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Die Boltzmann Verteilung

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<strong>Die</strong> <strong>Boltzmann</strong> <strong>Verteilung</strong><br />

Bisher: <strong>Die</strong> mittlere molare thermische Energie pro Freiheitsgrad steigt mit zunehmender<br />

R⋅T Temperatur an: E = (1)<br />

therm 2<br />

Suche: Wie sind für einen Freiheitgrad die einzelnen<br />

Energieniveaus besetzt.<br />

Konkret: Wie sieht die <strong>Verteilung</strong> der kinetische Energie<br />

(und somit der Geschwindigkeiten) der<br />

Gasmoleküle in Abhängigkeit von der<br />

Temperatur T aus ?<br />

Energieniveaus Ei<br />

Besetzungszahl Ni.<br />

Bedingungen: Wir suchen eine Energieverteilung, die<br />

folgende Bedingungen erfüllt:<br />

1. <strong>Die</strong> Gesamtzahl der Moleküle ist N:<br />

N=∑ Ni(Teilchenzahlerhaltung)<br />

(2)<br />

i<br />

2. Eges = ∑ Ni⋅Ei(Energieerhaltung) (3)<br />

i<br />

Ni<br />

gleichbedeutend mit: E = ∑ ⋅Ei(4)<br />

i N<br />

Einfaches Beispiel:<br />

Es seien 6 Energiezustände mit Energie E0=0, E1=1,E2=2 ect. gegeben<br />

<strong>Die</strong> Zahl der Teilchen ist N=3<br />

<strong>Die</strong> mittlere Energie pro Teilchen sei 1, d.h. die Gesamtenergie sei Egesamt=5<br />

Frage: Welche Möglichkeiten gibt es die 3 Teilchen auf die 6 Zustände zu verteilen, so dass<br />

die Gesamtenergie konstant bleibt? Wie häufig ist dann jeder einzelne Zustand besetzt?<br />

j<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

N<br />

i<br />

=<br />

i 1 2 3 4 5 6<br />

E 0 1 2 3 4 5 Eges W<br />

∑<br />

n ⋅W<br />

•• • 5<br />

• • • 5<br />

• • • 5<br />

•• • 5<br />

• •• 5<br />

j<br />

j<br />

∑ Wj<br />

j<br />

j<br />

6/7 5/7 4/7 2/7 1/7 3/7 ∑<br />

i<br />

i 3<br />

N = = N<br />

WS2007 PC1/ Dr. Ogrodnik 1 <strong>Boltzmann</strong>verteilung<br />

∑<br />

j<br />

3<br />

6<br />

6<br />

3<br />

3<br />

W = 21<br />

j<br />

nj=2


INFOBOX: Wahrscheinlichkeitsrechnung (Kombinatorik):<br />

Wieviele Realisierungsmöglichkeiten W gibt es, jeweils die drei unterscheidbaren<br />

Teilchen auf N Zellen einer Zeile (Zeilenummer j) der obigen Tabelle zu verteilen?<br />

2. Zeile (j=2): <strong>Die</strong> möglichen Reihenfolgen mit der drei Teilchen angeordenet werden<br />

kann=Zahl der Permutationen = 3!<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Analog ist die 3. Zeile zu behandeln<br />

1. Zeile (j=1): Es gibt drei Möglichkeiten die drei Moleküle anzuordnen<br />

(die Reihenfolge innerhalb einer Zelle spielt keine Rolle, denn es kommt nur auf die<br />

Tatsache an, dass das eine oder andere Teilchen eine bestimmte Energie hat, nicht aber in<br />

welcher Reihenfolge wir die Teilchen gleicher Energie notiert haben )<br />

Zahl aller Permutationsmöglichkeiten N !<br />

=<br />

Zahl Permutationsmöglichkeiten n ! innerhalb jeder Zelle n !<br />

<br />

<br />

<br />

n1!=2!=2 n3!=0!=1 n5!=1!=1<br />

Analog Zeile 4 und 5.<br />

i<br />

3x2=6 Möglichkeiten<br />

= Zahl der<br />

Permutationsmöglichkeiten<br />

W2=N!<br />

Um die gesamte <strong>Verteilung</strong> zu erhalten, muss man nun "lediglich" die Zahl der Teilchen in<br />

den Zellen der ersten Spalte jeweils mit der Zahl der Realisierungsmöglichkeiten Wj<br />

multiplizieren und zusammenaddieren, dann die Zahl aller Teilchen in der 2. Spalte mit Wi<br />

