Download - Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen
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Herausgeber:<br />
<strong>Bundesverband</strong> <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong><br />
Zukunft der öffentlichen Wirtschaft<br />
Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat des <strong>Bundesverband</strong>es<br />
<strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> am 25./26. Februar 2009 in Eppstein<br />
(Taunus) veranstalteten Tagung<br />
Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft<br />
Heft 31
ISBN 3-928615-26-2<br />
Die „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ wurden bisher herausgegeben von der Gesellschaft<br />
für öffentliche Wirtschaft e.V. (jetzt i.L.), Sponholzstraße 11, D-12159 Berlin, Telefon (030)<br />
852 10 45, Telefax (030) 852 51 11, E-Mail info@bvoed.de, Internet www.bvoed.de<br />
Sie werden seit 2009 vom <strong>Bundesverband</strong> <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> – Deutsche Sektion<br />
des CEEP e.V. (Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail wie oben) herausgegeben.<br />
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe<br />
und der Übersetzung, vorbehalten.<br />
Printed in Germany.<br />
Gesamtherstellung: Druckerei H. Schlesener KG, Berlin<br />
Berlin 2009
Zukunft der öffentlichen Wirtschaft<br />
Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat des <strong>Bundesverband</strong>es<br />
<strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> am 25./26. Februar 2009 in Eppstein (Taunus)<br />
veranstalteten Tagung<br />
Inhalt Seite<br />
Public Corporate Governance – Modewelle oder<br />
tatsächlicher Bedarf?<br />
Gerhard Hammerschmid 5<br />
Finanzmarktkrise – Von der Hypothekenkrise zur<br />
globalen Bankenkrise<br />
Ulrich Kirchhoff 17<br />
Vom Primat des Wettbewerbs zum gemeinsamen Ver-<br />
fassungswert: Perspektivenwandel im europäischen<br />
Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>?<br />
Markus Krajewski 46<br />
Daseinsvorsorge zwischen Privatisierung und Kommunalisie-<br />
rung – Anmerkungen aus der Perspektive des Public Management<br />
Manfred Röber 74<br />
Die Teilnehmer der Tagung 103<br />
Die Referenten/Autoren 104<br />
3
Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid *<br />
Public Corporate Governance – Modewelle oder<br />
tatsächlicher Bedarf?<br />
Die Public Corporate Governance (PCG) Debatte prägt seit einigen<br />
Jahren die Diskussion um adäquate Steuerungsformen öffentlicher<br />
Unternehmen und Beteiligungen. Im Zuge der Finanzkrise hat diese<br />
ehemals stark kommunale Thematik hohe Aktualität auch für Bund und<br />
Länder erfahren. Die Frage einer effektiven Steuerung öffentlicher<br />
Unternehmen und Beteiligungen sowie der dahinterliegenden Eigentümerstrategie<br />
der öffentlichen Hand ist heute aktueller denn je. Aufgabe<br />
der Wissenschaft muss es sein, drängende Fragen effektiver Steuerung<br />
zu analysieren, zu kommentieren und der Forschung zugänglich zu<br />
machen. Dieser Beitrag versucht, die Aktualität und Bedeutung von PCG<br />
aufzuzeigen und geht damit der Frage nach, inwieweit es sich bei den in<br />
Deutschland zunehmend veröffentlichten Public Corporate Governance<br />
Kodices (PCGK) um mehr als eine Modewelle bzw. zeitgeistige Verpackung<br />
alter Ideen des Beteiligungsmanagements und -controlling handelt.<br />
Dazu werden Kernfragen sowie zentrale Perspektiven bzw. Blickwinkel<br />
der Ausgestaltung von PCGK näher erläutert, bevor abschließend<br />
einige pointierte Thesen aus wissenschaftlicher Sicht vorgestellt werden,<br />
die für eine substantielle Weiterentwicklung der Thematik wichtig<br />
erscheinen. 1<br />
I. Relevanz und Aktualität<br />
Unter Public Corporate Governance werden allgemein Strukturen und<br />
Prozesse der Führung, Kontrolle und Steuerung öffentlicher Unternehmen<br />
und Beteiligungen durch deren Eigner verstanden. 2 Internationale<br />
Ansätze 3 weisen auf die Bedeutung von Prinzipien wie Verantwortung,<br />
Integrität und Transparenz hin und unterstreichen, dass PCG<br />
sowohl „harte“ Faktoren wie Strukturen, Prozesse, Systeme und Regeln,<br />
aber insbesondere auch weiche Faktoren wie Leadership, Kompetenzen,<br />
*<br />
Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid lehrt Public Management und Financial Management an der<br />
Hertie School of Governance und ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für den öffentlichen<br />
Sektor e.V.<br />
1<br />
Der Verfasser möchte sich bei Herrn René Geissler für die Unterstützung bei der Verfassung dieses<br />
Beitrages bedanken.<br />
2<br />
Vgl. Waldersee u.a. (2006).<br />
3<br />
Vgl. IFAC-PSC (2001); OECD (2005a).<br />
5
Kultur und Verhalten betrifft. Zentrales Ziel ist es, die Interessen der<br />
öffentlichen Hand als Eigner sicher zustellen und Risiken aus den<br />
Unternehmen zu vermeiden. Der Begriff Corporate Governance verbreitete<br />
sich ab Mitte der neunziger Jahre in der Privatwirtschaft<br />
geradezu explosionsmäßig 4 und hat dort zu umfangreichen Bemühungen<br />
unter Anderem auch auf gesetzlicher Ebene geführt. 5 Die Besonderheiten<br />
der öffentlichen Wirtschaft lassen allerdings eine Anpassung des<br />
Konzepts notwendig erscheinen. Die Erfahrungen mit ausgegliederten<br />
öffentlichen Unternehmen zeigen deutlich, dass es in Folge von Ausgliederungen<br />
zu einer starken Verfolgung marktlicher Rationalitäten<br />
kommt, und der Grundsatz der Gemeinwohlorientierung vielfach in den<br />
Hintergrund gerät. 6 Dies ist insoweit nicht verwunderlich, da einer der<br />
Hauptgründe für die vielfältigen Ausgliederungen in den neunziger<br />
Jahren gerade die Steigerung der Wirtschaftlichkeit war. Die daraus<br />
resultierenden Nachteile und Risiken wurden lange Zeit nicht gesehen,<br />
so dass sich heute im Rahmen der Public Corporate Governance<br />
Debatte die Frage stellt, wie öffentliche Unternehmen wieder stärker auf<br />
ihre Gemeinwohlfunktion verpflichtet werden können bzw. inwiefern dies<br />
überhaupt noch der Fall sein soll.<br />
In Deutschland halten die Kommunen aufgrund historischer Entwicklungen<br />
und der funktionalen Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern<br />
und Kommunen die überwiegende Zahl öffentlicher Unternehmen. 7<br />
Es überrascht daher nicht, dass die Diskussion um Verselbständigung,<br />
Gemeinwohl und Steuerung ihren Anfang auf kommunaler Ebene nahm. 8<br />
Das quantitative Ausmaß kommunaler Beteiligungen ist erheblich: sie<br />
binden rund 50% der gesamten Verschuldung und stellen einen Großteil<br />
der Beschäftigten sowie des städtischen Umsatzes. 9 Die möglichen<br />
Rückwirkungen der Töchter auf den Kernhaushalt und die Bedeutung<br />
der Kategorie Konzern für die öffentliche Hand sind somit essentiell und<br />
in ihrer Tragweite oft nicht ausreichend erkannt. Die Masse kommunaler<br />
Unternehmen ist dem Aufgabenspektrum entsprechend eher lokal und in<br />
Branchen tätig, die ein überschaubares Risikoprofil vermuten lassen.<br />
Demgegenüber nehmen Banken auf Bundes- und Landesebene einen<br />
größeren Anteil im Beteiligungsportfolio ein. Gerade die aktuellen Ent-<br />
4<br />
So stieg etwa die Anzahl der in der Datenbank WISO-Wirtschaftswissenschaften aufscheinenden<br />
Veröffentlichungen mit „Corporate Governance“ im Beitragstitel von unter 100 im Jahr 1994 auf<br />
über 800 im Jahr 2003 an.<br />
5<br />
Die Bundesregierung setzte im Jahr 2000 eine erste Kommission zur Erarbeitung eines Musterkodex<br />
ein, der im August 2002 in Kraft trat. Börsennotierte Gesellschaften müssen seitdem eine<br />
Entsprechungserklärung abgeben.<br />
6<br />
Vgl. Edeling u.a. (2004).<br />
7<br />
Vgl. Henke u.a. (2005), S. 30.<br />
8<br />
Vgl. Edeling u.a. (2004).<br />
9<br />
Vgl. Bertelsmann (2008).<br />
6
wicklungen im Zuge der Finanzkrise zeigen mehr als deutlich auf, dass<br />
hier Defizite in Hinblick auf Transparenz, Steuerung und Risikokontrolle<br />
bestanden. Die Konsequenzen dieser Mängel reichen auf Bundes- und<br />
Landesebene in Folge der Branchenzugehörigkeit der Beteiligungen und<br />
der Spezifika des Bankgewerbes weit über jene der kommunalen Ebene<br />
hinaus. Beklagten Kommunen als Folge der Ausgliederungen „lediglich“<br />
den Verlust des Gemeinwohlgedankens mit ungewissen Folgen für die<br />
Daseinsvorsorge, nehmen die Folgen der Finanzkrise in einigen Bundesländern<br />
heute existenzielle Ausmaße an. 10<br />
Die Diagnose „systematischer Untersteuerung“ ausgegliederter bzw.<br />
öffentlicher Unternehmen bzw. eines „Steuerungsvakuums“ der öffentlichen<br />
Hand in Hinblick auf ihre Beteiligungen ist hingegen weder ein<br />
typisch deutsches Problem noch neu. 11 So haben international sowohl in<br />
der Verwaltungspraxis als auch in der Verwaltungsforschung Konzepte<br />
wie „joined-up governance“ oder „whole of government“ stark an Bedeutung<br />
gewonnen, die angesichts einer zunehmenden Anzahl verselbständigter<br />
bzw. ausgegliederter Verwaltungseinheiten den Fokus auf<br />
daraus resultierende Koordinations-, Steuerungs- und Fragmentierungsprobleme<br />
der öffentlichen Hand legen. 12<br />
II. Zentrale Fragestellungen<br />
Worin bestehen nun die Besonderheiten öffentlicher Wirtschaft im Vergleich<br />
zur privaten, welche die Entwicklung spezifischer Public Corporate<br />
Governance Regelungen bzw. Kodizes nötig machen bzw. überhaupt<br />
erst rechtfertigen? 13 Zuallererst ist hier die Sicherstellung des politischen<br />
Auftrags und des Gemeinwohls zu nennen, denen das Unternehmen<br />
dient. Dies bedeutet zwangsläufig eine Einschränkung des wirtschaftlichen<br />
Handlungsspielraums und ein unvermeidbares Spannungsfeld<br />
zwischen Gemeinwohl und Wirtschaftlichkeit, das zu den entscheidenden<br />
Fragen der Eigentümerstrategie gehört. In der Praxis finden sich<br />
häufig unklare Zielvorstellungen bezüglich des Unternehmenszwecks,<br />
der allein mit dem Attribut „öffentlich“ bzw. „Gemeinwohl“ oder „öffentliches<br />
Interesse“ eben nicht ausreichend operationalisiert ist.<br />
10<br />
Die Länder Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Schleswig-Holstein mussten<br />
Sicherheitsgarantieren und Eigenkapitalhilfen ausreichen, die teilweise höher als der Jahreshaushalt<br />
waren.<br />
11<br />
Vgl. Budäus (1993), S. 163; Reichard (1994), S. 15; Bremeier u.a. (2006).<br />
12<br />
Vgl. z.B. OECD (2005b); Christensen/Lægreid (2006); Catney (2009).<br />
13<br />
Vgl. Kolbe (2006).<br />
7
Während bei der privatwirtschaftlichen Corporate Governance der<br />
Schwerpunkt auf dem Schutz der Aktionärsinteressen liegt, ist dies im<br />
öffentlichen Sektor weniger vordringlich, da es meist mit dem Staat nur<br />
einen Anteilseigner gibt. Demgegenüber sind hier Regelungen zum<br />
Umgang mit dem typischen Rollen-, Rationalitäten- und Zielkonflikten<br />
vordringlich, die nicht allein für die öffentlichen Unternehmen sondern<br />
auch für Politik und Verwaltung Bindungswirkung entwickeln sollten.<br />
Dabei ist zu beachten, dass die öffentliche Hand sich in der Regel in<br />
einer Doppelrolle befindet. Sie ist einerseits Gewährleister für die Erfüllung<br />
des öffentlichen Auftrags und andererseits als Eigentümer für das<br />
wirtschaftliche Wohlergehen bzw. die Rendite und Vermögenslage des<br />
Unternehmens verantwortlich, was neue Spannungsfelder zwischen Gewährleistungsverantwortung<br />
und Eigentümerinteressen öffnet. 14 Im Zuge<br />
der Haushaltskrise sind Politik und Verwaltung auch immer stärker versucht,<br />
Beteiligungen aus rein finanzwirtschaftlicher Sicht zu instrumentalisieren,<br />
was dem originären öffentlichen Zweck bzw. der Gewährleistungsverantwortung<br />
nicht förderlich sein dürfte.<br />
Weitere Herausforderungen und Besonderheiten ergeben sich für öffentliche<br />
Unternehmen auch aus spezifischen Rechtsnormen oder Marktliberalisierungen<br />
der EU. Es bestehen damit Besonderheiten öffentlicher<br />
Wirtschaft im Vergleich zur privaten, die berücksichtigt werden müssen.<br />
In Deutschland werden öffentliche Unternehmen traditionell über das<br />
Aufsichtsorgan gesteuert, das mit Vertretern der öffentlichen Hand<br />
besetzt wird, um das öffentliche Interesse zu sichern. Die Idee liegt in<br />
einer Trennung der klaren Rollen von Geschäftsführung und Aufsicht.<br />
Institutionenökonomische Aspekte wie Prinzipal-Agenten-Probleme sind<br />
diesem Ansatz inhärent und lassen seine Wirksamkeit von vornherein<br />
zweifelhaft erscheinen. 15 Zu groß sind etwa die Informationsasymmetrien<br />
zwischen den Organen, um eine wirkliche Überwachung der Prozesse<br />
zu sichern und das Aufsichtsorgan findet sich nicht selten in einer<br />
schwierigen Doppelrolle im Spannungsfeld von politischem Auftrag und<br />
wirtschaftlichem Wohl des Unternehmens. Einen anderen Ansatz verfolgt<br />
daher etwa das in der Schweiz oder auch Neuseeland propagierte „duale<br />
Modell“ der Beteiligungssteuerung, welches auf eine klare Trennung von<br />
unternehmerischer Eigentümer- und politischer Gewährleisterrolle abzielt<br />
und diese Rollen unterschiedlichen Bereichen – v.a. Finanzressort und<br />
Fachressort – zuweist. 16 Während die auf das Unternehmenswohl abzielenden<br />
Eigentümerinteressen in der traditionellen Form über das Auf-<br />
14 Vgl. Schedler u.a. (2007).<br />
15 Vgl. Budäus (2008), S. 31 ff.<br />
16 Vgl. Schedler u.a. (2007).<br />
8
sichtsorgan sichergestellt werden, sollten die politischen Gewährleisterinteressen<br />
primär über Leistungsaufträge und kontraktuelle Vereinbarungen<br />
Durchsetzung finden. In diesem Sinne hält etwa der Kodex des<br />
Kantons Aargau in der Schweiz explizit fest, dass keine Politiker oder<br />
Verwaltungsbeamte in die Aufsichtsräte entsandt werden dürfen. Auch<br />
wenn solche zentralen Fragestellungen der PCG nicht abschließend<br />
beantwortet werden können, ist in den letzten Jahren gerade in Deutschland<br />
die Festlegung bzw. Formalisierung entsprechender Regeln in Form<br />
von eigenen Public Corporate Governance Kodices zunehmend in den<br />
Vordergrund gerückt. 17<br />
III. Zentrale Dimensionen der Ausgestaltung von Public Corporate<br />
Governance Kodices<br />
Die Formalisierung dieser Kodizes ist ein relativ junges Phänomen, das<br />
als Reaktion auf die gezeigten Steuerungsprobleme und Spannungsfelder<br />
sowie eine verbreitete Unzufriedenheit mit den traditionellen<br />
Steuerungsmodi der Beteiligungsrichtlinien entstand. Inhalte und<br />
Schwerpunkte variieren je nach den Problemen, denen in den Augen der<br />
Akteure begegnet werden soll.<br />
Corporate Goverance Kodices besitzen im privaten Sektor eine längere<br />
Tradition und haben sich dort bereits erfolgreich etabliert. Zusammen mit<br />
internationalen Vorbildern aus dem öffentlichen Sektor geben sie<br />
zentrale Impulse. Erstmals formal definiert wurde ein PCGK im Jahre<br />
2001 durch die Public Sector Commission der International Federation of<br />
Accountants. Sie spezifizierte die Anforderungen an PCGK aus Sicht der<br />
Rechnungsprüfung. Die OECD lehnte sich in ihrem 2005 publizierten<br />
Guidelines ebenfalls stark an ihr privates Modell aus dem Jahr 1999 an.<br />
Dieser Kodex bindet die Eigentümerfunktion an die politische Verantwortung.<br />
Allen diesen Ansätzen ist gemein, dass sie lediglich empfehlenden<br />
Charakter besitzen und damit einer „soft regulation“ entsprechen.<br />
Frühere nationale Initiativen stammen aus England oder Dänemark, die<br />
allerdings in starkem Unterschied zu Deutschland primär ethische Verhaltensgrundsätze<br />
für die Akteure in den Vordergrund rückten. 18<br />
In Deutschland sollte Public Corporate Governance in Zusammenhang<br />
mit dem bereits seit langem bestehenden Beteiligungsmanagement gesehen<br />
werden, das in Folge der Ausgliederungswelle notwendig wurde.<br />
Es ist stark formal rechtlich, finanziell orientiert und gibt allgemein wenig<br />
17 Für einen Überblick der Diskussion vgl. z.B. GÖW (2008).<br />
18 Vgl. z.B. das UK Committee on Standards in Public Life.<br />
9
Antworten auf die politische Dimension der Steuerung. Dies ist einer der<br />
Gründe, die zur Unzufriedenheit mit dieser Praxis und der Weiterentwicklung<br />
hin zu PCGK geführt haben. Befruchtet wurde die Diskussion aber<br />
vor allem durch die verbindliche Einführung des privatwirtschaftlichen<br />
Corporate Governance Kodex für börsennotierte Unternehmen im Jahr<br />
2002. Die ersten explizit so bezeichneten PCGK wurden in Deutschland<br />
ab 2005 verabschiedet, 19 wobei es in Hinblick auf die eingangs erwähnte<br />
Verteilung öffentlicher Unternehmen nicht verwundert, dass dieses<br />
Thema vordringlich von den Großstädten aufgegriffen wurde. Ein erster<br />
Blick auf die Inhalte dieser Kodizes zeigt deutliche Parallelen mit dem<br />
privatwirtschaftlichen Pendant, vor allem aber auch mit bereits seit<br />
längerem bestehenden Regelungen des Beteiligungsmanagement, so<br />
dass die Grenzen zwischen diesen fließend und beide Konzepte nur<br />
schwer voneinander abzugrenzen sind.<br />
Gerade deshalb erscheint es besonders wichtig, sich Einblick in die<br />
Substanz solcher Kodizes zu verschaffen. Nachfolgend soll daher deutlich<br />
gemacht werden, dass bei der Ausgestaltung eines PCGK mehrere<br />
Blickwinkel bzw. Dimensionen zu berücksichtigen sind, die sich unabdingbar<br />
ergänzen müssen, um den Zielsetzungen einer wirkungsvollen<br />
Steuerung und Kontrolle zu entsprechen.<br />
Mit den Anspruchsgruppen, dem Zweck, der Formalisierung und den<br />
Prozessen sind zumindest vier zentrale Dimensionen bzw. Blickwinkel zu<br />
beachten, welche sich auch als Prüfkriterien der Eignung und Vollständigkeit<br />
anbieten. 20 Ein PCGK soll der effektiven Steuerung und<br />
19<br />
Land Brandenburg 2005, Berlin 2005, Leipzig 2006, Bremen 2007, Stuttgart 2007, Rostock 2008,<br />
Potsdam 2008.<br />
20<br />
Vgl. dazu auch das Schwerpunktthema „Public Corporate Governance Kodizes auf dem Prüfstand“<br />
in Public Governance, Zeitschrift für öffentliches Management, Winter 2008/2009.<br />
10
Kontrolle öffentlicher Unternehmen dienen. Soweit dies unstrittig ist, stellt<br />
sich doch die Frage, wer Steuerungssubjekt und -objekt ist, wer also wen<br />
steuert. Soll der PCGK die Steuerung der Geschäftsführung durch den<br />
Aufsichtsrat stützen, oder die Steuerung des Aufsichtsrates durch die<br />
Verwaltung und Politik, oder gar den öffentlichen Gesamtkonzern durch<br />
den Bürger? Daraus ergeben sich die weiteren Inhalte des PCGK wie<br />
Pflichten der Akteure, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sowie<br />
deren Ausgleich. Es zeigt sich an dieser Stelle die Komplexität multipler<br />
Verantwortungsverhältnisse und mehrfacher Prinzipal-Agenten-Probleme<br />
im öffentlichen Sektor. 21 Explizites Ziel eines PCGK sollte es sein,<br />
die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen und möglicher<br />
Spannungsfelder adäquat zu berücksichtigen und auf einen Ausgleich<br />
abzuzielen.<br />
Die Frage des Zwecks eines PCGK ist vom bereits angesprochenen<br />
Zweck des Unternehmens zu unterscheiden. Relevant ist hier vielmehr,<br />
was die öffentliche Hand mit dem PCGK erreichen will, wo also das zu<br />
lösende Problem in der Beteiligungssteuerung liegt. Das können z.B.<br />
typische Probleme wie Steuerungsdefizite in Hinblick auf den politischen<br />
Auftrag, fehlende Transparenz, Besetzung der Aufsichtsorgane oder<br />
auch jüngst verstärkt in den Fokus gerückte Fragen der Risikokontrolle<br />
sein. Erst wenn dieser Zweck bestimmt ist, können weitere Fragen nach<br />
Inhalten, Formalisierung und Einführungsprozess beantwortet werden.<br />
PCGK versuchen, Steuerungsbeziehungen zu formalisieren. Dabei besteht<br />
die Gefahr, die meist bereits bestehenden Beteiligungsrichtlinien<br />
lediglich zu wiederholen. Wichtiger noch als die bloße Wiedergabe von<br />
Rechten und Pflichten der Akteure sind dabei jedoch die Bestimmung<br />
des öffentlichen Zwecks der Beteiligung sowie Fragen der Operationalisierbarkeit<br />
und strategischen Steuerung. Interessenkonflikte und der<br />
Umgang damit sollten neben Verhaltensstandards der Akteure ebenfalls<br />
aufgenommen werden. Gerade entscheidende Punkte wie die erforderlichen<br />
fachlichen und sozialen Kompetenzen sowie die Integrität der<br />
Akteure wurden in der Vergangenheit häufig nicht ausreichend angesprochen<br />
bzw. als gegeben vorausgesetzt.<br />
Schließlich bemisst sich die Qualität der PCGK auch nach der Prozessdimension.<br />
Hierunter sind sowohl der Prozess der Erarbeitung, der Umsetzung<br />
sowie einer kontinuierlichen kritischen Evaluation in Hinblick auf<br />
Implementationsdefizite und Verbesserungsmöglichkeiten zu verstehen.<br />
In der klassischen Praxis wurden Beteiligungsrichtlinien top down durch<br />
21 Vgl. Henke u.a. (2005), S. 32.<br />
11
die öffentliche Hand gegenüber den Unternehmen erlassen, welche sich<br />
ihnen zu fügen hatten. Dieser primär rechtliche Steuerungsansatz hatte<br />
die beschriebenen Effekte eines Steuerungsentzugs zur Folge. Die<br />
Quintessenz aus diesen Erfahrungen sollte darin liegen, dass bereits die<br />
Methode der Aufstellung der PCGK entscheidend ist für deren spätere<br />
Befolgung durch die Akteure und damit die Wirksamkeit. 22 Die Lösung<br />
liegt in der partizipativen Erarbeitung der Kodizes durch Staat und Unternehmen<br />
als Subjekt und Objekt der Steuerung gemeinsam, um beide<br />
Seiten auf die Inhalte zu verpflichten. Selbstverpflichtung ist neben<br />
Transparenz und Veröffentlichungspflicht – entsprechend dem „comply<br />
or explain“ Prinzip – ein zentraler Funktionsmechanismus. Die zweite<br />
Prozessdimension ist dann die Frage der laufenden Umsetzung des<br />
PCGK, welche eher handwerkliche Fragen der Bestimmung von Berichtspflichten,<br />
Kommunikationswegen etc. betrifft. Schließlich sollte ein<br />
intelligenter PCGK so angelegt sein, sich beständig selbst zu hinterfragen<br />
und weiter zu entwickeln. Dazu bedarf es abgestimmter<br />
Evaluationsformen, die im Voraus definiert und in einem gewissen<br />
