff geschützt:<br />

Zahlt der Schuldner in Unkenntnis der Abtretung an den früheren Gläubiger, tritt keine<br />

Erfüllung nach § 362 ein, da er nicht an den richtigen Gläubiger geleistet hat. Der<br />

gutgläubige Schuldner kann sich gleichwohl auf die befreiende Wirkung des § 407<br />

Abs. 1 berufen. Er muss nicht nochmals an den neuen Gläubiger leisten. Dieser kann<br />

gegebenenfalls Ansprüche aus Vertragsverletzung, wie §§ 280, 826, 816 Abs. 2 geltend machen gegen<br />

den Abtretenden, der zu Unrecht die Forderung eingezogen hat.<br />

Mit der abgetretenen Forderung gehen nach § 401 auch hier<strong>für</strong> bestellte Sicherheiten über. Die Sicherheit<br />

folgt der Forderung nach. Der neue Gläubiger kann gegebenenfalls auf die Sicherheit zurückgreifen<br />

und sich aus dieser befriedigen.<br />

Neben diesem rechtsgeschäftlichen Forderungsübergang durch Abtretung gibt es<br />

noch einen gesetzlichen Forderungsübergang. Nach § 412 gelten <strong>für</strong> den gesetzlichen<br />

Forderungsübergang die Regeln über die Abtretung entsprechend. Nach § 116<br />

SGB X geht ein Schadensersatzanspruch des Versicherten gegen den Schädiger auf<br />

den Versicherungsträger kraft Gesetzes über, der dem Versicherten Leistungen aus<br />

der gesetzlichen Sozialversicherung gewährt. Wurde eine krankenversicherte Person bei<br />

einem Unfall verletzt und bedarf der Krankenhausbehandlung, werden die Kosten zuerst von der<br />

Krankenversicherung übernommen. Die Schadensersatzansprüche der krankenversicherten Person<br />

gegen den Unfallverursacher gehen kraft Gesetzes auf die Krankenversicherung über, die diese Ansprüche<br />

gegen den Unfallverursacher verfolgen kann.<br />

2. Schuldübernahme<br />

Nach § 414 kann die Schuld von einem Dritten durch Vertrag übernommen werden.<br />

Neben den Vertrag zwischen Alt- und Neuschuldner muss eine Genehmigung des<br />

Gläubigers nach § 415 hinzutreten. Der Neuschuldner tritt an die Stelle des bisherigen<br />

Schuldners. Der 20-jährige A hat im jugendlichen Leichtsinn Waren beim Versandhaus G bestellt,<br />

obwohl von Anfang an klar war, dass er diese nicht bezahlen kann. G gibt ihm zu verstehen,<br />

dass eine Strafanzeige erfolgen solle wegen eines Betruges. A vereinbart mit seinem Vater N, dass<br />

sein Vater N die Schulden übernimmt. A will sie bei seinem Vater N abarbeiten. N und A haben eine<br />

Schuldübernahme vereinbart. G muss diese Schuldübernahme genehmigen, damit sie wirksam wird.<br />

Der Genehmigung des Gläubigers bedarf es zu seinem Schutz. Andernfalls könnte ein zahlungskräftiger<br />

Schuldner mit einem armen Dritten den Schuldübergang vereinbaren. Die Forderung des Gläubigers<br />

wäre kaum durchsetzbar.<br />

3. Gesamtschuld<br />

Die Gesamtschuld nach § 421 bewirkt eine Schuldnermehrheit. Sie kann<br />

- durch rechtsgeschäftliche Verpflichtung nach § 427 <strong>für</strong> das gemeinsam aufgenommene<br />

Darlehen, <strong>für</strong> die gemeinsam angemietete Wohnung wie auch<br />

- kraft gesetzlicher Anordnung wie § 840 Gesamtschuld mehrerer Schädiger<br />

gegeben sein.<br />

Bei der Gesamtschuld kann der Gläubiger beliebig die geschuldete Leistung von jedem<br />

der Schuldner nach § 421 beanspruchen. Die Erfüllung durch einen Gesamt-<br />

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schuldner tilgt die Schuld nach § 422. Die anderen Schuldner werden gegenüber<br />

dem Gläubiger befreit.<br />

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63<br />

Im Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern besteht nach § 426 Abs. 1 ein Ausgleichsschuldverhältnis.<br />