gewichten und so fort.<br />

WS2007 PC1/ Dr. Ogrodnik 2 <strong>Boltzmann</strong>verteilung<br />

∑<br />

i<br />

i<br />

3 Möglichkeiten<br />

N !<br />

W1<br />

=<br />

n ! ⋅n ! ⋅n<br />

!:.... ⋅n<br />

!<br />

=<br />

1<br />

N !<br />

n !<br />

∏<br />

i<br />

i<br />

2 3<br />

3! 6<br />

= = = 3<br />

2!0!0!0!0!1 ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ! 2<br />

m


Für obiges Beispiel erhalten wir:<br />

1. Spalte (Energie 0): 2. Spalte (Energie 1):<br />

2⋅ W = 2⋅ 3<br />

1<br />

1⋅ W = 6<br />

2<br />

1⋅ W = 6<br />

0<br />

0<br />

∑<br />

2<br />

= 6+ 6+ 6+ 0+ 0= 18<br />

<strong>Die</strong>se Besetzungswahrscheinlichkeit kann noch auf die Gesamtzahl der<br />

Realisationsmöglichkeiten ∑ Wj<br />

normiert werden und ist in der letzten Zeile<br />

j<br />

0<br />

1⋅ W = 6<br />

zusammengetragen.<br />

Wir bekommen folgende Besetzungswahrscheinlichkeit als Funktion der Energie:<br />

Suche nach der am häufigsten vorkommenden Anordnung<br />

Natürlich ist die Statistik dieser <strong>Verteilung</strong> von nur 3 Teilchen noch sehr schlecht. Bei einer<br />

sehr großen Zahl von Teilchen (10 23 !) wird diese extrem genau. Andererseits ist es nicht<br />

möglich, wie oben, alle denkbaren Kombinationen durchzuspielen.<br />

Ansatz: Da hilft uns folgende Überlegung weiter: Es gibt viele Anordnungsmuster, die sich<br />

sehr ähnlich sind und sehr häufig vorkommen (viele Permutationsmöglichkeiten haben).<br />

Als Gegenbeispiel betrachten wir den extrem unwahrscheinlichen Fall, dass ein Teilchen die<br />

gesamte Energie trägt, und alle anderen 10 23 Teilchen keine kinetische Energie haben (erste<br />

Zeile in der Tabelle: ein Teilchen ist im letzten rechten Kasten, alle anderen sind im ersten<br />

N !<br />

linken Kasten). Für diesen Fall ist W1= = N<br />

( N −1!<br />

)<br />

Der andere Extremfall wäre wenn jeder Zustand nur einfach besetzt wäre. Da gilt: W2 = N!<br />

WS2007 PC1/ Dr. Ogrodnik 3 <strong>Boltzmann</strong>verteilung<br />

2<br />

0<br />

2⋅ W = 2⋅ 3<br />

1<br />

1⋅ W = 6<br />

∑<br />

2<br />

= 0+ 6+ 0+ 6+ 6= 18


W N !<br />

= = − 1! wahrscheinlicher!!!<br />

W1N Gehen wir vom zweiten Fall aus und besetzen nur eine Zelle doppelt, so erhalten wir:<br />

N !<br />

W 3=<br />

2!<br />

2<br />

Der zweite Fall wäre um den Faktor ( N )<br />

Suche nach dem maximalen W<br />

Es stellt sich heraus, dass es bei sehr großen Zahlen genügt, das <strong>Verteilung</strong>smuster mit den<br />

meisten Permutation zu finden, ( das wäre die am häufigsten vorkommende Zeile in obiger<br />

Tabelle). Sie ist representativ für die gesamte <strong>Verteilung</strong> (die übrigen <strong>Verteilung</strong>smuster sind<br />

entweder sehr ähnlich, und damit ebenfalls sehr häufig, oder unterschieden sich signifikant<br />

und kommen dann sehr selten vor, und tragen zur <strong>Verteilung</strong> praktisch nicht bei).<br />

Wir wollen also die Anordnung finden, für die Zahl der Permutationsmöglichkeiten W<br />

maximal wird.<br />

N !<br />

Wir gehen aus von: W =<br />

∏ Ni<br />

!<br />

i<br />

(5).<br />

Bei den großen Werten von N und Ni mit denen wir es zu tun haben, ist es nützlich den<br />

