30.08.2013 Aufrufe

Die Clemens Müller AG, Dresden

Die Clemens Müller AG, Dresden

Die Clemens Müller AG, Dresden

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Abstract:<br />

This survey deals with the effects of iron and steel rationing on the German<br />

manufacturing industry during the Nazi period. Thus the <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong>, a<br />

producer of sewing machines and typewriters, is focussed in this case study. It<br />

turns out that in the years before the war the company`s steel supply was not<br />

restricted. This changed witht the outbreak of war. From there on the firm was<br />

affected by forced adjustment. Although it was still possible to continue the sewing<br />

machine production until the end of 1944, the company`s production program was<br />

the result of forced substitution of outputs.<br />

<strong>Die</strong> Auswirkungen der Kontingentierung von Eisen und<br />

Stahl auf die verarbeitende Industrie – am Fallbeispiel<br />

der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> in <strong>Dresden</strong><br />

<strong>Die</strong> Rationierung von Rohstoffen ist ein typisches Instrument einer Kriegswirtschaft<br />

und dient in erster Linie dazu, durch Privilegierung und Diskriminierung die Allokation<br />

knapper Ressourcen zu steuern. Im nationalsozialistischen Staat war bereits vor Beginn<br />

des Krieges eine Vielzahl industrieller Rohstoffe rationiert. Ab März 1937 wurden<br />

auch, nachdem die Lieferfristen der Stahlindustrie im zweiten Halbjahr 1936 sprunghaft<br />

angestiegen waren, Walzwerkserzeugnisse und Guss, die Grundstoffe für eine Reihe<br />

von Konsum- und Investitionsgütern sind, kontingentiert. 1 In der Literatur wird die<br />

staatliche Rohstofflenkung oftmals als Beleg für die Interventionsbereitschaft des<br />

Staates angesehen und die Kontingentierung als Instrument zur Beeinflussung der<br />

Investitions- und Produktionsstruktur, d.h. zur Militarisierung der deutschen Wirtschaft<br />

betrachtet. 2<br />

1 Anordnung 22 des Reichsbeauftragten für Eisen und Stahl, in: Deutscher Reichsanzeiger und<br />

Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 44, 23.2.1937.<br />

2 Erbe, René: <strong>Die</strong> nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933-1939 im Lichte der modernen Theorie,<br />

Zürich: 1958, S. 85; Petzina, <strong>Die</strong>ter: <strong>Die</strong> deutsche Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit, Wiesbaden:1977,<br />

S. 135; Blaich, Fritz: Wirtschaft und Rüstung in Deutschland 1933-1939, in Benz, Wolfgang/Graml,<br />

Hermann (Hg.): Sommer 1939. <strong>Die</strong> Großmächte und der europäische Krieg, Stuttgart: 1979, S. 49;<br />

Barkai, Avraham: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Der historische und politische<br />

Hintergrund 1933-1936, 3.Aufl., Frankfurt a.M.: 1998, S. 215f.<br />

1


In der Tat prämierten auch die Stahlkontingentierung vor allem diejenigen Nachfrager,<br />

die sich an die Ziele des nationalsozialistischen Staats anpassten. So erhielten nicht nur<br />

eine Reihe von Wirtschaftsgruppen 3 feste Zuteilungen, sondern auch den verschiedenen<br />

öffentlichen Nachfragern 4 von Fertigerzeugnissen wurden Kontingente zugesprochen<br />

und schließlich der für den Export benötigte Stahl den verarbeitenden Unternehmen in<br />

voller Höhe zugeteilt. 5 <strong>Die</strong> Vergabe von Kontingenten an Nachfrager von<br />

Fertigerzeugnissen aus Eisen und Stahl ermöglichte es der verarbeitenden Industrie,<br />

noch zusätzliche Bezugsrechte 6 zu erhalten. Der Druck, der durch die<br />

Stahlkontingentierung ausgeübt wurde, war damit wohl abhängig von der Höhe des für<br />

die erwünschte Produktion zugestandenen Verarbeitungskontingents. Reichte dieses<br />

nicht aus, unterlagen die betroffenen Unternehmen den von János Kornai formulierten<br />

Gesetzen einer Engpassökonomie und waren zu einer Anpassung gezwungen. 7 <strong>Die</strong>s<br />

bedeutete einerseits die Hortung von Rohstoffen andererseits aber auch die Substitution<br />

von Stahl und/oder die Anpassung des Güterausstoßes an den Bedarf der mit<br />

Bezugsrechten bestellenden Nachfrager.<br />

Verschiedene unternehmenshistorische Untersuchungen, die sich mit Maschinenbauern<br />

im Nationalsozialismus befassen, gehen der Frage der Einschränkung des<br />

unternehmerischen Handlungsspielraums im Nationalsozialismus nach. 8 Einig ist man<br />

3<br />

So gingen Zuteilungen an die Wirtschaftsgruppen Maschinen- und Kesselbau, Schiffbau, Klein- und<br />

Straßenbahnen, Kraftfahrzeugindustrie, Eisen schaffende Industrie und Bergbau.<br />

4<br />

Wehrmacht, Vierjahresplan, sonstiger öffentlicher Bedarf.<br />

5<br />

Anweisung zur Anordnung 22 „Auftragsregelung“ vom 20.2.1937, Wirtschaftsarchiv Darmstadt<br />

Abt.6/1957.<br />

6<br />

Im Rahmen der Stahlkontingentierung gab es bis 1945 verschiedene Arten von Bezugsrechten. Anfangs<br />

erfolgte eine Kennzeichnung der Aufträge durch so genannte Kontrollnummern, die von den<br />

Auftraggebern auf den Bestellungen vermerkt wurden. Ab 1941 waren diese Kontrollnummern nur gültig<br />

wenn zugleich eine so genannte Eisenmarke der Bestellung beigefügt wurde. Ab Oktober 1942 trat dann<br />

ein neues System in Kraft, bei dem Eisenscheine und Eisenübertragungsscheine als Bezugsrecht<br />

fungierten.<br />

7<br />

Kornai, János: Economics of Shortage. Volume A, Amsterdam u.a: 1980, S. 38f; 104ff.<br />

8<br />

Kampmann, Tobias: Vom Werkzeughandel zum Maschinenbau. Der Aufstieg des<br />

Familienunternehmens W. Ferd. Klingelnberg Söhne 1900-1950, (=Zeitschrift für<br />

Unternehmensgeschichte Beiheft 82), Stuttgart: 1994; Gehrig, Astrid: Nationalsozialistische<br />

2


sich darin, dass durch die Stahlkontingentierung der unternehmerische<br />

Handlungsspielraum vor allem bei konsumnahen Maschinenbauern einschränkt worden<br />

sei, wohingegen rüstungsnahe Unternehmen, wie etwa der Werkzeugmaschinenbau<br />

größere Möglichkeiten hatten, staatliche Ansprüche und unternehmerische Interessen in<br />

Einklang zu bringen. 9 Zu einem differenzierteren Ergebnis gelangt Michael Schneider<br />

in seiner Untersuchung verschiedener Büromaschinenhersteller. So zeigt er, dass es<br />

auch diesen gelang, bis Kriegsbeginn ohne wesentliche Einschränkungen zu<br />

produzieren. Selbst im Krieg konnten die von Schneider untersuchten Unternehmen,<br />

wenngleich sie die Rüstungsfertigung ausdehnten, weiter ihr traditionelles<br />

Produktionsprogramm aufrechterhalten. Schneider macht aber auch deutlich, dass er<br />

diese Entwicklung keineswegs für typisch hält, sondern mit der auch für das Regime<br />

erkennbaren kriegswirtschaftlichen Bedeutung der Büromaschinenindustrie erklärt. 10<br />

Dem widerspricht aber, dass der Anteil der zivilen Fertigung auch nach Kriegsbeginn<br />

noch relativ hoch lag und der Staat sogar bewusst eine große Streuung der Aufträge<br />

erreichen wollte. 11 <strong>Die</strong> Auswirkung der Kontingentierung von Eisen und Stahl auf die<br />

Situation relativ konsumnaher Maschinenbauer scheint somit noch keineswegs<br />

ausreichend geklärt zu sein.<br />

Im Mittelpunkt der folgenden Fallstudie steht daher mit dem Dresdner Schreib- und<br />

Nähmaschinenhersteller <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> ein solch konsumnaher Maschinenbauer.<br />

Rüstungspolitik und unternehmerischer Entscheidungsspielraum. Vergleichende Fallstudien zur<br />

württembergischen Maschinenbauindustrie (=Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in<br />

