Kinetik
Kinetik
Kinetik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Geschwindigkeit von Reaktionen<br />
Bisher haben wir uns gefragt ob und in welche Richtung eine Reaktion abläuft<br />
(Thermodynamik).<br />
Jetzt fragen wir uns, wie schnell läuft eine Reaktion ab (<strong>Kinetik</strong>)?<br />
Warum hängt eine Reaktion von der Temperatur ab?<br />
Ansatz: Bestimme die Konzentration aller Reaktanden und Produkte zu<br />
verschiedenen Zeitpunkten der Reaktion.<br />
Wie Konzentrationen experimentell messen??<br />
Physikochemische Eigenschaften/Unterschiede der Reaktanden und Produkte<br />
benutzen.<br />
Druckänderung bei konstantem V messen (Gase)<br />
z.B.: 2N2O5(g) -> 4NO2(g) + O2(g)<br />
Für jedes Mol gasförmige N2O5 werden 5/2 Mol gasförmige Produkte gebildet<br />
Problem: unspezifisch<br />
Photometrie(UV-Vis/Fluoreszenz)<br />
Eine der Verbindungen muss ein charakteristisches Absorptionssignal haben.<br />
189
z.B.: H2(g) + Br2(g) -> 2 HBr(g)<br />
Elektrochemisch (z.B. CV) oder pH-Messungen<br />
Die Art oder Anzahl der Ionen muss sich im Verlauf der Reaktion ändern.<br />
Polarimetrie<br />
Kann bei optisch aktive Verbindungen (chiral) angewendet werden.<br />
z.B.: Rohrzuckerinversion<br />
Problem Zeitauflösung<br />
Proben entnehmen und analysieren (langsam bis zum GG, Minuten/Stunden)<br />
Quenching<br />
Schnellere Reaktionen (bis ~10μs). Stoppen der Reaktion zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt, z.B. durch Einfrieren (Freeze-Quench) oder starke Verdünnung.<br />
Strömungsmethode<br />
Schnelles Mischen der Reaktanden in einer Kammer (Reaktionsstart).<br />
Mischung durch Schlauch strömen lassen und Mischung an verschiedenen Orten<br />
messen (spektroskopisch).<br />
Problem: Für schnelle Reaktionen sind große Volumina/viel Substanz nötig.<br />
190
Stopped-Flow<br />
Reaktanden schnell mischen (Trigger) und in ein Strömungsrohr strömen lassen.<br />
Hier stoppt ein Kolben im Strömungsrohr die Strömung und die Reaktion kann<br />
in ruhender Lösung verfolgt werden (V ~1cm 3 ).<br />
Blitzlichtphotolyse<br />
Ein Lichtblitz startet Reaktion (z.B. Photolyse).<br />
Reaktion spektroskopisch (Emission, Absorption) verfolgen.<br />
Limitation: Länge der Laserpulse (standard Femtosekunden 10 -15 , frontier<br />
Atosekunden 10 -18 )<br />
Pump-Probe im Femtosekundenbereich<br />
191
Allgemein findet man, dass die Reaktionsgeschwindigkeit von den<br />
Konzentrationen und der Temperatur abhängt.<br />
Definition der Geschwindigkeit<br />
A + B -> C<br />
Reaktionsgeschwindigkeit definieren über die Bildungsgeschwindigkeit des<br />
Produkts oder die Verbrauchsgeschwindigkeit eines der Edukte.<br />
Verbrauchsgeschwindigkeit von A: vA = -<br />
Bildungsgeschwindigkeit von C: vC =<br />
d[<br />
A]<br />
dt<br />
d[<br />
C]<br />
dt<br />
Beide Geschwindigkeiten sind positiv und vA = vC.<br />
Dies ist komplizierter für komplexere Reaktionen:<br />
A + 2B -> 3C + D<br />
[molL -1 s -1 ]<br />
192
Bildungsgeschwindigkeit von C = 3*Verbrauchsgeschwindigkeit von A.<br />
Genauer bzw. eindeutiger für v:<br />
[ D]<br />
1 d[<br />
C]<br />
d[<br />
A]<br />
1 d[<br />
B]<br />
d<br />
dt<br />
Allgemein gilt für die Reaktionsgeschwindigkeit v:<br />
1<br />
v =<br />
ν j<br />
= = − = − = v<br />
3 dt dt 2 dt<br />
d[<br />
J ]<br />
dt<br />
νj ist für die Edukte negativ und für die Produkte positiv.<br />
Geschwindigkeitsgesetzte und Geschwindigkeitskonstanten<br />
Die Reaktionsgeschwindigkeit kann proportional zu den Konzentrationen zweier<br />
Reaktanden sein.<br />
v = k[A][B]<br />
k ist die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion, sie ist unabhängig von den<br />
Konzentrationen, aber abhängig von T.<br />
Solche Gleichungen lassen sich nur experimentell aufstellen und heißen<br />
Geschwindigkeitsgesetze.<br />
193
Geschwindigkeitsgesetze drücken die Geschwindigkeit einer Reaktion als<br />
Funktion der Konzentrationen aller an der Reaktion beteiligten Teilchen aus.<br />
Geschwindigkeitsgesetze ermöglichen:<br />
• Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeit zu jedem Zeitpunkt/jeder<br />
Zusammensetzung der Reaktionsmischung, wenn k bekannt ist.<br />
• Berechnung der Zusammensetzung zu einem späteren Zeitpunkt.<br />
• Liefert Hinweise auf den Mechanismus der Reaktion.<br />
Reaktionsordnung<br />
Entspricht der Potenz, mit der ein Teilchen im Geschwindigkeitsgesetz<br />
auftaucht.<br />
Beispiel:<br />
a) Zersetzung von Phosphin (PH3) an heißem Wolfram<br />
v = k<br />
0. Ordnung (unabhängig von der Konzentration der Edukte)<br />
b) thermische Zersetzung von Stickstoff(V)oxid<br />
N2O5(g) -> 2NO2(g) + O2(g)<br />
194
1. Ordnung<br />
c) A + B -> C<br />
1. Ordnung bezüglich A und B.<br />
v = k[N2O5]<br />
v = k[A][B]<br />
2. Ordnung bezüglich Gesamtreaktion (Summe der Ordnungen der beteiligten<br />
Teilchen).<br />
d) Oxidation von Stickstoff(II)oxid<br />
2NO(g) + O2(g) -> 2NO2(g)<br />
1. Ordnung bezüglich O2.<br />
2. Ordnung bezüglich NO.<br />
3. Ordnung bezüglich Gesamtreaktion.<br />
e) komplizierteres Beispiel<br />
½. Ordung bezüglich A.<br />
1. Ordnung bezüglich B.<br />
3/2 bezüglich Gesamtreaktion.<br />
v = k[A] 1/2 [B]<br />
195
f) noch komplizierteres Beispiel:<br />
1. Ordnung bezüglich H2.<br />
H2(g) + Br2(g) -> 2 HBr<br />
v =<br />
k[<br />
H 2 ][ Br2<br />
]<br />
[ Br ] + k'[<br />
HBr]<br />
Die Ordnung bezüglich Br2 und HBr ist nicht anzugeben.<br />
2<br />
Ordnungen können nur für Geschwindigkeitsgesetzte der Form [A] x [B] y [C] z ….<br />
angegeben werden.<br />
Nochmals: Das Geschwindigkeitsgesetz muss experimentell aufgestellt werden,<br />
es ergibt sich nicht zwangsläufig aus der Reaktionsgleichung (Br2 + H2 -> HBr).<br />
Wie ist das Geschwindigkeitsgesetzte experimentell zu ermitteln?<br />
Isoliermethode: Setze alle Reaktanden bis auf einen im großen Überschuss ein<br />
(großer Überschuss => Konzentration nahezu konstant).<br />
Beispiel:<br />
v = k[A][B]<br />
3<br />
2<br />
196
Ersetze [B] durch [B0]:<br />
v = k’[A] mit k’=k[B0]<br />
Dies ist ein Geschwindigkeitsgesetz Pseudo-1.Ordnung.<br />
Untersuche dieses Geschwindigkeitsgesetz und wende die Isoliermethode der<br />
Reihe nach auf alle Reaktanden an.<br />
Verfahren der Anfangsgeschwindigkeiten (Bestimmung der Ordnung)<br />
Bestimme die Anfangsgeschwindigkeit v0 für verschiedene<br />
Anfangskonzentrationen [A]0<br />
v0 = k[A]0 a<br />
lgv0 = lgk + alg[A]0<br />
und trage lgv0 gegen lg[A]0 auf. Die Steigung der Geraden liefert a.<br />
Integrierte Geschwindigkeitsgesetze<br />
Geschwindigkeitsgesetze sind Differentialgleichungen.<br />
197
Um die Konzentrationen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erhalten, muss man<br />
die Geschwindigkeitsgesetze integrieren.<br />
d[<br />
A]<br />
= −k[<br />
A]<br />
dt<br />
d[<br />
A]<br />
=> = −kdt<br />
[ A]<br />
A<br />
∫<br />
A<br />
0<br />
integrieren<br />
d[<br />
A]<br />
=<br />
[ A]<br />
∫<br />
t<br />
t =0<br />
0<br />
− kdt<br />
⎛ [ A]<br />
⎞<br />
=> ln ⎜ = −kt<br />
A ⎟<br />
⎝[<br />
] 0 ⎠<br />
bzw.<br />
[ A]<br />
= [ A]<br />
0e<br />
−kt<br />
Halbwertszeit<br />
Die Halbwertszeit ist die Zeit, nach der die Anfangskonzentration einer<br />
Substanz auf die Hälfte gesunken ist.<br />
198
⎛ [ A]<br />
⎞<br />
ln ⎜ = −kt<br />
A ⎟<br />
⎝[<br />
] 0 ⎠<br />
⎛ 0.<br />
5[<br />
A]<br />
⎜<br />
⎞<br />
⎟<br />
0 ln⎜ kt1<br />
[ A]<br />
⎟ = −<br />
⎝ 0 ⎠ 2<br />
kt1/2 = -ln0.5 = ln2<br />
ln 2<br />
t1/2 = ≈<br />
k<br />
ln0.<br />
7<br />
Temperaturabhängigkeit von Reaktionsgeschwindigkeiten<br />
Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt für die meisten Reaktionen mit T zu.<br />
Faustregel: Eine T-Erhöhung um 10° führt häufig zu einer Verdopplung der<br />
Reaktionsgeschwindigkeit.<br />
Die T-Abhängigkeit wird durch die Arrhenius-Gleichung beschrieben:<br />
k = Ae<br />
bzw.<br />
E A<br />
−<br />
RT<br />
k<br />
lnk = lnA – EA/RT<br />
Bestimmung von EA durch Auftragung von lnk gegen 1/T.<br />
-EA/R ist die Steigung und der Achsenabschnitt bei 1/T = 0 liefert lnA.<br />
199