Logarithmus von (5) zu nehmen, und davon das Maximum zu suchen:<br />

⎛ ⎞<br />

ln( W) = ln( N!) − ln ⎜∏ Ni! ⎟=<br />

ln( N!) −∑ln<br />

( Ni!<br />

) (6)<br />

⎝ i ⎠<br />

i<br />

Das maximale W bzw. das maximale ln(W) finden wir, wenn die Ableitung von W nach einer<br />

kleinern Veränderung der <strong>Verteilung</strong> gleich Null wird. Da ln(W) eine Funktion vieler<br />

Variabler Ni ist betrachten wir das vollständige Differenzial<br />

( W) ( W)<br />

∂ln d ln ( W ) =<br />

∂N1 ∂ln<br />

⋅ dN1+ ∂N2<br />

⋅ dN2+<br />

....... und setzen dies gleich Null.<br />

∂ ln( N !) ⎛∂ln( N !) ⎞!<br />

i<br />

Aus (6) erhalten wir somit: d ln( W ) = dN + ∑⎜<br />

⋅ dNi<br />

⎟=<br />

0 (7)<br />

∂N i ⎝ ∂Ni⎠<br />

dN=<br />

0<br />

da N konst.!<br />

Mit der Stirling´schen Formel ln( x!) ≈x⋅ln( x) − x (für große x) können wir uns der<br />

mathematisch unhandlichen Fakultäten entledigen und erhalten für (7):<br />

∂{ Ni⋅ln( Ni) −Ni}<br />

dln( W) = ∑ ⋅ dNi=<br />

0 (8)<br />

i ∂Ni<br />

Wir können nun die einzelnen Therme der Summe in (8) ableiten:<br />

⎡∂{ Ni⋅ln( Ni) } ∂{<br />

Ni}<br />

⎤ ⎧<br />

⎢ − ⎥dNi=<br />

⎨ln( Ni) ⎣ ∂Ni ∂Ni ⎦ ⎩<br />

∂N ln( ) 1<br />

i ∂ Ni<br />

⋅ ln( Ni) + Ni⋅<br />

∂Ni ∂Ni<br />

<br />

1<br />

Ni<br />

und erhalten somit für (8):<br />

∑ ln( Ni) ⋅ dNi=<br />

0 (10)<br />

i<br />

1 ⎫<br />

+ Ni⋅ −1⎬dNi<br />

(9)<br />

Ni<br />

⎭<br />

0<br />

Wir können nun auch die Bedingung 1 und 2 in differentieller Form fassen:<br />

WS2007 PC1/ Dr. Ogrodnik 4 <strong>Boltzmann</strong>verteilung


<strong>Die</strong> Teilchenzahlerhaltung (2) N = ∑ Ni = konst!<br />

ist gleichbedeutend mit: 0<br />

i<br />

∑ dN i = 0 (11)<br />

i<br />

∑ ⇒ dE = 0⇒<br />

Ebenso die Energieerhaltung: (3) E = N ⋅ E = konst!<br />

ges i i<br />

i<br />

(Beachte: da die Zustandsenergien fest sind dE i = 0)⇒<br />

∑ dNi⋅ Ei=<br />

0 (12)<br />

i<br />

dN = ⇒<br />

Es müssen nun alle drei Bedingungen (10), (11) und (12) gleichzeitig erfüllt werden.<br />

„Methode der unbestimmten Lagrange´schen Multiplikatoren“<br />

Mit dieser Methode kann die gleichzeitige Erfüllung von mehreren unabhängigen<br />

Bedingungen mathematisch gewährleistet werden. Nach dieser Methode werden obige<br />

Zusatzbedingungen (10) und (11) mit vorerst unbekannten Faktor α bzw. β (das sind die<br />

Lagrange´schen Multiplikatoren) multipliziert und anschließend zu Bedingung (12) addiert:<br />

α⋅ 0+ β⋅ 0+ 0= α⋅ dN + β⋅<br />

dN ⋅ E + ln( N ) ⋅ dN = 0<br />

∑ ∑ ∑ oder:<br />

i i i i i<br />

i i i<br />

∑ { α+ β⋅ Ei+ ln( Ni) } ⋅ δNi=<br />

0 (13)<br />

i<br />

Einschub: Zum „Beweis“ sei hier ein einfaches Beispiel gerechnet:<br />

Ges.: Welches Rechteck ergibt bei konstant gehaltenem Umfang die größte Fläche?<br />