Südwestdeutschland), Bd. 5), München: 1996; Schneider, Michael: Zwischen Weltwirtschaftskrise und<br />

Kriegswirtschaft: Chemnitzer Maschinenbauunternehmen während der NS-Zeit (1933-1945), (Diss.),<br />

Berlin: 2004.<br />

9 Siegel, Tilla/v. Freyberg: Industrielle Rationalisierung unter dem Nationalsozialismus, Frankfurt a. M.,<br />

New York: 1991, S. 181.; Kampmann, (1994), S. 212ff.; Gehrig (1996), S. 324f.<br />

10 Schneider (2004), S. 452.<br />

11 Barkai (1998), S. 217; <strong>Müller</strong>, Rolf-<strong>Die</strong>ter: die Mobilisierung der deutschen wirtschaft für Hitlers<br />

Kriegsführung, in: Kroener, Bernhard R./<strong>Müller</strong>, Rolf-<strong>Die</strong>ter/Umbreit, Hans(Hg.): Das Deutsche Reich<br />

und der Zweite Weltkrieg. Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs. Band 5. Erster<br />

Halbband, Stuttgart: 1988, S. 349-692, S. 385.<br />

3


Dabei wird zum einen der Frage nachgegangen, inwieweit dieses Unternehmen durch<br />

die Stahlkontingentierung in seinen Möglichkeiten, Rohstoffe zu kaufen, eingeschränkt<br />

war. Darüber hinaus soll auch untersucht werden, auf welche Weise sich die <strong>Clemens</strong><br />

<strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> an die veränderten Rahmenbedingungen anpasste. War das Unternehmen<br />

unter dem Druck der Kontingentierung gezwungen, gegen seine lang- und kurzfristigen<br />

ökonomischen Interessen zu handeln, oder konnten staatliche und unternehmerische<br />

Interessen in Einklang gebracht werden? Dazu werden in der folgenden Fallstudie die<br />

Motive, die unternehmerischen Entscheidungen, welche den Einsatz von Ersatzstoffen,<br />

die Veränderung des Sortiments oder die Aufnahme der Produktion von Rüstungsgütern<br />

betrafen, identifiziert. <strong>Die</strong>s soll es abschließend ermöglichen, ein Urteil darüber<br />

abzugeben, ob bzw. ab wann die Kontingentierung eine Anpassung des Unternehmens<br />

an die vom Staat vorgegebenen Ziele erzwang.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> unter dem Einfluss der Kontingentierung<br />

von Eisen und Stahl von 1937 bis Kriegsbeginn<br />

<strong>Die</strong> <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> war ein in <strong>Dresden</strong> ansässiges Unternehmen, das<br />

Haushaltsnähmaschinen und Schreibmaschinen herstellte. Als Mitglied der<br />

Wirtschaftsgruppe Maschinenbau erhielt es wie alle Nähmaschinenfabriken schon ab<br />

März 1937 eine feste monatliche Zuteilung. Deren Höhe war auf Basis einer „in größter<br />

Eile“ 12 durchgeführten Erhebung im Januar 1937 ermittelt worden. Dazu erging an die<br />

Maschinenfabriken die Aufforderung, den Bedarf an Guss und Walzwerkserzeugnissen<br />

für die nächsten Monate abzuschätzen und darüber hinaus auch die voraussichtlich für<br />

12 Schreiben der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau an die Seidel & Naumann <strong>AG</strong>, <strong>Dresden</strong> vom<br />

29.1.1937, Sächs. HSt.Arch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11657 Seidel & Naumann, Nr. 68.<br />

4


die Wehrmacht, den Vierjahresplan und den Export benötigte Mengen der<br />

Wirtschaftsgruppe zu melden. 13 Für die Unternehmen ergab sich hierbei die<br />

Möglichkeit, ihren Informationsvorsprung gegenüber der Wirtschaftsgruppe<br />

auszunutzen und durch unrichtige Angaben eine relativ hohe Zuteilung zu erhalten. Wie<br />

viel die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> tatsächlich forderte, geht aus den überlieferten Akten nicht<br />

hervor. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass der von der Wirtschaftsgruppe<br />

an die Unternehmen gerichtete Appell im Sinne der „Kameradschaftlichkeit“ 14 von<br />

überhöhten Bedarfsanforderungen abzusehen, nicht beherzigt wurde, denn die Zuteilung<br />

an das Unternehmen lag mit 30 Monatstonnen über dem wenige Monate später<br />

veranschlagten maximalen Verbrauch für Inlandsaufträge von 26 Tonnen. 15 Auch die in<br />

den ersten Monaten nach dem Erlass der Anordnung 22 zweifellos stockende<br />

Belieferung machte diesen Vorteil nicht zunichte und zu tatsächlichen<br />

Betriebseinschränkungen kam es, da Fehlmengen wohl aus den reichlichen<br />

Lagerbeständen ausgeglichen werden konnten, nicht. Stattdessen schätzte die<br />

Unternehmensleitung die Versorgungssituation im April 1937 sogar als „im allgemeinen<br />

befriedigend“ 16 ein. Wenngleich damit die Voraussetzungen gegeben waren, das<br />

bisherige Produktionsprogramm ohne Abstriche aufrecht zu erhalten, bedeutet die<br />

Kontingentierung hinsichtlich einer Ausweitung der Produktion doch eine<br />

Einschränkung. Davon betroffen war die erst in Planung befindliche sogenannte<br />

13 <strong>Die</strong>se Aufschlüsselung hatte seine Ursache darin, dass die Wirtschaftsgruppe das<br />

Maschinenbaukontingent als sogenanntes Globalkontingent verteilte. <strong>Die</strong>s bedeutete, dass auch die von<br />

Wehrmacht, Vierjahresplan und Export in den Maschinenbau fließenden Bezugsrechte abgeschätzt und<br />

zu dem eigentlichen Maschinenbaukontingent hinzugezählt wurden. <strong>Die</strong> sich so ergebende Gesamtmenge<br />

wurde dann an alle Maschinenbauer aufgeteilt. Mit dieser Verteilungspraxis sollte den außerhalb der<br />

staatlichen Programme stehenden Unternehmen eine höhere Zuteilung aus dem Maschinenbaukontingent<br />

gesichert werden. Ab September 1937 wurde diese Verteilungspraxis geändert. Vgl. dazu Schreiben der<br />

Arbeitsgemeinschaft der Industrie und Handelskammern in der Reichswirtschaftskammer an die IHK<br />

Gießen 20.8.1937, Wirtschaftsarchiv Darmstadt Abt.6/1957; sowie Geer, Johann S.: Der Markt der<br />

geschlossenen Nachfrage. Eine morphologische Studie über die Eisenkontingentierung in Deutschland<br />

1937-1945, Berlin: 1961, S. 51f..<br />

14 Schreiben der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau an die Seidel & Naumann <strong>AG</strong>, <strong>Dresden</strong> vom<br />

29.1.1937, Sächs. HSt.Arch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11657 Seidel & Naumann, Nr. 68.<br />

15 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats vom 1.12.1937, Sächs.HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

16 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats vom 27.4.1937, Sächs.HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

5


„VEUMA - Nähmaschine“. Hier sah man nun keine Möglichkeit mehr dieses Projekt in<br />

seiner ursprünglichen Form durchzuführen, und beschloss daher so weit wie möglich<br />

Stahl durch Aluminium zu substituieren. 17 <strong>Die</strong>s schien anfangs auch ohne weiteres<br />

machbar, denn es gelang dem Unternehmen sowohl das dazu notwendige<br />

Aluminiumkontingent, als auch eine erhöhte Gusszuteilung zu erhalten, so dass die<br />

Planung des Projekts auch noch in den ersten Monaten des Jahres 1937 weitergeführt<br />

werden konnten. 18<br />

Auch die im März 1937 beschlossene Aufgabe von acht der bis dahin 16 produzierten<br />

Nähmaschinentypen war trotz der zeitlichen Nähe zur Anordnung 22 keine durch die<br />