Solange der Gläubiger noch nicht befriedigt ist, hat hiernach<br />

jeder Gesamtschuldner die Pflicht, an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken.<br />

Hat ein Gesamtschuldner mehr als den auf ihn entfallenden Anteil der Schuld<br />

getilgt, entsteht <strong>für</strong> ihn ein Regressanspruch gegen die anderen Gesamtschuldner.<br />

Soweit solch ein Regressanspruch besteht, geht nach § 426 Abs. 2 auch die Forderung<br />

des Gläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner auf ihn über. Hierbei handelt<br />

es sich um einen Fall des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 412.<br />

A und B haben das Auto des D <strong>für</strong> eine Spritztour entwendet und unter Alkoholeinfluss zu Schrott<br />

gefahren. Jeder von ihnen haftet nach §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2, 830 <strong>für</strong> die Eigentumsverletzung.<br />

Sie haften gemäß § 840 zusammen dem D als Gesamtschuldner. Nachdem D gegen A vorgeht, leistet<br />

A vollen Schadensersatz. Er kann nun nach § 426 Abs. 1 und § 426 Abs. 2 den B in Regress nehmen<br />

und von ihm anteiligen Ersatz verlangen.<br />

1. Leistungsinhalt<br />

X. Übungsfälle zum Selbststudium<br />

1. A hat Malermeister M mit dem Streichen seiner Fensterläden beauftragt. Eine<br />

Abrede über das Entgelt erfolgte nicht. Wonach bestimmt sich die Vergütung?<br />

2. A hat beim Bio-Bauern B, einem Direktvermarkter, zwei Zentner Kartoffeln bestellt.<br />

Als er diese wie vereinbart am Samstag auf dem Hof des B abholen will,<br />

entdeckt A an den Säcken einen Hinweis, dass die Kartoffeln aus Frankreich<br />

stammen. Muss A diese Kartoffeln abnehmen?<br />

3. A hat im Fotogeschäft F eine Fotokamera bestellt. Der Verkäufer sagt Lieferung<br />

bis spätestens Monatsende zu. Wann und wo kann A Leistung verlangen?<br />

2. Falscher Empfänger<br />

Der Vorsitzende V des Turnvereins T e.V. bestellt beim Elektrohändler E eine Stereoanlage<br />

<strong>für</strong> € 6.500,--. V vereinbart mit E, dass das Gerät am 1.6. um 15.00 Uhr in<br />

der Sporthalle installiert werden soll. Das Vereinsmitglied A (17 Jahre) hat von dem<br />

Geschäft erfahren und will seinen Nutzen daraus ziehen. A ruft den E an, behauptet<br />

von V beauftragt zu sein, da<strong>für</strong> zu sorgen, dass die Anlage schon eine Woche früher<br />

installiert werde. E wird zur vereinbarten Zeit von A vor der Sporthalle empfangen. A<br />

quittiert den Empfang des Geräts. Die Anlage soll nicht installiert werden, weil er angeblich<br />

den Schlüssel vergessen hat.<br />

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Bald darauf veräußert A die Anlage an K <strong>für</strong> € 3.000,--. K will lieber nicht wissen,<br />

warum A die neue und noch originalverpackte Anlage weit unter Preis verkauft.<br />

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64<br />

Frage 1: T gegen E noch einen Lieferanspruch?<br />

Frage 2: Hat E einen Herausgabeanspruch gegen K?<br />

3. Aufrechnung<br />

Autohändler A verkauft dem B im August 2002 einen Gebrauchtwagen <strong>für</strong> € 2.000,--.<br />

Der mittel- und arbeitslose B bleibt den Kaufpreis schuldig. Den Pkw fährt er zu<br />

Schrott. A verfolgt seinen Anspruch nicht weiter wegen Aussichtslosigkeit der Beitreibung.<br />

Am 20.12.2005 fährt A beim Einparken aus Nachlässigkeit den B an, der die Straße<br />

überqueren wollte. Die neuwertige Lederjacke des B mit einem Wert von € 250,--<br />

wird irreparabel beschädigt. B erleidet Prellungen und Schürfungen. Am 05.01.2006<br />

macht B den Sachschaden und ein Schmerzensgeld in Höhe von € 500,-- geltend.<br />

Hierauf erklärt A die Aufrechnung mit seiner Kaufpreisforderung. B wendet hiergegen<br />

