Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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358 Dokumentation<br />
dessen um so mehr von den geheimen Waffen' und den „geheimen Kräften der<br />
Seele", so als ob diese, um ausgelöst und dann in ihrer ganzen unwiderstehlichen<br />
Gewalt wirksam zu werden, ein gewisses Maß von Rückschlägen geradezu zur<br />
Voraussetzung hätten.<br />
In der letzten Woche vor dieser Gauleiter-Tagung waren die Amerikaner nach<br />
Avranches durchgebrochen, die Russen hatten Brest-Litowsk und Kowno genommen<br />
und so die Heeresgruppe Nord erstmalig von Ostpreußen abgeschnitten, die<br />
Amerikaner besetzten Florenz, und in Warschau brach der polnische Aufstand aus.<br />
Angesichts dieser Situation sprachen an jenem 3. August in Posen Goebbels, der<br />
zum „Generalbevollmächtigten <strong>für</strong> den totalen Kriegseinsatz" ernannt worden war,<br />
über seine neue Aufgabe, Speer über die „Aufwärtsentwicklung" der deutschen<br />
Rüstung und die Notwendigkeit, wieder das technische Übergewicht über den<br />
Feind zu gewinnen, und zuletzt Himmler. Zum Abschluß der Tagung bezeichnete<br />
Bormann es als die geschichtliche Aufgabe der Partei, das deutsche Volk zum<br />
„Kampf <strong>für</strong> den Sieg des Reiches" bereit zu machen. Am anderen Tage, dem<br />
4. August, wurden die Teilnehmer von Hitler selbst empfangen, der ihnen bei<br />
dieser Gelegenheit erklärte, die Mobilisierung aller Kräfte in unserem Volke, wie<br />
sie heute stattfinde, hätte nicht erfolgen können, wenn das „verbrecherische Treiben"<br />
der jetzt beseitigten „Saboteure" weiter angedauert hätte 3 .<br />
Bormann war stets besorgt, Zeugnisse der wichtigsten politischen Vorkommnisse<br />
<strong>für</strong> eine spätere Geschichtsschreibung zu bewahren. Wie die Aufzeichnung der<br />
Äußerungen Hitlers nach Tisch auf seine Initiative zurückgeht, so ließ er auch ständig<br />
Kopien von Schriftstücken und Berichten, die ihm <strong>für</strong> eine künftige Parteigeschichte<br />
geeignet zu sein schienen, dem Hauptarchiv der NSDAP zuleiten. Einige<br />
dieser Stücke befinden sich jetzt im Archiv des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> München,<br />
zum Teil noch mit den von Bormann selbst unterzeichneten Begleitschreiben.<br />
Zu ihnen gehören auch die drei Posener Reden. Sie sind auf Schreibmaschinendurchschlägen<br />
erhalten und mit Diktatzeichen, vermutlich der Stenographen, versehen.<br />
Zwar fehlt gerade <strong>für</strong> diese drei Reden das Begleitschreiben; doch bürgt der<br />
Zusammenhang mit den andern „beglaubigten" Dokumenten, unter denen sie<br />
lagen, sowie das Aufbewahrungszeugnis <strong>für</strong> ihre Echtheit. Für die Echtheit der<br />
vorliegenden Rede spricht außerdem der unverwechselbare und kaum nachzuahmende<br />
Stil. Man vergleiche sie nur mit der stilistisch typischen Rede Himmlers,<br />
die aus dem Dokument 1918-PS in der „Blauen Serie" des IMT abgedruckt ist 4 .<br />
Himmler arbeitete im allgemeinen seine Reden nicht aus; er notierte sich nur<br />
Stichworte. Seine Diktion war frei von der typischen Gauleiterphraseologie; sein<br />
3 Völkischer Beobachter, Südd. Ausgabe, 7. August 1944. Nach dem Zeugnis Speers<br />
(IMT XVI, S. 541) hat Hitler auf einer Gauleitertagung im Sommer 1944 — wahrscheinlich<br />
ist die hier behandelte Tagung vom 3. und 4. August gemeint — bereits erklärt, „wenn das<br />
deutsche Volk in diesem Kampf unterliegen müsse, dann sei es zu schwach gewesen. Es habe<br />
seine Probe vor der Geschichte nicht bestanden und sei deshalb zu nichts anderem als zum<br />
Untergang bestimmt".<br />
4 Rede vom 7. September 1940, IMT XXIX, S. 98ff.