Stahlkontingentierung erzwungene Maßnahme. Vielmehr war die Straffung des<br />

Herstellungsprogramms Teil einer Rationalisierungsstrategie in der<br />

Nähmaschinensparte, denn trotz der hohen Nachfrage erwirtschaftete das Unternehmen<br />

hier immer noch einen Verlust. 19 Neben der Typenreduzierung wurden daher auch<br />

konstruktive Veränderungen an den Maschinen vorgenommen und schließlich die<br />

unrentable Einzelfertigung im Nähmaschinenmöbelbau aufgegeben. Tatsächlich gelang<br />

es dadurch trotz einer im November 1938 durch den Preiskommissar verfügten<br />

Preissenkung bei Nähmaschinen um 6% 20 die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, so dass<br />

eine betriebsinterne Studie die Nähmaschinenfertigung im Jahre 1941 wieder als<br />

„durchaus rentabel“ einschätzte. 21<br />

17<br />

Protokoll über die Aufsichtsratssitzung vom 27.4.1937, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

18<br />

Protokoll über die Aufsichtsratssitzung vom 5.8.1937, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

19<br />

Protokoll über die Aufsichtsratssitzung vom 27.4.1937, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

20<br />

Geschäftsbericht der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> für das Jahr 1938, Sächs.HStArch. <strong>Dresden</strong> Best. 11662, Nr.<br />

72.<br />

21<br />

Untersuchungen über die Rentabilität der Nähmaschinen Fertigung vom 30.6.1941, Anlage 2, Sächs.<br />

HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 48.<br />

6


<strong>Die</strong> hohe Nachfrage und die ausreichende Belieferung mit Rohstoffen ermöglichten es<br />

der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> im Verlauf des Jahres 1937, ihren Inlandsumsatz in allen<br />

Sparten zu steigern. Betrachtet man die Zahlen für die gesamte Branche, so zeigt sich,<br />

dass die positive wirtschaftliche Entwicklung bei der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> keine<br />

Ausnahme war. Denn auch bei anderen Näh- und Büromaschinenherstellern stiegen im<br />

Jahre 1937 die Inlandsumsätze 22 und auch die Steuerbilanzgewinne merklich an. 23 Eine<br />

Untersuchung über die Rentabilität der Maschinenbauunternehmen, die von der<br />

Wirtschaftsgruppe Maschinenbau durchgeführt worden war, stellte fest, dass die<br />

Umsatzrentabilität der in die Studie einbezogenen 16 Nähmaschinenfabriken von 11,5%<br />

im Jahre 1936 auf 11,7% gestiegen war. Bei den Herstellern von Büromaschinen war<br />

der Anstieg von 10% auf 13,3% sogar noch größer. 24<br />

Allerdings verschlechterten sich die Aussichten, auch weiterhin genügend Bezugsrechte<br />

zu erhalten, im Verlauf des Jahres 1937 immer mehr. So wurde ab Juli 1937 die<br />

Zuteilung an die Fabriken auf 80% der Maiquote verringert. 25 In Anbetracht der anfangs<br />

zu hohen Anforderungen wäre dies für die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> noch nicht bedrohlich<br />

gewesen. Doch kam es zur Jahreswende 1937/38 noch zu einer weiteren Kürzung 26 und<br />

die Zuteilung an die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> fiel im Dezember mit 19,5 Tonnen und 15<br />

22<br />

Nach Unterlagen der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau stieg der Inlandsumsatz der<br />

Nähmaschinenindustrie von 57,8 Millionen Reichsmark auf 65,3 Millionen Reichsmark an. Der<br />

Auslandsumsatz stieg dagegen von 26,9 auf 30,9 Millionen Reichsmark. Vgl. dazu: Unterlagen für die<br />

ZA-Abgabe 1938, BArch. Berlin Hoppegarten, R13III/400.<br />

23<br />

Vgl. dazu: Lagebericht der Anker Werke Bielefeld (1946), WWA Dortmund F-42/Nr. 159 bzw. <strong>Die</strong><br />

Berichte über die Wirtschaftslage im Bezirk der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld aus dem Jahre 1937<br />

WWA Dortmund K1/Nr. 1752; sowie: Spoerer, Mark: Von Scheingewinnen zum Rüstungsboom. <strong>Die</strong><br />

Eigenkapitalrentabilität der deutschen Industrieaktiengesellschaften 1925-1941, Stuttgart: 1996, S. 203;<br />

Schneider (2004), S. 90.<br />

24<br />

Gewinnstatistik der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau, Steuerpflichtiger Gewinn in % vom<br />

Gesamtumsatz, BArch. Berlin Hoppegarten R13III/353.<br />

25<br />

Schreiben der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau vom 29.5.1937 an ihre Mitglieder, Sächs. HstArch..<br />

<strong>Dresden</strong>, Best. 11657, Nr. 68.<br />

26<br />

Bericht über die Wirtschaftslage im Bezirk der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld während der Monate<br />

Dezember 1937 und Januar 1938, WWA Dortmund K1/Nr. 1752; Schneider (2004), S. 103.<br />

7


Tonnen ab Januar 1938 deutlich geringer aus. 27 Realistische Aussichten an<br />

Bezugsrechte der Kunden zu kommen, bestanden lediglich im Schreibmaschinensektor,<br />

wo ein Teil der Erzeugung an Behörden und andere kontingentierte Wirtschaftsgruppen<br />

ging. Demgegenüber waren die Nähmaschinenhändler, die den Großteil der Produktion<br />

kauften, ebenso wenig im Besitz von Bezugsrechten wie deren Kunden. Durch die<br />

Mehrzuteilungen der vergangenen Monate, war es zwar möglich, die Produktion vorerst<br />

aus den Lagerbeständen auf der alten Höhe zu halten, 28 doch sah sich das Unternehmen<br />

nun tatsächlich in absehbarer Zeit mit einer bedrohlichen Versorgungslage konfrontiert,<br />

was Anlass war, die Unternehmensstrategie neu zu überdenken.<br />

Ein möglicher Ausweg hätte darin bestanden, die Verwendung von Ersatzstoffen zu<br />

forcieren, was von der Unternehmensleitung allerdings mit großer Skepsis beurteilt<br />

wurde. Eine betriebsinterne Untersuchung, die diese Frage prüfte, kam zwar zu dem<br />

Ergebnis, dass monatlich maximal neun Tonnen durch Elektron-Spritzguss, Silumin<br />

oder Aluminium, substituiert werden könnten. 29 Doch wurde auch darauf hingewiesen,<br />

dass dies mit deutlichen Mehrkosten verbunden wäre und darüber hinaus ein nur schwer<br />

kalkulierbares produktionstechnisches Risiko mit sich brächte. Nicht zuletzt zweifelte<br />

man auch an der Akzeptanz der in- und ausländischen Kunden, was in Anbetracht der<br />

Tatsache, dass nicht alle Nähmaschinenhersteller verpflichtet waren, auf Ersatzstoffe<br />

umzustellen, ein gewichtiges Argument darstellte. Ganz abgesehen von diesen<br />

grundsätzlichen Vorbehalten standen auch die langen Lieferfristen der für die<br />

Umstellung notwendigen Maschinen und Werkzeuge von vorn herein einer<br />

kurzfristigen Substitution von Eisen und Stahl entgegen. <strong>Die</strong> Direktion sprach sich<br />

daher in einer im Dezember abgehaltenen Besprechung zwar für weitere Versuche zur<br />

27 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats vom 1.12.1937, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

28 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats vom 1.12.1937, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

29 Ebd.<br />

8


Ersatzstoffverwendung aus. Eine nennenswerte Substitution sollte aber, da dies zu teuer<br />

und risikoreich wäre, nicht erfolgen. 30 Auch das geplante „VEUMA - Projekt“, bei dem<br />

ja ursprünglich die Verwendung von Aluminium an Stelle von Stahl vorgesehen war,<br />

wurde nun endgültig eingestellt. Verantwortlich dafür war allerdings nicht die<br />

Rohmaterialversorgung, sondern vielmehr die als gering erachteten Exportchancen. 31<br />

Mit der Kürzung der Zuteilungen stand nun aber auch die Frage, ob das Unternehmen<br />

die drohende Betriebseinschränkung durch die Annahme von Rüstungsaufträgen<br />

kompensieren sollte, auf der Tagesordnung. Doch auch hier überwog, da dies nach<br />

Einschätzung des Unternehmens nicht mit dem traditionellen Produktionsprogramm in<br />

Einklang zu bringen war, die Skepsis. <strong>Die</strong> Unternehmensleitung sah daher in der<br />

Rüstungsproduktion lediglich einen „letzte[n] Ausweg“. 32 Viel Erfolg versprechender<br />

erschien es dagegen, durch Veränderungen im Sortiment und eine Steigerung der<br />