Verjährung ein.<br />

B erhebt nun Ansprüche gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung H des A<br />

4. Grundfall zum Rücktrittsrecht<br />

Herr Kaufmann (K) hat am 15.04. von Herrn Völker (V) einen gebrauchten PKW zum<br />

Preis von € 10.000,-- erworben. Das Fahrzeug hatte einen Wert von € 11.000,--. Sie<br />

vereinbaren im Kaufvertrag ein Rücktrittsrecht bis zum 15.06. auf Drängen des K, der<br />

gewisse Bedenken bei der Probefahrt bekam, weil das Fahrzeug schlecht anzieht<br />

und es sich um einen Unfallwagen handelt. Am 13.06. läuft dem K nachts ein Reh in<br />

das Fahrzeug. Er verliert die Herrschaft über den Wagen und fährt damit auf einen<br />

Baum. Am Fahrzeug entsteht Totalschaden. Bei dem Unfall handelte es sich nach<br />

Ansicht der Polizei um ein <strong>für</strong> K unabwendbares Ereignis. Sogleich am 14.06. erklärt<br />

K dem V den Rücktritt vom Kaufvertrag.<br />

K verlangt von V Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises nebst Zinsen. Hingegen<br />

verlangt V Ersatz des Wertes des Fahrzeugs und Ersatz <strong>für</strong> die gefahrenen Kilometer.<br />

In diesem Fall möchte K obendrein Ersatz <strong>für</strong> einen durchgeführten Ölwechsel und<br />

Ersatz <strong>für</strong> eine von ihm veranlasste Neulackierung in seiner Lieblingsfarbe Kanariengelb.<br />

5. Madonna<br />

Frau Vogel besitzt ein wertvolles Gemälde „Die Madonna“. Es hat einen Wert von €<br />

20.000,-- und ist mit € 15.000,-- versichert.<br />

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Kunsthändler K erwirbt das Bild von ihr am 29.10. um 20.30 Uhr bei einem gemeinsamen<br />

Abendessen in einem Lokal zum Preis von € 18.000,--.<br />

Am selben Abend war in das verschlossene Haus von Frau Vogel eingebrochen<br />

worden und das Bild gestohlen. Der Einbruch war um 21.00 Uhr. K verlangt Lieferung,<br />

hilfsweise Ersatz.<br />

Abwandlung 1:<br />

Das Bild wurde um 20.00 Uhr aus dem verschlossenen Haus gestohlen.<br />

Abwandlung 2:<br />

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65<br />

Das Bild wurde nicht gestohlen. Frau Vogel konnte es schon am folgenden Tag <strong>für</strong> €<br />

22.000,-- an einen Sammler verkaufen, dem sie es zugleich gegen Barzahlung übereignete.<br />

6. Geliehener Porsche<br />

A hat sich <strong>für</strong> 3 Tage beim Autovermieter V einen Porsche gemietet. Er überlässt das<br />

Fahrzeug kurzfristig seinem Freund F, was nach dem Mietvertrag zulässig war. F<br />

fährt mit überhöhter Geschwindigkeit und verursacht einen Unfall, bei dem der Porsche<br />

zerstört wird. V verlangt von A und F Ersatz. A wendet ein, die Kfz-<br />

Haftpflichtversicherung habe den Schaden zu bezahlen.<br />

Welche Schadensersatzansprüche hat V?<br />

7. Querfeldeinrennen<br />

Anfang des Jahres entdeckte der begeisterte Motorradfahrer Anton Anger (A) bei<br />

dem Händler Bernd Berger (B) ein nahezu fertiggestelltes Motorrad, das B speziell<br />

<strong>für</strong> die von A bevorzugten Querfeldeinrennen umgebaut hatte. Da A ohnehin ein<br />

neues Motorrad <strong>für</strong> die Saison benötigte, bekundete er sein Interesse am Erwerb. B<br />

erklärte auf entsprechende Nachfrage, dass er bis zum Beginn der Rennsaison am<br />

1.4. liefern werde. Daraufhin schloss A mit ihm einen Vertrag ab, worin sich B verpflichtete<br />

das fertiggestellte Motorrad gegen einen Betrag von 22.000,-- € bis zu dem<br />

vereinbarten Termin zu liefern.<br />

Als A Anfang April immer noch auf das Motorrad wartete, mahnte er B nunmehr umgehend<br />

zu liefern. B versprach dies zwar, unternahm aber nichts. A war daher gezwungen,<br />