Automatismus angewandt werden sollten, um die praktische Relevanz<br />
des PCGK wiederholt zu stärken und Inhalte an sich ändernde Rahmenbedingungen<br />
anzupassen, was im Falle von Beteiligungsrichtlinien vielfach<br />
nicht erfolgt ist.<br />
IV. Zusammenfassende Thesen und Schlussfolgerungen<br />
Aus den vorstehenden Betrachtungen drängen sich für den Autor einige<br />
Thesen auf, die an dieser Stelle skizziert werden und Anregungen für<br />
weitere wissenschaftliche Reflektion geben sollen.<br />
Der inhaltliche Vergleich der bisher veröffentlichten PCGK mit bestehenden<br />
Beteiligungsmanagement-Richtlinien und dem Kodex für börsennotierte<br />
Unternehmen zeigt nur geringe Differenzen. Eine erste Reaktion<br />
könnte sein, diese lediglich als Modewelle abzutun. Bei eingehender Betrachtung<br />
fallen jedoch essentielle Unterschiede in der Schwerpunktsetzung<br />
auf. Beteiligungsrichtlinien sind hierarchisch erlassen und eher<br />
juristisch gefasst. Sie fokussieren auf die finanzielle Dimension der<br />
öffentlichen Unternehmen. In der Praxis bestanden daher erhebliche<br />
Defizite in der Bestimmung der Rolle der Aufsichtsräte und des Unternehmenszweckes<br />
und der Selbstverpflichtung der Adressaten. Diese<br />
Lücke können PCGK füllen. Sie beruhen auf der Erkenntnis, dass die<br />
bestehenden Steuerungsprobleme nicht allein rechtlich gelöst werden<br />
22 Vgl. Ruter (2005).<br />
12
können. Der Fokus liegt daher konsequenterweise auf den sozialen<br />
Beziehungen der Akteure, dem Aufbau von Vertrauen, stärkerer Transparenz,<br />
der klaren Bestimmung der Rollen und darauf bezogener Selbstverpflichtung.<br />
23 In diesem Sinne bauen PCGK auf dem Beteiligungsmanagement<br />
auf, ergänzen dieses aber substanziell. Ebenso wichtig wie<br />
der Inhalt ist die Prozessdimension der gemeinsamen Diskussion, Erarbeitung<br />
und Evaluation. Erst dadurch kann ein PCGK auch das Vertrauen<br />
der Bürger in öffentliche Unternehmen und Staat stärken.<br />
Andererseits können sie den Rechtsrahmen jedoch ebenso wenig ersetzen<br />
wie die notwendige staatliche Regulierung der öffentlichen Wirtschaft.<br />
De facto sind viele Normen den Akteuren nicht ausreichend bekannt<br />
bzw. wurden nicht beachtet. Die Verabschiedung eines PCGK<br />
schafft dahingehend Klarheit und weckt die Aufmerksamkeit der Akteure<br />
und Öffentlichkeit. Es geht nicht um neue Rechtspflichten, sondern um<br />
die Verdeutlichung der bestehenden Rechtslage, des Bekenntnisses<br />
aller Beteiligten hierzu und letztlich um die Erzeugung politischen Drucks<br />
durch Öffentlichkeit. Der PCGK hat somit auch eine wichtige deklaratorische<br />
und symbolische Wirkung.<br />
Nicht zuletzt ist die PCG Diskussion auch ein Zeichen eines gewandelten<br />
Staatsleitbildes. Beteiligungsmanagement entstand in den neunziger<br />
Jahren vor dem Hintergrund des Leitbildes „schlanker Staat“ und<br />
umfangreicher Ausgliederungen. Mit dem Übergang zum Leitbild des<br />
„gewährleistenden Staates“ musste sich daher auch der Anspruch an die<br />
Steuerung öffentlicher Unternehmen ändern. Die rechtlich fiskalische<br />
Orientierung wird ergänzt durch eine strategisch ganzheitliche Führung<br />
aller Einheiten der Gebietskörperschaft im Sinne des öffentlichen<br />
Interesses und politischen Auftrages. Die Unternehmen werden wieder<br />
stärker in die Entwicklungsstrategie der Gebietskörperschaft einbezogen.<br />
Eine gewisse Skepsis sollte angebracht sein gegenüber vermeintlich einheitlichen<br />
Lösungen bzw. die weitgehende inhaltliche Deckungsgleichheit<br />
bzw. Isomorphie der bisher bestehenden PCGK in Deutschland. Die<br />
Ausgestaltung eines PCGK muss sich an den konkreten lokalen Bedürfnissen<br />
orientieren und sich diesen auch beständig anpassen. Ein<br />
allgemeiner deutscher oder internationaler PCGK kann daher nicht mehr<br />
als ein Rahmen sein, der Anstöße liefert, die lokal beantwortet werden.<br />
Auch ein inhaltlicher und prozedural guter PCGK lebt von der Qualität<br />
der Akteure, die ihn anwenden. Von daher darf die Frage der Quali-<br />
23 Vgl. Budäus (2005).<br />
13
fikation der Aufsichtsräte als weiterhin zentrale Steuerungs- und Kontrollinstanz<br />
nicht vernachlässigt werden. Neben den notwendigen Kompetenzen<br />
ist auch die Praxis der Auswahl entscheidend. Sie sollte nicht<br />
allein nach politischen Kriterien, sondern fachlich begründet und transparent<br />
verlaufen.<br />
Sofern diesen Anforderungen Rechnung getragen wird besteht die<br />
Chance, dass sich Regeln der Public Corporate Governance zu einem<br />
erfolgreichen Ansatz der Steuerung öffentlicher Unternehmen entwickeln.<br />
Sie bieten auf Basis der skizzierten Mängel Perspektiven und<br />
Lösungsmöglichkeiten für eine zukünftig effektivere Steuerung. Die<br />
konkrete Ausprägung sollte aus Gründen der Transparenz und Selbstverpflichtung<br />
aller Akteure in einem Kodex festgelegt werden. Um die<br />
Potenziale zu nutzen, und eine weitere bloße Modewelle zu verhindern,<br />
erscheint ein kontinuierliches kritisches Hinterfragen der konkreten<br />
Umsetzungserfahrungen sowie eine wissenschaftliche Begleitung der<br />
angewandten Praktiken sinnvoll. Die Forschung zu PCG ist bisher<br />
sowohl im internationalen Vergleich als auch in Deutschland noch<br />
gering, was der Bedeutung nicht gerecht wird. Der Fokus liegt vielfach<br />
auf bestehenden Regeln statt konkreten Praktiken. Aus den bisher<br />
wenigen selektiven Fallbeispielen der Steuerung und Kontrolle öffentlicher<br />
Unternehmen lässt sich systematisches empirisches Wissen kaum<br />
ableiten. Es besteht die reale Gefahr einer unreflektierten Übernahme<br />
bestehender Kodizes, die den lokalen Gegebenheiten nicht gerecht<br />
werden und nur unzureichende Wirkung entfalten können. Tatsächlich<br />
sind wichtige Fragen nach der Wirkung von PCGK, etwaigen branchenspezifischen<br />
Ausprägungsformen, Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg<br />
oder auf die Strategiefähigkeit der Politik noch unbeantwortet.<br />
In diesem Zusammenhang bieten wissenschaftliche Initiativen<br />
wie etwa das EU-weite COBRA-COST-Action Netzwerk, das sich international<br />
vergleichend mit diesen Themen beschäftigt, Hoffnung auf neue<br />
Erkenntnisse. 24 Auf diese Weise kann die Wissenschaft sich wieder<br />
stärker in praktische Entwicklungen einbringen und einen Beitrag leisten,<br />
dass PCGK mehr als eine vorübergehende Modewelle wird.<br />
24 Die „Comparative Public Organization Data Base for Research and Analysis (COBRA)” ist ein<br />
wissenschaftliches Netzwerk auf dem Gebiet des Public Management. Es wurde 2001 durch die<br />
Katholieke Universiteit Leuven initiiert und ist zentraler Bestandteil eines von der EU finanzierten<br />
laufenden COST-Action Forschungsnetzwerkes „Comparative Research into Current Trends in<br />
Public Sector Organization“.<br />
14
Literaturverzeichnis<br />
Bertelsmann (2008): Bertelsmann Stiftung, Kommunaler Schuldenreport 2008,<br />
Gütersloh 2008.<br />
Bremeier u.a. (2006): Wolfgang Bremeier, Hans Brinckmann u. Werner Killian,<br />
Public Governance kommunaler Unternehmen: Vorschläge zur politischen Steuerung<br />
ausgegliederter Aufgaben auf der Grundlage einer empirischen Erhebung,<br />
Düsseldorf 2006.<br />
Budäus (1993): Dietrich Budäus, Kommunale Verwaltungen in Deutschland zwischen<br />
Leistungsdefizit und Modernisierungsdruck, in: Gerhard Banner u. Christoph<br />
Reichard, Kommunale Managementkonzepte in Europa, Köln 1993, S. 163-176.<br />
Budäus (2005): Dietrich Budäus, Public Corporate Governance Kodex: Ein Beitrag<br />
zur Bildung von Vertrauen in Politik und Management?, in: Rudolf Ruter u.a.<br />
(Hrsg.), Public Corporate Governance: Ein Kodex für öffentliche Unternehmen,<br />
Wiesbaden 2005.<br />
Budäus (2008): Dietrich Budäus, Public Corporate Governance in der öffentlichen<br />
Wirtschaft: Probleme, Ziele, Strukturen, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />
Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft, H. 27, Berlin 2008. S. 26-43.<br />
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15
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16
Ulrich Kirchhoff *<br />
Finanzmarktkrise – von der Hypothekenkrise zur globalen<br />
Bankenkrise<br />
*<br />
Dr. Ulrich Kirchhoff, Leiter Verbundbank, Bankdirektor der Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt/M.<br />
17
Markus Krajewski *<br />
Vom Primat des Wettbewerbs zum gemeinsamen Verfassungswert:<br />
Perspektivenwandel im europäischen Recht<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>?<br />
I. Einleitung<br />
Seit den späten 1980er Jahren befindet sich der öffentliche Sektor in den<br />
Mitgliedstaaten der EU in einer tiefgreifenden Umbruchphase. <strong>Dienstleistungen</strong>,<br />
deren Erbringung bis dato durch den Staat, seine Untergliederungen<br />
(Länder und Kommunen) oder öffentlichen Unternehmen<br />
erfolgte, wurden sukzessive liberalisiert und privatisiert. 1 Zahlreiche Liberalisierungspolitiken<br />
haben ihren Ursprung in europäischen Rechtsakten<br />
oder in Urteilen des EuGH. 2 Während bis vor wenigen Jahren das Gemeinschaftsrecht<br />
den Erfordernissen des Binnenmarktes und dem unverfälschten<br />
Wettbewerb grundsätzlich den Vorrang vor sozialpolitisch<br />
motivierten Sonderregelungen der Mitgliedstaaten gab, scheint sich in<br />
jüngster Zeit ein Perspektivenwandel zu zeigen, der schlagwortartig als<br />
Wandel vom Primat des Wettbewerbs zu einem gemeinsamen Verfassungswert<br />
bezeichnet werden kann. Der vorliegende Beitrag will die<br />
Dimension dieses Wandels aufzeigen und deutlich machen, welche<br />
praktischen und konzeptionellen Konsequenzen sich hieraus ergeben<br />
können.<br />
Der Beitrag gliedert sich in drei Hauptteile: Im ersten Abschnitt werden<br />
die verschiedenen Schritte des erwähnten Perspektivenwandels auf primär-<br />
und sekundärrechtlicher Ebene sowie in der Rechtsprechung des<br />
EuGH nachgezeichnet. Dadurch soll belegt werden, dass tatsächlich<br />
Veränderungen stattgefunden haben (II.). Sodann werden die Grundstrukturen<br />
der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> vor dem Hintergrund<br />
der skizzierten Veränderungen herausgearbeitet und zueinander<br />
in Bezug gesetzt (III.). Im dritten Teil wird die Frage aufgeworfen, ob das<br />
veränderte europäische Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> im Anschluss<br />
an einen aktuellen staats- und verwaltungswissenschaftlichen<br />
* Prof. Dr. Markus Krajewski ist seit 2003 Juniorprofessor für <strong>Öffentliche</strong>s und Europäisches Wirtschaftsrecht<br />
und Wirtschaftsvölkerrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam und<br />
seit Oktober 2008 Gastprofessor am Sonderforschungsbereich 597 „Staatlichkeit im Wandel" der<br />
Universität Bremen<br />
1 Lippert (2005).<br />
2 Siehe Untersuchungen von Pielow (2001); Prosser (2005); Szyszczak (2007).<br />
46
Diskurs als entstehender europäischer Gewährleistungsverbund gedeutet<br />
werden kann (IV.).<br />
II. Akzentverschiebungen im Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
1. Von Rom nach Lissabon: Veränderungen im Primärrecht<br />
Ausgangspunkt der Diskussionen um öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> in<br />
Europa ist die Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 EGV, die bereits seit den<br />
Römischen Verträgen besteht (zuvor Art. 90 EWGV). Nach Satz 1 dieser<br />
Vorschrift gilt der EG-Vertrag, insbesondere die Wettbewerbsregeln<br />
(auch) für Unternehmen, die mit <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichem<br />
Interesse betraut sind, soweit die Anwendung des Gemeinschaftsrechts<br />
nicht die Erfüllung der diesen Unternehmen übertragenen<br />
Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Vorschrift ist das Ergebnis<br />
eines historischen Kompromisses zwischen denjenigen Mitgliedstaaten,<br />
die an einer effektiven Durchsetzung des Wettbewerbsrechts<br />
auch im öffentlichen Sektor interessiert waren und denjenigen Mitgliedstaaten,<br />
die öffentliche Unternehmen, die mit Leistungen der Daseinsvorsorge<br />
betraut waren, vor dem ungehinderten Einfluss von Binnenmarkt<br />
und Wettbewerb schützen wollten. 3<br />
Bis ca. 1990 wurde Art. 86 Abs. 2 EGV in nur wenigen Fällen angewandt<br />
und lag in diesen Jahren in einer Art. „Dornrösschenschlaf“. 4 Erst danach<br />
wurde die Vorschrift vom Europäischen Gerichtshof und der Kommission<br />
entdeckt. Seit Mitte der 1990er Jahre ist Art. 86 Abs. 2 EGV zur zentralen<br />
Norm für die Auseinandersetzung um öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong><br />
geworden. 5 Nach Ansicht des EuGH liegen Sinn und Zweck von Art. 86<br />
Abs. 2 EGV darin, das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz öffentlicher<br />
Unternehmen als Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit<br />
dem Interesse der Gemeinschaft an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln<br />
und der Wahrung der Einheit des Gemeinsamen Marktes in Einklang<br />
zu bringen. Um dies zu erreichen, lasse die Vorschrift unter bestimmten<br />
Voraussetzungen Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften<br />
des Vertrages zu. 6 Als Ausnahmevorschrift sei sie jedoch eng auszulegen.<br />
7 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wurden zu Art. 86 Abs. 2<br />
EGV verschiedene Auffassungen vertreten. Einige Autoren vertraten<br />
ebenfalls die Ansicht, Art. 86 Abs. 2 EGV sei nur eine eng auszulegende<br />
3 Ambrosius (2000), S. 26.<br />
4 Ehricke (1993) S. 211 ff.<br />
5 Tettinger (2000), S. 97 ff.<br />
6 EuGH (1999), Rn 93.<br />
7 EuGH (1998), Rn 173.<br />
47
Ausnahme vom „Vorrang des Wettbewerbs“ 8 . Andere vertraten dagegen<br />
die Meinung, dass die Norm die Grundlage eines Sonderregimes für die<br />
Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> sei. 9<br />
Zu einer ersten Akzentverschiebung auf der Ebene des Primärrechts<br />
kam es durch die Einfügung von Art. 16 EGV im Rahmen des Vertrages<br />
von Amsterdam. Ebenso wie Art. 86 Abs. 2 EGV beruht die Vorschrift auf<br />
einem Kompromiss zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten. Durch Art.<br />
16 EGV wird der Stellenwert von <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichen<br />
Interesse „innerhalb der gemeinsamen Werte der Union“<br />
anerkannt und ihre „Bedeutung für die Förderung des sozialen und territorialen<br />
Zusammenhalts“ unterstrichen. Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />
sind aufgefordert, die „Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren<br />
dieser Dienste so zu gestalten, dass sie ihren Aufgaben nachkommen<br />
können“. Mit Art. 16 EGV sollten die Rolle und Bedeutung<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> gestärkt und ihre Besonderheiten anerkannt<br />
werden. 10 Die Vorschrift ist als Funktionsgarantie für öffentliche<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> zu verstehen, die vor allem bei der Auslegung von Art.<br />
86 Abs. 2 EGV eine Rolle spielen kann. Art. 16 EGV enthält jedoch keine<br />
eigenständige Kompetenzgrundlage für den Gemeinschaftsgesetzgeber.<br />
Er verschafft den Mitgliedstaaten keine entscheidend neue Spielräume,<br />
da er „unbeschadet der Art. 73, 86 und 87“ gilt. Damit ist klar, dass Art.<br />
16 EGV die Grundsätze des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts<br />
nicht einschränken soll. Durch die Betonung des Stellenwerts von<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse macht Art.<br />
16 EGV aber zugleich deutlich, dass auch die Mitgliedstaaten verpflichtet<br />
sind, die Besonderheiten von öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong> zu schützen.<br />
11 Eine uneingeschränkte Politik der Deregulierung und Privatisierung,<br />
die zur Folge hat, dass bestimmte <strong>Dienstleistungen</strong> nicht mehr<br />
allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen, ist damit unvereinbar.<br />
Das europäische Primärrecht für öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> wird durch<br />
den Vertrag von Lissabon an zwei Stellen verändert. Zum einen wird der<br />
bisherige Art. 16 EGV sprachlich modifiziert und durch eine Legislativkompetenz<br />
ergänzt (Art. 14 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen<br />
Union, AEUV). 12 Zum anderen enthält der Vertrag ein Protokoll<br />
über Dienste von allgemeinem Interesse. 13 Mit diesem Protokoll verfol-<br />
8<br />
Essebier (2005); ähnlich Schweitzer (2001) u. Mestmäcker (1998), S. 635 ff.<br />
9<br />
Baquero Cruz (2005), S. 169 ff.<br />
10<br />
Frenz (2000), S. 901 ff.<br />
11<br />
Ross (2005), S. 38.<br />
12<br />
Ausführlich dazu Krajewski (2010).<br />
13<br />
ABl. 2007 C 306/158.<br />
48
gen die Mitgliedstaaten den Wunsch, die Bedeutung der Dienste von allgemeinem<br />
Interesse hervorzuheben. Art. 1 des Protokolls präzisiert, was<br />
unter den gemeinsamen Werten der Union in Bezug auf Dienste von allgemeinem<br />
wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Art. 14 AEUV zu verstehen<br />
ist. Dazu zählen die Subsidiarität und Nutzernähe der Erbringung<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>, die Vielfalt der öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong><br />
in Europa und die Grundsätze des Universaldienstes. Art. 1 des<br />
Protokolls trägt so zu einer Konkretisierung der in Art. 16 EGV angesprochenen<br />
Werte bei und stellt einen klaren Bezug zum Modell des<br />
Universaldienstes her. 14 In Art. 2 des Protokolls betonen die Mitgliedstaaten,<br />
dass die Bestimmungen der Verträge in keiner Weise die Zuständigkeit<br />
der Mitgliedstaaten, nichtwirtschaftliche Dienste von allgemeinem<br />
Interesse zu erbringen, in Auftrag zu geben und zu organisieren, berühren.<br />
Dies ist eine Selbstverständlichkeit, deren ausdrückliche Betonung<br />
mindestens missverständlich ist, da sie suggeriert, es hätte einer Klarstellung<br />
der Kompetenz der Mitgliedstaaten für nicht-wirtschaftliche<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> bedurft.<br />
Insgesamt lässt sich auf primärrechtlicher Ebene eine klare Öffnung des<br />
Gemeinschaftsrechts für nicht-wettbewerbliche Grundsätze bei der Erbringung<br />
und Organisation öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> zeigen. Vor<br />
allem der Hinweis auf die gemeinsamen Werte von Union und Mitgliedstaaten<br />
und die Präzisierung im Protokoll zu <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem<br />
Interesse im Vertrag von Lissabon machen deutlich, dass dem<br />
Primärrecht kein Primat des Wettbewerbs mehr entnommen werden<br />
kann. Allerdings ist auch vor übertriebenen Erwartungen in die entgegengesetzte<br />
Richtung zu warnen: Auch die skizzierten Veränderungen<br />
des Primärrechts bedeuten keine grundsätzliche Abkehr von den Grundprinzipien<br />
des Gemeinsamen Marktes, zu denen der unverfälschte Wettbewerb<br />
gehört. Eine positiv-rechtliche Absicherung der Grundzüge des<br />
französischen service public oder der deutschen Daseinsvorsorge lässt<br />
sich dem Gemeinschaftsrecht nicht entnehmen.<br />
2. Neuorientierung der Organe der Gemeinschaft?<br />
Der angedeutete Perspektivenwandel wird nicht nur in den Veränderungen<br />
des Primärrechts sichtbar, sondern lässt sich auch anhand einer –<br />
jedenfalls teilweise – Umorientierung der Gemeinschaftsorgane, insbesondere<br />
des Gerichtshofs und des Gemeinschaftsgesetzgebers nachzeichnen.<br />
14 Sauter (2008), S. 167 ff.<br />
49
Am deutlichsten hat sich die Kommission mit ihren verschiedenen Mitteilungen<br />
sowie dem Grün- und dem Weißbuch zu <strong>Dienstleistungen</strong> von<br />
allgemeinem Interesse sich wiederholt mit öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong><br />
befasst 15 und diese als unverzichtbares Element des europäischen Gesellschaftsmodells<br />
bezeichnet. 16 Universaldienst, Kontinuität, Qualität der<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> gehören nach Auffassung der Kommission zu den<br />
wesentlichen Aspekten der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>. Aus<br />
den Mitteilungen ergibt sich jedoch kein klares Bild, welches Modell die<br />
Kommission bevorzugt. Einerseits unterstreicht sie, dass öffentliche<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> grundsätzlich auch am Markt erbracht werde können.<br />
Andererseits betont sie auch die besonderen Anforderungen an die Erbringung<br />
dieser Leistungen. Die Funktion der verschiedenen Kommissionsdokumente<br />
wird daher auch nicht klar. Die Kommission hat dem<br />
Weißbuch nicht wie sonst üblich konkrete Legislativvorschläge folgen<br />
lassen. Die Dokumente hatten auch wenig Einfluss auf die konkrete Entscheidungspraxis<br />
der Kommission. Man kann daher vermuten, dass die<br />
Kommission mit diesen Mitteilungen und Beiträgen ein bestimmtes<br />
Thema im politischen Diskurs besetzen wollte, um so die Richtung und<br />
die wesentlichen Aspekte des Diskurses zu bestimmen („agenda<br />
setting“). Tatsächlich beziehen sich sowohl die Beiträge der anderen<br />
Gemeinschaftsorgane als auch die Meinungen zahlreicher nationaler<br />
politischer Institutionen immer wieder auf das Grün- und das Weißbuch.<br />
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Kommission mit ihren Mitteilungen<br />
auch das Ziel verfolgte, mit einem genuin positiv-besetzten Thema<br />
(„<strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong>“) assoziiert zu werden und so dem Eindruck<br />
entgegen zu treten, die Kommission sei nur an Liberalisierungsmaßnahmen<br />
interessiert.<br />
Deutlicher, aber gleichwohl noch eher punktuell, lassen sich Akzentverschiebungen<br />
in der Rechtsetzung und Rechtsprechung aufzeigen. So<br />
hat der Gemeinschaftsgesetzgeber im Zusammenhang mit der Reform<br />
des gemeinschaftlichen Rechtsrahmens für den öffentlichen Personennahverkehr<br />
eine Sonderregelung für die vergaberechtsfreie Aufgabenübertragung<br />
geschaffen. Nach Art. 5 Abs. 2 lit. a) der Verordnung<br />
