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30 JAHRE DGHS<br />

... und die Suizidrate ist<br />

Die deutsche Selbstbestimungsorganisation<br />

konnte Ende Jahr ihr<br />

30-Jahre-Jubiläum begehen. In<br />

Berlin hat die Deutsche Gesellschaft<br />

für humanes Sterben drei Tage lang<br />

Bilanz gezogen. «30 Jahre sind»,<br />

sagte DGHS-Präsidentin Elke Baezner,<br />

«ein Grund zum Feiern, aber<br />

nicht zum Nachlassen.»<br />

Entgegen allen Unkenrufen ist die<br />

Suizidrate in Deutschland gesunken.<br />

Vor Gründung der DGHS warnten<br />

die Selbstbestimmungsgegner, dass<br />

die Suizidrate massiv steigen werde.<br />

Als der Verein 1980 gegründet<br />

wurde, war das Gegenteil der Fall.<br />

Nach wenigen Jahren hatte die Gesellschaft<br />

mehrere zehntausend Mitglieder<br />

– und erstmals in Deutschland<br />

sank die Suizidrate. Das offene<br />

Ohr und die Beratungen haben, wie<br />

es auch bei EXIT in der Schweiz zu<br />

beobachten ist, eine suizidpräventive<br />

Wirkung. Allein das Wissen, im<br />

Notfall jemanden zu haben, der versteht<br />

und hilft, hat vielen Menschen<br />

Mut zum Weiterleben gegeben.<br />

Dieses vielleicht grösste Verdienst<br />

der Bürgerrechts- und Selbstbestimmungsbewegung<br />

DGHS, welche<br />

Sterbewillige ernst nimmt und nicht<br />

paternalisiert oder abkassiert wie<br />

im Gesundheitswesen, ist an einem<br />

Wochenende im November im Europa-Center<br />

in Berlin von Politikern,<br />

Organisationen und Mitgliedern gewürdigt<br />

worden. DGHS-Präsidentin<br />

Elke Baezner sagte zum Jubiläum:<br />

«Deutschland braucht eine neue<br />

Sterbekultur. Früher wusste man<br />

noch Sterbende zu umgeben und<br />

zu betreuen. Dafür, dass das wieder<br />

so wird, haben meine Vorgänger 30<br />

Jahre lang gekämpft. Aber auch die<br />

Mitglieder haben jeden Tag Überzeugungsarbeit<br />

geleistet. Das hält die<br />

DGHS zusammen.»<br />

Reden und Grussworte der Gäste<br />

folgten. Justizministerin Sabine<br />

Leut heusser-Schnarrenberger: «Ich<br />

möchte Ihre Arbeit ausdrücklich unterstützen.<br />

Die DGHS leistet Grosses<br />

für die Selbstbestimmung der Bürger<br />

auch am Ende des Lebens. Als Liberale<br />

bin ich der Meinung, dass jeder<br />

ein unveräusserliches Recht auf<br />

Selbstbestimmung hat. DGHS-Mitglieder<br />

unterstützen sich gegenseitig<br />

in Zeiten von Krankheit und setzen<br />

sich gleichzeitig gesamtgesellschaftlich<br />

ein.»<br />

Arthur-Koestler-Preis für Schweizer<br />

Die Presseauszeichnung der DGHS, der Arthur-Koestler-Preis,<br />

ging zum Jubiläum an<br />

einen Schweizer Journalisten. Der «NZZ-<br />

Folio»-Redaktor Reto U. Schneider wurde<br />

geehrt für «Bea geht». Seine Reportage erzählt<br />

von einer 36-jährigen Krebskranken,<br />

die nach vier Jahren Überlebenskampf den<br />

EXIT-Freitod wählte, um zu Hause und<br />

nicht im anonymen Spital sterben zu können.<br />

Jury-Präsidentin Beate Lakota, Wissenschaftsjournalistin<br />

beim «Spiegel», meinte<br />

zum ausgezeichneten Artikel: «Er ist ehrlich,<br />

emotional, ohne sentimental zu sein.<br />

Es geht nicht um die Entscheidung, sich das<br />

Leben zu nehmen, sondern er erzählt, was<br />

das alles mit sich bringt.» Laudator Gerhard<br />

Ramp, Vizepräsident der DGHS und<br />

Deutschlehrer, sagte: «Zum ersten Mal wird<br />

ein Nicht-Deutscher, der im Ausland publiziert,<br />

ausgezeichnet! Doch diese Reportage<br />

stach stark hervor. Sie ist nüchtern, erinnert<br />

an literarische Kurzgeschichten. Wir hoffen,<br />

dass möglichst viele deutsche Politiker<br />

diesen Text lesen.»<br />

Preisträger Reto U. Schneider gab an der<br />

Feier Einblick in die Geschichte hinter Beas<br />

Geschichte. Bea trat zwei Jahre nach der<br />

Diagnose EXIT bei. Einfach, um im Notfall<br />

einen Ausweg zu haben. Davor hatte Beas<br />

Ehemann befürchtet, sie würde sich ein<br />

Leid antun. Die Mitgliedschaft nahm die-<br />

Der Präsident des deutschen Bundestages<br />

Norbert Lammert, der Sterbehilfe<br />

selber ablehnt: «Die DGHS<br />

ist eine gewichtige Stimme in der<br />

kontroversen Debatte, die auch im<br />

Parlament quer durch alle Parteien<br />

verläuft. Mit Blick auf würdevolles<br />

Sterben gibt es letztlich wohl keine<br />

gesetzliche Lösung, denn der Sterbeprozess<br />

ist höchst indivi duell.»<br />

Der Beauftrage der deutschen Regierung<br />

für Patientenbelange Wolfgang<br />

Zöller: «Die DGHS hat wertvolle<br />

Arbeit geleistet. Die Achtung<br />

ihrer Menschenwürde und ihres<br />

Selbstbestimmungsrechtes ist für Patienten<br />

sehr wichtig. Mit der DGHS-<br />

Verfügung wurden von Anfang an<br />

solche Werte geschützt. Die DGHS<br />

hat einiges erreicht und wird auch in<br />

Zukunft Arbeit von unschätzbarem<br />

Wert leisten.»<br />

Aycke Smook, Europa-Präsident<br />

der Sterbehilfeorganisationen: «Sie<br />

haben in 30 Jahren viel erreicht:<br />

Schritt für Schritt kommt das Ziel in<br />

Sicht.»<br />

Margrit Weibel von EX-International<br />

überbrachte ein Wort von<br />

deutschen Patienten, die durch ihre<br />

Volksvertreter in grösster Not allein<br />

sen Druck von ihm. So erhielten die beiden<br />

zwei Jahre Zeit bis zu ihrem Tod, um sich<br />

voneinander zu verabschieden.<br />

Der Preis fürs «Lebenswerk» ging an den<br />

bekannten Berliner Arzt Michael de Ridder.<br />

Mit dem Buch «Wie wollen wir sterben?»<br />

hat er in Deutschland eine Diskussion –<br />

und vor allem viel Verständnis für die Sache<br />

– ausgelöst. Die DGHS-Präsidentin Elke<br />

Baezner nennt das Werk «wegweisend».<br />

Denn: Das Plädoyer für Sterbehilfe kam<br />

nicht aus Selbstbestimmungskreisen, sondern<br />

aus dem Krankenhausalltag, aus der<br />

Praxis eines Notarztes. Es ist bei den Lesern<br />

angekommen und hat unter Ärzten etwas<br />

bewegt.<br />

16 EXIT-INFO 4/2010

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