la gueule - Junior Chamber Biel-Bienne
la gueule - Junior Chamber Biel-Bienne
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<strong>la</strong> <strong>gueule</strong><br />
das Magazin der <strong>Junior</strong> <strong>Chamber</strong> <strong>Biel</strong>-<strong>Bienne</strong><br />
4/2008<br />
Die Welt in <strong>Biel</strong> – Auswandern<br />
<strong>Bienne</strong> dans le monde – Émigrer<br />
Sponsored by:
Inserat Ediprim<br />
Andreas Renfer<br />
Aus<strong>la</strong>ndschweizer, Japan<br />
Editorial Extern<br />
Jedes Geschäft – sei es global oder lokal – beginnt mit Vertrauen<br />
Es spielt keine Rolle wie gut ihr Produkt oder Service ist, sie werden<br />
nicht erfolgreich sein bevor sie eine Vertrauensbasis zum Geschäftspartner<br />
geschaffen haben. Die Grund<strong>la</strong>ge dieser Vertrauensbasis baut auf<br />
gegenseitigem Respekt, auch dann wenn sie ihr Gegenüber nicht verstehen.<br />
Dies gilt speziell im internationalen Geschäft, wo Missverständnisse<br />
durch kulturelle Unterschiede viel häufiger auftreten. Das Ganze wird<br />
noch schwieriger, da jeder Mensch auch seine individuellen Ecken und<br />
Kanten hat. Es reicht also nicht, jemanden einfach als zugehöriger einer<br />
kulturellen Gruppe anzusprechen, sie müssen immer auch das Individuum<br />
dahinter berücksichtigen. Eine gute Strategie dies zu erreichen gründet<br />
auf der vorsichtigen Analyse der Reaktionen des Gegenübers, danach können<br />
sie ihr Verhalten entsprechend anpassen. Beachten sie den Tonfall<br />
und die Körpersprache, hören sie aktiv zu anstatt mit ihren eigenen Interessen<br />
vorzupreschen. Wenn sie diese Regel beachten, haben sie bereits<br />
sehr viel gewonnen - speziell in Japan.<br />
Es gibt unzählige Dinge, die ich an Japan schätze und liebe, zu viele<br />
um sie hier alle aufzuzählen! Ein Beispiel aus der Geschäftswelt ist<br />
der einzigartig hohe Standard beim Kundenservice. Bis heute bin ich<br />
immer wieder überrascht, was hier diesbezüglich geboten wird. In diesem<br />
Bereich können wir sicher noch viel von Japan lernen. Die Märkte werden<br />
globaler und die Kunden haben dadurch eine grössere Auswahl an potentiellen<br />
Geschäftspartnern, weshalb ein guter Kundenservice für Firmen immer<br />
wichtiger wird. Wenn Mitarbeiter die Kundenerwartungen positiv übertreffen,<br />
schlägt sich dies auch auf die Zufriedenheit jedes einzelnen<br />
Mitarbeiters nieder. Herausragender Kundenservice ist aber immer auch<br />
eine grosse Herausforderung. Rückblickend würde ich sogar sagen, eine<br />
meiner schwierigsten Aufgaben war es, unseren internationalen Liefe-<br />
<strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 1
anten den Wert und die Erwartungen der japanischen Kunden diesbezüglich<br />
k<strong>la</strong>rzumachen. Für jemanden der hier lebt, wird dieser Service alltäglich<br />
und zum eigenen Standard, wer aber noch nie mit der japanischen Servicekultur<br />
in Berührung gekommen ist, kann diese nur schwerlich erfassen.<br />
Mein Interesse für Japan wurde durch einen Studienaufenthalt in den USA<br />
geweckt. Ich begab mich im Jahre 1994 für ein Jahr nach Kalifornien, um<br />
mein Englisch zu verbessern. An der Schule haben sich unter den internationalen<br />
Studenten rasch zwei Gruppen gebildet. Die Asiaten, dominiert<br />
von den Japanern; und die Europäer, dominiert von den Deutschen. In<br />
den ersten zwei Wochen wandte ich mich fast nur den Europäern zu. Es<br />
war eine kulturelle Insel in der neuen Welt. Mir wurde aber rasch k<strong>la</strong>r,<br />
dass sich mein Englisch so nicht im gewünschten Masse verbessern wird.<br />
Deshalb hatte ich mich bewusst in die asiatische Gruppe begeben und<br />
bin dadurch vor allem mit der japanischen Kultur in Kontakt gekommen.<br />