<strong>für</strong> das erste Rennen der Saison sich ein anderes Motorrad zu mieten, wo<strong>für</strong><br />

er 500,-- € aufwenden musste.<br />

Als B am 12.4. das Motorrad immer noch nicht geliefert hatte, beauftragte A seinen<br />

Freund, den Jurastudenten Justus Jansen (J), „seinen Vertrag mit B aus der Welt zu<br />

schaffen“, da er sich nunmehr anderswo umsehen wolle.<br />

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66<br />

J schrieb noch am 12.4. an B „er setze ihm namens und in Vollmacht des A eine letzte<br />

Nachfrist bis zum 20.4., nach deren fruchtlosem Ablauf A die Annahme des Motorrades<br />

ablehnen werde.“ B, der dieses Schreiben am 13.4. erhielt, erwiderte sofort in<br />

gleichlautenden Briefen an A und J, dass er die Ablehnungsandrohung vom 12.4., „in<br />

dieser Form“ nicht anerkennen könne. J solle zunächst einmal seine Legitimation<br />

nachweisen, wozu er ja gesetzlich verpflichtet sei. Schließlich könne ja nicht jeder<br />

kommen und einfach Fristen setzen.<br />

Am 21.4. war das Motorrad immer noch nicht bei A eingetroffen. Da das 2. Rennen<br />

der Saison unmittelbar bevorstand, schrieb A nunmehr selbst an B und erklärte seinen<br />

Rücktritt vom Vertrag.<br />

Nachdem B die Rücktrittserklärung des A vom 21.4. erhalten hatte, brachte er das<br />

versprochene Motorrad noch rechtzeitig vor Beginn des zweiten Rennens am 25.4.<br />

zu A. Dieser lehnte die Annahme allerdings mit Hinweis auf seinen inzwischen erfolgten<br />

Rücktritt vom Vertrag ab, möchte aber auf jeden Fall die aufgewendeten 500,-- €<br />

von B erstattet haben.<br />

B besteht auf Zahlung des vereinbarten Betrages von 12.000,-- €.<br />

Aufgabe:<br />

1. Kann Berger von Anger die Zahlung von 12.000,-- € verlangen?<br />

2. Hat Anger einen Anspruch gegen Berger auf Erstattung der 500,-- €?<br />

8. Umzug<br />

Herr Sommer (S) hat <strong>für</strong> seine Familie ein Reihenhaus erworben. Um die mit dem<br />

Umzug verbundenen Kosten gering zu halten, leiht er sich von Donnerstag bis Freitag<br />

einen Lastwagen von seinem Freund, dem Zimmermann Herrn Hermann (H). H<br />

legt besonderen Wert darauf, dass der LKW am Freitag bis 18.00 Uhr – Betriebsschluss<br />

– auf dem Parkplatz seines Betriebsgeländes steht, muss er doch mit dem<br />

LKW am Samstag im Holzwerk Balken abholen. S verspricht ausdrücklich, die pünktliche<br />

Ablieferung des Fahrzeugs.<br />

Dem S hilft sein Bruder Bertram (B) beim Umzug. B hat die erforderliche Fahrerlaubnis<br />

und Erfahrung <strong>für</strong> den Betrieb des LKW. Spät am Freitagnachmittag ist der Umzug<br />

geschafft und der LKW wird nicht mehr benötigt. S bittet den B, den LKW sogleich<br />

zu H zu schaffen, dessen Betriebsgelände sich nicht weit von der Wohnung des<br />

B entfernt befindet. B sagt dies zu. Er fährt zuerst bei sich zu Hause vorbei, um eine<br />

Kleinigkeit zu essen und zu trinken. In Anbetracht der Strapazen des Umzugs hat er<br />

anschließend keine Lust mehr, nochmals wegzugehen. Er versucht am späteren<br />

Abend vergeblich den H zu erreichen und ihm mitzuteilen, dass er den LKW ganz<br />

früh am Samstagmorgen vorbeibringen werde.<br />

In der Nacht wird der vor dem Wohnhaus des B abgestellte und ordnungsgemäß<br />

verschlossene LKW von Unbekannten gestohlen. B und auch andere Nachbarn war-<br />