Exporte auch in Zukunft die Stahlversorgung des Unternehmens abzusichern und auf<br />

diese Weise eine ausreichende Beschäftigung zu erreichen. So entschied man vor allem<br />

die Schreibmaschinenfertigung, bei der die Aussicht an Kontrollnummern von<br />

Behörden und Industrie zu erhalten, besser war als bei den Nähmaschinen, weiter zu<br />

forcieren und plante überdies in die Produktion von Buchungsmaschinen einzusteigen. 33<br />

Da das Nähmaschinengeschäft, der ursprüngliche Kern des Unternehmens, auch nach<br />

der Rationalisierung viel unrentabler als das Schreibmaschinengeschäft war und die<br />

Rendite hier weit unter dem Branchenschnitt lag, war dies sicherlich auch aus<br />

wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. <strong>Die</strong> bessere Lage bei der Rohstoffversorgung wurde<br />

30 Ebd.<br />

31 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 1.12.1937, Sächs. HAStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46;<br />

sowie: Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 25.6.1938, Sächs. HAStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr.<br />

46.<br />

32 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 1.12.1937, Sächs. HAStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

33 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 1.12.1937, Sächs. HAStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46;<br />

sowie: Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 14.3.1938, Sächs. HAStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr.<br />

46.<br />

9


im Protokoll der Sitzung, bei der dieser Entschluss gefasst wurde, dann auch nur als ein<br />

Grund unter vielen angeführt, warum zukünftig eine Konzentration auf das<br />

Schreibmaschinengeschäft erfolgen sollte. 34<br />

Dass die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> sowohl eine Umstellung auf teurere Ersatzstoffe, wie<br />

auch den Einstieg in die Rüstungsproduktion vermeiden konnte, war aber nur möglich,<br />

da die Versuche des Unternehmens das Kontingent wieder auf die alte Höhe zu bringen,<br />

erfolgreich waren. So stockte die Fachgruppe das Januarkontingent noch im Dezember<br />

um 4 Tonnen auf. 35 <strong>Die</strong> Zuteilung im Februar und März wurden dann abermals um<br />

jeweils 5,1 Tonnen erhöht, womit die Gesamtzuteilung bei 24,1 Tonnen lag. Ungeachtet<br />

dieser bereits „erheblichen Verbesserung“ versuchte die Unternehmensleitung noch<br />

zusätzliche Mengen zu erhalten. 36 Selbst dies gelang relativ rasch, denn im April 1938<br />

lag die Zuteilung wieder bei 27,5 Tonnen wozu noch etwa eine Tonne, die mit<br />

Kontrollnummern der Kunden belegt war, kam. 37 Im November und Dezember übertraf<br />

das Kontingent mit 34 Monatstonnen die ursprüngliche Zuteilung sogar deutlich. 38 <strong>Die</strong><br />

scheinbar mühelose Erhöhung war aber wohl keineswegs auf die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong><br />

beschränkt. Dafür sprechen zumindest die gestiegenen Inlandsumsätze der gesamten<br />

Nähmaschinenindustrie. 39 Dank der höheren Beschäftigung und der<br />

Rationalisierungsmaßnahmen konnte die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> den Steuerbilanzgewinn<br />

nochmals erhöhen und erstmals seit 1928 wurde im Jahre 1938 wieder eine 5%ige<br />

Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet. 40<br />

34 Protokoll der Aufsichtsrats vom 25.6.1938, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

35 Schreiben Schmidt an die Mitglieder des Aufsichtsrats vom 9.12.1937, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best.<br />

11662, Nr. 039.<br />

36 Schreiben Schmidt an die Mitglieder des Aufsichtsrats vom 29.12.1937, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>,<br />

Best. 11662, Nr. 004.<br />

37 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats vom 14.3.1938, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

38 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats vom 29.11.1938, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr.<br />

46.<br />

39 BArch. R3/1917, Bl.31<br />

40 Spoerer (1996), S. 203.<br />

10


Mit der Jahreswende 1938/39 wuchs der Druck der Behörden dann allerdings wieder an.<br />

Das Reichswirtschaftsministerium forderte Anfang 1939 die Fachgruppe auf, eine<br />

weitere Typenbeschränkung durchzuführen und „unter strengster Geheimhaltung“ auch<br />

die Planung einer sogenannten Einheitsnähmaschine in die Wege zu leiten. 41 Anlass für<br />

diese Initiative des Reichswirtschaftsministeriums waren jedoch nicht die im Frühjahr<br />

1939 auftretenden Probleme im Kontingentierungsverfahren. 42 Vielmehr spricht die<br />

Geheimhaltungsvorschrift dafür, dass nun auch in der Nähmaschinenindustrie, wie in<br />

anderen Sparten, erste Vorbereitungen für einen kommenden Krieg getroffen wurden. 43<br />

Ob dies auch der Anstoß war, dass die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> entgegen ihrer<br />

ursprünglichen Absicht jetzt doch einen Probeauftrag der Wehrmacht annahm, ist aus<br />

den Akten nicht rekonstruierbar. Da das Stahlkontingent von dem Unternehmen auch<br />

noch in den letzten Friedensmonaten als „ausreichend“ eingeschätzt wurde, kann aber<br />

zumindest festgehalten werden, dass akuter Rohstoffmangel bei den traditionellen<br />

Produkten nicht dafür verantwortlich gewesen war. 44<br />

Allerdings stieß die Forderung nach einer „Einheitsnähmaschine“ sowohl bei der<br />

Industrie und auch bei der Fachgruppe auf Ablehnung. Trotzdem sah man sich nun doch<br />

genötigt durch „aktive Mitarbeit“ bei diesem Vorhaben die befürchtete Einsetzung eines<br />

41 Schreiben der Fachgruppe Nähmaschinenindustrie der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau vom<br />

27.4.1939 an ihre Mitglieder; sowie: Schreiben der Fachgruppe Nähmaschinen in der Wirtschaftsgruppe<br />

Maschinenbau vom 1.7.1939, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 34.<br />

42 So wurde im Frühjahr 1939, nachdem die Lieferfristen bei einigen Walzwerkserzeugnissen wieder<br />

dramatisch angestiegen waren, zur spezifischen Kontingentierung, d.h. zur Ausgabe von besonderen<br />

Bezugsrechten für Stabeisen, übergegangen. Vgl. dazu: 20. Anweisung zur Anordnung 22(erste<br />

Anweisung zur Auftragsregelung für Stabeisen) des vom 10.3.193, in: Nachrichtendienst der<br />

Wirtschaftsgruppe Werkstoffverfeinerung und verwandte Eisenindustriezweige, 4. Jg., S. 46.<br />

43 Vgl. dazu: Aktennotiz über die Besprechung im Reichswirtschaftsministerium am 9.6.1939, BArch.<br />

RI/644, Bl. 116f.; sowie: Niederschrift über die Sitzung im Stahlhof vom 20.6.1939, BArch. R13I/644,<br />

Bl. 97.<br />

44 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 15.3.1939, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

11


staatlichen Kommissars zu verhindern. 45 <strong>Die</strong> Einrichtung eines Ausschusses blieb<br />

allerdings die vorerst einzige konkrete Maßnahme, die Vorgaben des<br />

Reichswirtschaftsministeriums auch tatsächlich umzusetzen. In Anbetracht der Skepsis<br />

der Industrie ist es wenig überraschend, dass dessen Arbeit nur schleppend voranging<br />

und wohl vor allem dazu diente, weitere Eingriffe zu verhindern. So gelang es nach<br />

Kriegsbeginn eine Zusicherung zu erhalten, dass andere Stellen sich nicht mit dieser<br />

Frage beschäftigen würden. 46 <strong>Die</strong> Entwicklung der Einheitsnähmaschine kam aber nur<br />

langsam voran, wobei dies die Beteiligten mit dem immer größeren Personalmangel<br />

rechtfertigten. <strong>Die</strong> für die Konstruktionsabteilung im Herbst 1940 in Bielefeld<br />

angemieteten Räume mussten daher Ende 1941 gekündigt werden, obgleich bis zu<br />

diesem Zeitpunkt lediglich ein erstes Muster fertig gestellt werden konnte. 47<br />

Weniger konfliktträchtig war dagegen der Wunsch des Reichswirtschaftsministeriums<br />

nach einer weiteren Typenreduzierung. <strong>Die</strong>se lag in Anbetracht der hohen<br />

Beschäftigung sicherlich auch im Interesse der Unternehmen, konnte doch durch die<br />