Vieles war mir fremd, aber von Beginn weg war ich von der Achtung und<br />
dem Respekt der Japaner gegenüber anderen und anderem tief beeindruckt.<br />
Nach meiner Rückkehr ins See<strong>la</strong>nd war mir k<strong>la</strong>r, dass ich mich beruflich<br />
international ausrichten werde. Als kurz darauf im <strong>Biel</strong>er Tagb<strong>la</strong>tt eine<br />
Stelle für Tokio ausgeschrieben wurde, stand für mich ausser Frage: hier<br />
bewerbe ich mich. Ich erhielt die Stelle und p<strong>la</strong>nte für zwei bis drei<br />
Jahre in Japan zu leben. Unterdessen sind daraus 13 Jahre geworden. Ich<br />
habe eine permanente Nieder<strong>la</strong>ssungsbewilligung und gerade diesen Juni<br />
an der International University of Japan mein MBA abgeschlossen. Mit der<br />
Schweiz bin ich nach wie vor stark verbunden, beruflich besuchte ich die<br />
Schweiz in der Regel vier Mal pro Jahr. Und als ich die letzten zwei Jahre<br />
wieder Student war, habe ich ein Semester als „MBA Austauschstudent“<br />
an der Universität St. Gallen verbracht. Es hat riesig Spass gemacht,<br />
wieder einmal in der Schweiz zu leben. Die Lebensqualität in meiner<br />
alten Heimat ist wirklich gross, aber auch Japan ist mir stark ans Herz<br />
gewachsen. Ich geniesse das Spannungsfeld zwischen den beiden Kulturen<br />
und werde mich weiterhin mit Interesse und Freude darin bewegen.<br />
Andreas Renfer, Japan<br />
Tatjana Greber-Probst<br />
Editorial Intern<br />
Durch die neuen Kommunikationsmittel und die weltweite (elektronische)<br />
Vernetzung gibt es kaum mehr Grenzen für länderübergreifende<br />
Zusammenarbeiten: Produktionsstätten werden nach Asien oder Osteuropa<br />
ver<strong>la</strong>gert, die Buchhaltung nach Indien, der Verkauf nach Deutsch<strong>la</strong>nd<br />
und Telekommunikation nach Ire<strong>la</strong>nd oder Kanada. So werden<br />
Mitarbeitende, heute mehr denn je, in andere Länder entsendet und<br />
verbringen dort ein paar Jahre ihres Leben – und manchmal, wenn sich<br />
die Wurzeln besonders tief graben, kehren sie auch nicht mehr zurück<br />
in ihre Heimat.<br />
Durch die Globalisierung treffen aber unterschiedliche Kulturen,<br />
Religionen, Sprachen, hierarchische Gefüge und bürokratische Gegebenheiten<br />
aufeinander – eine Herausforderung mit welcher nicht alle<br />
gleich umzugehen wissen und woran viele scheitern. Es gilt mit den<br />
neuen Rahmenbedingungen umgehen und sich anpassen zu lernen und sich<br />
durch den Aufbau und die Vertiefung zwischenmenschlicher Beziehungen<br />
in das Kollektiv der neuen Heimat einfügen zu können. Mit dem Erlernen<br />
einer neuen Sprache ist zwar die Möglichkeit zur Kommunikation<br />
gegeben, hingegen ist dies kein Garant dafür, dass man auch verstanden<br />
wird und sein Umfeld sowie Handlungsweisen und Motive versteht.<br />
Ein „Ja“ in Asien ist zum Beispiel nicht gleich zu setzen mit einem<br />
„Ja“, wie wir es hier in der Schweiz kennen. Man muss sich mit der<br />
Kultur und den jeweiligen Werten, die in der neuen Heimat zählen,<br />
auseinandersetzen, um zu verstehen, dass die Wahrheit im Nichtgesagten<br />
liegt, dass es nicht darum geht, ob man angelogen wird oder<br />
nicht, sondern dass die kulturelle Prägung, das Hierarchiedenken in<br />
einem Land und die Wichtigkeit des Gesichtwahrens vielleicht einfach<br />
kein „Nein“ er<strong>la</strong>uben.<br />
2 <strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 3
Wenn man sich mit einer fremden Kultur auseinander setzt, kommt man<br />
aber nie darum herum, sich Gedanken um die eigene Herkunft, die eigenen<br />
Werte und Massstäbe, ja die eigene Kultur zu machen. Denn die<br />
eigene Kultur ist der Boden des Rucksacks, den man bei all seinen<br />
Reisen auf dem Rücken trägt, egal ob draussen in der Welt oder hier<br />