1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und<br />
Straße 17 ist es „insbesondere bei öffentlich-privaten Partnerschaften nicht<br />
zwingend erforderlich, dass die zuständige Behörde zu 100 % Eigen-<br />
15<br />
Mitteilungen der Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. 1996, C 281/3;<br />
Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. 2001, C 17/4; Grünbuch zu <strong>Dienstleistungen</strong> von<br />
allgemeinem Interesse, KOM(2003) 270 endg; Weißbuch zu <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem<br />
Interesse, KOM(2004) 374 endg.<br />
16<br />
Grünbuch zu <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem Interesse, KOM(2003) 270 endg, Abs. 2.<br />
17<br />
ABl 2007, L 315/1.<br />
50
tümer ist, sofern ein beherrschender öffentlicher Einfluss besteht und<br />
aufgrund anderer Kriterien festgestellt werden kann, dass eine Kontrolle<br />
ausgeübt wird.“ Diese Formulierung ist eine klare Abweichung 18 von der<br />
insoweit eindeutigen Rechtsprechung, nach der seit dem Urteil Stadt<br />
Halle eine private Beteiligung die vergaberechtsfreie „In house“-Übertragung<br />
in jedem Fall ausgeschlossen ist. 19 Damit hatte der Gerichtshof<br />
zahlreichen public-private partnership Modellen ihre Attraktivität genommen.<br />
20 Die Rechtsprechung und ihre Auswirkung auf die Erbringung<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> ist daher in Wissenschaft und Praxis zu<br />
Recht auf Kritik gestoßen. 21 Insofern ist die bewusste Lockerung dieser<br />
Rechtsprechung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber jedenfalls für den<br />
ÖPNV nicht nur zu begrüßen sondern auch als Ausdruck einer gewissen<br />
Trendwende anzusehen.<br />
Weiterhin sind Veränderungen in der Rechtsprechung zur Vergaberechtsfreiheit<br />
von Verwaltungskooperationen, insbesondere interkommunaler<br />
Zusammenarbeit, zu beobachten. Die entsprechende EuGH-<br />
Rechtsprechung zeichnete sich zunächst durch eine relative Offenheit<br />
gegenüber der Anwendbarkeit des Vergaberechts aus. So hatte der<br />
EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien die pauschale<br />
Ausnahme jeglicher öffentlicher Kooperationsvereinbarungen<br />
vom Vergaberecht für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt. 22 In der Literatur<br />
wurde daraufhin die Auffassung vertreten, dass die Aufgabenübertragung<br />
im Rahmen von Verwaltungskooperationen ebenfalls generell dem<br />
Vergaberecht unterfalle. 23 Diese Auffassung entspricht allerdings nicht<br />
der neueren EuGH-Rechtsprechung: Überträgt eine Verwaltungsträger<br />
öffentliche Aufgaben auf einen Verbund oder eine andere Form der Verwaltungskooperation<br />
ist darauf abzustellen, ob die Kontrolle der Gesamtheit<br />
der Verwaltungsträger über die ausführende Einheit der<br />
Kontrolle entspricht, die eine Behörde über eigene Dienststellen ausübt.<br />
Diesen Grundsatz hat der EuGH in der Rechtssache Coditel ausdrücklich<br />
bestätigt. 24 Der Anteil, mit dem eine einzelne Gemeinde an einer<br />
interkommunalen Einrichtung beteiligt ist, ist unerheblich. Allerdings<br />
muss das gesamte Kapital der Einrichtung von öffentlichen Stellen gehalten<br />
werden; eine Beteiligung privaten Kapitals würde eine vergabe-<br />
18<br />
Mietzsch (2006), S 11 ff.<br />
19<br />
EuGH (2005), Rs. C-26/03, Rn 49.<br />
20<br />
Krajewski/Wethkamp (2008), S. 355 ff.<br />
21<br />
Vgl. die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />
Ausschreibung oder Direktvergabe öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> – Plädoyer für ein Wahlrecht der<br />
Gebietskörperschaften (2007), anders Schwintowski (2007), S. 91 ff.<br />
22<br />
EuGH (2005), Rs. C-84/03, Rn. 38.<br />
23<br />
Z.B. Steiff (2005), S. 205 ff.<br />
24<br />
EuGH (2009), Rs. C-324/07, Coditel/Uccle, NZBau 2009, 54, Rn. 50 ff.<br />
51
echtsfreie Aufgabenübertragung ausschließen. 25 Durch diese Rechtsprechung<br />
wird ein aktueller Streit im Sinne der Regelungsautonomie<br />
der Mitgliedstaaten und der kommunalen Träger öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> entschieden. Auch dies lässt sich als Akzentverschiebung<br />
interpretieren.<br />
Schließlich ist das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache BUPA<br />
zu erwähnen, das eine Lockerung der Altmark Trans-Kriterien für die<br />
beihilfenrechtliche Bewertung von Ausgleichsfinanzierungen bewirkt. Im<br />
Altmark Trans-Urteil hatte der EuGH vier Bedingungen entwickelt, die<br />
erfüllt sein müssen, damit Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche<br />
Verpflichtungen keine Beihilfe i.S.d. Art. 87 Abs. 1 EGV darstellen. 26<br />
Problematisch ist vor allem das vierte Kriterium, das verlangt, dass das<br />
Unternehmen, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen<br />
betraut werden soll, entweder im Rahmen eines Vergabeverfahrens<br />
ausgewählt werden oder die Höhe des erforderlichen Ausgleichs objektiv<br />
bestimmt werden muss. Dies muss auf der Grundlage einer Analyse der<br />
Kosten geschehen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen,<br />
das angemessen mit Mitteln ausgestattet ist, um den gestellten<br />
gemeinwirtschaftlichen Anforderungen zu genügen, bei der Erfüllung der<br />
betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen<br />
und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen<br />
zu berücksichtigen sind. 27 Diesem Kriterium lässt sich eine deutliche<br />
Präferenz für die Vergabe im Wettbewerb entnehmen. 28<br />
In der Rechtssache BUPA hatte das Gericht erster Instanz (EuG) die<br />
Frage zu beantworten, ob Ausgleichszahlungen an private Krankenversicherungsunternehmen,<br />
die mit besonderen öffentlichen Aufgaben betraut<br />
und in ihrem Marktverhalten eingeschränkt waren, als Beihilfe anzusehen<br />
seien. Hierzu vertrat das EuG die Auffassung, dass aufgrund<br />
der Besonderheiten des Sektors die Anforderungen des vierten Altmark<br />
Trans-Kriteriums nicht genau auf den Fall angewendet werden könnten. 29<br />
Nach Ansicht des EuG besteht der Hauptzweck des vierten Kriteriums<br />
darin, die Dienstleistung möglichst kostengünstig zu erbringen. Hierin<br />
liegt eine deutliche Abweichung von der strikten Anwendung der Altmark<br />
Trans-Kriterien. Das EuG akzeptiert die Besonderheiten eines Sektors<br />
und reduziert das vierte Altmark Trans-Kriteriums auf eine bloße Missbrauchskontrolle.<br />
Eine Präferenz für eine Wettbewerbsvergabe ist dem<br />
25 EuGH, Rs. C-324/07, Coditel/Uccle, NZBau 2009, 54, Rn. 30.<br />
26 EuGH, Rs. C-280/00, Altmark Trans, Slg. 2003, I-7747. Ausführlich Bauer, Die mitgliedstaatliche<br />
Finanzierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge und das Beihilfeverbot des EG-Vertrages, 2008.<br />
27 EuGH, Rs. C-280/00, Altmark Trans, Slg. 2003, I-7747, Rn. 90 ff.<br />
28 Thouvenin/Lorieux (2003), S. 641; Gromnicka (2005), S. 458.<br />
29 EuGH, Rs. T-289/03, BUPA u.a./Kommission, Rn. 267.<br />
52
nicht zu entnehmen. Es wird abzuwarten sein, wie sich der EuGH hierzu<br />
verhält. Nimmt er das Urteil des EuG zum Anlass, die strengen Altmark<br />
Trans-Kriterien zu Gunsten einer größeren Flexibilität aufzuweichen,<br />
wäre hierin ebenfalls eine Verschiebung der bislang primär wettbewerblich<br />
ausgerichteten Rechtsprechung des EuGH zu sehen.<br />
III. Grundstrukturen der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
im EG-Recht<br />
Die im vorstehenden Abschnitt aufgezeigten Verschiebungen können<br />
nun in den Gesamtrahmen des europäischen Rechts öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> eingeordnet werden. Vereinfacht lässt sich sagen, dass<br />
diese Recht durch vier Grundsätze geprägt ist: Trägerneutralität, Wettbewerb,<br />
Transparenz und Individualrechte.<br />
1. Trägerneutralität<br />
Dem Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> in Europa können keine ausdrücklichen<br />
Privatisierungsverpflichtungen entnommen werden. 30 Art.<br />
295 EGV macht deutlich, dass das Gemeinschaftsrecht öffentliches und<br />
privates Eigentum grundsätzlich als gleichberechtigt betrachtet. 31 Aus<br />
dieser Vorschrift ergibt sich, dass das Gemeinschaftsrecht die Offenheit<br />
der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bezüglich der Aufgabenträgerschaft<br />
unberührt lässt. Aus der Neutralität des Gemeinschaftsrechts gegenüber<br />
der Eigentumszuordnung ergibt sich jedoch keine generelle<br />
gemeinschaftsrechtliche Bereichsausnahme für alle eigentums- und<br />
organisationsrechtlichen Fragen der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>.<br />
Art. 295 EGV entbindet die Mitgliedstaaten nicht von der Beachtung<br />
des gemeinschaftlichen Primärrechts. Der gleiche Grundsatz<br />
liegt auch Art. 86 Abs. 1 EGV zu Grunde, der ein Privilegierungsverbot<br />
für öffentliche Unternehmen enthält.<br />
Problematisch sind jedoch bestimmte konkrete Anforderungen des Gemeinschaftsrechts,<br />
vor allem der Grundfreiheiten und des Binnenmarktrechts,<br />
an die jeweilige Erbringungsform. Dies gilt z. B. für die Vereinbarkeit<br />
sog. „Goldener Aktien“ oder anderer gesellschaftsrechtlicher Sonderrechte<br />
(z. B. VW-Gesetz) als typischen Steuerungsinstrumenten des Pri-<br />
30<br />
Pietzker (2001), S. 245 ff. u. Bungenberg (2007), S. 32.<br />
31<br />
Vgl. EuGH, Rs. C-163/99, Portugal/Kommission, Slg. 2001, I-2613; Rn. 58 f. Siehe auch Hatje<br />
(2003), S. 735.<br />
53
vatisierungsfolgenrechts mit der Kapitalverkehrsfreiheit. 32 Der EuGH<br />
sieht die verschiedenen staatlichen Kontrollrechte in ständiger Rechtsprechung<br />
als Verletzungen der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 ff.<br />
EGV an, die nur in engen Grenzen zulässig sind. 33 Dadurch hat er den<br />
flexiblen Einsatz dieser Instrumente durch die Mitgliedstaaten und die<br />
Verwaltungen erheblich einschränkt.<br />
Ähnlich wirkt die Rechtsprechung zur vergaberechtsfreien Aufgabenübertragung<br />
auf gemischtwirtschaftliche Unternehmen. Indem der Gerichtshof<br />
diese Erbringungsform zwar nicht verbietet, sie jedoch weniger<br />
attraktiv macht entfaltet das Gemeinschaftsrecht einen Differenzierungsdruck:<br />
Als Idealtypen der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> sieht<br />
das Gemeinschaftsrecht auf der einen Seite die möglichst staats- und<br />
verwaltungsnahe Erbringung durch den Aufgabenträger und auf der<br />
anderen Seite die vollständig privatwirtschaftliche Erbringung vor. Dieser<br />
Druck zur Differenzierung führt zu einem Bedeutungsverlust von öffentlich-privaten<br />
Mischformen der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>.<br />
Im Ergebnis kann diese Entwicklung zu einer deutlicheren Trennung von<br />
Tätigkeiten der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft führen.<br />
2. Wettbewerb<br />
Das Gemeinschaftsrecht wird durch eine grundsätzliche Präferenz zur<br />
Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> im Wettbewerb geprägt. Dies<br />
zeigt sich schon daran, dass die Erbringer öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
gem. Art. 86 Abs. 1 EGV dem Wettbewerbsrecht unterworfen sind. Die<br />
Wettbewerbsvorschriften der Art. 81 und 82 EGV sind mit Modellen der<br />
Erbringung und Finanzierung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>, die auf<br />
Monopole, ausschließliche Rechte oder Quersubventionierungen ausgerichtet<br />
sind, nicht vereinbar, wenn sie wettbewerbsverfälschend wirken. 34<br />
Aus diesem Grund geraten derartige Modelle, die in vielen Mitgliedstaaten<br />
die klassische Form der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
darstellten, unter gemeinschaftsrechtlichen Rechtfertigungsdruck. Im<br />
Sekundärrecht finden sich darüber hinaus zum Teil explizite Liberalisierungsverpflichtungen.<br />
Beispielhaft kann die Binnenmarktliberalisierung<br />
im Telekommunikations-, Post- und Energiesektor genannt werden. In<br />
32<br />
Grundmann/Möslein (2003), S. 299 ff.<br />
33<br />
EuGH, Rs. C-367/98, Kommission/Portugal (Golden Share I), Slg. 2002, I-4731; Rs. C-483/99,<br />
Kommission/Frankreich (Golden Share II), Slg. 2002, I-4781; C-503/99, Kommission/Belgien<br />
(Golden Share III), Slg. 2002, I-4809. Siehe auch EuGH, Rs. C-112/05, Kommission/Deutschland<br />
(VW-Gesetz), Slg. 2007, I-8995.<br />
34<br />
Zu Monopolen und ausschließlichen Rechten Buendia Sierra (1999), S. 163 ff; zur Quersubventionierung<br />
Danner (2006), S. 47.<br />
54
diesen Sektoren sind (bzw. waren) staatliche Monopole oder besondere<br />
und ausschließliche Rechte sukzessive abzubauen.<br />
Der Wettbewerbsgedanke findet sich auch in den vergaberechtlichen<br />
Anforderungen an die Organisationsformen: Will ein öffentlicher Aufgabenträger<br />
die Erbringung einer Leistung auf eine rechtlich von ihm getrennte<br />
Einrichtung übertragen, muss er die Aufgabenübertragung bei<br />
Vorliegen der Voraussetzungen der sekundärrechtlichen Vergabevorschriften<br />
im Rahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens übertragen.<br />
35 Wird eine Dienstleistungskonzession übertragen oder ein Auftrag<br />
unterhalb der Schwellenwerte vergeben, ist die Aufgabe ebenfalls<br />
grundsätzlich im Wettbewerb zu übertragen. Ebenso verlangen die beihilferechtlichen<br />
Anforderungen an Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche<br />
Dienste grundsätzlich eine Vergabe im Wettbewerb. 36<br />
Das europäische Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> enthält allerdings<br />
keine ausnahmslose Verpflichtung zur Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
im Wettbewerb. Vielmehr kann dem einschlägigen Primär-<br />
und Sekundärrecht nur ein Grundsatz der möglichst wettbewerbsnahen<br />
Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> entnommen werden. 37 Das primäre<br />
Gemeinschaftsrecht gestattet gem. Art. 86 Abs. 2 EGV eine Ausnahme<br />
von den Wettbewerbsregeln, wenn die besondere Funktion von<br />
öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong> dies erforderlich macht und wenn die Ausnahme<br />
verhältnismäßig ist. Der Grundsatz der wettbewerbsnahen Erbringung<br />
lässt eine Regulierung des Wettbewerbs durch die Auferlegung<br />
von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu, solange dabei allgemeine<br />
Grundsätze von Nichtdiskriminierung und Transparenz beachtet<br />
werden. Im Sekundärrecht, insbesondere im Telekommunikationsrecht,<br />
finden sich zudem Verpflichtungen zur Sicherstellung des Universaldienstes.<br />
Damit wird deutlich, dass das Leitbild des Wettbewerbs im<br />
Recht der öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong> nicht der unkontrollierte und<br />
völlig freie Wettbewerb ist, sondern dass das Gemeinschaftsrecht auf<br />
einen regulierten Wettbewerb abzielt.<br />
3. Transparenz<br />
35 EuGH, Rs. C-107/98, Slg. 1999, I-8121, Teckal, Rn. 50. Dazu umfassend Wittek, Das In-House<br />
Geschäft im EG-Vergaberecht, 2004 und Hardraht, In-house-Geschäfte und europäisches Vergaberecht,<br />
2006.<br />
36 EuGH, Rs. C-280/00, Altmark Trans, Slg. 2003, I-7747, Rn. 90 ff. Ausführlich dazu Boysen/Neukirchen,<br />
Europäisches Beihilferecht und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, 2007,<br />
37 Vgl. auch Baquero Cruz, (2005), S. 169.<br />
55
Als drittes Ordnungsprinzip prägt der Grundsatz der Transparenz das<br />
Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>. Besonders deutlich ist dies im Zusammenhang<br />
mit der Finanzierung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>. Sowohl<br />
die sich aus der Altmark Trans-Rechtsprechung ergebenen Anforderungen<br />
an Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen<br />
als auch die entsprechenden Vorgaben des Sekundärrechts verlangen<br />
Finanzierungs- und Kostentransparenz für die Erbringer öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong>. Diese besteht vor allem in der genauen Bestimmung<br />
der erforderlichen Kosten für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen<br />
und ihrer Trennung von den übrigen Kosten. In diesem<br />
Kontext sind auch die Buchführungs- und sonstigen Publizitätspflichten<br />
zu nennen, die sich aus der Transparenzrichtlinie ergeben. 38<br />
Eine weitere Dimension des Transparenzgrundsatzes ergibt sich aus der<br />
sowohl in den Almark Trans-Kriterien als auch in Art. 86 Abs. 2 EGV<br />
enthaltenen Verpflichtung, die Übertragung von gemeinwirtschaftlichen<br />
Verpflichtungen durch einen klaren Betrauungsakt sichtbar zu machen.<br />
Durch den Betrauungsakt wird erkennbar, welche besonderen Aufgaben<br />
das betraute Unternehmen übernehmen muss. Der Transparenzgrundsatz<br />
prägt auch die verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen an<br />
öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong>. Insbesondere die Informationspflichten, die<br />
sich aus dem sekundärrechtlichen Verbraucherschutzrecht ergeben,<br />
tragen zur Transparenz der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
bei. 39<br />
Das Transparenzprinzip dient in erster Linie der Verwirklichung des<br />
Wettbewerbsprinzips, indem es in eigentumsrechtlicher und finanzieller<br />
Hinsicht Klarheit von der Erbringern öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> verlangt<br />
und so wettbewerbsverzerrendes Verhalten verhindert. Die Transparenz<br />
der Kosten der Leistungserbringung oder die Zuordnung gemeinwirtschaftlicher<br />
Verpflichtungen durch den Betrauungsakt können<br />
jedoch auch dazu beitragen, dass die Auseinandersetzung über Kosten<br />
und Erbringungsmodalitäten öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> Gegenstand<br />
eines demokratischen Diskurses werden. Dadurch würden partizipative<br />
Ansätze befördert und die Nutzer könnten an der Erbringung und<br />
Kontrolle der öffentlichem <strong>Dienstleistungen</strong> teilhaben.<br />
38 Richtlinie 80/723/EWG der Kommission vom 25. Juni 1980 über die Transparenz der finanziellen<br />
Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen, ABl. 1980,<br />
L 195/35, neugefasst als Richtlinie 2006/111/EG der Kommission, ABl. 2006, L 318/17.<br />
39 Rott (2009), S. 215 ff.<br />
56
4. Individualrechte<br />
Das Recht der öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong> wird schließlich durch die<br />
Existenz von individualrechtlichen Ansprüchen geprägt. Im wesentlichen<br />
lassen sich zwei große Gruppen von Rechten unterscheiden. Die erste<br />
Gruppe umfasst Rechte, die im weitesten Sinne als Leistungsansprüche<br />
bezeichnet werden können. Dazu zählen Ansprüche, die sich direkt an<br />
den Leistungserbringer richten. Dies sind neben den direkten Rechten<br />
auf Zugang zu öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong>, die sich z. B. aus dem Prinzip<br />
des Universaldienstes ergeben, alle Leistungs- und Qualitätsansprüche,<br />
die das Verhältnis des Dienstleistungsanbieters zum Dienstleistungsempfänger<br />
betreffen. Die genannten Rechte entsprechen der<br />
Logik von Leistungsbeziehungen, die auf privatrechtlichen und privatwirtschaftlichen<br />
Grundsätzen beruhen. Sie weisen einen dezidierten<br />
Marktbezug auf und sind auf die möglichst weitgehende Verwirklichung<br />
eines Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt gerichtet. Die Leistungsrechte<br />
verstärken zudem die grundsätzlich wettbewerbliche Ausrichtung des<br />
Rechts öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong>, indem sie den Dienstleistungsempfänger<br />
dazu anhalten, zwischen verschiedenen Leistungserbringern<br />
den effizientesten und effektivsten Erbringer auszuwählen. 40 Insofern lassen<br />
sich die Leistungsrechte als individualrechtliche Entsprechungen des<br />
Grundsatzes der wettbewerbsorientierten Erbringung öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> verstehen. Das Leitbild des Dienstleistungsnutzers, das<br />
sich aus diesen Leistungsrechten ableiten lässt, wird durch die Wahrnehmung<br />
der Leistungsempfänger als Kunden des Erbringers oder als<br />
Marktbürger beschrieben.<br />
Im Gegensatz zu den Leistungsansprüchen stehen individualrechtliche<br />
Vorstellungen, die auf Teilhabe und damit auf Solidarität ausgerichtet<br />
sind. Dazu zählen zunächst die in der Grundrechtecharta verbürgten Zugangsrechte,<br />
insbesondere Art. 36 der Charta der Grundrechte der<br />
Europäischen Union (im Folgenden: GRC), der den Zugang zu <strong>Dienstleistungen</strong><br />
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrifft. Bei dieser<br />
Vorschrift handelt es sich um die zentrale grundrechtliche Verbürgung<br />
individueller Rechte in Bezug auf öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> in der<br />
Grundrechtecharta. 41 Nach Art. 36 GRC anerkennt und achtet die Union<br />
den Zugang zu <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichem<br />
Interesse, „wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und<br />
Gepflogenheiten im Einklang mit den Verträgen geregelt ist, um den<br />
sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.“ Inhalt<br />
und Schutzrichtung von Art. 36 GRC sind umstritten. Einigkeit besteht<br />
40 Freedland (1998), S. 10.<br />
41 Krajewski (2005), S. 667 f.<br />
57
zunächst nur insofern, dass Art. 36 GRC in Ergänzung zu Art. 16 EGV<br />
den besonderen Wert öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> im Verfassungsgefüge<br />
der Union unterstreicht. 42 Sieht man in Art. 36 GRC „eine objektiv-rechtliche<br />
Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten und der Union“,<br />
öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> vorzuhalten, kann man die Vorschrift als<br />
Grenze für Deregulierung und Privatisierung dieser Leistungen interpretieren.<br />
43 Man kann Art. 36 GRC darüber hinaus ein subjektiv-öffentliches<br />
Recht auf Achtung und Anerkennung des Zugangs zu öffentlichen<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> durch die Unionsorgane entnehmen. Art. 36 GRC<br />
enthält eine direkte Pflicht der Union, den Zugang zu <strong>Dienstleistungen</strong><br />