Ansatz: Fläche: A= xy ⋅ (14)<br />

Umfang: U= 2x+ 2y<br />

(15)<br />

Wir suchen das Maximum von A ⇒ δ A= x⋅ δ y+ y⋅ δx=<br />

0 (16)<br />

Umfang konstant ⇒ δU= 2δx+ 2δ y=<br />

0 (17)<br />

Mit dem unbestimmten Multiplikator α fassen wir (16) und (17) zusammen:<br />

δA+ α⋅ δU= x⋅ δ y+ y⋅ δx+ α⋅ 2δx+ 2δ y = 0<br />

( )<br />

δx und δy Terme zusammengefasst: ( ) ( )<br />

y+ 2α ⋅ δx+ x+ 2α δ y=<br />

0 (18)<br />

Wir betrachten x und y als Größen die unabhängig voneinander variiert werden.<br />

Dann ist (18) nur dann erfüllt, wenn beide Terme unabhängig Null sind, d.h. wenn<br />

( y+ 2α) = 0 und ( x+ 2α) = 0.<br />

Daraus folgt unmittelbar: x=y.<br />

Ergebnis: Ein Quadrat hat bei vorgegebenem Umfang die größte Fläche.<br />

Auf Gleichung (13) angewandt bedeutet dies, dass jeder der Summenterme unabhängig Null<br />

sein muss:<br />

α + β ⋅ Ei+ ln( Ni)<br />

für alle Werte von i.<br />

Nach Ni aufgelöst erhält man:<br />

Ei<br />

Nie e β α − ⋅ −<br />

= ⋅ (19)<br />

Ni<br />

Man kann nun (19) in (4): E = ∑ ⋅Eieinsetzen<br />

und die mittlere Energie berechnen, die<br />

i N<br />

R⋅T 1<br />

laut Gl. (1) ergeben muss. Daraus folgt, dass β = (20)<br />

2<br />

R⋅T WS2007 PC1/ Dr. Ogrodnik 5 <strong>Boltzmann</strong>verteilung<br />

ges


Betrachten wir nur das Verhältnis der Besetzungszahlen zweier Energieniveaus Ei und Ei, so<br />

kürzt sich der konstante Faktor e -α heraus und man erhält:<br />

( Ei−Ej) N −<br />

i RT ⋅ = e (21) <strong>Boltzmann</strong>faktor<br />

N<br />

j<br />

Der <strong>Boltzmann</strong>faktor ist ein zentrales Ergebnis der statistischen Thermodynamik und wurde<br />

anhand von puren statistischen Überlegungen abgeleitet.<br />

Der <strong>Boltzmann</strong>faktor gibt das Verhältnis der Besetzungswahrscheinlichkeiten zweier<br />

Zustände unterschiedlicher Energie an. Ist Ei>Ej (der Zustand i liegt oberhalb von j), dann ist<br />

der Quotient Ni/Nj < 1, d.h. der höher gelegene Zustand ist weniger stark besetzt als der<br />

energetisch tiefere.<br />

Fall: T→0: der Exponent geht → -∞, d.h. die e - Funktion geht gegen 0, d.h. der unteres<br />

Zustand ist ausschließlich besetzt.<br />

Fall: T→∞: der Exponent geht → 0, d.h. die e - Funktion geht gegen 1, d.h. beide Zustände<br />

sind im Grenzfall maximal gleich besetzt.<br />

Beachte: Ni ist immer kleiner als Nj. Es gibt im thermischen Gleichgewicht keine sogenannte<br />

Besetzungszahlinversion (Ni>Nj). <strong>Die</strong>se benötigt man z.B. um Laseremission zu erzielen.<br />

<strong>Die</strong> gesamte <strong>Verteilung</strong>sfunktion ergibt sich, wenn man den <strong>Boltzmann</strong>faktor auf die Summe<br />

aller Besetzungszahlen normiert:<br />

Ei<br />

−<br />

RT ⋅ Ni e<br />

i = = E j ∑ N j<br />

−<br />

RT ⋅<br />

j ∑e<br />

j<br />

f<br />

<strong>Boltzmann</strong>verteilung<br />

<strong>Die</strong> Zustandssumme: Der Summenterm im Nenner heißt die molekulare Zustandssumme.<br />

Sie gibt an wie viele Zustände insgesamt bei einer bestimmten Temperatur für ein Molekül<br />

thermisch zugänglich sind. Um sie berechnen zu können muss man die Energien Ej aller<br />

Zustände kennen. <strong>Die</strong> statistische Mechanik beschäftigt sich damit, wie man diese<br />

Zustandssumme für die verschiedenen Freiheitsgrade berechnen kann. Ist die Zustandssumme<br />

einmal ermittelt, dann lassen sich aus ihr alle thermodynamischen Funktionen einfach<br />

berechnen.<br />

WS2007 PC1/ Dr. Ogrodnik 6 <strong>Boltzmann</strong>verteilung

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