in <strong>Biel</strong>…<br />
Tatjana Greber-Probst<br />
Geschäftsführerin GLOBAL TRANSLATIONS GmbH<br />
& Com-Unic Global Training Switzer<strong>la</strong>nd<br />
Denys‘08<br />
Inhalt<br />
Sommaire<br />
Editorial extern 1<br />
Editorial intern 3<br />
Inhalt / Sommaire 5<br />
Auf nach Australien 7<br />
Le monde à <strong>Bienne</strong>, <strong>Biel</strong> in der Welt 10<br />
Interview mit Yannick Pelletier 13<br />
The four seasons in New York City 19<br />
Globalisierung in der Textil-Industrie 21<br />
Geburtstage / Anniversaires 26<br />
Anlässe / Événements 27<br />
Impressum 28<br />
<strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 5
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Werner und<br />
Pauline Etter<br />
Auf nach Australien!<br />
Die Geschichte von Werner Etter aus Madretsch<br />
Die Lebensgeschichte eines Menschen, der seine Heimat ver<strong>la</strong>ssen<br />
und sich zu neuen Ufern aufgemacht hat, ist immer spannend! Sie ist<br />
durchwoben von Abenteuerlust und Wagemut.<br />
Herr Werner Etter, den ich mit seiner Frau Pauline zum Interview auf<br />
der Terrasse des Restaurants Räblus im späten Sommer getroffen habe,<br />
erzählte freimütig eine gute Stunde <strong>la</strong>ng, ohne dass ich viele Fragen<br />
stellen musste. Somit lässt sich das Interview leichter als Geschichte<br />
erzählen.<br />
Werner Etter, am 2. August 1944 geboren und in Madretsch aufgewachsen,<br />
hatte sich das erste Mal mit dem Gedanken der Auswanderung auf<br />
der Sekundarstufe befasst. Es war ein Bleistiftspitzer mit kleiner<br />
Weltkugel, wie es sie heute immer noch gibt, der seine Aufmerksamkeit<br />
auf sich zog. Welches ist von der Schweiz aus gesehen, der am weitest<br />
gelegene Punkt der Erde, fragte er sich und sein Finger <strong>la</strong>ndete zwischen<br />
Australien und Neusee<strong>la</strong>nd. So fasste er den Entschluss, dass<br />
wenn er einmal <strong>Biel</strong> ver<strong>la</strong>ssen sollte, er dort hingehen würde.<br />
Er war 22 Jahre alt, hatte seine Ausbildung zum Hochbauzeichner abgeschlossen<br />
und bereits etwas Berufserfahrung gesammelt, als er sich<br />
im Jahre 1967 entschloss, sich nach Australien aufzumachen. Damals<br />
versuchte die australische Regierung Arbeitskräfte anzuwerben und so<br />
kam es, dass deren Botschaft in Bern, 2/3 seiner Reisekosten übernahm.<br />
Voraussetzung war, dass er sich verpflichtete, mindestens zwei<br />
Jahre <strong>la</strong>ng in Australien zu bleiben. Das letzte Drittel, welches er<br />
selber aufbringen musste, entsprach seinem damaligen Monatslohn. Er<br />
<strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 7
ging nicht alleine. Zwei seiner Kollegen, die ihn ursprünglich begleiten<br />
wollten, hatten zwar im letzten Augenblick kalte Füsse bekommen,<br />
seine damalige Freundin allerdings kam mit. Sie wählten nicht<br />
den schnellen, direkten Weg. Wenn sie schon <strong>Biel</strong> verliessen, dann<br />
wollten sie auch etwas von der Welt sehen! So nahmen sie den Zug nach<br />
Marseille und gingen auf eines der Auswanderungsschiffe in Italien<br />
an Bord. Acht Wochen dauerte die Reise auf dem Passagierschiff. Sie<br />
fuhren durch den Panamakanal und später an Tahiti und anderen Inseln<br />
des südlichen Pazifik vorbei, bevor sie nach Sydney ge<strong>la</strong>ngten. Dort<br />
wäre er am liebsten postwendend wieder nach Hause gefahren, hätte er<br />
nur das Geld dazu gehabt und wäre ihm da sein Stolz nicht im Wege<br />
gestanden. Lediglich 1000 CHF trug er noch bei sich. Er sprach kein<br />
englisch. Seine Beziehung hatte die Überfahrt nicht überstanden. Und<br />
alles in Australien war ihm fremd: das Essen wie die englische Fahrweise.<br />