Konzentration auf die gewinnträchtigsten Modelle die Rentabilität gesteigert werden.<br />

Andererseits waren sie auch bestrebt, weiterhin mit einer möglichst ausdifferenzierten<br />

Produktpalette ihren angestammten Kunden zu erhalten und hatten, wie das Beispiel der<br />

<strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> zeigt, bereits zuvor aus eigenem Antrieb verschiedene Modelle aus<br />

dem Produktionsprogramm gestrichen. Bis Juli 1939 reichten dann aber doch immerhin<br />

13 Nähmaschinenhersteller, darunter auch die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong>, unverbindliche<br />

Vorschläge ein, welche Typen zukünftig nicht mehr hergestellt werden sollten. Im Falle<br />

45<br />

Niederschrift über die Sitzung der Fachabteilung A der Fachgruppe Nähmaschinen vom 30.6.1939,<br />

Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 34.<br />

46<br />

Niederschrift über die Sitzung des Ausschusses für Typenvereinheitlichung vom 6.11.1940, Sächs.<br />

HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr,. 34.<br />

47<br />

Bericht über den derzeitigen Stand der Entwicklungsarbeiten für die deutsche Einheitsnähmaschine<br />

vom 7.1.1942, sowie: Niederschrift über die Sitzung des Ausschusses für Typenvereinheitlichung vom<br />

6.11.1940, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 34.<br />

12


der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> betraf dies zwei Nähmaschinenmodelle, die nach Einschätzung<br />

der Unternehmensleitung den Betrieb ohnehin nur belasteten. 48 Trotzdem wollte man<br />

auf diese nicht völlig verzichten, sondern stattdessen lediglich die Herstellung an ein<br />

anderes Unternehmen abgeben. Der Verkauf sollte aber weiterhin ausschließlich durch<br />

die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> erfolgen. 49 Eine Verpflichtung dies auch tatsächlich<br />

umzusetzen, lehnte das Dresdner Unternehmen, obgleich die Fachgruppe darauf<br />

drängte, 50 als „jetzt noch verfrüht“ ab. 51<br />

<strong>Die</strong> wirtschaftliche Lage blieb auch noch in den ersten Monaten des Jahres 1939<br />

ausgesprochen günstig. <strong>Die</strong> Geschäftsleitung gab nun sogar die Losung aus, nur noch<br />

neue Kunden anzunehmen, wenn mit diesen eine langfristige Geschäftsbeziehung<br />

eingegangen werden könne. 52 Sowohl der Schreib- wie auch der Nähmaschinenumsatz<br />

konnte in den ersten acht Monaten des Jahres 1939 nochmals um 32,5 % bzw. 20,3 %<br />

gesteigert werden und der Bruttogewinn lag um 48,6% bzw. 20,8% höher als ein Jahr<br />

zuvor. 53 Trotz der Kontingentierung war damit die Kapazitätsgrenze des Unternehmens<br />

erreicht, und das, obwohl bis dahin keinerlei Produktion von Wehrmachtsgerät erfolgt<br />

war. 54<br />

48 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats vom 24.5.1939, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

49 Schreiben der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> an die Fachgruppe Nähmaschinen in der Wirtschaftsgruppe<br />

Maschinenbau vom 5.7.1939, Best. 11662, Nr. 34; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 24.5.1939,<br />

Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong> Best. 11662, Nr. 46.<br />

50 Schreiben der Fachgruppe Nähmaschinen vom 14.7.1939 an ihre Mitglieder, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>,<br />

Best. 11662, Nr. 34.<br />

51 Schreiben der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> an die Fachgruppe Nähmaschinen vom 17.7.1939, Sächs. HStArch.<br />

<strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 34.<br />

52 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 24.5.1939, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

53 Aktennotiz vom 6.11.1939 btr. Schreiben von Dr. Erhard Schmidt, Berlin, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>,<br />

Best. 11662, Nr. 48.<br />

54 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats vom 28.11.1939, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr.<br />

46<br />

13


<strong>Die</strong> <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> im Krieg<br />

Mit dem Beginn des Krieges kam es dann allerdings zu einer deutlichen Kürzung des<br />

Maschinenbaukontingents, womit sich auch für die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> die<br />

Versorgungssituation drastisch verschlechterte. 55 Das Verarbeitungskontingent der<br />

Nähmaschinenindustrie wurde nun sogar vorerst ganz gestrichen und lediglich für den<br />

Ersatzteilbedarf ein geringes Kontingent zugeteilt. Zwar erhielten die<br />

Nähmaschinenfabriken Anfang 1940 dann wieder eine gekürzte Zuteilung, doch<br />

verschlimmerte sich die Lage ab Mai 1940 nochmals dramatisch. Zu diesem Termin trat<br />

ein für den deutschen Markt geltendes Herstellungsverbot für Haushaltsnähmaschinen<br />

in Kraft. 56 Von da an erhielten nur noch bestimmte Unternehmen, 57 zu denen die<br />

<strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> in <strong>Dresden</strong> nicht gehörte, ein Verarbeitungskontingent zugeteilt. 58<br />

<strong>Die</strong>ses lag bei 10% des gesamten bisherigen Verbrauchs in diesem Sektor. 59 Den<br />

restlichen Betrieben war es von da an lediglich erlaubt Nähmaschinen für den Export,<br />

den die Wirtschaftsgruppe vorab mit Zuteilungen an die Unternehmen versorgte,<br />

herzustellen. <strong>Die</strong>se massive Privilegierung einzelner Unternehmen wurde noch dadurch<br />

verstärkt, dass die am Kontingent beteiligten Firmen von nun an 30 kg je Maschine<br />

erhielten, obwohl der tatsächliche Bedarf sicherlich geringer war. 60<br />

Auf die Einschränkung nach Kriegsbeginn hatte die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> mit einer<br />

Beschneidung ihres Produktionsprogramms reagiert und Anfang 1940 wurden nur noch<br />

55 Vgl. dazu auch die Anker-Chronik (November 1941), WWA-Dortmund F42/Nr. 330.<br />

56 Schreiben der Fachgruppe Nähmaschinen an die Mitglieder vom 7.6.1940, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>,<br />

Nr. 75.<br />

57 Pfaff, Gritzner Kayser, Haid & Neu, <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> (Bünauburg), Minerva, Schwabe, Phoenix und<br />

Singer.<br />

58 Schreiben der Fachgruppe Nähmaschinen vom 11.9.1939, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11600, Nr.<br />

75.<br />

59 Aktennotiz vom 16.4.1940, Sächs. HStArch <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 75.<br />

60 So kalkulierte die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> für ein Oberteil einer kleinen Schwingschiffmaschine mit 12 kg<br />

für die große Zentralspulmaschine mit 16,1 kg, wozu noch ca. 10-15% für Werkzeuge und Vorrichtungen<br />

gerechnet wurden. Veritas - Einsatzgewichte (22.1.1940), Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 49.<br />

14


zwei Typen hergestellt. 61 Obwohl die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> auch nach dem Erlass des<br />

Herstellungsverbots versuchte diese Fertigung gegenüber der Fachgruppe zu schützen,<br />

wurde nun auch darüber nachgedacht, ganz aus der Nähmaschinenfertigung<br />

auszusteigen. 62 <strong>Die</strong> anhaltende Rentabilitätsschwäche und die wesentlich besseren<br />

Zukunftsaussichten in der Büromaschinenfertigung hatten das einstige Kerngeschäft des<br />

Unternehmens immer mehr an den Rand gedrängt. Allerdings war man keineswegs<br />

sicher, wie sich die Marktchancen der Nähmaschinensparte in Friedenszeiten<br />

entwickeln würden. Außerdem erschien die Nähmaschinenfertigung trotz der relativ<br />

geringen Rentabilität als Kostenträger unverzichtbar. <strong>Die</strong> Auslastung der vorhandenen<br />

Kapazitäten war durch die Steigerung der Schreibmaschinenfertigung nicht zu<br />

erreichen, weswegen eine Aufgabe des Nähmaschinengeschäfts nur durch zusätzliche<br />

Wehrmachtsaufträge hätte kompensiert werden können. <strong>Die</strong>s war trotz der besseren<br />

Renditen aber wohl nicht erwünscht, denn man entschied auch weiterhin Nähmaschinen<br />

zu produzieren. Trotzdem wurde aber festgehalten, dass die Nähmaschinenfertigung,<br />

sollte die Rentabilität nach Kriegsende nicht befriedigend sein, ohne weiteres eingestellt<br />

werden könnte.<br />

Aus Sicht des Unternehmens war es hinsichtlich seiner langfristigen Strategie daher<br />

bedeutsamer, dass die Situation in der Schreibmaschinenfertigung auch nach dem<br />