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht zu beeinträchtigen und<br />
andere an einer solchen Beeinträchtigung zu hindern. Die Union darf<br />
also weder rechtlich noch faktisch einen Mitgliedstaat, dessen regionale<br />
und lokale Untergliederungen oder ein mit öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong><br />
betrautes Unternehmen am Angebot einer öffentlichen Dienstleistung<br />
hindern oder den Zugang dazu erheblich erschweren.<br />
Neben Art. 36 GRC enthält auch das Universaldienstprinzip Teilhabe-<br />
und Solidaritätselemente, etwa im Prinzip der Erschwinglichkeit und des<br />
universellen Zugangs, die durch das Gemeinschaftsrecht individualrechtlich<br />
konstruiert sind. Diesen Rechten ist gemeinsam, dass sie nicht nur<br />
die individuelle Beziehung des Leistungsempfängers und des Leistungserbringers<br />
in den Blick nehmen, sondern auch die besondere Bedeutung<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> für das Gemeinwesen mit berücksichtigen.<br />
Sie beschränken sich nicht auf die individuellen Bedürfnisse des Leistungsempfängers<br />
in einer konkreten Austauschbeziehung, sondern erfassen<br />
auch kollektive Bedürfnisse nach Teilhabe und Solidarität als den<br />
Elementen, auf denen der Zusammenhalt in einer Gesellschaft beruht. 44<br />
Die zentrale Bedeutung von Solidarität ergibt sich – wie bereits erwähnt<br />
– aus der Formulierung von Art. 16 EGV. Das den Prinzipien der Teilhabe<br />
und Solidarität zu Grunde liegende Leitbild des Nutzers ist bürger-<br />
und grundrechtlich geprägt und entspricht dem Verständnis eines<br />
(Staats- oder Unions-)bürgers als Teil einer Solidargemeinschaft.<br />
Das europäische Verständnis öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> wird inzwischen<br />
durch beide Gruppen von Individualrechten geprägt. Zu Beginn<br />
der Liberalisierungspolitik in den frühen 1990er Jahren stand dagegen<br />
das Leitbild des Kunden und Verbrauchers im Vordergrund. Erst gegen<br />
Ende der 1990er Jahre und seit Beginn des neuen Jahrtausends setzt<br />
sich hier eine neue Erkenntnis durch. In diesem Sinne konnte die Euro-<br />
42 Kallmayer (2007).<br />
43 Riedel, (2006); ähnlich Ross (2007), S. 1064.<br />
44 Malaret Garcia (1998), S. 81.<br />
58
päische Kommission im Grünbuch zu <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem<br />
Interesse eine Synthese der beiden Ansätze vertreten, indem sie die<br />
Grundsätze des Universaldienstes, der Dienstleistungsqualität, der Erschwinglichkeit<br />
und des Verbraucher- und Nutzerschutzes zu den Elementen<br />
zählt, die als Elemente eines Gemeinschaftskonzepts der<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verstanden<br />
werden können. 45 In ähnlicher Weise betont das Protokoll zu Diensten<br />
von allgemeinem Interesse des Vertrags von Lissabon, dass „ein hohes<br />
Niveau in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung<br />
und Förderung des universellen Zugangs und der Nutzerrechte“<br />
zu den gemeinsamen Werten der Union und der Mitgliedstaaten<br />
im Sinne des Art. 16 EGV gehörte. Vor diesem Hintergrund lassen sich<br />
die Nutzer öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> in Europa nicht auf bloße<br />
Kunden von privat-wirtschaftlichen Anbietern auf einem möglichst am<br />
Wettbewerb ausgerichteten Markt reduzieren. Bürgerschaftliche Ansprüche,<br />
Teilhaberechte und Elemente der Solidarität prägen das Leitbild<br />
des Nutzers in gleicher Weise.<br />
IV. Der europäische Gewährleistungsverbund als neues Leitbild?<br />
Die beschriebenen Grundstrukturen und Veränderungen des Rechts<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> sollen nun genutzt werden, um der Frage<br />
nachzugehen, ob sich der europäische Gewährleistungsverbund als<br />
neues Leitbild für das Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> eignet.<br />
1. Begriff und Funktion des Gewährleistungsstaates<br />
Der Begriff des „Gewährleistungsstaates“ ist in den vergangenen Jahren<br />
zu einem populären Leitbild für den Wandel von Staatlichkeit geworden.<br />
46 Mit ihm soll die grundsätzliche Transformation vom Leistungsstaat,<br />
als einem Staat, der öffentliche Aufgaben weitgehend selbst erfüllt und<br />
öffentliche Leistungen direkt erbringt, zu einem Staat, der zunehmend<br />
Aufgaben auf private Einheiten überträgt und sich selbst auf Steuerungs-<br />
und Sicherstellungsaufgaben beschränkt, begrifflich zusammengefasst<br />
werden. 47 Nach diesem Verständnis steht der Staat zwar in der Verantwortung<br />
für bestimmte Gemeinwohlziele, überlässt die Realisierung<br />
dieser Ziele jedoch privaten Akteuren. Damit wird der enge Zusammenhang<br />
zwischen dem Leitbild des Gewährleistungsstaates und der<br />
45<br />
Grünbuch zu <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem Interesse, KOM(2003) 270 endg., Abs. 49.<br />
46<br />
Schuppert, (2004), S. 60 ff.<br />
47<br />
Eiffert (1998), S. 18; Trute (2002), S. 329.<br />
59
Transformation öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> deutlich. Erbrachte der<br />
Staat die Leistungen der Daseinsvorsorge noch bis vor wenigen Jahrzehnten<br />
weitgehend selbst, werden diese Leistungen inzwischen vielfach<br />
von privaten Akteuren erbracht, während sich die Rolle des Staates auf<br />
die Steuerung und die Gewährleistung dieser Erbringung beschränkt.<br />
Im Mittelpunkt der Überlegungen zum Gewährleistungsstaat steht das<br />
„Denken in Verantwortungsstufen“. 48 Die leistungsintensivste Stufe staatlicher<br />
Verantwortung ist die Verantwortung des Staates für die Erfüllung<br />
einer bestimmten Aufgabe bzw. die Erbringung einer bestimmten Leistung<br />
(Erfüllungs- oder Erbringungsverantwortung). Auf dieser Stufe zeigt<br />
sich die Transformation öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> besonders deutlich:<br />
Während vor der Post- und Bahnreform die Erbringung von Telekommunikations-,<br />
Post- und Bahndienstleistungen als Staatsaufgaben festgelegt<br />
waren und somit als Teil der Erfüllungsverantwortung angesehen<br />
werden konnten, gehört die Erbringung dieser Leistungen heute nicht<br />
mehr zur Verantwortung des Staates. Auf der untersten Stufe der Leistungsintensität<br />
steht die Auffang- oder Einstandsverantwortung. Der<br />
Staat wird hier nur tätig, wenn die privatwirtschaftlichen Kräfte nicht in<br />
der Lage sind, Gemeinwohlziele zu erreichen. In diesem Fall ist er gehalten,<br />
die Leistungen im Wege der „Ersatzvornahme“ selbst anzubieten.<br />
49 Zwischen diesen Kategorien ist die Gewährleistungsverantwortung<br />
als dritte Hauptkategorie einzuordnen. Mit dieser Kategorie wird die<br />
Frage beantwortet, wie der Staat, der in zahlreichen Bereichen öffentlicher<br />
Dienstleistung seine Erfüllungsverantwortung abgegeben hat,<br />
seiner Verantwortung für das Gemeinwohl weiter gerecht werden kann,<br />
ohne darauf beschränkt zu sein, auf Fehlentwicklungen im Rahmen<br />
seiner Auffangverantwortung zu reagieren. In Erfüllung seiner Gewährleistungsverantwortung<br />
setzt der Staat den Rechtsrahmen, damit sich<br />
die privatwirtschaftliche Produktion an Gemeinwohlzielen orientiert, z. B.<br />
durch Universaldienstverpflichtungen oder andere Qualitäts- und Quantitätsanforderungen.<br />
Der Staat überwacht und kontrolliert den Markt und<br />
beseitigt ggf. entstehende Erbringungsdefizite durch die Änderung des<br />
Rechtsrahmens, durch eigene Beschaffung am Markt oder die Bereitstellung<br />
von marktexterner Finanzierung.<br />
48 Schuppert (2000), S. 400 ff.; Voßkuhle (2003), S. 285.<br />
49 Schmidt-Aßmann (2004), S. 171.<br />
60
2. Die europäische Gemeinschaft als Gewährleistungsgemeinschaft?<br />
Im Diskurs über den Gewährleistungsstaat wurde die Europäische Gemeinschaft<br />
teilweise als „Gewährleistungsgemeinschaft“ bezeichnet. 50 Es<br />
stellt sich jedoch die Frage, ob man sinnvoll von einer „Gewährleistungsgemeinschaft“<br />
in Ergänzung zum Gewährleistungsstaat sprechen kann.<br />
Ansatzpunkt für die Konstruktion der Europäischen Gemeinschaft als<br />
Gewährleistungsgemeinschaft muss der Nachweis sein, dass sich die<br />
oben skizzierten Verantwortungsstufen auch auf der Gemeinschaftsebene<br />
nachweisen lassen. Dies ist nicht unproblematisch: Eine Erfüllungsverantwortung<br />
der Europäischen Gemeinschaft für bestimmte<br />
Leistungen findet sich im Gemeinschaftsrecht jedenfalls nicht. Dagegen<br />
lassen sich einzelne Elemente der Gewährleistungsverantwortung auf<br />
europäischer Ebene nachweisen. So trifft die Gemeinschaft insbesondere<br />
in den liberalisierten Netzdienstleistungen eine Pflicht, die Marktentwicklung<br />
zu beobachten und dabei auch die Auswirkungen auf den<br />
Zugang zu öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong> zu bewerten. Das Gemeinschaftsrecht<br />
erlaubt aber keine Feinsteuerung der Erbringung öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong>, sondern kann allenfalls den grundsätzlichen<br />
Rahmen bestimmen. Operative Reaktionsmöglichkeiten der Gemeinschaft<br />
auf Defizite bei der Leistungserbringung bestehen grundsätzlich<br />
nicht. Ähnliches gilt für die Auffangverantwortung. Der Europäischen<br />
Gemeinschaft fehlen die Kompetenzen und die Mittel auf Leistungsausfälle,<br />
durch die eigene Bereitstellung bestimmter Leistungen zu reagieren.<br />
Somit fehlen die Grundlagen für eine Gewährleistungsgemeinschaft.<br />
3. Idee und Elemente eines europäischen Gewährleistungsverbundes<br />
Auch wenn die Gemeinschaft nicht als Gewährleistungsgemeinschaft<br />
angesehen werden kann, kann die wechselseitige Durchdringung des<br />
nationalen und europäischen Rechts öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> nicht<br />
nur als europäische Dimension des Gewährleistungsstaates angesehen<br />
werden. 51 Aufgrund der Verzahnung der Rechtsordnungen ist vielmehr<br />
zu fragen, ob die Transformation des Rechts öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
zur Herausbildung eines europäischen Gewährleistungsverbundes<br />
führt.<br />
50 Hoffmann-Riem (1999), S. 125.<br />
51 Dazu Franzius (2006), S. 547 ff.<br />
61
Die Metapher des Verbunds erfreut sich im verfassungs-, verwaltungs-<br />
und europarechtlichen Schrifttum gegenwärtig großer Beliebtheit. 52 Mit<br />
ihr soll die Transformation der nationalen Staats- und Rechtsordnung<br />
durch den europäischen Integrationsprozess und die Verschränkung von<br />
nationaler und europäischer Ebene auf einen Punkt gebracht werden.<br />
Hier soll gefragt werden, ob der Gewährleistungsverbund als Leitbild benutzt<br />
werden kann, mit dessen Hilfe das bestehende Recht besser analysiert<br />
werden kann und der zu einem neuen Diskurs über öffentliche<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> beitragen kann.<br />
Zur Bewertung der Eignung des Gewährleistungsverbundes als Leitbild<br />
des Rechts öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> in Europa sind die zentralen<br />
Elemente des Verbundsmodells auf das Gewährleistungsparadigma zu<br />
beziehen. Hierfür ist zunächst darauf zu verweisen, dass sich Mitgliedstaaten<br />
und Union nach Art. 16 EGV bei der Organisation und Erbringung<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> an gemeinsamen Werten orientieren.<br />
Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass die mitgliedstaatlichen<br />
Politiken, die auf eine umfassende und effiziente Erbringung öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> ausgerichtet sind, im Wertgefüge der Union einen legitimen<br />
Platz haben. Gleichzeitig verpflichtet der Hinweis auf die „gemeinsamen<br />
Werte der Union“ auch die Gemeinschaftsorgane, sich an den<br />
besonderen Bedingungen öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> orientieren. Die<br />
Konkretisierung der gemeinsamen Werte gem. Art. 16 EGV erfolgt in Art.<br />
1 des Protokolls zu Diensten von allgemeinem Interesse des Vertrages<br />
von Lissabon. Diese Konkretisierung kann als Grundlage des normativen<br />
Programms des Gewährleistungsverbundes interpretiert werden. Allerdings<br />
ist dieses normative Programm seinerseits konkretisierungsbedürftig.<br />
Die zahlreichen Konfliktpotentiale zwischen Gemeinschaftsrecht<br />
und mitgliedstaatlichen Erbringungsmodellen lassen sich mit Hilfe<br />
der gemeinsamen Werte nicht eindeutig lösen.<br />
Ein weiteres prägendes Merkmal des Verbundmodells ist, dass die gemeinsamen<br />
Ziele und Werte in einem komplexen Netz von Verantwortlichkeiten<br />
auf den unterschiedlichen Ebenen verfolgt werden. Mitgliedstaatliche<br />
und gemeinschaftliche Gewährleistungsverantwortung sind<br />
miteinander in einem System gestaffelter 53 und abgestufter Verantwortungsbereiche<br />
verschränkt. Vereinfacht lässt sich sagen, dass die Festlegung,<br />
welche <strong>Dienstleistungen</strong> als „öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong>“ zu<br />
charakterisieren sind, in welchem Umfang sie erbracht werden sollen<br />
und mit welchen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sie verknüpft<br />
52 Nachweise bei Nettesheim (2007), S. 734; Ruffert (2007), S. 762 u. Britz (2006), S. 46 ff.<br />
53 Begriff von Hoffmann-Riem (1999), S. 127.<br />
62
werden sollen, in den Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten fällt. 54<br />
Die Mitgliedstaaten entscheiden auch im Grundsatz über die Organisations-,<br />
Erbringungs- und Finanzierungsmodelle. Hier bestehen allerdings<br />
zahlreiche gemeinschaftsrechtliche Vorgaben, die vor allem auf die Verwirklichung<br />
von Wettbewerb und Transparenz abzielen. Gleichzeitig stellt<br />
das europäische Wettbewerbs-, Beihilfen- und Vergaberecht den Mitgliedstaaten<br />
einen Rechtsrahmen für eine möglichst effiziente Erbringung<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> zur Verfügung.<br />
Als Beispiele für die Konkretisierung der Gewährleistungsverantwortung<br />
können die Entscheidung der Kommission zu Ausgleichszahlungen für<br />
öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> 55 und die Verordnung 1370/2007 über den<br />
öffentlichen Personenverkehr 56 genannt werden. Es ist kein Zufall, dass<br />
beide Rechtsakte in ihrem ersten Erwägungsgrund Art. 16 EGV erwähnen<br />
und sich somit auf den in diesem Artikel angesprochenen gemeinsamen<br />
Wert beziehen. Beide Rechtsakte sind von dem Bestreben geprägt,<br />
die Erbringung und Finanzierung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
sicher zu stellen und den Mitgliedstaaten gewisse Autonomiebereiche<br />
einzuräumen. Für Ausgleichszahlungen, die nicht den strengen Altmark<br />
Trans-Kriterien genügen, hält die Kommission unter Hinweis auf Art. 86<br />
Abs. 2 EGV eine flexible Rechtfertigungslösung bereit. Für die Übertragung<br />
öffentlicher Personenverkehrsdienste hat der Gemeinschaftsgesetzgeber<br />
in der Verordnung 1370/2007 ebenfalls eine flexiblere Regelung<br />
vorgesehen als die sich aus der EuGH-Rechtsprechung zur „In<br />
house“-Übertragung ergebenden Grundsätze. Damit hat der Gemeinschaftsgesetzgeber<br />
nicht nur seinen Willen zur Gestaltung des Rechtsrahmens<br />
für die Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> manifestiert,<br />
sondern seine Verantwortung für die Gewährleistung eines entsprechenden<br />
Rahmens auch angenommen.<br />
Anders als die Gewährleistungsverantwortung ist die Auffangverantwortung<br />
nicht zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft geteilt. Vielmehr<br />
verbleibt diese bei den Mitgliedstaaten. Die Gemeinschaft hat keine umfassende<br />
Kompetenz zur Erbringung von öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong>.<br />
Können öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> nicht oder nicht in dem gewünschten<br />
Umfang oder der gewünschten Weise von Privaten auf einem regulierten<br />
Markt erbracht werden, stehen die Mitgliedstaaten und ihre<br />
Untergliederungen in der Pflicht, nicht dagegen die Gemeinschaft. Die<br />
54 Schroeder (2004), S. 31.<br />
55 Entscheidung der Kommission über die Anwendung von Art. 86 Abs. 2 EGV auf Beihilfen, die<br />
bestimmen mit der Erbringung von <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse<br />
betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden, ABl. 2005, L 312/67.<br />
56 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rats über öffentliche<br />
Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße, ABl C 2007, L 315/1.<br />
63
fehlende Auffangverantwortung auf gemeinschaftlicher Ebene führt dazu,<br />
dass ein wesentliches Element des Gewährleistungsmodells, nämlich die<br />
Möglichkeit der Leistungserbringung bei strukturellem und anhaltendem<br />
Marktversagen im Mehrebenensystem nicht gleichmäßig verteilt ist. Dadurch<br />
entsteht eine nicht zu unterschätzende Asymmetrie. Mitgliedstaaten<br />
und Gemeinschaft sind zwar gemeinsam zuständig, den Rahmen für<br />
die Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> durch Private zu setzen. Im<br />
Krisenfall versagt jedoch die gemeinsame Gemeinwohlverantwortung<br />
und die Mitgliedstaaten sind allein für die auffangende Erbringung öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> zuständig. Die Rolle der Gemeinschaft ist<br />
bestenfalls darauf beschränkt, der staatlichen Auffangverantwortung<br />
nicht im Wege stehen, indem sie das anwendbare Gemeinschaftsrecht<br />
so gestaltet, dass die mitgliedstaatliche Eigenerbringung möglich bleibt.<br />
Insofern kann das gegenwärtige Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> derzeit<br />
nur als unvollendeter Gewährleistungsverbund oder Gewährleistungsverbund<br />
in statu nascendi beschrieben werden.<br />
4. Funktion eines neuen Leitbildes<br />
Auch wenn – oder besser: gerade weil – der Gewährleistungsverbund<br />
noch im Entstehen ist, muss die Frage beantwortet werden, warum es<br />
sich bereits jetzt lohnen kann, von einem neuen Leitbild zu sprechen.<br />
Welche Folgerungen kann man aus einem neuen Leitbild ableiten und<br />
welche analytischen und rechtspolitischen Vorteile wären mit der Annahme<br />
eines derartigen Leitbildes verbunden?<br />
Zunächst kann das Leitbild des Gewährleistungsverbundes dazu beitragen,<br />
die komplexen und heterogenen Rechtsentwicklungen in der Folge<br />
der Transformation öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> begrifflich zu verdichten,<br />
um damit einen Diskurs über die Grundprinzipien und Entwicklungslinien<br />
dieser Transformation zu ermöglichen. 57 Wie alle Leitbilder, die auf der<br />
Grundlage eines Verbundmodells entwickelt werden, soll der Begriff des<br />
Gewährleistungsverbundes bestimmte Assoziationen wecken, mit deren<br />
Hilfe der Transformationsprozess auf den Punkt gebracht und damit<br />
kommunizierbar gemacht wird. Das Leitbild des Gewährleistungsverbundes<br />
würde zunächst den Blick auf die gemeinsamen Werte von Union<br />
und Mitgliedstaaten und die Verantwortungsverschränkungen zwischen<br />
Gemeinschaft und Mitgliedstaaten bezüglich des Rechts öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> lenken. Im Diskurs um die „Zukunft der Daseinsvorsorge“<br />
würde damit die Erkenntnis und Anerkennung einher gehen, dass<br />
57 Zu dieser Funktion von Leitbildern Voßkuhle (2001), S. 508 f.<br />
64
nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Gemeinschaft auf die besondere<br />
Funktion öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> verpflichtet ist. Damit<br />
wäre eine Absage an einfache Dichotomien und binäre Schematismen<br />
verbunden, die – je nach Vorverständnis – entweder die dem Gemeinwohlinteresse<br />
verpflichtete mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge durch<br />
eine an Wettbewerb und Marktöffnung ausgerichtete Gemeinschaftsrechtsordnung<br />
bedroht sehen 58 , oder in den Interessen der Mitgliedstaaten<br />
den Ausdruck eines ineffizienten Primates der nationalen Politik über<br />
das gemeinschaftliche (Wirtschafts-)Recht erkennen. 59 Schon für den<br />
Gewährleistungsstaat wurde konstatiert, dass er das Denken in „statischblockhaften“<br />
Unterscheidungen überwinden könne. 60 Das gilt in besonderer<br />
Weise für den Gewährleistungsverbund. 61 Gleichwohl negiert die<br />
Perspektive des Gewährleistungsverbundes den Antagonismus von<br />
Staat und Markt (oder Staat und Gesellschaft) nicht und blendet Politik-<br />
und Verfassungskonflikte zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft,<br />
die das Recht der öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong> prägen 62 ,<br />
nicht aus. Der Gewährleistungsverbund macht aber die Mehrdimensionalität<br />
und die Komplexität der Probleme deutlicher als dies durch pointierte<br />
Zuspitzungen möglich ist.<br />
Der Gewährleistungsverbund erhellt auch, dass Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />
bei der Gewährleistung der Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
aufeinander angewiesen sind. Als Mitgliedstaat der Europäischen<br />
Union kann der Gewährleistungsstaat seine Gewährleistungsverantwortung<br />
nicht ohne und erst nicht gegen die Gemeinschaft erfüllen.<br />
Er ist darauf angewiesen, dass das Gemeinschaftsrecht Organisations-<br />
und Finanzierungsmodelle ermöglicht, die auf die besonderen<br />
Aufgaben und Funktionen öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> zugeschnitten<br />
sind. Das Gemeinschaftsrecht ist daher in diesem Sinne zu interpretieren<br />
und weiter zu entwickeln. Versuche der Mitgliedstaaten, ihre Gewährleistungsverantwortung<br />
in Opposition zur Gemeinschaft zu realisieren,<br />
laufen nicht nur Gefahr, in Rechtskonflikte zu geraten, sondern können<br />
auch einen Verlust an Transparenz und Effizienz nach sich ziehen. Auch<br />
die Gemeinschaft kann nicht autonom handeln. Die in Art. 16 EGV<br />
niedergelegten Werte kann die Gemeinschaft nur mit den Mitgliedstaaten<br />
erfüllen. Wenn öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> Teil des Europäischen Ge-<br />
58<br />
In diese Richtung z.B. Broß (2003), S. 875.<br />
59<br />
So z.B. Schweitzer (2004), S. 311.<br />
60<br />
Franzius (2005), S. 54.<br />
