Download - Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen
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Diskurs als entstehender europäischer Gewährleistungsverbund gedeutet<br />
werden kann (IV.).<br />
II. Akzentverschiebungen im Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
1. Von Rom nach Lissabon: Veränderungen im Primärrecht<br />
Ausgangspunkt der Diskussionen um öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> in<br />
Europa ist die Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 EGV, die bereits seit den<br />
Römischen Verträgen besteht (zuvor Art. 90 EWGV). Nach Satz 1 dieser<br />
Vorschrift gilt der EG-Vertrag, insbesondere die Wettbewerbsregeln<br />
(auch) für Unternehmen, die mit <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichem<br />
Interesse betraut sind, soweit die Anwendung des Gemeinschaftsrechts<br />
nicht die Erfüllung der diesen Unternehmen übertragenen<br />
Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Vorschrift ist das Ergebnis<br />
eines historischen Kompromisses zwischen denjenigen Mitgliedstaaten,<br />
die an einer effektiven Durchsetzung des Wettbewerbsrechts<br />
auch im öffentlichen Sektor interessiert waren und denjenigen Mitgliedstaaten,<br />
die öffentliche Unternehmen, die mit Leistungen der Daseinsvorsorge<br />
betraut waren, vor dem ungehinderten Einfluss von Binnenmarkt<br />
und Wettbewerb schützen wollten. 3<br />
Bis ca. 1990 wurde Art. 86 Abs. 2 EGV in nur wenigen Fällen angewandt<br />
und lag in diesen Jahren in einer Art. „Dornrösschenschlaf“. 4 Erst danach<br />
wurde die Vorschrift vom Europäischen Gerichtshof und der Kommission<br />
entdeckt. Seit Mitte der 1990er Jahre ist Art. 86 Abs. 2 EGV zur zentralen<br />
Norm für die Auseinandersetzung um öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong><br />
geworden. 5 Nach Ansicht des EuGH liegen Sinn und Zweck von Art. 86<br />
Abs. 2 EGV darin, das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz öffentlicher<br />
Unternehmen als Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit<br />
dem Interesse der Gemeinschaft an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln<br />
und der Wahrung der Einheit des Gemeinsamen Marktes in Einklang<br />
zu bringen. Um dies zu erreichen, lasse die Vorschrift unter bestimmten<br />
Voraussetzungen Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften<br />
des Vertrages zu. 6 Als Ausnahmevorschrift sei sie jedoch eng auszulegen.<br />
7 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wurden zu Art. 86 Abs. 2<br />
EGV verschiedene Auffassungen vertreten. Einige Autoren vertraten<br />
ebenfalls die Ansicht, Art. 86 Abs. 2 EGV sei nur eine eng auszulegende<br />
3 Ambrosius (2000), S. 26.<br />
4 Ehricke (1993) S. 211 ff.<br />
5 Tettinger (2000), S. 97 ff.<br />
6 EuGH (1999), Rn 93.<br />
7 EuGH (1998), Rn 173.<br />
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