Beginn des Krieges wesentlich günstiger war als bei den Nähmaschinen. Hier profitierte<br />

man davon, dass die Büromaschinenfabrikation als ganzes in den ersten<br />

Kriegserzeugungsplan aufgenommen worden war und damit als kriegswichtig galt. 63<br />

Allerdings wurde auch in diesem Bereich das Kontingent auf 50% des<br />

Friedensverbrauchs gekürzt und zudem verfügt, dass mit Ausnahme der Wehrmacht,<br />

61<br />

Schreiben der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> an die Fachgruppe Nähmaschinen vom 8.4.1940, Sächs. HstArch.<br />

<strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 34.<br />

62<br />

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26.11.1940, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

63<br />

Vgl dazu auch Schneider (2004), S. 244.<br />

15


der Reichsbahn und -post sowie der Partei und ihren Gliederungen keine<br />

Büromaschinen mehr gegen Kontrollnummern geliefert werden durften. 64 Im Mai 1940<br />

wurde dann eine Bezugsscheinpflicht für Schreibmaschinen eingeführt. 65 Doch im<br />

Gegensatz zur Nähmaschinenfertigung kam es in dieser Sparte nicht dazu, dass die<br />

Produktion auf einige wenige ausgewählte Hersteller konzentriert wurde und stattdessen<br />

erhielten weiterhin alle Schreibmaschinenhersteller ein eigenes<br />

Verarbeitungskontingent. Allerdings hatte sich Lage doch so weit verschlechtert, dass<br />

man das ursprüngliche Vorhaben, in die Herstellung von Buchungsmaschinen<br />

einzusteigen, nun auf Eis legte. 66<br />

<strong>Die</strong> nach Kriegsbeginn völlig veränderte Situation ließ nun auch die Übernahme von<br />

Wehrmachtsaufträgen viel attraktiver erscheinen als bisher. Nur so konnte auf<br />

absehbare Zeit die Beschäftigung des Unternehmens und damit die Belieferung mit<br />

notwendigen Rohstoffen gesichert und darüber hinaus die Einberufung von<br />

Arbeitskräften verhindert werden. Im November 1939 erhielt die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong><br />

einen Auftrag zur Fertigung von MG-Verschlussköpfen und Teilen. Dabei rechnete man<br />

mit einer Umsatzrentabilität von 5%, was zwar weniger war als in der<br />

Schreibmaschinenfertigung, jedoch über der Rentabilität der Nähmaschinenfertigung<br />

lag. 67 Zudem übernahm der Staat einen Teil des Investitionsrisikos und lediglich die<br />

Maschinen, die auch für die Friedensfertigung brauchbar waren, mussten von der<br />

<strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> beschafft werden. 68 Aber auch jetzt erfolgte der Einstieg in die<br />

64 Schreiben der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau btr. Neuregelung der Büromaschinenerzeugung vom<br />

15.2.1940, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 75 sowie: Aktennotiz über Ferngespräch mit Hr.<br />

Dr. Beuchel-Berlin vom 15.2.1940 Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 45.<br />

65 Schmitz, Hubert: <strong>Die</strong> Bewirtschaftung der Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter 1939-1950. Dargestellt<br />

am Beispiel der Stadt Essen, Essen: 1956, S. 583; Schneider (2004), S. 244.<br />

66 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26.11.1940; Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46<br />

67 Scheiben vom 11.10.1940 btr. Monatsergebnisse, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 43.<br />

68 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 28.11.1939; Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46;<br />

bzw. Antrag an den Bevollmächtigten für die Maschinenproduktion über die Fachgruppe<br />

Nähmaschinenindustrie vom 30.4.1940, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 49.<br />

16


Rüstungsproduktion nur sehr zögerlich und statt dessen wurden in den ersten Monaten<br />

des Jahres 1940 vor allem die von einer Streichung bedrohten zivilen Inlandsaufträge<br />

mit besonderem Nachdruck bearbeitet. 69 Dass sich die Anlieferung der für die<br />

Wehrmachtsfertigung notwendigen Maschinen verzögerte, bot dann den geeigneten<br />

Vorwand, auch nach dem Erzeugungsverbot weiter Nähmaschinen für den deutschen<br />

Markt zu produzieren. So stellt die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> Ende April einen<br />

Ausnahmeantrag und erhielt daraufhin eine bis Ende Juli befristete Genehmigung. Aber<br />

auch danach ging trotz des Verbots die Produktion der Nähmaschinenabteilung nur<br />

geringfügig zurück. Zwischen August und Dezember 1940 wurden im<br />

Monatsdurchschnitt 1.152 Nähmaschinen und damit lediglich um 348 Stück weniger als<br />

im gleichen Zeitraum des Jahres 1939 hergestellt. 70 Damit war der Anteil der<br />

Nähmaschinensparte am Gesamtumsatz gegenüber dem Vorjahr zwar abgefallen, betrug<br />

aber immerhin noch ca. 31%. 71 Möglich war dies zum einen, durch die gleichbleibend<br />

hohen Exporte, deren Anteil am Gesamtumsatz von 37% auf 41,9% angestiegen und bei<br />

denen der Umsatz um lediglich 15.000 Reichsmark geringer war als 1939. Zum anderen<br />

fiel aber trotz der verminderten Stahlzuteilung auch der Inlandsabsatz nicht in dem<br />

Maße ab, wie dies eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Leider geht aus den Quellen<br />

nicht hervor, mit welchen Bezugsrechten die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> den dafür benötigten<br />

Stahl bestellte. Ein Teil davon war sicherlich mit Kontrollnummern der Handwerker<br />

und öffentlichen Bedarfsträger belegt. Durchaus möglich ist allerdings auch, dass durch<br />

Einsparungen bei den für den Export produzierten Maschinen Material frei wurde, und<br />

darüber hinaus auch der Lagerbestand bei Kriegsbeginn relativ hoch war. Dass nicht nur<br />

die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> das Herstellungsverbot unterlief, belegt die im November 1941<br />

69<br />

Besprechung auf Grund der in Aussicht stehenden Einstellung der Nähmaschinen Fabrikation für das<br />

Inlandsgeschäft am 18.4.1940, Sächs. HStA. <strong>Dresden</strong>, Best 11662 Nr. 48.<br />

70<br />

Untersuchungen über die Rentabilität der Nähmaschinen Fertigung vom 30.6.1941, Sächs. HStArch.<br />

<strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 48.<br />

71<br />

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 6.2.1941; Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46<br />

17


geschriebene Anker-Chronik. Auch dieser Hersteller von Nähmaschinen war von dem<br />

Verbot betroffen und beantragte daher eine Ausnahmegenehmigung, welche auch erteilt<br />

wurde. Danach, habe man, so die Chronik weiter, „stillschweigend“ eine Verlängerung<br />

der Genehmigung angenommen und „weiter Nähmaschinen produziert sofern<br />

Kennziffern vorhanden und Arbeiter verfügbar waren.“ 72<br />

Nach der Kapitulation Frankreichs wollten die vom Kontingent ausgeschlossenen<br />

Unternehmen die Einschränkung aber nicht mehr hinnehmen und versuchten nun das<br />

Herstellungsverbot auch offiziell wieder zu kippen. 73 <strong>Die</strong> Unternehmensleitung stellte<br />

im Juli 1940 mit Beunruhigung fest, dass eine Vielzahl von Rüstungsaufträgen bei den<br />

Nähmaschinenfabriken annulliert worden sei, bei der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> dagegen fast<br />

keine Wehrmachtsaufträge gestrichen worden waren. 74 Daher wandte man sich im<br />

Oktober 1940 in einem Schreiben an die Fachgruppe, und führte darin aus, dass die<br />

Einwilligung des Unternehmens in das Herstellungsverbot nur erfolgt sei, da man von<br />

einem kurzen Krieg ausgegangen wäre. Nach dem Sieg über Frankreich sei die<br />

Bevorzugung einiger weniger Unternehmen aber “unhaltbar“ und es sollte nun wieder<br />

eine Quote für alle festgelegt werden. 75 <strong>Die</strong>ser Vorstoß hatte Erfolg und ab 1.1.1941<br />

erhielten wieder sämtliche Nähmaschinenhersteller ein Kontingent. Dabei wurde nicht,<br />

wie ursprünglich vom Reichswirtschaftsministerium geplant, nur den Unternehmen, die<br />

mehr als 30.000 Maschinen im Jahr produzierten, eine Zuteilung gewährt, sondern<br />

stattdessen wieder jedem Hersteller 10% der im Jahre 1938 produzierten Stückzahl<br />