61<br />
Allgemein im Sinne der Überwindung von Konfrontationen Bauby (1999), S. 53 u. Prosser (2005),<br />
S. 236.<br />
62<br />
Becker (2005).<br />
65
sellschaftsmodells sein sollen 63 , ist die Gemeinschaft für die Umsetzung<br />
dieses Modells von den Mitgliedstaaten abhängig.<br />
Ein analytischer Mehrwert des Leitbildes des Gewährleistungsverbundes<br />
wäre die Verdeutlichung, dass die Transformation öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
für das europäische Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> einen<br />
Perspektivenwandel bedeuten kann. Wurde bislang Art. 86 Abs. 2 EGV<br />
als „sedes materiae“ 64 für das Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> in<br />
Europa verstanden, muss nunmehr Art. 16 EGV zum Ausgangspunkt<br />
gemacht werden. Diese Vorschrift enthält die „programmatische Leitnorm“<br />
65 des Rechts öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> in Europa. Art. 86 Abs.<br />
2 EGV bleibt als Konfliktbewältigungsregel oder Scharniervorschrift 66<br />
zwar bedeutsam, wenn ein Konflikt auftritt. Das Recht öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> im Gewährleistungsverbund sollte jedoch nicht mehr<br />
auf der Grundlage einer Konfliktregel konstruiert werden, da damit der<br />
mögliche Gegensatz zwischen mitgliedstaatlicher Daseinvorsorge und<br />
gemeinschaftlichem Wettbewerbsprinzip perpetuiert würde. Nicht der<br />
Konflikt, sondern die gemeinsamen Prinzipien und Wertvorstellungen<br />
sollten die Grundlage für eine Rekonstruktion des Verhältnisses von<br />
Gemeinschaftsrecht zu innerstaatlichem Recht sein. Konkret bedeutet<br />
dies, dass Sonderregelungen zum Schutz von <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem<br />
wirtschaftlichem Interesse nicht mehr nur als zu rechtfertigende<br />
Ausnahme, sondern als Ausdruck des gemeinsamen Werts angesehen<br />
werden können. Das Verhältnis von Art. 86 Abs. 2 EGV und Art.<br />
16 EGV ist daher gleichsam vom „Kopf auf die Füße“ zu stellen.<br />
Die Leitidee des Gewährleistungsverbundes enthält auch rechtspolitische<br />
Implikationen. Sie soll es ermöglichen, konkrete Ansprüche an die<br />
Interpretation des Gemeinschaftsrechts und an seine Fortentwicklung zu<br />
richten. Für die Weiterentwicklung der Rechtsprechung des EuGH insbesondere<br />
im Wettbewerbs-, Beihilfen- und Vergaberecht sowie bezüglich<br />
der Grundfreiheiten formuliert das Leitbild des Gewährleistungsverbundes<br />
die Erwartung, dass die jeweiligen Autonomiebereiche von Mitgliedstaaten<br />
und Gemeinschaft erhalten bleiben. Mit Hilfe des Leitbildes<br />
des Gewährleistungsverbundes können zudem Reformvorschläge für<br />
den Rechtsrahmen für öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> entwickelt und bewertet<br />
werden.<br />
63 Ziegler (2004), S. 30.<br />
64 Wernicke (2003), S. 481.<br />
65 Tomuschat (2006), S. 46.<br />
66 Steinberg (2004), S. 203.<br />
66
5. Eine Rahmenrichtlinie für öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong> als konkreter Reformvorschlag<br />
Ein Reformvorschlag für das Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> ist ein<br />
Rahmenrechtsinstrument für die Erbringung von <strong>Dienstleistungen</strong> von<br />
allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. 67 Ein gemeinschaftlicher<br />
Rechtsrahmen für <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichem<br />
Interesse könnte die bereits bestehenden Elemente des Gewährleistungsverbundes<br />
sinnvoll ergänzen, wenn damit die in Art. 16 EGV angesprochenen<br />
Werte weiter konkretisiert würden. So könnte der Grundsatz<br />
der gemeinsamen Verantwortung aufgegriffen werden und die<br />
konkreten Beiträge der Gemeinschaft benannt werden. Weiterhin<br />
könnten die Grundsätze des Universaldienstes so weiterentwickelt<br />
werden, dass sie als Verpflichtung für die Erbringung aller öffentlichen<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> gelten.<br />
Auch die Errichtung einer Institution zur neutralen Beobachtung der Entwicklung<br />
öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> und der Auswirkungen der Liberalisierung<br />
auf Qualität und Zugänglichkeit öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
wäre eine sinnvolle institutionelle Ergänzung materieller Grundsätze. 68<br />
Aufgabe eines derartigen „European Public Service Observatory“ wäre<br />
die Marktbebachtung. Durch entsprechende Verfahrensvorschriften<br />
müsste sicher gestellt werden, dass die Beobachtung als wesentliches<br />
Element der Gewährleistungsverantwortung von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />
gemeinsam ausgeübt wird. Eine derartige Beobachtungsstelle<br />
könnte auch den institutionellen Grundstein für eine weitere Kooperation<br />
und Kommunikation zwischen Kommission oder einer anderen<br />
Institution auf europäischer Ebene und den mitgliedstaatlichen Behörden<br />
sein.<br />
V. Zusammenfassung<br />
Fasst man die vorstehenden Überlegungen zusammen, zeigt sich ein<br />
ambivalentes Bild: Einerseits enthält das Gemeinschaftsrecht zunehmend<br />
Elemente, die den Gedanken der Solidarität und die Besonderheiten<br />
der Erbringung, Organisation und Finanzierung öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> berücksichtigen. Neben Art. 16 EGV und Art. 36 GrC ist<br />
auf primärrechtlicher Ebene vor allem das Protokoll zu <strong>Dienstleistungen</strong><br />
von allgemeinem Interesse des Vertrags von Lissabon zu nennen. Vor<br />
allem durch letzteres wurden die in Art. 16 EGV nur allgemein erwähnten<br />
gemeinsamen Werte der Mitgliedstaaten und der Union präzisiert. In<br />
67 Auby (2006), S. 785 ff.; Krajewski (2008), S. 377 ff.<br />
68 Obermann u.a. (2005), S. 39 ff.<br />
67
diesen Präzisierungen kann man die Grundlage eines gemeinsamen<br />
europäischen Modells öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> erkennen, das neben<br />
dem Gedanken der Solidarität auch die Autonomie der Mitgliedstaaten<br />
und ihrer Untergliederungen beachtet.<br />
Andererseits haben die genannten Veränderungen des Primärrechts<br />
„keinen Jota“ an den Bestimmungen über den Binnenmarkt (Grundfreiheiten)<br />
und über das Wettbewerbsrecht geändert. Damit sind diese<br />
Vorschriften weiterhin auf die Erbringung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
anwendbar. Hieraus folgt, dass die beiden grundsätzlichen Konfliktfelder,<br />
die das europäische Recht öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> prägen, nämlich<br />
die Frage nach der ordnungspolitischen Ausrichtung und die Kompetenzverteilung<br />
im Mehrebenensystem weiterhin bestehen bleiben. Vor<br />
diesem Hintergrund erhalten Entwicklungen und Veränderungen der<br />
Rechtsprechung und der Gemeinschaftsgesetzgebung eine entscheidende<br />
Bedeutung. In den Auseinandersetzungen um die Rechtsprechung<br />
und Gesetzgebung wird sich nämlich erweisen müssen, ob und in<br />
welchem Umfang die Akzentverschiebungen im Primärrecht auf sekundärrechtlicher<br />
Ebene bzw. in der Rechtsprechung aufgegriffen werden.<br />
Nur wenn dies der Fall ist, lässt sich von einem Paradigmenwechsel im<br />
Gemeinschaftsrecht sprechen.<br />
Für eine abschließende Beantwortung dieser Frage dürfte es noch zu<br />
früh sein. Es muss z.B. abgewartet werden, wie der EuGH auf das<br />
BUPA-Urteil des EuG reagiert. Ebenso ist derzeit noch offen, in welcher<br />
Weise die Gemeinschaftsorgane von dem Protokoll zu <strong>Dienstleistungen</strong><br />
von allgemeinem Interesse im Vertrag von Lissabon Gebrauch machen<br />
werden, sollte dieser in Kraft treten. Allerdings ist daran zu erinnern,<br />
dass die Gewährleistungsverantwortung der Gemeinschaft schon jetzt<br />
besteht und auch unabhängig vom konkreten Verhalten der Gemeinschaftsorgane<br />
ist. Insofern können die oben skizzierten rechtspolitischen<br />
Forderungen und Erwartungen an die Gemeinschaft, die ihre normative<br />
Grundlage in Art. 16 EGV haben, bereits jetzt erhoben werden und<br />
sollten künftige Auseinandersetzungen um die Zukunft öffentlicher<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> in Europa prägen.<br />
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73
Manfred Röber *<br />
Daseinsvorsorge zwischen Privatisierung und Kommunalisierung<br />
– Anmerkungen aus der Perspektive des<br />
Public Management 1<br />
I. Zusammenfassung<br />
Nach einer längeren Phase der Privatisierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge<br />
rekommunalisieren inzwischen immer mehr Gebietskörperschaften<br />
einen Teil der früher privatisierten Aufgaben. Diese<br />
Entwicklung ist – wie ein Blick in die Geschichte der öffentlichen Wirtschaft<br />
zeigt – keineswegs neu, weil es in den letzten eineinhalb Jahrhunderten<br />
immer wieder Pendelbewegungen zwischen Privatisierung<br />
und Kommunalisierung gegeben hat. Die Gründe für die aktuellen Rekommunalisierungsen<br />
werden vor allem in Misserfolgen von Privatisierungen,<br />
in Ängsten der Bevölkerung, im gewachsenen Selbstbewusstsein<br />
der Kommunen in Bezug auf den Wettbewerb mit privaten Leistungsanbietern<br />
und in Befürchtungen vor einer Aushöhlung der kommunalen<br />
Selbstverwaltung gesehen. Fraglich ist allerdings, ob die Eigentumsfrage,<br />
die der Debatte über Privatisierung und Kommunalisierung<br />
zugrunde liegt, heutzutage überhaupt noch von Bedeutung ist. Im Zuge<br />
der Ausdifferenzierung des öffentlichen Sektors kann unter Rückgriff auf<br />
Überlegungen aus dem Public Management gezeigt werden, dass mit<br />
Hilfe des Gewährleistungsmodells inzwischen geeignete institutionelle<br />
Arrangements jenseits von Privatisierung und Kommunalisierung zur<br />
Verfügung, um Aufgaben der Daseinsvorsorge effizient und effektiv zu<br />
erfüllen. In diesem Zusammenhang wird vor allem auf das Management<br />
kommunaler Gesellschaften, die Interkommunale Zusammenarbeit und<br />
das Netzwerkmanagement eingegangen.<br />
II. Einleitung<br />
<strong>Öffentliche</strong> Unternehmen haben im Laufe der Geschichte immer wieder<br />
unter dem Generalverdacht der Unwirtschaftlichkeit gestanden. Politisch<br />
ist hierauf häufig – wie z.B. gegen Ende der 1980er Jahre – mit der<br />
* Prof. Dr. Manfred Röber ist Inhaber der Stiftungsprofessur für Verwaltungsmanagement / New<br />
Public Management an der Universität Leipzig.<br />
1 Bei diesem Text handelt es sich um die ausformulierte Fassung des Vortrages, den ich am<br />
26.02.2009 auf der Jahrestagung des Wissenschaftlichen Beirates des BVöD in Eppstein gehalten<br />
habe.<br />
74
Privatisierung von staatlich und kommunal wahrgenommenen Aufgaben<br />
der Daseinsvorsorge reagiert worden. In letzter Zeit ist allerdings eine<br />
zunehmende Skepsis zu beobachten, wenn es um die Privatisierung von<br />
öffentlichen Aufgaben – insbesondere von Aufgaben der Daseinsvorsorge<br />
– geht. Es wird verstärkt darüber diskutiert, früher privatisierte Aufgaben<br />
in öffentliche Regie zurückzuholen. Das Pendel schwingt offensichtlich<br />
in Richtung „Kommunalisierung“ zurück. In den folgenden Ausführungen<br />
wird es darum gehen zu diskutieren, ob diese Pendelbewegung<br />
– die im Prinzip auch schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu beobachten<br />
war – unausweichliches Schicksal ist oder ob es zwischen „Privatisierung“<br />
und „Kommunalisierung“ alternative Organisationsmodelle<br />
gibt.<br />
III. Privatisierung versus Kommunalisierung – eine unendliche<br />
Geschichte?<br />
Blickt man in die Geschichte der Daseinsvorsorge, dann ist deutlich zu<br />
erkennen, dass private Unternehmen in den Anfängen der Daseinsvorsorge<br />
im 19. Jahrhundert eine starke Rolle spielten. Gleichwohl hat<br />
es auch schon damals eine gewisse Trägervielfalt einschließlich institutioneller<br />
Arrangements gegeben, die man heute als Public-Private-Partnerships<br />
bezeichnen würde: So existierten in der Wasserversorgung<br />
– insbesondere in großen Städten – sowohl öffentliche als auch private<br />
Unternehmen, und „neben städtischen gab es manchmal staatliche und<br />
nicht selten auch genossenschaftliche und sogar gemischt-wirtschaftliche“<br />
Einrichtungen. 2 Angesichts von Unzulänglichkeiten in der quantitativen<br />
und qualitativen Versorgung mit Wasser erlangten die kommunalen<br />
Werke im Laufe der Zeit ein Übergewicht. Ähnlich sah die Entwicklung in<br />
der Gasversorgung aus – wobei der Anteil kommunaler Betriebe sehr<br />
schnell anstieg und am Anfang des 20. Jahrhunderts schon etwa zwei<br />
Drittel aller Gaswerke in Deutschland ausmachte. 3 In der Elektrizitätswirtschaft<br />
ist die Entwicklung auf Grund der Tatsache, dass die Produktion<br />
und Distribution von elektrischer Energie nur ab bestimmten<br />
Mindestgrößenordnungen wirtschaftlich zu betreiben ist, etwas anders<br />
verlaufen. Die Folge hiervon war, dass sich im Jahre 1914 noch 45 %<br />
aller deutschen Elektrizitätswerke im Privatbesitz befanden; 35 % dieser<br />
Werke gehörten hingegen Städten oder Landgemeinden, 15 % gemischt-wirtschaftlichen<br />
und 5 % staatlichen Unternehmen. 4<br />
2 Wessel (1995), S. 54.<br />
3 Vgl. ebenda, S. 65.<br />
4 Ebenda, S. 88.<br />
75
Die wachsende Bedeutung kommunaler und staatlicher Unternehmen<br />
gegen Ende des 19. Jahrhunderts resultierte daraus, dass Aufgaben der<br />
Daseinsvorsorge von privaten Unternehmen unter marktwirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen nur unzureichend erfüllt wurden – mit der Folge,<br />
dass es in diesen Bereichen zu quantitativen und qualitativen Versorgungsproblemen<br />
kam. Die wesentlichen Ursachen dieses Marktversagens<br />
werden in der Vernachlässigung externer Effekte, in den<br />
Grenzen der dezentralen Allokation öffentlicher Güter, in der Diskriminierung<br />
schwacher Marktteilnehmer auf Grund von Informationsasymmetrien<br />
und in Anpassungsmängeln von Märkten mit der Folge von<br />
Monopolbildungen gesehen. 5 Insbesondere die Gefahren, die mit der<br />
Bildung privater Monopole verbunden sind, haben zur Kommunalisierung<br />
vieler Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge beigetragen.<br />
In der darauf folgenden Epoche, die in das verwaltungspolitische Leitbild<br />
des sorgenden Wohlfahrtsstaates 6 mündete, spielten öffentliche Unternehmen<br />
– als Reaktion auf die negativen Folgen des Marktversagens –<br />
eine wichtige Rolle. In der Bundesrepublik Deutschland gehörte auch der<br />
sehr stark von der Gewerkschaftsbewegung geprägte Bereich der freigemeinwirtschaftlichen<br />
Unternehmen zu dieser Gruppe von Unternehmen.<br />
<strong>Öffentliche</strong> und frei-gemeinwirtschaftliche Unternehmen waren<br />
– als Ausdruck eines umfassenden staatlichen Steuerungsverständnisses<br />
in Verbindung mit einer an Keynes ausgerichteten Wirtschafts- und<br />
Gesellschaftspolitik – ein wichtiger Bestandteil einer Politik des „Dritten<br />
Weges“ zwischen Kapitalismus und Staatssozialismus. Sie sind lange<br />
Zeit als integraler (und dominierender) Bestandteil eines umfassenden<br />
wohlfahrtsstaatlichen Systems angesehen worden. Im Laufe der Zeit<br />
gerieten diese Unternehmen aber ihrerseits immer stärker in die Kritik.<br />
Ihre faktische und häufig auch in Bezug auf Gebietszuständigkeiten<br />
rechtlich abgesicherte Position als Angebotsmonopolist führte zu Monopolrenten<br />
in Form von „organizational slack“ und Privilegien der in diesen<br />
Unternehmen Beschäftigten. Zusätzlich wurden öffentliche Unternehmen<br />
parteipolitisch instrumentalisiert und zu begehrten Objekten parteipolitischer<br />
Patronagepolitik 7 – sowohl der Einfluss- bzw. Herrschaftspatronage<br />
als auch der Versorgungspatronage. 8 Letztlich wurden sie mit dem<br />
Schlagwort des Staatsversagens unter den Generalverdacht der Ineffizienz<br />
bei der Produktion öffentlicher Leistungen gestellt – wobei zu den<br />
Tatbeständen des Staatsversagens vor allem eigennütziges Politikerverhalten,<br />
budgetmaximierendes und/oder aufwandsminimierendes Ver-<br />
5 Vgl. z.B. Haug (2008), S. 166 f.<br />
6 Siehe zu diesem Begriff und seiner Deutung Vogel (2007), S. 40 ff.<br />
7 Vgl. Scheuch/Scheuch (1992) und Röber (2001).<br />
8 Vgl. Eschenburg (1961), S. 14.<br />
76
halten von Bürokraten, Lobbyarbeit einflussreicher Interessengruppen<br />
und inadäquate Preisgestaltung für öffentliche Leistungen gezählt<br />
wurden. 9<br />
Dies schlug sich in der Weise nieder, dass die politischen Akteure häufig<br />
nicht bereit oder in der Lage waren, für Unternehmen ihrer Gebietskörperschaft<br />
klare Ziele zu formulieren, und sich nur auf populistische<br />
ad-hoc-Interventionen beschränkten. Den so entstandenen Spielraum<br />
nutzten viele öffentliche Unternehmen, um eine an eigenen Interessen<br />
orientierte Unternehmenspolitik zu betreiben. Die Folge hiervon war,<br />
dass öffentliche Unternehmen in zunehmendem Maße in Bezug auf ihre<br />
Aufgaben der nachhaltigen Daseinsvorsorge strategisch untersteuert<br />
und auf Grund der kleinteiligen opportunistischen Eingriffe seitens der<br />
Politik operativ übersteuert waren. In dem Moment, als die Bürger nicht<br />
länger bereit waren, dieses Verhalten, das sich in schlechtem Service zu<br />
überhöhten Preisen niederschlug, zu tolerieren, und als andere Subsysteme<br />
der Gesellschaft nicht länger fähig waren, die häufig defizitär<br />
arbeitenden öffentlichen Unternehmen zu subventionieren, gerieten<br />
diese unter einen wachsenden Effizienz- und Legitimationsdruck. Diese<br />
Entwicklung führte ab den 1980er Jahren im OECD-Raum – durch eine<br />
von der Public Choice-Theorie begründete und durch pointierte politische<br />
Positionen beflügelte Politik – zu einer verstärkten materiellen Privatisierung<br />
öffentlicher Aufgaben.<br />
Die Bundesrepublik Deutschland gehörte im internationalen Kontext bis<br />
in die 1990er Jahre allerdings eher zu den EU-Ländern, die eine zurückhaltende<br />
Privatisierungspolitik betrieben. Im Laufe der Zeit „ … erzeugte<br />
die Liberalisierungspolitik der Europäischen Kommission (allerdings<br />
einen Privatisierungsdruck in den Mitgliedstaaten), sie stärkte die Konsumenten-,<br />
schwächte die Produzentenorientierung und reduzierte die<br />
Legitimation der öffentlichen Unternehmen in den betroffenen Sektoren“.<br />
10 Hiervon sind auch die öffentlichen Unternehmen in Deutschland<br />
betroffen gewesen – wie sich sowohl am zunehmenden Privatisierungsvolumen<br />
11 als auch am Rollenverständnis vieler Manager in der öffentlichen<br />
Wirtschaft ablesen lässt. 12 In jüngster Zeit mehren sich allerdings<br />
die Anzeichen, dass gerade die Konsumenten, die natürlich auch Bürger<br />
ihres Gemeinwesens mit Rechten und Pflichten sind, nicht unbedingt das<br />
Gefühl haben, dass ihre Position gestärkt worden sei. Dies korrespon-<br />
9 Vgl. hierzu Haug (2008), S. 167.<br />
10 Vgl. Mayer (2006), S. 268.<br />
11 Lagen die Veräußerungserlöse im öffentlichen Gesamthaushalt (Bund, Länder und Gemeinden)<br />
1970 noch bei rd. 1,9 Mrd. DM und 1980 bei rd. 4,4 Mrd. DM, stiegen sie 1995 auf rd. 31 Mrd. DM<br />
und erreichten 1998 mit knapp 53 Mrd. DM ihren Höhepunkt; Quelle: eigene Berechnungen.<br />
12 Siehe Edeling (2002).<br />
77
diert mit einer auch in der Politik zunehmenden Skepsis, ob die Privatisierung<br />
(in Verbindung mit einer ausgeprägten Liberalisierungs- und<br />
Deregulierungspolitik) die Ergebnisse gebracht hat, die man sich von ihr<br />
versprach – mit der Folge, dass inzwischen verstärkt über eine Rekommunalisierung<br />
von Aufgaben der Daseinsvorsorge nachgedacht<br />
wird.<br />
Insgesamt zeigt ein Blick in die Praxis, dass auch aktuell kein einheitlicher<br />
empirischer Gesamttrend zu erkennen ist. Neben den augenblicklich<br />
relativ stark im öffentlichen Blickfeld stehenden Rekommunalisierungen<br />
gibt es auch weiterhin bedeutende Privatisierungen, und der<br />
Bildung großer überregionaler Anbieter öffentlicher Leistungen steht zugleich<br />
die Gründung örtlicher Versorgungsunternehmen gegenüber. 13<br />
Das heißt, dass es offenkundig keinen aus der wirtschaftlichen und<br />
gesellschaftlichen Entwicklung resultierenden „Sachzwang“ gibt, sondern<br />
dass die politischen Akteure, die über Privatisierungsvorhaben oder<br />
Rekommunalisierungsprojekte entscheiden müssen, über organisationspolitische<br />
Optionen verfügen, in welcher Form die Trägerstruktur ausgestaltet<br />
werden kann.<br />
Welche Träger für ein institutionelles Arrangement in Gebietskörperschaften<br />
gewählt werden, hängt – neben anderen Einflussfaktoren –<br />
auch sehr stark vom Typ der öffentlichen Aufgabe ab. Bei solchen Entscheidungen<br />
wird z.B. zu berücksichtigen sein, ob es sich bei den<br />
Aufgaben um freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben (wie Elektrizität,<br />
Gas, Fernwärme, ÖPNV, Wohnungen, Bildung und Kultur, Freizeiteinrichtungen<br />
und Wirtschaftsförderung) oder um Pflichtaufgaben im<br />
eigenen Wirkungskreis (wie Wasser, Abwasser, Abfallbeseitigung,<br />
Brandschutz, Straßen, Kinderbetreuung und Krankenhäuser) handelt. Da<br />
bei den Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis die Leistung auf jeden<br />
Fall gesichert werden muss und bei der Ausgliederung dieser Aufgaben<br />
Transaktionskosten anfallen, die deren wirtschaftliche Attraktivität für die<br />
Gebietskörperschaft beeinträchtigen, wird hier eine größere Zurückhaltung<br />
vorherrschen, privaten Trägern diese Aufgaben zu übertragen.<br />
Diese Einschätzung wird in jüngster Zeit z.B. dadurch bestätigt, dass<br />
Kommunen, die Aufgaben in der Abfallwirtschaft vor Jahren auf private<br />
Anbieter übertragen haben, solche Auslagerungsentscheidungen zu<br />
korrigieren versuchen und einen Teil dieser Aufgaben verstärkt auf die<br />
Kommune rückübertragen. 14<br />
13 Siehe hierzu auch Wessel (1995), S. 51.<br />
14 Vgl. Verbücheln (2009); in die gleiche Richtung geht der Befund der Mannheimer Beratungsgesellschaft<br />
TIM Consult, wonach mittlerweile rund 100 Städte und Gemeinden ihre Müllabfuhr wieder<br />
eingegliedert haben.<br />
