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Achten statt ächten - Caritas NRW

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Kommentar<br />

Mit 18 hat man noch Träume ...<br />

Mit 18 ist man volljährig, und die Welt steht den jungen<br />

Erwachsenen offen. Sie können Rechtsgeschäfte tätigen,<br />

an allen politischen Wahlen teilnehmen, unterliegen<br />

nicht den Bestimmungen des Jugendschutzes. So<br />

weit – so gut. Manche Jugendämter nutzen jedoch den<br />

Eintritt der Volljährigkeit vor allem als gute Gelegenheit,<br />

Kosten zu sparen – wider alle Vernunft und gegen<br />

Recht und Gesetz.<br />

Im wirklichen Leben befinden sich 18-Jährige heute<br />

noch mitten in ihrer Schul- oder Berufsausbildung. Sie<br />

brauchen nicht nur wirtschaftliche Unterstützung, sondern<br />

auch persönlichen Rat, Ermunterung, Trost, Erklärungen,<br />

Orientierungen. Im Idealfall leisten all dies vor<br />

allem die Eltern, die auch ihren volljährigen Kindern<br />

ihre Fürsorge und Geborgenheit nicht entziehen. Junge<br />

Erwachsene, denen die Fürsorge des Elternhauses<br />

– aus welchem Grund auch immer – versagt ist, brauchen<br />

meist noch mehr fürsorgliche Begleitung, Unterstützung<br />

und Beratung als ihre Altersgenossen aus<br />

„Normalfamilien“. Dies gilt in besonderem Maße für<br />

Jugendliche, die in Heimen der Erziehungshilfe oder<br />

in anderen pädagogisch betreuten außerfamilialen Jugendwohnformen<br />

aufwachsen und leben.<br />

Dies hat der Gesetzgeber erkannt und stellt die Gewährung<br />

dieser Hilfen als öffentliche Aufgabe durch die<br />

Regelungen im § 41 des Sozialgesetzbuches VIII (SGB)<br />

sicher. Die Jugendämter sind als Gewährleistungsträger<br />

in die Pflicht genommen. Die Bewilligungspraxis<br />

stellt sich jedoch für viele unterstützungsbedürftige junge<br />

Volljährige anders dar, weil Jugendämter aus Kostengründen<br />

für diese Hilfen hohe Zugangsschwellen<br />

errichten, nur kurzfristige und kontingentierte Hilfen<br />

genehmigen, Qualitäten und Nachhaltigkeit den Preisen<br />

opfern und auf Verzögerungstaktik durch Verschiebebahnhöfe<br />

(insbesondere zwischen SGB VIII und<br />

SGB II) setzen.<br />

Jugendämter, die mit Hilfeanträgen junger Volljähriger<br />

so verfahren, handeln nicht nur in einer rechtlichen<br />

Grauzone, sondern manchmal offensichtlich gesetzeswidrig.<br />

Die Verweigerung von Jugendhilfe für junge Volljährige,<br />

die nicht bereits vor ihrer Volljährigkeit eine Hilfe er-<br />

halten haben, bildet ebenso einen Gesetzesverstoß wie<br />

die Nachrangigsetzung der Leistungen der Jugendhilfe<br />

z. B. hinter das SGB II.<br />

Die Jugendhilfe soll bei Bedarf junge Volljährige mindestens<br />

bis zum 21. Lebensjahr unterstützen, „in begründeten<br />

Einzelfällen soll die Hilfe für einen begrenzten<br />

Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden“, heißt<br />

es wörtlich im SGB VIII § 41 (1). Damit wird unterschiedlicher<br />

Reifung und unterschiedlicher Entwicklungsbiografie<br />

Rechnung getragen. So können Benachteiligungen<br />

im Aufwachsen der jungen Menschen annähernd<br />

ausgeglichen und tragfähige Grundlagen für<br />

wachsende persönliche wie wirtschaftliche Selbstständigkeit<br />

geschaffen werden. Abrupter Abbruch von Begleitung<br />

und Hilfe mit der Volljährigkeit gefährdet den<br />

Erfolg bis dahin erbrachter Leistungen.<br />

Jugendhilfe darf sich nicht hinter (vermeintlichen)<br />

Haushaltszwängen verschanzen. Sie muss ihren Blick<br />

auch für die Lebenssituation von Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen offen halten. Wenn jungen Erwachsenen<br />

in ohnehin schwierigen Lebenslagen nötige Begleitung<br />

und Unterstützung versagt werden, werden sowohl<br />

für die jungen Menschen als auch für die Gesellschaft<br />

Zukunftschancen verbaut. Die <strong>Caritas</strong> wird sich daher<br />

auf allen Ebenen für die Rechte von Jugendlichen und<br />

jungen Volljährigen auf nachhaltige Unterstützung ihrer<br />

Persönlichkeitsentwicklung und die Begleitung in die<br />

Selbstständigkeit einsetzen. Damit auch benachteiligte<br />

junge Menschen ihre Zukunftsträume in die Wirklichkeit<br />

umsetzen können!<br />

Dr. Johannes Bernhauser<br />

leitet den Bereich Kinder,<br />

Jugend und Familie beim<br />

Diözesan-<strong>Caritas</strong>verband<br />

für das Erzbistum Köln.<br />

Er ist zudem Vorsitzender<br />

des AK „Flexible Erziehungshilfen“<br />

der Landesarbeitsgemeinschaft<br />

öffentliche und freie Wohlfahrtspflege<br />

und Mitglied<br />

im Landesjugendhilfeausschuss<br />

Rheinland für die<br />

zum LV Rheinland gehörendenDiözesan-<strong>Caritas</strong>verbände.<br />

Foto: Pohl (s. S. 9)<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 1/08 1

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