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en von den Dieben geweckt worden. Als sie auf die Straße liefen, fuhren die Diebe<br />

mit dem LKW gerade weg.<br />

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67<br />

S bedauert den Diebstahl. Er fühlt sich jedoch nicht verantwortlich da<strong>für</strong>. Zum einen<br />

hat er seinen stets zuverlässigen Bruder gebeten, den LKW zum Betriebsparkplatz<br />

zu bringen. Der Diebstahl hätte ebenso gut auf dem abseits gelegenen und nicht gesicherten<br />

Betriebsparkplatz passieren können. Dort hätten die Diebe viel weniger<br />

damit rechnen müssen, von aufmerksamen Anwohnern bemerkt zu werden.<br />

Frage: Kann H Ersatz <strong>für</strong> den gestohlenen LKW von S oder B verlangen?<br />

9. Schadensersatzansprüche bei Pflichtverletzungen<br />

a. Herr Vogel hat Herrn Müller einen Gebrauchtwagen verkauft. Am Tag vor der<br />

Übereignung fährt er den PKW an einen Baum.<br />

b. Herr Vogel hat Herrn Müller einen Gebrauchtwagen verkauft. Am vereinbarten Tag<br />

der Übereignung versäumt er es, Herrn Müller das Fahrzeug vorbei zu bringen.<br />

c. Der Entwicklungsingenieur Herr Alt plaudert eine Neuentwicklung aus, an der er<br />

gerade arbeitet. Dadurch kann die Konkurrenz ein ähnliches Produkt früher auf den<br />

Markt bringen, weshalb seinem Arbeitgeber ein Schaden entsteht.<br />

d. Herr Kalter hat im Supermarkt Sommer eingekauft. Beim Verlassen des Ladens<br />

rutscht er auf einem Salaltblatt aus und verletzt sich.<br />

e. Der tölpelhafte Malermeister Meier lässt einen Eimer mit roter Farbe fallen, als er<br />

seine Malerutensilien in die Wohnung des Kunden Herrn Kaufmann transportiert. Die<br />

Farbe ruiniert den Teppichboden und eine wertvolle Biedermeierkommode des Kunden<br />

Herrn Kaufmann.<br />

Herr Kaufmann hat kein Vertrauen in die Arbeit des Meier mehr und will sich vom<br />

Vertrag lösen.<br />

Der von Herrn Kaufmann beauftragte andere Malermeister ist etwas teuerer und Herr<br />

Kaufmann will von Herrn Meier Ersatz der Mehrkosten.<br />

f. Herr Vogel hat es übernommen, <strong>für</strong> die Dauer eines Auslandsaufenthaltes des<br />

Herrn Krüger dessen wertvolle Möbel und Kunstobjekte gegen Entgelt in Verwahrung<br />

zu nehmen. Die Sachen sollen in einem trockenen Lagerraum aufbewahrt werden.<br />

Herr Kaufmann erfährt schon nach kurzer Zeit, dass Herr Vogel die Sachen auf dem<br />

Dachboden untergebracht hat, wo sie bei einem Unwetter durch eindringendes Regenwasser<br />

Schaden genommen haben. Herr Krüger verlangt Schadensersatz wegen<br />

des entstandenen Sachschadens.<br />

Herr Krüger will nicht abwarten, bis Herr Vogel eine sichere Unterbringungsmöglichkeit<br />

gefunden hat. Er bringt selbst - kurzfristig vor seiner Abreise - die Sachen im Lagerhaus<br />

einer Spedition unter, höhere Kosten entstehen.<br />

10. Eier<br />

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Gastwirt G bestellt beim Landwirt L 500 Eier <strong>für</strong> € 140,--. L soll die Eier am 25.11. um<br />

15 Uhr wie üblich in der Gaststätte anliefern. Jedoch trifft L zur vereinbarten Zeit<br />

niemanden in der Gaststätte an. Diese ist verschlossen. Nach einigem Warten fährt L<br />

zurück. Da er etwas zu schnell auf regennasser Fahrbahn fährt, kommt er von der<br />

Straße ab. Sein Fahrzeug überschlägt sich. Alle Eier gehen zu Bruch.<br />

Frage 1: G verlangt erneute Lieferung. Den vereinbarten Anliefertermin habe er wegen<br />

eines Verkehrsstaus nicht einhalten können. Für diesen Stau treffe ihn keine<br />

Verantwortung.<br />

Frage 2: L verlangt von G Zahlung des Kaufpreises.<br />

11. Teppich<br />

Frau Vogel will im Kaufhaus K Teppichauslegware kaufen. Bei der Auswahl des<br />

