Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Reichsführer SS Himmler auf der Gauleitertagung am 3. August 1944 in Posen 373<br />
In diesen Stäben wurden zum Beispiel planmäßig die ausländischen Pressestimmen<br />
— und zwar die miesen ausländischen Pressestimmen — vervielfältigt — da<strong>für</strong> gab es<br />
eigene Stäbe — und nach unten gegeben, obwohl es verboten war. Ausländische Sender<br />
wurden nicht nur abgehört, sondern abgehört, aufgeschrieben und verbreitet 23 . Es riß<br />
ein Etappen- und Schlemmerleben ein in einer so schamlosen Form, daß die Etappe<br />
Gent ein schüchternes Jungmädchenstück dagegen war. Befehle wurden — alles<br />
Dinge, die wir praktisch nicht erfahren haben — 24 Stunden zu spät sehr oft gegeben.<br />
Sie wurden gegeben in einer sinnlosen Form, obwohl der Weitergeber des Befehls<br />
genau wüßte, daß dieser Sinn des Befehls gar nicht gemeint war. Wenn man aber ein<br />
Haarspalter oder Wortspalter ist, kann man natürlich aus einem Befehl auch etwas<br />
anderes machen. Es war immer zu fühlen. Aber beweisen Sie einmal, daß dieser<br />
Befehl mit Absicht 24 Stunden zu spät gekommen ist. Das können Sie gar nicht beweisen,<br />
weil der Betreffende sagt: Ich habe ihn am Soundsovielten abgegeben, Leitungsstörungen,<br />
tut uns leid. Oder: Ich habe ihn gefunkt, es ist die Funkstation ausgefallen.<br />
Oder: Wir wollten ihn funken, die Funkstation war bei uns kaputt. Oder:<br />
Ich habe einen Offizier mit dem Storch herübergeschickt, der hat sich verfranst, tut<br />
mir leid. Daß dann die Division draufgeht, weil sie sich zu spät absetzt, da die beiden<br />
Nachbardivisionen schon vorher abgehauen sind, ist peinlich, tut mir entsetzlich leid,<br />
aber leider kommt das im Kriege vor. Es ist merkwürdig, wo es immer gerade vorkommt.<br />
Aber es kommt eben vor, es ist nicht zu fassen.<br />
Die Pflichtauffassung gerade in den Stäben war in vielen Fällen eine katastrophale.<br />
Ich spreche über diese Dinge im Offizierkorps, das ich ja jetzt heranziehen muß und<br />
erziehen muß, ganz offen. Ich sage denen: Ich kann uns allen, nämlich den ganzen<br />
Soldaten oder Offizieren, nur eins wünschen: daß in der Kriegsgeschichte nie jemand<br />
auf den Gedanken kommt, einmal ein Buch darüber zu veröffentlichen, wie die Stellungen<br />
waren, wo er die Lichtbild aufnahmen und die Stellungskarten der russischen<br />
Stellungen und der deutschen Stellungen nebeneinandertut, rechte Seite russisch,<br />
linke deutsch. Wenn man da vom Don, Donez, Dnjepr, Wolchow, oder wo wir überhaupt<br />
waren, einmal einige Bände auflegen sollte, nur mit Luftbildaufnahmen, dann<br />
können Sie blind sagen: Das sind die russischen Stellungen. Denn da sind viele Stellungen.<br />
Die deutschen Stellungen sind da, wo nur eine einzelne ist, eine Schützenmulde,<br />
weil die Herren Offiziere während der Zeit im Dorf in einem russischen Haus<br />
mit russischen Weibern leben mußten, weil sie nicht vorn bei ihren Männern waren<br />
und weil selbstverständlich, wenn der Offizier nicht vorn ist, der Mann auch nicht<br />
vorn ist. Man grub sich ein paar Schützenmulden, es kam das Vorbereitungsfeuer der<br />
Artillerie, der Mann, die Fahrzeuge, die Panzer wurden aufgedeckt, wie sie dastanden,<br />
oder in der Schützenmulde totgeschlagen, es kam der Stoß von der russischen Infanterie,<br />
unterstützt mit Panzern. Der Mann hatte kein Panzerdeckungsloch. Selbstverständlich<br />
wurde er überrollt oder haute in den meisten Fällen dann vorher ab. Er<br />
mußte ja abhauen; denn in der Mulde kann er ja nichts machen. Dann war der Einbruch<br />
da.<br />
Mit vieler Mühe konnte man da oder dort den Einbruch wieder ausbügeln. Das<br />
ging noch in den Jahren 1941/42, manchmal auch 1943, wo die Infanterie noch Kraft<br />
in sich hatte. Das kostete aber alles unnütz Menschen. Dann legte man sich wieder<br />
in den Graben hinein.<br />
Der russischen Bevölkerung konnte man natürlich, wenn man mit ihr zusammenlebte<br />
und mit ihr zusammen sich amüsierte, nicht hart gegenübertreten. Wenn wir<br />
23 Himmler bezieht sich hier vermutlich auf die Presseabteilung im OKW und auf die in<br />
einigen hohen Stäben üblichen Auslandsinformationen des Ic. Das galt aber nicht <strong>für</strong><br />
das Ostheer, sondern nur <strong>für</strong> Stäbe der Militärregierungen auf dem Balkan, in Italien, Frankreich<br />
und in Skandinavien, die sich <strong>für</strong> Auslandsnachrichten interessieren mußten.