78
Bei Entscheidungen zur Rekommunalisierung können sich die politischen<br />
Akteure inzwischen auf eine breite Unterstützung der Bevölkerung<br />
berufen, die – nach einer Umfrage des dimap-Instituts im Auftrag des<br />
<strong>Bundesverband</strong>es <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> (BVÖD) und des Verbandes<br />
kommunaler Unternehmen (VKU) – den öffentlichen Unternehmen<br />
bei Aufgaben der Daseinsvorsorge (insbesondere bei Energie<br />
und Wasser) wesentlich mehr Vertrauen als den privaten Unternehmen<br />
entgegenbringen, wenn es um Kriterien wie „Zuverlässigkeit“, „Sicherheit“,<br />
„Nachhaltigkeit“, „Gemeinwohlorientierung“ und „Förderung der<br />
Region“ geht. Der Präsident des BVÖD und Hauptgeschäftsführer des<br />
VKU, Hans-Joachim Reck, spricht in diesem Zusammenhang von einer<br />
Renaissance der öffentlichen Unternehmen und stellt zugleich fest: „Wir<br />
sehen hierin nicht nur ein vorübergehendes Stimmungsbild, sondern<br />
einen gesellschaftlichen Trend.“ 15 Obgleich es nach wie vor eine große<br />
Vielfalt bei den institutionellen Arrangements gibt (und auch in Zukunft<br />
geben wird) und obgleich trotz der zuvor angedeuteten Entwicklung<br />
nicht von einer völligen Trendumkehr in Richtung „Rekommunalisierung“<br />
gesprochen werden kann, verschieben sich aber offensichtlich die Gewichte<br />
zwischen den Trägern von Aufgaben der Daseinsvorsorge zugunsten<br />
staatlicher und kommunaler Institutionen – das Pendel scheint<br />
sich wieder in die andere Richtung zu bewegen.<br />
IV. Privatisierung versus Kommunalisierung – eine überholte<br />
Debatte!<br />
Trotz der zuvor beschriebenen Akzentverlagerung bei den institutionellen<br />
Arrangements ist deren nach wie vor zu konstatierende Vielfalt aber<br />
offenkundig ein Beleg dafür, dass nicht generell gesagt werden kann,<br />
„öffentlich“ sei besser als „privat“. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt.<br />
16 Angesichts nicht eindeutiger empirischer Befunde über Privatisierungserfolge<br />
und -misserfolge ist deshalb zu fragen, ob das Eigentum<br />
für ein erfolgreiches Wirtschaften von Unternehmen überhaupt noch von<br />
signifikanter Erklärungskraft ist und ob deshalb die in dieser Debatte<br />
vorgenommene Fokussierung auf das Eigentum nicht längst überholt ist.<br />
Im Kontext der Daseinsvorsorge hat das Eigentum – als eine die<br />
Ordnungspolitik konstituierende Größe – eine Bedeutung, die ihm bei<br />
näherer Untersuchung von Entscheidungsprozessen in Unternehmen<br />
15 Pressemitteilung des BVÖD v. 6.11.2008.<br />
16 So kommen etwa Cavaliere / Scabrosetti (2006) bei ihrer Auswertung der theoretischen ökonomischen<br />
Literatur zum Thema Privatisierung und Effizienz zu keiner eindeutigen Aussage bezüglich<br />
der Vorteilhaftigkeit privater gegenüber öffentlicher Produktion – zit. nach Haug (2008), S. 164;<br />
siehe auch Mühlenkamp (2006).<br />
79
nicht zukommt. 17 Ordnungspolitisch viel entscheidender als die Frage<br />
nach dem Eigentum – und der daraus folgenden Befürwortung oder<br />
Ablehnung von Privatisierungen – ist die Frage, wie Wettbewerbsstrukturen<br />
und Regulierungsregimes geschaffen werden können, in<br />
denen öffentliche und private Unternehmen bei der Wahrnehmung<br />
öffentlicher Aufgaben zum Wohle der Gesellschaft und der Bürger<br />
(„citizen value“) arbeiten können, ohne dass es dabei zu Fehlallokationen,<br />
Effizienzeinbußen oder Machtmissbrauch kommt. Privatisierung<br />
ohne Wettbewerb hätte hingegen nur private Monopole zur Folge.<br />
Daraus folgt, dass man private Anbieter, wenn sie öffentliche Aufgaben<br />
übernehmen, nicht sich selbst überlassen kann, sondern dass man sie<br />
wirksam steuern und regulieren muss. Hierauf hat Yarrow schon frühzeitig<br />
hingewiesen und geschlussfolgert, „that competition and regulatory<br />
policy are more important determinants of economic performance than<br />
ownership per se”. 18 In dieselbe Richtung weisen auch andere Untersuchungen,<br />
in denen Erfolge von Privatisierungen nur unter der Bedingung<br />
ermittelt werden konnten, dass der Staat nicht zurückgedrängt und<br />
geschwächt wird, sondern dass er in der Lage ist, Spielregeln festzulegen<br />
und diese – wenn es sein muss – auch durchzusetzen, und dass<br />
er darüber hinaus auch auf soziale Ausgewogenheit achtet. 19 Dementsprechend<br />
stellt Hoffmann-Riem völlig zu Recht fest, dass die Kombination<br />
von Privatisierung und Deregulierung in die falsche Richtung geht<br />
und dass es stattdessen neuer Regulierungen („Reregulierungen“) bedarf.<br />
20 Damit wird zugleich zum Ausdruck gebracht, dass die vorgebliche<br />
Alternative von Markt oder Staat konzeptionell in die Irre führt, weil es<br />
sich beim Markt um ein Steuerungsmedium und beim Staat um einen<br />
„Eigentumstitel“ handelt, die nicht miteinander vermengt werden<br />
dürfen. 21<br />
Wenn in der Diskussion über die Zukunft der Daseinsvorsorge Fragen<br />
des Wettbewerbs und der Regulierung ausgeblendet werden, dann<br />
wächst die Gefahr, dass letztlich nur ordnungspolitische Glaubensbekenntnisse<br />
in der Weise ausgetauscht werden, dass auf der einen<br />
Seite das altbekannte Klischee von der effektiven Privatwirtschaft und<br />
17<br />
Siehe Röber (1996), S. 100 f.<br />
18<br />
Yarrow (1986), S. 325.<br />
19<br />
Siehe hierzu v. Weizsäcker/Young/Finger (2006) mit ihrer aufschlussreichen Studie für den Club of<br />
Rome.<br />
20<br />
Vgl. Hoffmann-Riem (1997).<br />
21<br />
Welche konzeptionellen Vorteile mit der sauberen Trennung dieser beiden Dimensionen verbunden<br />
sind, wird weiter unten näher ausgeführt wenn es um das Modell der Gewährleistungskommune<br />
geht.<br />
80
den unwirtschaftlichen öffentlichen Unternehmen aufgewärmt und auf<br />
der anderen Seite die öffentliche Wirtschaft romantisch verklärt wird.<br />
Aus all dem folgt, dass es bei der Rekommunalisierung nicht darum<br />
gehen kann, einfach die „Eigentumsschraube zurückzudrehen“. Damit<br />
liefe man Gefahr, zu den Zuständen zurückzukehren, die maßgeblich<br />
dazu beigetragen haben, dass öffentliche Unternehmen unter Privatisierungsdruck<br />
geraten sind. Die wahrscheinliche Folge hiervon wäre, dass<br />
das Pendel irgendwann wieder genau in die andere Richtung schlüge.<br />
Aus dem Grunde muss die Debatte über die Zukunft der Daseinsvorsorge<br />
wesentlich differenzierter geführt werden. 22<br />
V. Ursachen der Kommunalisierungs-Renaissance<br />
Bevor auf die Frage eingegangen wird, welche Anregungen sich für eine<br />
differenziertere Rekommunalisierungsdebatte aus dem Public Management<br />
gewinnen lassen, sollen zunächst die wesentlichen Ursachen der<br />
augenblicklich zu beobachtenden Renaissance der öffentlichen Wirtschaft<br />
skizziert werden.<br />
1. Misserfolge bei der Privatisierung<br />
Einer der wesentlichen Gründe für die zunehmende Attraktivität, kommunale<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> in Eigenregie zu erstellen, liegt offensichtlich darin,<br />
dass sich die ursprünglichen – mit der Privatisierung öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong><br />
verbundenen – Verheißungen nicht bewahrheitet haben und<br />
dass immer deutlicher wird, dass nicht alles Gold ist, was auf diesem<br />
Gebiet glänzt. Privatisierungen hatten häufig Preiserhöhungen (mit Gewinnabschöpfungen<br />
privater Monopole oder Oligopole) und Qualitätsverschlechterungen<br />
zur Folge. Aus der langen Liste von Beispielen aus<br />
der Bundesrepublik Deutschland, privatisierte Aufgaben zu rekommunalisieren,<br />
sei hier nur exemplarisch auf die Abfallentsorgung, Stadtreinigung<br />
und Abwasserbeseitigung in Saarbrücken 23 , auf die Müllabfuhr im<br />
Rhein-Sieg-Kreis 24 und in der Stadt Bergkamen 25 sowie auf die Stromversorgung<br />
in Nümbrecht 26 verwiesen. Dass es sich dabei nicht nur um<br />
22<br />
Einen interessanten und hilfreichen Anstoß hierfür hat z.B. der Deutsche Städte- und Gemeindebund<br />
mit seinen Zukunftskongressen in den Jahren 2007 und 2008 gegeben, auf denen über die<br />
Frage „Braucht Deutschland eine (Neu-)Definition der Daseinsvorsorge?“ diskutiert wurde.<br />
23<br />
http://kommunalverwaltung.verdi.de/themen/rekommunalisierung/saarbruecken, Februar 2008.<br />
24<br />
http://www.ask-eu.de/default.asp?Menue=10&KW=0&Bereich=5&SubBereich=0&ShowNews=2273<br />
25<br />
www.schaefer-bergkamen.de/muellabfuhr-stug-05-07.doc<br />
26<br />
FAZ v. 23. August 2008.<br />
81
Bestrebungen im eher politisch links orientierten Lager, sondern um eine<br />
Entwicklung handelt, die auch von Akteuren aus dem politisch eher<br />
konservativ ausgerichteten Spektrum vorangetrieben wird, zeigt das<br />
Beispiel Eppelborn im Saarland, in dem die dortige CDU-Mehrheit das<br />
Stromnetz rekommunalisieren will. 27 Interessanterweise sind die Rekommunalisierungen<br />
in nahezu allen Fällen damit begründet worden, dass<br />
die in die Privatisierung gesetzten Erwartungen nicht erfüllt wurden und<br />
oder dass Privatisierungsprojekte sogar komplette Misserfolge waren.<br />
Dies wird auch durch die Untersuchung der Rückübertragung operativer<br />
<strong>Dienstleistungen</strong> in der Abfallwirtschaft bestätigt, in der die dort präsentierten<br />
Fallbeispiele in Bezug auf Kostenersparnisse, regionales Marktversagen,<br />
Qualität der Leistung, Sicherung der Leistungserstellung, faire<br />
Bezahlung der Beschäftigten, regionale Beschäftigungswirkungen und<br />
ökologische Effizienz analysiert worden sind. 28<br />
Die wachsende Skepsis gegenüber dem Erfolg von Privatisierungen ist<br />
nicht auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt. „In Schweden<br />
wurde vor zehn Jahren der Bustransport im Personennahverkehr privatisiert.<br />
Zunächst konkurrierten viele Unternehmen auf dem Markt. Preise<br />
wurden reduziert und neue Linien aufgebaut. Heute gibt es noch zwei<br />
Unternehmen (aus England und Frankreich), viele Linien wurden eingestellt<br />
und die Preise massiv erhöht.“ 29 Besondere mediale Aufmerksamkeit<br />
hat in der Vergangenheit das britische Eisenbahnsystem<br />
erfahren. 30 Die Financial Times Deutschland und die Wochenzeitung DIE<br />
ZEIT, die beide in ihrer Grundhaltung nicht unbedingt privatisierungskritisch<br />
eingestellt sind, wenn es um öffentliche Aufgaben geht, prangern<br />
das britische Modell mit deutlichen Worten an. Das fragmentierte und<br />
unübersichtliche System sei nicht in der Lage, den Interessenkonflikt<br />
„zwischen den für den einwandfreien Netzbetrieb erforderlichen<br />
langfristigen Investitionen einerseits und den kurzfristigen Gewinninteressen<br />
der Aktionäre andererseits“ zu lösen. Daraus wird abgeleitet,<br />
dass sich in einer zivilen Gesellschaft nicht alle staatlichen <strong>Dienstleistungen</strong><br />
– vor allem nicht natürliche Monopole – zur Privatisierung<br />
eignen und dass es in der Gesellschaft kommerzfreier Zonen bedarf.<br />
27<br />
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digiartikel/?ressort=na&dig=2009%2F02%2F03%2<br />
Fa0008&cHash=d09c4c7b30<br />
28<br />
Siehe Verbücheln (2009), S. 13 f.<br />
29<br />
Ebenda, S. 6.<br />
30<br />
Siehe zum Folgenden http://www.kpoenet.at/bund/archiv/antiprivatisierung/greatbritain.htm<br />
82
2. Ängste der Bevölkerung<br />
Vor dem Hintergrund der skizzierten Fehlentwicklungen nehmen die<br />
Ängste der Bevölkerung vor einer Privatisierung von Aufgaben der<br />
kommunalen Daseinsvorsorge offenkundig zu. Durch die Möglichkeiten,<br />
die mit der Einführung von direkt-demokratischen Entscheidungsformen<br />
auf der kommunalen Ebene geschaffen wurden, können die Bürgerinnen<br />
und Bürger ihren Befürchtungen mit Hilfe von Volksinitiativen, Volksbegehren<br />
und Volksentscheiden auch Ausdruck verleihen. So haben im<br />
Jahre 2002 bei der Frage „Soll die Stadt Münster alleinige Gesellschafterin<br />
der Stadtwerke Münster GmbH bleiben?“ 65,4 % der Abstimmenden<br />
mit „ja“ gestimmt (bei einer Wahlbeteiligung von 31,6 %).<br />
2004 hatte in Hamburg eine Mehrheit von 76,8 % dafür votiert, dass das<br />
Land Hamburg Mehrheitseigner des Landesbetriebes Krankenhäuser<br />
(LBK) bleibt. 31 In Freiburg hat im Jahre 2006 bei einer Wahlbeteiligung<br />
von 39,9 % eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger (70,5 %)<br />
für den Erhalt der städtischen Wohnungen im Besitz der Stadt Freiburg<br />
gestimmt. Schließlich sei noch auf den Bürgerentscheid in Leipzig im<br />
Jahre 2008 verwiesen, in dem sich 87,4 % der Wähler (bei einer Wahlbeteiligung<br />
von immerhin 42 %) gegen eine Teilprivatisierung der Leipziger<br />
Stadtwerke aussprachen. Diese Abstimmungsergebnisse korrespondieren<br />
mit einer Reihe von Ergebnissen in Bevölkerungsumfragen. So<br />
wird z.B. in einer forsa-Umfrage von Dezember 2007 zusammenfassend<br />
festgestellt, dass die Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger mit<br />
Privatisierung eher negativ als positiv sind und dass weitere Privatisierungen<br />
zunehmend kritisch gesehen werden. 32<br />
Die Ängste in der Bevölkerung sind auch literarisch und publizistisch verarbeitet<br />
worden. So feierte z.B. David Hare mit seinem Theaterstück<br />
„The Permanent Way“ im Jahre 2004 am National Theatre in London<br />
einen großen Erfolg. In dem Stück geht es um die Folgen der oben<br />
schon erwähnten Privatisierung von British Rail – dargestellt als außergewöhnliche<br />
Parabel britischen Privatisierungs-Missmanagements. In<br />
eher publizistischer Manier thematisiert Rüdiger Liedtke 33 in seinem<br />
Buch „Wir privatisieren uns zu Tode“ Fehlentwicklungen bei der Privatisierung.<br />
Mit seiner gewollten Assoziation zu Neil Postmans fundamentaler<br />
Medienkritik „Wir amüsieren uns zu Tode“ aus den 1970er Jahren<br />
erzeugt er – bei aller Seriosität seiner Recherchen – Konnotationen mit<br />
apokalyptischen Privatisierungsabgründen, die überdies mit flotten<br />
31<br />
Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg war an dieses Votum allerdings nicht gebunden,<br />
weil in der Verfassung nicht festgelegt war, dass Abstimmungsergebnisse bei Volksentscheiden<br />
verbindlich sind, und veräußerte seine Krankenhäuser an die Asklepios Kliniken.<br />
32<br />
Vgl. Güllner (2008), P090.34.<br />
33<br />
Liedtke (2007).<br />
83
Zwischenüberschriften wie „Privatisieren bis der Arzt kommt“, „Wenn der<br />
Müllmann doppelt kostet …“, „Private Monopole kennen kein Pardon“,<br />
„Die neuen Paten – Von Sponsoren und Stiftern“ und „Jubel, Trubel,<br />
Telecom“ gewürzt und garniert werden. Solche flotten Sprüche mögen<br />
durchaus hilfreich sein, auf Defizite, Fehlentwicklungen und Skandale<br />
hinzuweisen. Für eine nüchterne Analyse sind sie aber wegen ihrer<br />
Pauschalität nicht sonderlich hilfreich – zumal, im Unterschied zum<br />
Postmanschen Szenario, beim Thema „Privatisierung“ überhaupt nicht<br />
klar ist, wer mit „wir“ gemeint ist und wer am Ende eigentlich stirbt – die<br />
Privatisierer, die öffentlichen Unternehmen oder die Bürger.<br />
3. Gewachsenes Selbstbewusstsein der Kommunen<br />
In der Hochzeit der Deregulierung und Privatisierung war offenkundig die<br />
Meinung weit verbreitet, dass private Einrichtungen alles besser, billiger<br />
und schneller machen können als öffentliche Institutionen, die im öffentlichen<br />
Diskurs sehr stark in die Defensive gedrängt wurden. Versuche,<br />
sich gegen diesen Eindruck zu wehren und darauf hinzuweisen, dass<br />
öffentliche Einrichtungen tagtäglich hochwertige Leistungen für die<br />
Bürger erbringen, stießen zunächst auf wenig Resonanz. Mit dem unter<br />
dem prägenden Einfluss Gerhard Banners 34 und der KGSt 35 entwickelten<br />
„Neuen Steuerungsmodell“ hat sich die Situation aber ganz offensichtlich<br />
verändert. Städte und Gemeinden sind – trotz aller (noch) existierenden<br />
Unzulänglichkeiten dieses Modells – inzwischen in der Lage, mit Hilfe<br />
der Informationen aus ihrem Kostenmanagement zu zeigen, dass ihre<br />
Leistungen nicht generell teurer sind als die von privaten Anbietern und<br />
dass die Behauptung, Private können grundsätzlich alles besser, billiger<br />
und schneller erledigen, nichts als reine Ideologie ist. Hieraus ist auch<br />
ein neues Selbstbewusstsein in der Kommunalpolitik und -verwaltung<br />
entstanden, dass man den Wettbewerb mit privaten Konkurrenten nicht<br />
scheuen muss. Dies schlägt sich z.B. darin nieder, dass 10 % der Städte<br />
über 20.000 Einwohner privatisierte Bereiche rekommunalisieren wollen.<br />
„Sie trauen sich bei der Rekommunalisierung durchaus zu, ihre eigenen<br />
Betriebe organisatorisch und wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen.“ 36<br />
4. Aushöhlung kommunaler Selbstverwaltung<br />
Schließlich hat die Renaissance der öffentlichen Wirtschaft auch mit der<br />
wachsenden Sorge zu tun, dass die kommunale Selbstverwaltung trotz<br />
34 Banner (1991).<br />
35 KGSt (1993).<br />
36 Gecon (2008).<br />
84
grundgesetzlicher Garantie faktisch durch Auslagerung von öffentlichen<br />
Aufgaben Schritt für Schritt ausgehöhlt zu werden droht. Dies gilt sowohl<br />
für die Bildung teilselbstständiger Organisationseinheiten („Agencification“)<br />
und die Schaffung verselbständiger öffentlicher Unternehmen<br />
(„Corporatization“) als auch – natürlich in besonders starkem Maße – für<br />
die materielle Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Wenn über immer<br />
weniger Angelegenheiten in den Kommunen von den demokratisch legitimierten<br />
Organen entschieden werden kann, dann wird deren Handlungsspielraum<br />
eingeschränkt 37 und dann droht das Interesse an<br />
Kommunalpolitik zurückzugehen. Die kommunalen Steuerungsverluste<br />
treten nach den empirischen Befunden bei Edeling 38 vor allem in<br />
marktnahen, wettbewerbsintensiven Sektoren auf – und zwar nicht erst<br />
bei der materiellen Privatisierung, sondern auch schon in den Fällen der<br />
Agencification und Corporatization, weil „durch Einführung von Markt und<br />
Wettbewerb politisches Handeln durch wirtschaftliches Handeln ersetzt<br />
wird.“ 39 Bei öffentlichen Gütern und <strong>Dienstleistungen</strong>, die nicht einem<br />
strikten Marktregime unterliegen, könne demgegenüber leichter politisch<br />
eingegriffen und gesteuert werden.<br />
VI. Anregungen aus dem Public Management<br />
Bei der Diskussion über die (Neu-)Definition der Daseinsvorsorge und<br />
über die Rolle der öffentlichen Wirtschaft kann es sich – wie weiter oben<br />
schon angedeutet – nicht darum handeln, eine komplette Kommunalisierung<br />
oder Verstaatlichung privatisierter Aufgaben und eine Rückkehr<br />
zu angebotsmonopolistischen Strukturen in der Daseinsvorsorge anzustreben.<br />
Dabei würde man völlig außer Acht lassen, welche Mängel und<br />
Missstände die öffentlich organisierte Daseinsvorsorge vor der „Privatisierungswelle“<br />
aufwies – selbst wenn man in Rechnung stellt, dass<br />
Privatisierungen in Ländern wie Großbritannien und den USA zum Teil<br />
sehr undifferenziert und überwiegend aus normativ-ideologischen<br />
Gründen vorangetrieben wurden. Überdies begäbe man sich mit einem<br />
solchen Vorgehen einiger Gestaltungsmöglichkeiten, die als institutionelle<br />
Arrangements im Rahmen des Public Management zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Geht man davon aus, dass die Existenzberechtigung öffentlicher Unternehmen<br />
mit ihrer Instrumentalfunktion für die Gesellschaft begründet<br />
wird, dann heißt dies, dass Bund, Länder und Kommunen die Mög-<br />
37 Vgl. hierzu z.B. Edeling (2008), S. 145.<br />
38 Siehe ebenda, S. 149.<br />
39 Ebenda, S. 160 mit Verweis auf v. Weizsäcker u.a. (2006).<br />
85
lichkeit haben (müssen), öffentliche Aufgaben mit Hilfe eigener Unternehmen<br />
so zu erfüllen, dass auch bei den Aufgaben der Daseinsvorsorge<br />
politische Ziele wie z.B. Versorgungssicherheit und Leistungen<br />
zu bezahlbaren Preisen erreicht werden können. Bei öffentlichen<br />
Unternehmen geht es demzufolge – im Gegensatz zu den in der Privatwirtschaft<br />
primär am Shareholder Value ausgerichteten Entscheidungskriterien<br />
– darum, für die Bürgerinnen und Bürger einen Mehrwert zu<br />
erwirtschaften („citizen value“) und damit einen Beitrag zum Gemeinwohl<br />
einer Gesellschaft zu leisten. 40<br />
Wenn nun durch die Öffnung und Deregulierung des europäischen<br />
Marktes für (öffentliche) <strong>Dienstleistungen</strong> Monopole kommunaler Versorgungsunternehmen<br />
aufgebrochen werden und auf Grund des daraus<br />
resultierenden Wettbewerbsdrucks auch in öffentlichen Unternehmen<br />
eine stärker am Modell des erfolgsorientierten Handelns im erwerbswirtschaftlichen<br />
Sinne ausgerichtete, marktliche Unternehmenssteuerung<br />
erfolgt, dann kann dies dazu führen, dass sich öffentliche Manager<br />
stärker am Gewinnziel orientieren 41 und dass die Instrumentalfunktion<br />
öffentlicher Unternehmen geschwächt und ihre Legitimation untergraben<br />
wird. 42<br />
Daraus folgt aber nicht, dass der mit der Einrichtung öffentlicher<br />
Unternehmen ursprünglich verfolgte Zweck, Aufgaben der Daseinsvorsorge<br />
zu sichern, aufgegeben werden muss und die Idee der Instrumentalfunktion<br />
bedeutungslos wird. Dies wäre nur dann der Fall, wenn man<br />
davon ausginge, dass der öffentliche Zweck und die angestrebten<br />
politischen Wirkungen einzig und allein mit öffentlichen Unternehmen<br />
erreicht werden können. Diese Schlussfolgerung ist aber alles andere als<br />
zwingend. Stattdessen muss gefragt werden, welche funktionalen Äquivalente<br />
zur Verfügung stehen, um den Zweck, der mit der Instrumentalfunktion<br />
öffentlicher Unternehmen angestrebt wird, unter den veränderten<br />
Rahmenbedingungen der Marktöffnung und des Wettbewerbs<br />
sichern zu können.<br />
Anregungen, die in diesem Zusammenhang aus dem Public Management<br />
gewonnen werden können, beziehen sich zum einen auf Konsequenzen,<br />
die aus dem Prozess des sich immer weiter ausdifferenzierenden<br />
öffentlichen Sektors und aus dem zunehmenden Verschwimmen<br />