72 Anker Chronik, WWA- Dortmund F42/Nr. 330.<br />

73 Anker Chronik WWA Dortmund , S. 101; Schreiben der Mundlos <strong>AG</strong> Magdeburg an <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong><br />

vom 4.7.1940, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 49.<br />

74 Besprechung auf Grund der in Aussicht stehenden Einstellung des Nähmaschinen Fabrikation für das<br />

Inlandsgeschäft vom 18.4.1940, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 48.<br />

75 Schreiben der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> an die Fachgruppe Nähmaschinen vom 26.10.1940, Sächs.<br />

HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 75.<br />

18


ewilligt. 76 Allerdings wurden nun alle Käufe von Nähmaschinen von der Abgabe eines<br />

sogenannten Einkaufsscheins abhängig gemacht. <strong>Die</strong>sen erhielten die Käufer im<br />

Austausch gegen ihre Bezugsrechte bei der Fachgruppe Nähmaschinen, die gleichzeitig<br />

dazu dem Lieferwerk ein Bezugsrecht für Eisen und Stahl übersandte. 77 Weiterhin<br />

wurde den Unternehmen 30 kg je Maschine zugeteilt, wobei den Behörden durchaus<br />

bewusst war, dass die Werke weniger Stahl benötigten. <strong>Die</strong> über den Bedarf<br />

hinausgehende Menge sollte für die Produktion von Ersatzteilen genutzt werden. 78 <strong>Die</strong>s<br />

eröffnete den Händlern und damit auch den Unternehmen wieder einen Weg die<br />

geltenden Einkaufs- und Herstellungsbeschränkung zu unterlaufen. So bestellten die<br />

Händler nun statt ganzer Maschinen zunehmend Bausätze, welche dann zu kompletten<br />

Nähmaschinen zusammengesetzt wurden. Zwar entschied man bei <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong><br />

daraufhin die einzelnen Teile nicht mehr in einem Paket den Händlern zuzusenden, den<br />

Verkauf ganzer Bausätze wollte man aber, um „in diesem Falle nicht päpstlicher (...)<br />

als der Papst“ zu sein, nicht beenden. 79<br />

Trotzdem ging, wie Tabelle 1 zeigt, der Inlandsumsatz in der Nähmaschinensparte ab<br />

1941 deutlich zurück. Lediglich durch den Export konnte der Wegfall des<br />

Inlandsmarktes zum Teil kompensiert werden. Dazu trugen sicherlich auch die<br />

Rohstoffprämien, die für die Ausfuhr in bestimmte Länder gewährt wurden, bei. 80 Das<br />

Hauptmotiv war aber vermutlich, dass nur auf diese Weise Bezugsrechte für Stahl zu<br />

bekommen waren und daher die Auslastung dieser Abteilung eng an Exporterfolg des<br />

76 Besprechungsnotiz mit dem Bevollmächtigten für die Maschinenproduktion btr. Herstellungsverbot für<br />

Haushaltsnähmaschinen und Änderung in der Zuteilung der 10% Quote vom 27.1.1941.<br />

77 Schreiben der Fachgruppe Nähmaschinen an die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> vom 16.10.1940, AO 9 der<br />

Reichsstelle für technische Erzeugnisse über Verteilung von Haushaltsnähmaschinen vom 26.11.1940,<br />

bzw. Richtlinien zur AO 9 vom 27.11.1940 über Verteilung von Haushaltsnähmaschinen, Sächs.<br />

HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 75.<br />

78 Aktennotiz btr. Besuchsbesprechung mit Hr. Teuber von der Fachgruppe Nähmaschinenindustrie vom<br />

11.3.1941, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong> Best. 11662, Nr. 48.<br />

79 Aktennotiz btr. Nähmaschinenteile ca. 1941, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 48.<br />

80 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 20.4.1943; Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46<br />

19


Unternehmens gekoppelt war. Nur so war sicherzustellen, dass die für die<br />

Nähmaschinenproduktion notwendigen Ressourcen im Unternehmen blieben und damit<br />

die Option, auch nach dem Krieg weiterhin Nähmaschinen zu verkaufen, gegeben war.<br />

Verglichen mit der Nähmaschinensparte war der Rückgang des<br />

Schreibmaschinenumsatzes geringer, obgleich die der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> aus dem<br />

Kriegserzeugungsplan zugestandene Erzeugungsmenge auf 20% der<br />

Friedensproduktion gekürzt worden war. 81 Hier, im rentabelsten Bereich des<br />

Unternehmens, konnten trotz einer Preissenkung im Jahre 1938 um 10% 82 bis 1942<br />

immer noch höhere Inlandsumsätze erzielt werden als 1937. 83<br />

81<br />

Bericht vom 13.9.1941, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 45<br />

82<br />

Geschäftsbericht der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> für das Jahr 1938, Sächs.HStArch. <strong>Dresden</strong> Best. 11662, Nr.<br />

72.<br />

83<br />

Vgl. Tabelle 1.<br />

20


Tabelle 1: Nettoumsätze der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> 1937 – 1944<br />

Schreibmaschinen Nähmaschinen Sonderfertigung<br />

Inland<br />

21<br />

Gesamt<br />

Ausland Gesamt Inland Ausland Gesamt Inland Ausland Gesamt<br />

1936 1.012.620 151.312 1.163.932 892.216 729.995 1.622.211 0 1.904.836 881.307 2.786.143<br />

1937 1.470.000 286.000 1.748.000 870.000 783.000 1.653.000 0 2.340.000 1.069.000 3.409.000<br />

1938 1.969.000 526.000 2.495.000 1.021.000 786.000 1.807.000 0 2.990.000 1.312.000 4.302.000<br />

1939 2.546.692 796.270 3.342.962 1.283.784 755.450 2.039.234 16.062 3.846.538 1.551.720 5.398.258<br />

1940 2.134.483 1.019.220 3.153.703 1.027.196 740.436 1.767.632 790.245 3.951.924 1.759.656 5.711.580<br />

1941 1.686.000 822.700 2.508.700 259.800 913.200 1.173.000 1.352.234 3.298.034 1.735.900 5.033.934<br />

1942 1.495.700 798.500 2.294.200 324.100 1.166.200 1.490.300 1.795.287 3.615.087 1.122.600 4.737.687<br />

1943 1.372.696 746.987 2.119.683 135.500 1.721.988 1.857.488 1.863.111 3.165.307 2.468.975 5.640.282<br />

1944 n. v. n. v. 394.031 n. v. n. v. 2.716.469 2.333.686 n. v. n. v. 5.444.186<br />

Quelle: Verschiedene Berichte für den Aufsichtsrat, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best 11662, Nr. 109; <strong>Die</strong> Umsätze der Sonderfertigung wurden in<br />

den Jahren 1941 bis 1944 um nachträgliche Fakturierungen bereinigt und der Gesamtumsatz dementsprechend korrigiert. Vgl. dazu: Übersicht über<br />

die vergleichbaren Umsätze 1943-1941, Anlage 1, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best 11662, Nr. 109.


