Deutsch (PDF) - Center for Security Studies (CSS) - ETH Zürich
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auch vorsichtigere, vor einer übereilten Abkehr von den bewährten Grundlagen<br />
westlicher Sicherheitspolitik warnende Stimmen zu hören.<br />
·So verwies insbesondere Lothar Rühl auf die ln den langen Jahrzehnten des Kalten<br />
Krieges erprobte Wirkung verteidigungspolitischer und militärischer Kooperation<br />
und Integration im Rahmen der Nato32 und trat folgerichtig dafür ein,<br />
diese Strukturen auch. in den kommenden Jahren und Jahrzehnten des unsicheren<br />
und risikoreichen Uebergangs zu bewahren. Diese "Rückversicherungsfunktion"<br />
des Atlantischen Bündnisses war im übrigen weitgehend unumstritten, betonte<br />
doch.z.B. auch Ernst-Otto Czempiel die Notwendigkeit einer (allerdings in<br />
ihrer etatmässigen Ausstattung stark reduzierten) Nato.<br />
Die Akzente wurden freilich anders gesetzt: Während Ernst-Otto Czempiel vor ·<br />
allem auf die sicherheitsfördernde Dynamik des Demokratisierungsprozesses<br />
und der Kooperation in gesamteuropäischen internationalen Organisationen<br />
setzte, betonte Lothar Rühl bei aller Anerkennung der Bedeutung dieser Anstrengungen<br />
die stabilisierende Wirkung militärischer Verteidigung und ihrer<br />
Integration im Rahmen des Atlantischen Bündnisses. Es sei zwar im Moment<br />
keine mit den Zeiten des Kalten Krieges vergleichbare Bedrohung aus dem Osten<br />
zu erkennen, doch könne heute nicht vorhergesagt; werden, wie sich die ehemalige<br />
Sowjetunion in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werde und mit welchen<br />
Machtkonstellationen sich die westlichen Staaten in zwanzig Jahren konfrontiert<br />
sehen werden. Ein gewisses Mass an militärischer Verteidigung sei daher<br />
nach wie vor. er<strong>for</strong>derlich, und nur die Koordination der Verteidigungsanstrengungen<br />
in gemeinsamen Integrationsstrukturen erlaube eine effiziente<br />
Nutzung der begrenzten Ressourcen tmd den Aufbau eines glaubwürdigen<br />
Sicherheitsdispositivs mit stark reduzierten Beständen.<br />
Eine an den Grundsätzen rationalen "contingency-plannings" orientierte Sicherheitspolitikmuss<br />
also danach trachten, bei den im gegenwärtigen Umfeld zweifelsohne<br />
angebrachten Reduktionen der bisherigen Verteidigungsanstrengungen<br />
nicht über das Ziel hinauszuschiessen. Dass der Krieg im heutigen Europa nicht<br />
mehr Mittel der Politik seisa, ist, wie Lothar Rühl angesichts der jüngsten Ereig-<br />
32 Zu den positiven Wirkungen militärischer Integration zählte Lothar Rühl vor allem auch die<br />
gegenseitige und gemeinsame Kontrolle der Streitkräfte der Partnerländer: ein für die<br />
Prävention zukünftiger militärischer Konflikte zweifelsohne besonders wichtiger Anreiz zur<br />
Schaffung militärischer Integrationsstrukturen.<br />
33 Vgl. dazu beispielsweise John Mueller, Retreat fro:rn Doomsday: The Öbsoliescence of Major<br />
War, New York, 1989, und die kritische Analyse von Carl Kaysen (Is War Obsolete?, in: International<br />
<strong>Security</strong>, Spring 1990, S.42-64).