der Trennungslinie zwischen öffentlichem und privatem<br />
40 Begriffe wie „Gemeinwohl“ oder Allgemeininteresse sind allerdings immer leerformel-verdächtig ist,<br />
weil sie inhaltlich sehr unterschiedlich interpretiert und konkretisiert werden können und demzufolge<br />
immer im Spannungsfeld politischer Interessen stehen; siehe auch Schuppert (2002).<br />
41 Vgl. Machura (1996), S. 539.<br />
42 Vgl. Edeling (2002), S.160 u. Röber (2008), S. 66.<br />
86
Sektor für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und für die Steuerung<br />
der diese Aufgaben ausführenden Einrichtungen zu ziehen sind.<br />
Ein wichtiger Ansatzpunkt hierfür ist, dass die bislang dominierende institutionelle<br />
Betrachtungsweise („öffentliche versus private Unternehmen“)<br />
zugunsten einer funktionalen Perspektive aufgegeben wird, die an den<br />
öffentlichen Aufgaben ansetzt und bei der die Frage im Mittelpunkt steht,<br />
mit welchen institutionellen Arrangements und mit welchen Organisations-<br />
und Rechtsformen öffentliche Aufgaben am besten gesteuert<br />
und erledigt werden können.<br />
Zum anderen beziehen sich die Anregungen aus dem Public Management<br />
darauf, dass ein (partielles) Zurückholen privatisierter Aufgaben<br />
und <strong>Dienstleistungen</strong> nur dann erfolgversprechend sein wird, wenn dies<br />
mit einer Managementreform in den betroffenen öffentlichen Einrichtungen<br />
verbunden ist, die das betriebliche Handeln nicht nur an den<br />
Sachzielen der Daseinsvorsorge, sondern auch am Formalziel der<br />
Wirtschaftlichkeit ausrichtet und die damit die Voraussetzungen schafft,<br />
vorhandene Ressourcen so wirtschaftlich wie möglich zu nutzen und<br />
Rationalisierungsreserven auszuschöpfen. 43 Dieser Ansatz reiht sich in<br />
die schon in den 1980er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland unter<br />
dem Schlagwort „Zukunft durch öffentliche Dienste“ 44 geführte Diskussion<br />
zur Modernisierung des öffentlichen Sektors ein, die dann im Zuge<br />
der Diskussion über das Neue Steuerungsmodell in das Motto „Modernisieren<br />
statt Privatisieren“ mündete. 45<br />
1. Privatisierung und Rekommunalisierung im Modell der Gewährleistungskommune<br />
Mit dem Begriff und dem Konzept der Gewährleistungskommune (im<br />
Sinne der leistungssichernden Kommune) zeichnet sich ein konzeptioneller<br />
Bezugsrahmen ab, der eine im Vergleich zur bisherigen Diskussion<br />
wesentlich differenziertere Behandlung des Privatisierungs- und des<br />
Rekommunalisierungsthemas gestattet. Die Grundidee des Gewährleistungsmodells<br />
46 besteht darin, dass die Kommune die Erfüllung eines<br />
bestimmten Angebots an öffentlichen Leistungen sicherstellt, ohne dass<br />
diese notwendigerweise von kommunalen Einrichtungen selber erbracht<br />
werden müssen. Daraus folgt, dass die Kommune nicht mehr als monolithische<br />
Einheit betrachtet werden kann, sondern in ihren unterschied-<br />
43<br />
Siehe hierzu ver.di (2008).<br />
44<br />
Vgl. Wulf-Mathies (1991).<br />
45<br />
Vgl. z.B. Andersen u.a. (2005).<br />
46<br />
Vgl. hierzu die grundlegenden und stilbildenden Arbeiten von Schuppert; exemplarisch sei hier nur<br />
hingewiesen auf Schuppert (2005).<br />
87
lichen Rollen als Auftraggeber bzw. Besteller und als Auftragnehmer<br />
bzw. Produzent öffentlicher Aufgaben und Leistungen gesehen werden<br />
muss. Hieraus ergeben sich für die kommunalen Akteure im Vergleich<br />
mit dem traditionellen Verwaltungsmodell zum Teil gänzlich neue Anforderungen.<br />
Bei den Aufgaben, die von der Kommune gewährleistet werden und<br />
damit als öffentliche Aufgaben anerkannt werden sollen, wird – analog<br />
zur Diskussion über die Kernkompetenzen privatwirtschaftlicher Unternehmungen<br />
– auch von den Kernaufgaben der Kommune gesprochen.<br />
Im Prinzip geht es um die Frage der Breite des öffentlichen Leistungsprogramms,<br />
das heißt um das, was zum Aufgabenportfolio der Kommune<br />
gehören soll. Hierfür gibt es keine „objektiven“ Kriterien, die gleichsam<br />
naturrechtlich aus dem Gemeinwohl abgeleitet werden können<br />
(nach dem Motto: „Kindergärten sind grundsätzlich wichtiger als Wirtschaftsförderung<br />
oder Sozialhilfe.“). Was zum Kanon öffentlicher Aufgaben<br />
gehört, muss im demokratischen Diskurs und Willensbildungsprozess<br />
geklärt und letztlich von politisch legitimierten Mehrheiten in Bezug<br />
auf politische Ziele (wie zum Beispiel demokratische, rechtsstaatliche,<br />
wirtschaftliche, sozialstaatliche oder ökologische Ziele) entschieden<br />
werden. Bei diesen Entscheidungen geht es – analog zur<br />
Zweckkritik 47 – um die Sinnhaftigkeit und die Effektivität öffentlicher<br />
Programme und Leistungen („doing the right things“). Dabei können<br />
dann – im Umkehrschluss – solche Aufgaben identifiziert werden, die<br />
überflüssig sind, weil es für sie keinen gesellschaftlichen Bedarf mehr<br />
gibt. Dass dies nur dann funktionieren kann, wenn solche Entscheidungen<br />
von den Bürgern – abgesehen von Kritik aus individueller Betroffenheit<br />
– im Prinzip akzeptiert werden, liegt auf der Hand. 48 Überdies<br />
hat die kritische Durchleuchtung des öffentlichen Aufgabenportfolios den<br />
zusätzlichen Effekt, dass jene Programme und Leistungen herausgefiltert<br />
werden können, die von anderen Anbietern – seien es öffentliche<br />
oder gemeinwirtschaftliche oder auch private – ohnehin schon angeboten<br />
werden.<br />
Erst wenn über die Breite des öffentlichen Aufgabenspektrums entschieden<br />
wurde, kann diskutiert werden, mit welchen institutionellen Arrangements<br />
einzelne dieser Aufgaben am besten wahrgenommen werden<br />
können, weil es nicht sinnvoll wäre, über eine Optimierung von Aufgaben<br />
nachzudenken, die ohnehin überflüssig sind oder die nach einer<br />
47<br />
Siehe KGSt (1974).<br />
48<br />
Dabei ist die Einsicht der Bevölkerung in die Notwendigkeit solcher Entscheidungen häufig viel<br />
größer als viele Politiker annehmen.<br />
88
materiellen Privatisierung von privaten Einrichtungen auf eigenes Risiko<br />
und auf eigene Rechnung angeboten bzw. bearbeitet werden. 49<br />
Wenn die Entscheidung über die Breite des kommunalen Aufgabenspektrums<br />
gefallen ist, kann im nächsten Schritt darüber diskutiert<br />
werden, welche organisationspolitischen Optionen 50 einer Kommune zur<br />
Verfügung stehen, das heißt, mit welchen institutionellen Arrangements<br />
einzelne Aufgaben am besten wahrgenommen werden können. Bei der<br />
Entscheidung über mögliche institutionelle Arrangements geht es primär<br />
um die Effizienz bei der Aufgabenerfüllung („doing the things right“).<br />
Hierbei greift man – unter dem Stichwort der Leistungstiefenpolitik – auf<br />
Kategorien der ökonomischen Institutionentheorie zurück. Leistungstiefe<br />
heißt, dass jede öffentliche Aufgabe aus einer Wertschöpfungskette mit<br />
einer mehr oder weniger großen Zahl von vor- und nachgelagerten<br />
Teilprozessen besteht. 51 Für jeden dieser Teilprozesse kann geprüft und<br />
entschieden werden, wer die Leistung erstellen und die Verantwortung<br />
hierfür übernehmen soll. Generell werden die folgenden vier Typen von<br />
Verantwortung unterschieden:<br />
− Gewährleistungsverantwortung: dauerhafte Sicherstellung der Leistungserbringung<br />
zu politisch gewollten Standards und Kosten durch<br />
die Kommune<br />
− Vollzugsverantwortung: korrekte Ausführung („Produktion”) der gewährleisteten<br />
Aufgaben durch einen öffentlichen, gemeinwirtschaftlichen<br />
oder privaten Träger<br />
− Finanzierungsverantwortung: Bereitstellung der für die Wahrnehmung<br />
der Aufgaben erforderlichen Finanzmittel (in der Regel durch die<br />
Kommune)<br />
− Auffang- bzw. Rückholverantwortung: Garantie der Kommune, dass<br />
die gewährleisteten Aufgaben auch im Konkursfall eines Leistungsanbieters<br />
oder im Falle des Auftragsentzugs (wegen nicht-vertragsgemäßer<br />
Leistungserbringung) angeboten werden.<br />
Mit einem solchen Konzept der Verantwortungsstufung und Verantwortungsteilung<br />
besteht die Möglichkeit, auf die in der Bevölkerung vorherrschenden<br />
Befürchtungen über eine zunehmende Privatisierung diffe-<br />
49 Diese Systematik entspricht im Prinzip dem von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung<br />
in den 1970er Jahren entwickelten Konzept der Aufgabenkritik, in dem in<br />
Zweck- und Vollzugskritik unterschieden wird; vgl. hierzu KGSt (1974).<br />
50 Siehe hierzu auch die demnächst erscheinenden KGSt-Berichte „Kommunale Organisationspolitik“<br />
Teil I – Entwicklungslinien, Konzepte, Erscheinungsformen 2009a) und Teil II – Auswahl, Gestaltung<br />
und Einführung organisationspolitischer Lösungen(2009b), an deren Erstellung der Verfasser<br />
mitgearbeitet hat.<br />
51 Siehe Brüggemeier (2004) u. (2007).<br />
89
enziert zu reagieren, weil Aufgaben der Daseinsvorsorge im Gewährleistungsmodell<br />
nicht in toto infrage gestellt und komplett aus der öffentlichen<br />
Verantwortung entlassen werden. Die Kommune bleibt in der<br />
Pflicht zu gewährleisten, dass öffentliche Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt<br />
werden, ohne jedoch bei allen Teilprozessen zugleich auch für die<br />
Durchführung (und ggf. auch für die Finanzierung) zuständig und verantwortlich<br />
zu sein. Lediglich bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der<br />
Leistung durch Dritte ist die Kommune verpflichtet, subsidiär einzuspringen<br />
und diese Leistung selber zu erbringen.<br />
Für die Kommunen besteht die entscheidende Herausforderung darin,<br />
diejenigen Leistungserbringer (z.B. mit Hilfe von Wettbewerbsmechanismen<br />
in Form von Ausschreibungen) zu finden, die einzelne – strategisch<br />
nicht relevante – Leistungen oder Leistungspakete in Bezug auf klar<br />
definierte Qualitätsstandards am kostengünstigsten bereitstellen können.<br />
Die Entscheidung hierüber unterscheidet sich gravierend von der über<br />
eine materielle Privatisierung, bei der die inhaltliche Verantwortung und<br />
das wirtschaftliche Risiko vollständig auf private Akteure übergehen. Aus<br />
dem Grunde bezieht sich die Diskussion über die Rekommunalisierung<br />
in den meisten Fällen auf die Dimension der Vollzugsverantwortung und<br />
darauf, frühere „funktionale Privatisierung(en) der operativen Leistung“ 52<br />
rückgängig zu machen. Die Gesamtverantwortung für Aufgaben der<br />
Daseinsvorsorge (im Sinne der Gewährleistungsverantwortung) ist bei<br />
den meisten Privatisierungen der letzten Jahre nicht tangiert gewesen,<br />
weil sie ohnehin bei den demokratisch legitimierten politischen<br />
Repräsentanten der Kommune verblieben ist.<br />
Die Gegner einer Rekommunalisierung operativer Leistungen verweisen<br />
in der aktuellen Diskussion unter Hinweis auf Kostenvergleichsrechnungen<br />
immer wieder darauf, dass viele Leistungen von Privaten<br />
wesentlich billiger angeboten werden können. Die solchen Aussagen<br />
zugrunde gelegten Rechnungen weisen in der Regel bei den öffentlichen<br />
Anbietern erheblich höhere „Stückkosten“ als bei den privaten Anbietern<br />
aus. Insofern scheint es unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten – insbesondere<br />
natürlich aus der Sicht der unter zunehmendem finanziellen<br />
Druck stehenden Kämmerer – sinnvoll, solche Leistungen und Aufgaben<br />
auszulagern. In vielen Fällen zeigt sich aber, dass eine ausschließlich<br />
auf die Produktionskosten bezogene Betrachtung zu verzerrten Ergebnissen<br />
bei den Wirtschaftlichkeitsvergleichen führt, weil in der Regel die<br />
mit der Transaktion dieser Leistungen verbundenen Kosten völlig außer<br />
Acht gelassen werden. Hierzu gehören zum Beispiel jene Kosten, die bei<br />
52 Verbücheln (2009), S. 5.<br />
90
den Vertragsverhandlungen mit potentiellen Anbietern auftreten (ex-ante<br />
Transaktionskosten) und die nach Vertragsabschluss für die Kontrolle<br />
der Einhaltung der Verträge einschließlich der Kosten für mögliche<br />
Rechtsstreite entstehen (ex-post Transaktionskosten).<br />
Aber selbst wenn unter Einbeziehung der Transaktionskosten ein Fremdbezug<br />
von Leistungen wesentlich kostengünstiger als die Eigenfertigung<br />
wäre, kann es gute Gründe geben, solche Leistungen nicht von Anderen<br />
erstellen zu lassen. Ein solcher Grund liegt zum Beispiel in der Spezifi-<br />
tät – das heißt, dass für die Erbringung einzelner Leistungen sehr spezielle<br />
Ressourcen eingesetzt werden (müssen), für die es abgesehen<br />
von der Erstellung dieser Leistungen keine Verwendungsmöglichkeiten<br />
gäbe. Dies gilt beispielsweise im Bereich der Daseinsvorsorge – und<br />
insbesondere im Falle von natürlichen Monopolen – für das Vorhalten<br />
von Infrastrukturausstattungen 53 , die überdies für die Kommunen und<br />
ihre Selbstverwaltung auch strategisch bzw. politisch relevant sind.<br />
Würde man solche Ressourcen und die damit verbundene Erstellung<br />
von Leistungen nicht in Eigenregie betreiben, bestünde die Gefahr, dass<br />
sich die Kommunen in die Abhängigkeit von privaten Monopolanbietern<br />
begeben. Im Interesse eines möglichst großen Spielraumes bei den<br />
organisatorischen Gestaltungsoptionen und einer wirksamen Steuerung<br />
der Leistungsprozesse sollte es deshalb das Ziel jeder Kommune sein,<br />
solche Situationen zu vermeiden. Daraus folgt allerdings auch, dass in<br />
allen Fällen, in denen wir es nicht mit strategisch relevanten Leistungen<br />
und spezifischen Ressourcen zu tun haben, die gesamte Bandbreite<br />
institutioneller Arrangements zur Verfügung steht und dass Kommunen<br />
nicht gezwungen sind, den Weg in die komplette Rekommunalisierung<br />
anzutreten und neue öffentliche angebotsmonopolistische Strukturen zu<br />
schaffen.<br />
2. Management öffentlicher Aufgaben und Leistungen<br />
Beim Management öffentlicher Aufgaben und Leistungen geht es um die<br />
Frage, in welchen institutionellen Arrangements die operative Leistungserstellung<br />
erfolgen kann. Die Bandbreite dieser Arrangements als organisationspolitische<br />
Optionen reicht – in Bezug auf die Steuerungsmöglichkeiten<br />
der Kommune – von der Erbringung öffentlicher Leistungen in<br />
kommunalen Gesellschaften über die interkommunale Kooperation bis<br />
hin zu komplexen Netzwerkstrukturen unter Einbeziehung privater<br />
Akteure.<br />
53 Siehe Naschold u.a. (1996), S.72 ff.<br />
91
a) Management kommunaler Gesellschaften<br />
Eine organisationspolitische Option besteht darin, rekommunalisierte<br />
Leistungen von Ämtern der Kommunalverwaltung als teilselbstständige<br />
Organisationseinheiten („Agencification“) oder von öffentlichen Unternehmen,<br />
die entweder in der Form des öffentlichen Rechts (wie z.B.<br />
Eigenbetriebe) oder in der Form des privaten Rechts (wie z.B. GmbHs)<br />
verfasst sein können, als verselbständigte Organisationseinheiten („Corporatization“)<br />
erbringen zu lassen. Dies eröffnet die Möglichkeit, öffentliche<br />
Aufgaben und Leistungen effizienter, effektiver und bürgernäher<br />
auszuführen, weil die verselbständigten Durchführungsorganisationen<br />
von den zum Teil engen Fesseln des öffentlichen Haushalts- und Dienstrechts<br />
befreit arbeiten können und damit über eine größere Autonomie<br />
verfügen. Zugleich haben die Gebietskörperschaften vor allem bei den<br />
Formen des öffentlichen Rechts die Möglichkeit, die ausgegliederten<br />
Organisationseinheiten in Bezug auf die Interessen der Bürgerinnen und<br />
Bürger („citizen value“) politisch zu steuern. Insofern ist es auch nicht<br />
überraschend, dass die Kommunen in den letzten Jahren bei einer Reihe<br />
von Aufgaben der klassischen kommunalen Kernverwaltung von dieser<br />
organisationspolitischen Option regen Gebrauch gemacht haben, 54 so<br />
dass die Zahl der öffentlichen Unternehmen auf der kommunalen Ebene<br />
inzwischen bei etwa 3.000 liegt. 55 Dass in diesem Zusammenhang in<br />
einigen Fällen auch – unausgesprochen – andere Ziele verfolgt worden<br />
sind wie die „heimliche“ Bildung von Schattenhaushalten oder Gehaltszahlungen<br />
für Führungskräfte, die sich am Niveau der Privatwirtschaft<br />
orientieren und sich zum Teil weit oberhalb der im öffentlichen Dienst<br />
üblichen Vergütungen bewegen, ist weitgehend unstrittig. Es ändert aber<br />
nichts an der Einschätzung, dass sowohl „Agencification“ als auch „Corporatization“<br />
sinnvolle institutionelle Arrangements für die Wahrnehmung<br />
öffentlicher Aufgaben sein können.<br />
Angesichts angespannter öffentlicher Haushalte und anhaltenden Wettbewerbsdrucks<br />
wird ein solcher Ansatz aber nur dann erfolgreich sein,<br />
wenn die Qualität des öffentlichen Managements verbessert wird und<br />
nicht die Zustände wieder einreißen, die maßgeblich mit zu den Privatisierungsforderungen<br />
beigetragen haben. Hier werden seit einiger Zeit<br />
Hoffnungen in Corporate-Governance-Konzepte für öffentliche Unternehmen<br />
gesetzt, deren handlungsleitende Maximen sowohl zu einer<br />
besseren internen Führung als auch zu einer besseren externen Steuerung<br />
und Kontrolle dieser Unternehmen durch die Gebietskörperschaften<br />
führen sollen.<br />
54 Siehe Killian u.a. (2006).<br />
55 Siehe Reichard (2009).<br />
92
Eine weitere wichtige Voraussetzung für den Erfolg dieser organisationspolitischen<br />
Option liegt darin, dass die Gebietskörperschaften ihre<br />
öffentlichen Unternehmen besser steuern und kontrollieren und dass sie<br />
ihrer Eigentümerfunktion besser gerecht werden, indem sie ihre Beteiligungen<br />
nicht nur verwalten, sondern im Rahmen eines Beteiligungsmanagements,<br />
das diesen Namen verdient, politisch-strategisch<br />
steuern. 56 Hier kommt es darauf an, nach der richtigen Balance zwischen<br />
politischer Steuerung und unternehmerischer Autonomie zu suchen, um<br />
Fehlentwicklungen in Form der operativen Übersteuerung und der<br />
politisch-strategischen Untersteuerung öffentlicher Unternehmen durch<br />
politische Akteure zu vermeiden. Dabei darf nicht aus dem Auge verloren<br />
werden, dass Politik und Management unterschiedliche Ziele verfolgen<br />
und sich in Bezug auf diese Ziele rational verhalten. 57<br />
Die Tatsache, dass die politischen Akteure und die Manager öffentlicher<br />
Unternehmen zum Teil differierende Ziele und Interessen haben, ist nicht<br />
neu. Diese Situation gab es schon im 19. Jahrhundert – wie Wessel z.B.<br />
in Bezug auf die Gasversorgung der Stadt Köln feststellte: „Das Verhältnis<br />
zwischen Stadt und Gasgesellschaft war selten entspannt;<br />
städtische Ansprüche und Vorstellungen deckten sich fast nie mit der<br />
Leistungsbereitschaft des Unternehmens“. 58<br />
Da das Management öffentlicher Unternehmen im Verhältnis zu den<br />
politischen und administrativen Akteuren in der Regel über eine relativ<br />
starke Position verfügt, besteht immer die Gefahr, dass es sein Handeln<br />
an eigenen Interessen ausrichtet und sich – institutionenökonomisch<br />
interpretiert – als Agent dem politischen Prinzipal gegenüber opportunistisch<br />
verhält. Die Kommune als Gewährleister und Auftraggeber<br />
öffentlicher Aufgaben bzw. Leistungen muss deshalb dafür sorgen, dass<br />
− strategische Vorgaben für den Leistungserbringer bzw. Auftragnehmer<br />
formuliert werden,<br />
− klare Zielvorstellungen und Planungen festgelegt werden,<br />
− diese Ziele in konkrete Aufträge umformuliert werden,<br />
− hinreichende Freiräume für die Auftragnehmer in Bezug auf den<br />
unternehmerischen Erfolg geschaffen werden,<br />
− die Leistungserbringung kontrolliert und überwacht wird,<br />
56 Vgl. hierzu auch Schaefer (2005).<br />
57 Vgl. Budäus (2005), S. 18.<br />
58 Wessel (1995), S. 66.<br />
93
− im Fall eingestellter Leistungserbringung durch den Anbieter die Auffangverantwortung<br />
übernommen werden kann. 59<br />
b) Interkommunale Zusammenarbeit<br />
Selbst wenn es den Kommunen gelingt, in ihren Verwaltungen und in<br />
ihren ausgelagerten Organisationseinheiten leistungsfähige Managementstrukturen<br />
zu etablieren, ist nicht auszuschließen, dass viele Gebietskörperschaften<br />
mit der Wahrnehmung rekommunalisierter Aufgaben<br />
der Daseinsvorsorge konzeptionell, technologisch, finanziell und personell<br />
überfordert sind. Aus dem Grunde bietet es sich an, bei Rekommunalisierungsvorhaben<br />
von vornherein zu prüfen, ob es bei den zu erledigenden<br />
Aufgaben und den zu erbringenden Leistungen Kooperationsmöglichkeiten<br />
mit anderen Städten und Gemeinden gibt.<br />
Die Zusammenarbeit bei der Leistungserstellung ist für Kommunen<br />
beileibe kein neues Thema. Die in der Praxis vorkommenden Kooperationsformen<br />
reichen von der gemeinsamen Aufgabenerledigung (z.B. in<br />
Form von Shared Service Centers) über die Wahrnehmung von Aufgaben<br />
durch gemeinsame Einrichtungen (wie z.B. Zweckverbände) bis<br />
zu kommunal initiierten freiwilligen Zusammenschlüssen von Gemeinden.<br />
60<br />
Die interkommunale Zusammenarbeit bietet eine Reihe von erheblichen<br />
Vorteilen. 61 Diese liegen zunächst in Einsparungen und Effizienzgewinnen,<br />
die daraus resultieren, dass einzelne Gemeinden häufig nur<br />
über relativ kleine öffentliche Unternehmen verfügen, in denen keine<br />
Skaleneffekte („economies of scale“) erzielt werden können. Die Schaffung<br />
größerer Betriebseinheiten in einer Gemeinde rechnet sich in der<br />
Regel nicht, weil diese Kapazitäten nicht ausgelastet werden können.<br />
Die Folge sind in beiden Fällen zu hohe Stückkosten, die zu Lasten der<br />
Bürger – entweder in ihrer Rolle als Verbraucher oder in ihrer Rolle als<br />
Steuerzahler – gehen. Eine Kooperation von Gemeinden ermöglicht<br />
dagegen wirtschaftliche Betriebsgrößen, in denen es sich lohnt, teure<br />
Spezialisten einzustellen, die man auslasten kann, und teure Maschinen<br />
anzuschaffen, die gemeinsam kostengünstig genutzt werden können.<br />
Auf diese Weise kann die Produktivität in der Daseinsvorsorge gesteigert<br />
werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die zwischen den Ge-<br />
59 Vgl. Reichard (2006), S. 70.<br />
