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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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376 Dokumentation<br />

mit England zu einem Friedensschluß kommen — genau die Gedanken von jetzt —,<br />

und zwar wäre die Voraussetzung, der Führer müßte eigentlich weg und müßte so<br />

ungefähr aufs Altenteil gesetzt werden, auf einen Ehrenpräsidentenposten, und seine<br />

Gruppe wäre sich darüber klar, daß sie es gegen die SS nicht gut durchführen könnte,<br />

deswegen hoffe sie, ich wäre ein verständiger und verantwortungsbewußter Deutscher<br />

— nur <strong>für</strong> Deutschland natürlich, um Gottes willen keine eigensüchtigen Sachen —,<br />

ob ich denn da nicht mittäte.<br />

Als ich das zum erstenmal hörte, ging ich sofort zum Führer und sagte: Den Kerl<br />

bringe ich jetzt um, so eine Unverschämtheit, mir überhaupt so einen Gedanken zuzumuten.<br />

Der Führer lachte und sagte : Nein, den werden Sie nicht umbringen, sondern<br />

anhören, lassen Sie sich den einmal kommen, das ist interessant, und wenn er sich bei<br />

der ersten Unterredung gleich verausgabt, dann können Sie ihn gleich festnehmen.<br />

Ich sage: Ich muß plein pouvoir haben, daß ich ihn auflaufen lasse, entweder gleich<br />

in meinem Zimmer verhafte oder später. Es gibt natürlich eine furchtbare Welle,<br />

Beschwerden hin und her. Es waren ja noch einige andere Herren dabei. Ein Kopf von<br />

denen ging nach der katholischen Seite, der saß und sitzt in der Schweiz, und einen<br />

anderen, einen hohen geistlichen Herrn, haben wir hier verhaftet, den haben wir<br />

schon. Es war ein Mann vom Auswärtigen Amt dabei, der schon zum Tode verurteilt ist,<br />

der Herr Gesandte Kiep. Der war aber auch bei dieser Sache mit dabei. Wir waren<br />

absolut an dem richtigen Kreis dran.<br />

Dann war der Herr Generaloberst Halder dabei. Wir mußten <strong>für</strong> alle Sachen Decknamen<br />

haben. Das ganze Problem lief unter dem Komplex „Barock", weil es so barock<br />

war. Herr Halder lief unter dem Namen „Reservist", weil er sich in Reserve hielt, um<br />

die deutsche Armee zu übernehmen. Darauf waren nämlich mehrere Anwärter.<br />

Die erste Aussprache mit Herrn Popitz ist nun sehr interessant gewesen. Es war<br />

meine erste Handlung als Reichsinnenminister, auch eigenartig. Wir haben die<br />

Unterhaltung dann auf Draht aufgenommen, damit sie festgelegt wurde. Er kam zu<br />

mir ins Reichsinnenministerium. Er traute sich aber nicht so ganz heraus, wie ich das<br />

gewünscht hätte. Er verlangte dringend sehr bald wieder nach einer Aussprache. Dann<br />

war mir aber die Sache noch zu unreif. Ich habe dem Führer darüber berichtet und<br />

sagte: Das ist noch nicht reif, da erwischen wir nämlich bloß ein paar Äußere, der<br />

Popitz ist nur am Rande, er tut mit, aber die Wichtigeren sitzen ganz woanders,<br />

sitzen in den Kreisen hinter Herrn Halder.<br />

Ich habe mir dann wenigstens den Mittelsmann einmal hereingeholt. Seit der Zeit,<br />

seit 3 /4 Jahren, sieht Herr Popitz so käsig aus. Wenn ihn jemand sah, war er<br />

so bleich wie eine Wand, das lebende schlechte Gewissen. Das glaube ich. Er schrieb<br />

Fernschreiben an mich, ließ antelefonieren, ließ fragen, was mit dem Dr. X wäre,<br />

was passiert wäre, und ich gab ihm sphinxhafte Äußerungen von mir, so daß er nie<br />

wußte, ist es so oder so passiert, geschieht es mit meinem Willen oder gegen meinen<br />

Willen. Ich sagte mir: Zum Weglaufen ist der Kerl zu feige, und tun wird er im<br />

Moment auch nichts, dazu hat er im Moment zu große Angst. Das hat sich auch als<br />

richtig herausgestellt.<br />

Herrn Halder haben wir auch nicht verhaftet, wir haben ihn bloß etwas im Auge<br />

behalten. Der war unten in Aschau in der Nähe und fuhr brav mit einem Auto, das<br />

er hatte, mit Unteroffizieren in allen Ehren herum.<br />

Einer, der ohne Zweifel gefährlich war, war der degradierte Generaloberst Höppner.<br />

Nun komme ich zu dem ganzen Komplex „Barock", wobei die alte Exzellenz Solf,<br />

die Witwe von dem Botschafter Solf, dann eine Familie v. Zarden beteiligt war, so<br />

ein richtiger reaktionärer Klüngel und Teequatsch, wovon viele zum Tode verurteilt<br />

sind. Die haben wir alle hochgenommen, die hatten wir alle bei uns. In der Armee<br />

reichten und genügten die Fäden nicht. Sie können sich vorstellen, wie ungeduldig<br />

wir waren, aber es langte einfach nicht, es war nicht zu greifen.

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