Teppichbodens stürzt eine Teppichrolle auf Frau Vogel und verletzt sie schwer. Frau<br />

Vogel erleidet einen bleibenden Schaden an der Wirbelsäule. Die Teppichbodenrolle<br />

war von dem äußerst zuverlässigen Mitarbeiter M nicht gesichert worden entgegen<br />

den Arbeitsanweisungen.<br />

Bestehen Ansprüche von Frau Vogel gegen K?<br />

12. Wankelmütiger Partner<br />

A will das Grundstück des B kaufen. Alle wesentlichen Kaufvertragspunkte sind bereits<br />

ausgehandelt. Nur der notarielle Vertrag wird noch hinausgeschoben, da B die<br />

Beurkundung durch einen befreundeten Notar seines Vertrauens wünscht, der gerade<br />

in Urlaub ist. B erklärt dem A, A könne schon alles Notwendige <strong>für</strong> seinen Umzug<br />

auf das Grundstück veranlassen. Der Notartermin sei nur noch eine reine Formsache.<br />

A kündigt seinen Mietvertrag und beauftragt eine Umzugsfirma. Im Notartermin<br />

besinnt sich B eines anderen. Der Vertrag wird nicht beurkundet.<br />

A will das Grundstück zum ursprünglichen Preis oder Ersatz seines Schadens, da er<br />

bei Neuabschluss des Mietvertrages nun eine höhere Miete bezahlen muss und eine<br />

Abstandszahlung an die Umzugsfirma leisten muss.<br />

13. Karnevalsumzug<br />

A wohnt in der Innenstadt von Köln. An Fasching führt an seinem Haus der traditionelle<br />

Kölner Karnevalsumzug vorbei. Er vermietet seinen Balkon und seine Straßenfenster<br />

an das Reisebüro R <strong>für</strong> € 350,-- <strong>für</strong> die Dauer des Karnevalsumzugs. R bietet<br />

diese Plätze gegen Entgelt Reisekunden an. Unvorhergesehen wird der Umzug verlegt<br />

und führt nicht mehr am Haus des A vorbei. A verlangt von R Zahlung.<br />

14. Möbelpacker<br />

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E hat eine Wohnung an V vermietet. V verkauft einen großen Schrank an K, der den<br />

Spediteur S mit der Abholung beauftragt. S und seine Mitarbeiter beschädigen bei<br />

der Abholung das Treppenhaus.<br />

E verlangt Schadensersatz von V.<br />

15. Diebischer Arbeitnehmer<br />

A ist Verkaufsfahrer bei der Firma T. Am 20.06. baut er einen Motor aus einem stillgelegten<br />

Lieferwagen aus, den er unter der Hand verkaufen möchte. Er wird jedoch<br />

beobachtet und erhält von T die fristlose Kündigung ausgehändigt, nachdem er die<br />

Tat zugegeben hat. Sein letztes anteiliges Monatsgehalt soll einbehalten werden bis<br />

zur Rückgabe des Motors. A verlangt Auszahlung.<br />

Frage 1: Hat A einen Zahlungsanspruch?<br />

Frage 2: Hat T einen Anspruch auf Rückgabe des Motors?<br />

Frage 3: Muss T den Gehaltsanspruch des A erfüllen, solange A den Motor noch<br />

nicht zurückgegeben hat?<br />

16. Gasboiler<br />

V hat sein Mietshaus von der R-GmbH vollständig renovieren lassen. In den Badezimmern<br />

wurden neue Gasboiler installiert ohne <strong>für</strong> ausreichende Frischluftzufuhr zu<br />

sorgen. Dem V war dies nicht erkennbar.<br />

Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten vermietete V eine Wohnung an Herrn M.<br />

Beim Samstagsbad wird M infolge von Sauerstoffmangel bewusstlos. Er erleidet<br />

dauerhafte gesundheitliche Schäden und deshalb auch eine Minderung seines Erwerbseinkommens.<br />

Die R-GmbH ist zwischenzeitlich in Insolvenz geraten und aufgelöst<br />

worden.<br />

M will deshalb Ansprüche gegen V geltend machen.<br />

Abwandlung:<br />

Nicht M sondern seine Ehefrau E erleidet den Schaden, die nicht Partei des Mietvertrages<br />

ist.<br />

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