60 Siehe auch KGSt (2009a).<br />
61 Vgl. zum Folgenden auch Innovators Club (2005).<br />
94
meinden notwendigerweise entstehenden Schnittstellen professionell<br />
gemanagt werden und dass die Transaktionskosten solcher Arrangements<br />
minimiert werden. Zudem wird es wichtig sein, die finanziellen<br />
Anreize der Kooperation so zu gestalten und die Risiken so zu verteilen,<br />
dass sich keiner der Kooperationspartner übervorteilt fühlt und dass die<br />
finanziellen Vor- und Nachteile für alle Beteiligten gerecht verteilt sind.<br />
Ein weiterer Vorteil der Zusammenarbeit von Kommunen besteht darin,<br />
Doppelarbeiten abzubauen. Hierdurch werden Kapazitäten freigesetzt,<br />
mit deren Hilfe den Bürgern bessere oder zusätzliche Leistungen<br />
angeboten werden können, die sich positiv auf die Kundenzufriedenheit<br />
auswirken werden. Neben den damit zu erzielenden Qualitätsverbesserungen<br />
kann die wechselseitige Inanspruchnahme von öffentlichen<br />
Leistungen auch dazu beitragen, dass sich eine über Gemeindegrenzen<br />
hinausgehende regionale Identität entwickelt.<br />
Schließlich wird es im Zuge der Entwicklung liberalisierter europäischer<br />
Märkte immer wichtiger werden, strategische Allianzen zu bilden, um<br />
Innovations- und Synergiepotenziale besser ausschöpfen zu können.<br />
Hierzu bedarf es in den interkommunalen Beziehungen eines intensiven<br />
Informationsaustausches sowie einer gemeinsamen Planung, Abstimmung,<br />
Ressourcennutzung und ggf. auch gemeinsamer Organisationen.<br />
62<br />
Die Interkommunale Zusammenarbeit wird allerdings nur dann erfolgreich<br />
sein, wenn es unter den beteiligten Gemeinden einen fairen<br />
Interessenausgleich gibt, der verhindert, dass die einen Kommunen<br />
dauerhaft zu den Gewinnern, die anderen hingegen zu den Verlierern<br />
gehören. Dies erfordert ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und<br />
die Bereitschaft, auf kurzfristig zu realisierende Vorteile zu Lasten<br />
anderer Kommunen zu verzichten. Unter Umständen wird auch darüber<br />
nachgedacht werden müssen, den langfristigen Interessenausgleich<br />
zwischen den an der Kooperation beteiligten Kommunen mit Hilfe von<br />
Ausgleichszahlungen und Koppelgeschäften zu erreichen. Schließlich ist<br />
noch wichtig, dass die Kommunen in ihren kommunalen Selbstverwaltungsrechten<br />
nicht eingeschränkt werden und dass die Entscheidungen<br />
über Kooperationsformen durch die Bürger der Kommunen demokratisch<br />
legitimiert werden.<br />
62 Siehe Innovators Club (2005), S. 14.<br />
95
c) Entwicklung eines Netzwerkmanagements<br />
Wenn Kommunen bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben verstärkt mit<br />
Dritten – insbesondere auch aus dem gemeinwirtschaftlichen und dem<br />
privatwirtschaftlichen Sektor – kooperieren sollen und dabei in zunehmendem<br />
Maße unterschiedliche Interessen berücksichtigen und ggf.<br />
ausgleichen müssen, dann steigen die Anforderungen an die Managementfähigkeit<br />
der kommunalpolitischen Akteure im Vergleich zum Management<br />
kommunaler Gesellschaften und zur Interkommunalen Zusammenarbeit<br />
noch einmal beträchtlich. In diesem Kontext geht es um<br />
Steuerungsmodelle für institutionelle Arrangements mit formal gleichberechtigten<br />
Netzwerkpartnern. In der Privatwirtschaft haben viele Unternehmen<br />
gezeigt, dass sie in der Lage sind, ein erfolgreiches Netzwerkmanagement<br />
zu praktizieren. Im öffentlichen Sektor gibt es ebenfalls<br />
schon lange Netzwerkstrukturen; es fehlt allerdings weitgehend an<br />
einem korrespondierenden Netzwerkmanagement. Existierende Netzwerke<br />
sind allenfalls mit den Mitteln der klassischen hierarchisch-bürokratischen<br />
Organisation verwaltet worden.<br />
Bei Netzwerken in der Daseinsvorsorge fungiert die Kommune in der<br />
Regel als Fokalorganisation. Von ihr als zentralem Auftraggeber entwickelt<br />
sich eine Vielzahl mehrstufiger Auftraggeber-Auftragnehmerverhältnisse,<br />
welche ein nicht-hierarchisch organisiertes Netz bilden 63 .<br />
Die Koordination der Leistungsnetzwerke übernimmt die Kommune in<br />
ihrer Rolle als Gewährleister. Da solche Netzwerke mit einem komplexen<br />
Geflecht unterschiedlicher Akteure nicht mehr per Anordnung über die<br />
Hierarchie oder per Austausch über den Markt gesteuert werden können,<br />
muss die Kommune über Steuerungskompetenzen jenseits von Hierarchie<br />
und Markt verfügen, zu denen vor allem Verhandlungen, Motivation,<br />
Führung, Mediation und Kommunikation gehören. Diese Art der Steuerung<br />
kommunaler Leistungsnetzwerke führt letztlich dazu, dass eine<br />
klare Grenzziehung zwischen marktlicher und hierarchischer Steuerung<br />
nicht mehr möglich ist 64 und dass die Anforderungen an die Steuerung<br />
und Kontrolle kommunaler Leistungsnetzwerke erheblich steigen<br />
werden. Deshalb müssen bei allen Entscheidungen über Netzwerkorganisationen<br />
bestimmte steuerungsrelevante Strukturmerkmale beachtet<br />
werden. 65<br />
63 Vgl. Reichard (2004), S. 58.<br />
64 Vgl. hierzu Reichard (2004), S. 59 f.<br />
65 Fragen der Gestaltung und Steuerung öffentlicher Netzwerke im Kontext des Public Management<br />
sind in den letzten Jahren insbesondere von Brüggemeier systematisch analysiert worden. Die<br />
folgenden Ausführungen basieren weitgehend auf seinen Untersuchungen; siehe hierzu – auch mit<br />
weiteren Literaturhinweisen – Brüggemeier (2004).<br />
96
Diese beziehen sich zunächst auf Unterschiede zwischen den Netzwerkpartnern,<br />
welche sich – sofern Nonprofit-Organisationen und erwerbswirtschaftliche<br />
Unternehmen zum Netzwerk gehören – in ihren Zielen<br />
und der Komplexität ihres Zielsystems, in ihren Handlungslogiken und<br />
Entscheidungskriterien, in ihren Organisationskulturen und schließlich<br />
auch in ihren Kernkompetenzen erheblich unterscheiden können.<br />
Ein zweites steuerungsrelevantes Strukturmerkmal, das für Netzwerke<br />
konstitutiv ist, besteht in der Freiwilligkeit. Das heißt, dass Netzwerkpartner<br />
jederzeit die Möglichkeit haben, ihre Teilnahme infrage zu stellen<br />
und sich aus dem Netzwerk zurückzuziehen. Daraus folgt die Notwendigkeit<br />
gemeinsamer Interessen der Netzwerkpartner, die darüber<br />
hinaus über ein hinreichendes Ausmaß an Autonomie verfügen müssen,<br />
welches ihnen – auch wenn sie als integraler Bestandteil in das Netzwerk<br />
eingebunden sind – die für ihren Erfolg notwendigen Handlungsspielräume<br />
sichert.<br />
Bei nicht-hierarchischen Netzwerken entstehen als drittes steuerungsrelevantes<br />
Strukturmerkmal Schnittstellen, die im Interesse von Spezialisierungsvorteilen<br />
bewusst geschaffen werden. Demzufolge kann es<br />
nicht darum gehen, unbedingt die Zahl der Schnittstellen zu reduzieren;<br />
es kommt vielmehr darauf an, sie intelligent zu gestalten. Da an Schnittstellen<br />
organisationsüber-greifender arbeitsteiliger Leistungsprozesse<br />
häufig Ungewissheitszonen entstehen, aus denen strategische Interdependenzen<br />
resultieren, die sich negativ auf die Machtbalance zwischen<br />
den Netzwerkpartnern auswirken können, muss das Netzwerkmanagement<br />
diesen „Übergabepunkten“ besondere Aufmerksamkeit widmen.<br />
Schließlich gehört zu den steuerungsrelevanten Strukturmerkmalen von<br />
Netzwerkorganisationen die längerfristige Perspektive der Akteure.<br />
Diese ist deshalb wichtig, weil die Netzwerkpartner in gemeinsame<br />
materielle Ressourcen und in Sozialkapital investieren, von denen kein<br />
schneller „return on investment“ erwartet werden kann. Hieraus resultiert<br />
aber nicht nur eine längerfristige Bindung an das Netzwerk, sondern<br />
auch ein erhöhter Erwartungsdruck in Bezug auf eine relativ verbindliche<br />
Kooperation. Dies geht in der Regel im Rahmen des Gewährleistungsmodells<br />
zu Lasten von institutionellen Arrangements, in denen der Wettbewerb<br />
eine größere Rolle spielt. 66<br />
Vor diesem Hintergrund ist über die Gestaltung von kommunalen Leistungsnetzwerken<br />
in Bezug auf konkrete Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge<br />
zu entscheiden. Bei diesen Entscheidungen sind diverse<br />
66 Siehe zum Verhältnis von Kooperation und Wettbewerb Mühlenkamp (2009).<br />
97
Gestaltungsparameter zu berücksichtigen, zu denen beispielsweise der<br />
Zweck (Produktionsnetzwerk oder Distributionsnetzwerk), die territoriale<br />
Reichweite (lokales bzw. regionales oder überregionales Netzwerk), die<br />
Steuerungsform in Bezug auf die Führung (hierarchisch oder heterarchisch<br />
geführtes Netzwerk) und die Form der netzwerkinternen Koordination<br />
(Netzwerk mit wettbewerbs-koordinierter oder mit hierarchischkoordinierter<br />
Arbeitsverteilung) gehören.<br />
VII. Fazit<br />
Kommunale Gesellschaften, Interkommunale Zusammenarbeit und Netzwerkmanagement<br />
sind Organisationsformen zwischen Privatisierung und<br />
Kommunalisierung, die große Steuerungsanforderungen an die Kommunen<br />
stellen und mit denen einige Kommunen zurzeit noch überfordert<br />
sein könnten. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen gehört, dass<br />
für die kommunalen Gesellschaften ein leistungsfähiges Beteiligungsmanagement<br />
entwickelt wird und dass bei der Interkommunalen Zusammenarbeit<br />
und beim Netzwerkmanagement der Auswahl der richtigen<br />
Netzwerkpartner, der Transparenz und Rechenschaftspflicht (insbesondere<br />
dann, wenn private Partner zum Netzwerk gehören), der<br />
Regelung der Beziehungen zum Bürger, der Ergebnis- und Qualitätsverantwortung,<br />
dem Umgang mit „Kooperationsrenten“ und der Personalführung<br />
in einem System interorganisationaler Beziehungen besondere<br />
Aufmerksamkeit gewidmet wird. Stellen sich die Kommunen diesen<br />
Herausforderungen nicht, dann laufen sie Gefahr, dass ihre öffentlichen<br />
Einrichtungen auch weiterhin unter den Generalverdacht der Ineffizienz<br />
gestellt und auch in Zukunft immer wieder unter materiellen Privatisierungsdruck<br />
geraten werden. Deshalb betont die KGSt in ihrem<br />
neuesten Bericht die „Bedeutung organisationspolitischer Entscheidungen<br />
für kommunale Organe und Entscheidungsträger“. 67 Nicht zuletzt<br />
von der Qualität dieser Entscheidungen wird die zukünftige Steuerungsfähigkeit<br />
der kommunalen Verwaltung abhängen.<br />
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100
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101
Die Teilnehmer der Tagung<br />
Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen<br />
Prof. Dr. Thorsten Beckers, Technische Universität Berlin<br />
Dr. Heinz Bolsenkötter, WIBERA Wirtschaftsberatung AG, Düsseldorf<br />
Prof. Dr. Dietmar Bräunig, Universität Gießen<br />
Prof. Dr. Helmut Brede, Universität Göttingen<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Dietrich Budäus, Universität Hamburg<br />
Prof. Dr. Helmut Cox, Universität Duisburg-Essen<br />
Prof. Dr. Dietrich Dickertmann, Universität Trier<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn, Universität Mannheim<br />
Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Universität Göttingen<br />
Franz-Josef Gräf, WIBERA Wirtschaftsberatung AG, Düsseldorf<br />
Benjamin Haas, Universität Köln<br />
Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid, Hertie School of Governance, Berlin<br />
Wilhelm Georg Hanss, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Jenkis, Universität Dortmund<br />
Dr. Ulrich Kirchhoff, Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt/M.<br />
Prof. Dr. Markus Krajewski, Universität Bremen<br />
Jens Lattmann, Deutscher Städtetag, Berlin<br />
Wolf Leetz, ehem. <strong>Bundesverband</strong> <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> – Deutsche Sektion des<br />
CEEP, Berlin<br />
Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig<br />
Reiner Metz, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Köln<br />
Prof. Dr. Holger Mühlenkamp, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften<br />
Speyer<br />
Prof. Dr. Werner Noll, Universität Würzburg<br />
Erhard Ott, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Berlin<br />
Dr- Sven-Joachim Otto, WIBERA Wirtschaftsberatung AG, Düsseldorf<br />
Prof. Dr. Joh.-Christian Pielow, Ruhr-Universität Bochum<br />
Rainer Plaßmann, Stadtwerke Köln GmbH<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen<br />
Inge Reichert, Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), Brüssel<br />
Prof. Dr. Manfred Röber, Universität Leipzig<br />
Prof. Dr. Christina Schaefer, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin<br />
Dr. Andreas Schirmer, Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH<br />
Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität Köln<br />
Dr. Dieter Steinkamp, RheinEnergie AG, Köln<br />
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Universität Göttingen<br />
Prof. Dr. Dieter K. Tscheulin, Universität Freiburg<br />
Beatrix Widmer, <strong>Bundesverband</strong> <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> – Deutsche Sektion des<br />
CEEP e.V., Berlin<br />
103
Die Referenten/Autoren<br />
Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid, Hertie School of Governance, Public Management<br />
and Financial Management, Friedrichstraße 180-184, 10117 Berlin,<br />
E-Mail: hammerschmid@hertie-school.org<br />
Dr. Ulrich Kirchhoff, Landesbank Hessen-Thüringen, Main-Tower, Neue Mainzer<br />
Straße 52-58, 60311 Frankfurt/M., ulrich.kirchhoff@helaba.de<br />
Prof. Dr. Markus Krajewski, Universität Bremen, Sonderforschungsbereich 597,<br />
„Staatlichkeit im Wandel“, Linzer Straße 9a, 28359 Bremen,<br />
E-Mail: markus.krajewski@sfb597.uni-bremen.de<br />
Prof. Dr. Manfred Röber, Universität Leipzig, Verwaltungsmanagement / New Public<br />
Management, Grimmaische Straße 12, 04109 Leipzig,<br />
E-Mail: roeber@wifa.uni-leipzig.de<br />
104
Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft<br />
Bisher sind erschienen:<br />
Heft 31 Zukunft der öffentlichen Wirtschaft Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat des<br />
<strong>Bundesverband</strong>es <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> veranstalteten Tagung (2009)<br />
Heft 30 Renaissance der Kommunalwirtschaft? Referate eines Symposiums der Gesellschaft<br />
für öffentliche Wirtschaft, des <strong>Bundesverband</strong>es <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> – Deutsche<br />
Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher<br />
Verkehrsunternehmen und des Deutschen Städtetages (2009)<br />
Heft 29 Regulierung. Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat des <strong>Bundesverband</strong>es<br />
<strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> veranstalteten Tagung (2009)<br />
Heft 28 Trennung von Infrastruktur und Betrieb – Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, des<br />
<strong>Bundesverband</strong>es <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> – Deutsche Sektion des CEEP, des Verbandes<br />
kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und<br />
des Deutschen Städtetages (2008)<br />
Heft 27 Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft. Referate eines Symposiums<br />
der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen<br />
Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen,<br />
des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, des Deutschen Städtetages<br />
und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt (2008)<br />
Heft 26 Auswirkungen der Globalisierung auf die öffentlichen Banken. Trennung von Infrastruktur<br />
und Betrieb. Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat der Gesellschaft für<br />
öffentliche Wirtschaft am 21./22. Februar 2007 veranstalteten Tagung (2008)<br />
Heft 25 Tendering or Direct Awarding of Public Services – Plea for the Right to Choose for<br />
(E) Territorial Authorities. On the Need for Legal Provi-sions on the In-house Concept<br />
in the European Union, Statement of the Scientific Council of the Gesellschaft für öffentliche<br />
Wirtschaft<br />
Heft 25 Ausschreibung oder Direktvergabe öffentlicher <strong>Dienstleistungen</strong> – Plädoyer für ein<br />
Wahlrecht der Gebietskörperschaften. Zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung<br />
des Inhouse-Begriffs in der Europäischen Union, Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />
Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (2007)<br />
Heft 24 Die Zukunft der öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong>. Referate einer vom Wissenschaftlichen<br />
Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft veranstalteten Tagung (2007)<br />
Heft 23 <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> für die Bürger. Wege zu Effizienz, Qualität und günstigen<br />
Preisen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der<br />
Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft<br />
(CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen<br />
und des Deutschen Städtetages (2006)<br />
Heft 22 <strong>Öffentliche</strong> <strong>Dienstleistungen</strong> zwischen Eigenerstellung und Wettbewerb. Referate<br />
eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des<br />
Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler<br />
Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und der Gesellschaft<br />
für Sozialen Fortschritt (2005)<br />
Heft 21 Public Private Partnership: Formen – Risiken – Chancen. Referate eines Symposiums<br />
der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen<br />
Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler<br />
Unternehmen und des Deutschen Städtetages (2004)<br />
Heft 20 Ausschreibungswettbewerb – obligatorisch für alle öffentlichen <strong>Dienstleistungen</strong>?<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, des Verbandes<br />
kommunaler Unternehmen und des Deutschen Städtetages (2003)<br />
Heft 19 Rollenwechsel kommunaler Unternehmen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft<br />
für öffentliche Wirtschaft. (2002)<br />
105
Heft 18 Die öffentliche Wirtschaft in Deutschland – Bestandsaufnahme zu Beginn des<br />
21. Jahrhunderts. Dokumentation der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes<br />
der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) (2001)<br />
Heft 17 Sparkassen und Landesbanken in der Wettbewerbs- und Privatisierungsdiskussion.<br />
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche<br />
Wirtschaft (1998)<br />
Heft 16 <strong>Öffentliche</strong> Unternehmen – eine Alternative zur Privatisierung. Referate eines Symposiums<br />
der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und des Kommunalen Arbeitgeberverbandes<br />
Sachsen (1996)<br />
Heft 15 Europa, Wettbewerb und öffentliche <strong>Dienstleistungen</strong>. Bericht des CEEP und Vorschläge<br />
zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sowie<br />
für eine Europäische Charta der <strong>Dienstleistungen</strong> von allgemeinem wirtschaftlichem<br />
Interesse (1996)<br />
Heft 14 Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb und Gemeindewirtschaftsrecht.<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1995)<br />
Heft 13 Privatisierungsdogma widerspricht Sozialer Marktwirtschaft. Stellungnahme des<br />
Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1994)<br />
Heft 12 Eigenbetrieb, Kapitalgesellschaft, Anstalt des öffentlichen Rechts – Rechtsformänderung<br />
bei den Berliner Eigenbetrieben? Referate eines Workshops der Gesellschaft<br />
für öffentliche Wirtschaft und des Senators für Verkehr und Betriebe von Berlin<br />
(1993)<br />
Heft 11 Die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Referate<br />
einer Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1992)<br />
Heft 10 Die Auswirkungen der EG-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen auf die<br />
öffentlichen Unternehmen – Bestandsaufnahme und Verbesserungsvorschläge.<br />
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />
Federführung: Rudolf Eiermann (1992)<br />
Heft 9 Die Unternehmen der Deutschen Bundespost als juristische Personen des öffentlichen<br />
Rechts – Alternativ-Vorschläge zur Postreform II. Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />
Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Helmut Cox<br />
(1992)<br />
Heft 8 Die Unternehmen der öffentlichen Energieversorgung der Bundesrepublik<br />
Deutschland im europäischen Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />
Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Paul Münch (1991)<br />
Heft 7 Die öffentlichen Eisenbahnen in der Bundesrepublik Deutschland angesichts der<br />
Vollendung des EG-Binnenmarktes. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats<br />
der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Achim von Loesch (1991)<br />
Heft 6 <strong>Öffentliche</strong> Kreditinstitute in der Bundesrepublik Deutschland und EG-Binnenmarkt.<br />
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche<br />
Wirtschaft, Federführung: Peter Eichhorn (1990)<br />
Heft 5 <strong>Öffentliche</strong> Unternehmen und soziale Marktwirtschaft – Aktueller Handlungsbedarf<br />
im Umstrukturierungsprozeß der DDR. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der<br />
Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Dietrich Budäus (1990)<br />
Heft 4 Abfallentsorgung und ihre Finanzierung als Aufgaben öffentlicher Unternehmen.<br />
Referate und Diskussionsbericht einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der Gesellschaft<br />
für öffentliche Wirtschaft (1989)<br />
Heft 3 Gemischtwirtschaftlichkeit und öffentliche Aufgabe. Referate und Diskussionsbeiträge<br />
einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />
und Gemeinwirtschaft (1988)<br />
Heft 2 Thesen zur künftigen Struktur der Deutschen Bundespost. Stellungnahme des<br />
Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft<br />
zur Neuordnung der Deutschen Bundespost, Federführung: Helmut Cox (1988)<br />
Heft 1 Peter Eichhorn: Forschung und Entwicklung und öffentliche Unternehmen (1986)<br />
106