Da aber das Kontingentierungsverfahren im Verlauf des Krieges immer weniger<br />

funktionierte und sogar eine regelrechte Inflation der Bezugsrechte eingesetzt hatte, trat<br />

neben die Sorge von den staatlichen Behörden von der Zuteilung ausgeschlossen zu<br />

werden, immer mehr die Unsicherheit die bestellten Materialien auch tatsächlich<br />

fristgerecht zu erhalten. Dem konnte natürlich durch hohe Lagerbestände vorgebeugt<br />

werden und in den überlieferten Akten finden sich hierfür auch einige Hinweise. So<br />

machte nach einer Aufstellung aus dem Unternehmen der Lagerbestand an Walzeisen<br />

im Januar 1941 das 8,6fache der in diesem Jahr durchschnittlich getätigten<br />

Lagerentnahmen aus. 84 Im Januar 1942 betrug er, trotz eines absoluten Rückgangs,<br />

dann das 9,3fache und ein Jahr später lag er beim 11,6fachen. Im Januar 1944 erreichte<br />

der Lagerbestand dann nicht nur absolut einen neuen Höchststand, sondern betrug, auch<br />

bedingt durch den geringeren Verbrauch das 46fache des durchschnittlichen<br />

Monatsverbrauchs. Doch selbst wenn man nicht den reduzierten Bedarf dieses Jahres,<br />

sondern die 1943 durchschnittlich vorgenommenen Lagerentnahmen als<br />

Vergleichsmaßstab nimmt, reichte der Bestand für 16 Monate. So ist es nicht<br />

erstaunlich, dass die Unternehmensleitung Mitte des Jahres 1943 feststellen konnte,<br />

dass zwar die Eisenversorgung knapp wäre, durch „sorgfältige Dispositionen“ aber<br />

doch eine rechtzeitige Anlieferung erfolgt sei. 85<br />

<strong>Die</strong> Aussichten, die Beschäftigung des Werkes nur durch die Produktion in den zivilen<br />

Sparten sicherzustellen, waren nun aber höchst unsicher und im Jahre 1941 übernahm<br />

die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> daher noch drei weitere Rüstungsaufträge. Trotz der steigenden<br />

Umsätze ging aber, wie Tabelle 2 zeigt, der Gewinn, der in der Rüstungsproduktion<br />

erwirtschaftet wurde, zurück. <strong>Die</strong>s hatte seine Ursache wohl einerseits in einer<br />

Preisänderung bei den seit 1939 hergestellten MG-Teilen. Daneben waren aber auch die<br />

84 Bewegung der Rohstoffe, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 13.<br />

85 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 20.4.1943, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

22


ab 1941 aufgenommenen Sonderfertigungen bis 1943 nicht rentabel. Leider kann die<br />

weitere Entwicklung der Gewinne nicht rekonstruiert werden. Doch zeigt eine 1943<br />

angefertigte Studie, dass mit Blick auf die bei der 1939 aufgenommenen<br />

Sonderfertigung gesunkenen Herstellungskosten zukünftig durchaus noch mit<br />

Gewinnen gerechnet wurde. 86 <strong>Die</strong> Schreibmaschinenfertigung blieb aber bis 1943<br />

ungeachtet der geltenden Einschränkungen weiterhin der Garant für den ökonomischen<br />

Erfolg.<br />

Tabelle 2: Betriebsgewinn in den einzelnen Geschäftsfeldern 1941-1943 87<br />

1941 1942 1943<br />

Schreibmaschinen 688.582,4 538.675,12 334.894,8<br />

Nähmaschinen 62.919,17 174.999,65 97.893,19<br />

Sonderfertigung 194.295,08 35.356,68 - 96.793,35<br />

Gesamter<br />

Betriebsgewinn<br />

946.096,74 748.834,45 337.935,24<br />

Jedoch verschlechterte sich die Lage Ende des Jahres 1943 dann nochmals deutlich und<br />

es drohte nun die Stilllegung der gesamten zivilen Fertigung. Das Kontingent der<br />

Nähmaschinenindustrie wurde ab Frühjahr 1944 abermals nur noch an bestimmte<br />

Unternehmen vergeben, wobei nun im Gegensatz zu 1940 auch die <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong><br />

am Kontingent beteiligt wurde. 88 Ob die Beteuerung, dass nur alte und ungelernte<br />

Arbeiter in diesem Bereich tätig wären, dafür verantwortlich war, ist nicht zu belegen. 89<br />

Ebenso möglich erscheint auch, dass die Einbeziehung der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> als<br />

Kompensation für das im November 1943 erlassene Herstellungsverbot für<br />

86<br />

Künftige Wirtschaftlichkeit der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong>, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 114.<br />

bzw. Auswertung der Übersicht über die vergleichbaren Umsätze 1943-1941, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>,<br />

Best. 11662, Nr. 114.<br />

87<br />

Interner Bericht über den Jahresabschluss und Leistungsrechnung 1943 Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best.<br />

11662, Nr. 114.<br />

88<br />

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 12.7.1944, Sächs. HStArch. Best. 11662, Nr. 46.<br />

89<br />

Schreiben <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> an Teubner (Fachgruppe Nähmaschinenindustrie) vom 2.10.1943,<br />

Sächs. HStArch. Best. 11662, Nr. 49.<br />

23


Schreibmaschinen erfolgte. 90 <strong>Die</strong>ses wog aber für das Unternehmen sicherlich weit<br />

schwerer, da es nicht nur die Nachkriegspläne, sondern auch die kurzfristige<br />

Rentabilität beeinträchtigte. Auch die im Jahre 1944 angestiegenen<br />

Nähmaschinenumsätze konnten den Wegfall des inländischen<br />

Schreibmaschinengeschäfts nicht kompensieren und der Umsatz in den zivilen Sektoren<br />

lag im dritten Quartal 1944 bei nur noch 35% des Vorjahresumsatzes. 91 <strong>Die</strong><br />

Unternehmensleitung stellte daher im Juli 1944 fest, dass nur eine Senkung der<br />

Gemeinkosten die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens wieder herstellen könnte. Dazu<br />

sollten zum einen der Organisationsapparat verkleinert, daneben aber auch versucht<br />

werden, die Kapazitätsauslastung des Unternehmens wieder zu verbessern. 92 <strong>Die</strong>s war<br />

allerdings nur noch durch die Annahme von Rüstungsaufträgen möglich und die<br />

<strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> begann im Verlauf des Jahres 1944 noch fünf weitere<br />

Rüstungsgüter zu fertigen. Als dann Ende November 1944 auch noch die<br />

Nähmaschinenfertigung verboten wurde, fiel auch der letzte zivile Produktionszweig<br />

der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> weitgehend weg und Schreib- und Nähmaschinen wurden nun<br />

nur noch für den Export produziert. 93<br />

90 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26.1.1944; Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong> Best. 11662, Nr. 46<br />

91 Umsätze 1944 im Vergleich mit 1942, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 109.<br />

92 Ursachen der steigenden Gemeinkosten (Juli 1944), Sächs. HstArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 114.<br />

93 Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 29.11.1944, Sächs. HStArch. <strong>Dresden</strong>, Best. 11662, Nr. 46.<br />

24


Fazit<br />

<strong>Die</strong> Betrachtung der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> hat gezeigt, dass das Untenehmen auch in der<br />

Nähmaschinensparte bis Kriegsbeginn keineswegs zu einer Substitution von In- und<br />

Outputs gezwungen wurde. Stattdessen war es weiterhin möglich, mit der traditionellen<br />

Produktpalette Umsatz und Gewinn zu steigern, und sich dabei auf die<br />

gewinnträchtigsten Erzeugnisse zu konzentrieren. Erst nach Kriegsbeginn führten die<br />

verminderten Rohstoffzuteilungen dann tatsächlich zu einer Einschränkung des<br />

Inlandsgeschäfts. Allerdings ermöglichten es die zu hohen Zuweisungen, das staatliche<br />

Herstellungsverbot zu unterlaufen, und erst als für alle Nähmaschinenproduzenten die<br />

gleiche Einschränkung galt, gingen bei der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> die Inlandsumsätze im<br />

Nähmaschinengeschäft tatsächlich deutlich zurück. Das Unternehmen kompensierte<br />

dies durch eine Ausweitung der Exporte, so dass der gesamte Umsatz in dieser Sparte<br />

im Jahre 1944 sogar höher lag als im letzten vollen Friedensjahr.<br />

<strong>Die</strong> Zukunftshoffnungen der <strong>Clemens</strong> <strong>Müller</strong> <strong>AG</strong> lagen aber nicht bei den<br />

Nähmaschinen sondern in der Büromaschinensparte. Hier musste man den in der<br />

Vorkriegszeit gefassten Entschluss, zukünftig Buchungsmaschinen herzustellen,<br />

aufgeben. Andererseits konnte die Umsätze bis 1943 auf relativ hohem Niveau gehalten<br />

werden. Trotzdem war es für das Unternehmen unumgänglich, die ab 1941 geringen<br />

Zuteilungen für die Schreib- und Büromaschinenfertigung durch Rüstungsaufträge zu<br />

ersetzen. Obgleich nach der erzwungenen Aufgabe des inländischen<br />

Schreibmaschinengeschäfts der Anteil der Rüstungsproduktion am Gesamtumsatz<br />

immer noch unter 50% lag, entsprach die Produktionsstruktur im Jahre 1944 nicht mehr<br />

den lang- und kurzfristigen unternehmerischen Interessen und war das Ergebnis einer<br />

durch die Kontingentierung erzwungenen Anpassung.<br />

25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!