Er hatte allerdings das Glück, in der Hauptstadt Canberra recht<br />
bald eine Stelle bei einem Architekten, einem gebürtigen Holländer,<br />
zu finden. Er musste zwar wieder die Schulbank drücken, um sich in<br />
„fuss und inches“ einzuarbeiten. Aber das metrische System wurde in<br />
der Zeit gerade in Australien eingeführt und das war seine Chance.<br />
Das Architektenbüro bewarb sich für die Ausführung des Townhalls in<br />
Amsterdam und er war derjenige, der die P<strong>la</strong>nung nach metrischem System<br />
zeichnen konnte. Von da an wurde es allmählich schön und er fing<br />
an, Australien zu mögen.<br />
Er befreundete sich mit Bernard, einem französischen Koch und zusammen<br />
beschlossen sie ein Auto zu kaufen und damit Australien zu<br />
erobern. Ein Jahr <strong>la</strong>ng dauerte diese Entdeckungsreise, von Süden<br />
nach Norden der westlichen Küste ent<strong>la</strong>ng, Bernards Hund immer mit im<br />
Gepäck. Mit Gelegenheitsjobs hielten sie sich über Wasser. In Darwin<br />
lernte er dann seine heutige Frau kennen. Und dies ausgerechnet kurz<br />
nachdem er beschlossen hatte, Australien zu ver<strong>la</strong>ssen und wieder in<br />
die Schweiz zurückzukehren.<br />
Bernard und Werner machten sich also auf, nach Europa zurückzukehren.<br />
Aber wieder nicht auf direktem Wege! Hund und Auto nahmen sie mit<br />
nach Singapur. Von dort aus erkundeten sie Ma<strong>la</strong>ysia. Anschliessend<br />
wurde der Hund nach Madras (Indien) eingeschifft. Sie selber folgten<br />
mit dem Flugzeug. Vier Monate <strong>la</strong>ng reisten sie durch Indien, Pakistan<br />
und den Iran bevor Bernard nach Frankreich und Werner nach <strong>Biel</strong> zurückkehrten.<br />
Wir schreiben das Jahr 1970.<br />
Bald packte Werner aber wieder das Fernweh nach Asien und er folgte<br />
dem Ruf der inneren Stimme.<br />
Erst 1972 kam er nach <strong>Biel</strong> zurück, hielt es hier allerdings nicht<br />
länger als vier Jahre aus. In dieser Zeit besuchten seine Frau, d.h.<br />
damalige Freundin, und er sich immer wieder gegenseitig. Glücklicherweise<br />
verbrachte sie 1974 Weihnachten in <strong>Biel</strong> als in Darwin der<br />
Wirbelsturm Tracy wütete. 1977 war nach 4 Jahren die Scheidung seiner<br />
Frau von ihrem damaligen Ehepartner endgültig vollzogen. Die <strong>Biel</strong>er<br />
Bauunternehmen steckten in der Krise. Der viele Nebel drückte ihm<br />
auf das Gemüt. Und so beschloss er nach Darwin zurückzukehren. Dort,<br />
so befand er, liess es sich leichter leben. Man stand sich nicht auf<br />
den Füssen. Zum einem bestand dort weniger Leistungsdruck. Zum anderen<br />
war (und ist immer noch) die Bevölkerungsdichte viel geringer als<br />
im See<strong>la</strong>nd. In der Umgebung von Darwin kann man stunden<strong>la</strong>ng spazieren<br />
gehen, ohne auch nur einer Menschenseele zu begegnen.<br />
Seitdem leben Werner und seine Frau Pauline in Darwin. Den Kontakt<br />
zur alten Heimat hat er jedoch immer aufrecht gehalten. Alle 2 bis<br />
3 Jahre kehrt er für rund 2 Monate zurück und besucht Verwandte und<br />
Bekannte. Als er in den 80er Jahre über einen Schweizer Honorarkonsul<br />
erfuhr, dass die Ingenieurschule <strong>Biel</strong> eine Teilnahme am World<br />
So<strong>la</strong>r Challenge p<strong>la</strong>nte, nahm er mit der Schule Kontakt auf. Seitdem<br />
begleitet er die Schweizer Teams auf ihrer rund 3‘000 Km <strong>la</strong>ngen<br />
Durchquerung von Australien von Darwin nach Ade<strong>la</strong>ide und fährt im<br />
Küchenwagen mit.<br />
Auf die Frage hin, wie er die Schweiz nun nach so vielen Jahren in<br />
der Fremde sieht, antwortet Werner Etter, dass die Schweiz ein sehr<br />
schönes Land ist. Er liebe die Landschaften, das Essen und die Blumenkästen,<br />
die die Häuser schmücken.<br />
Doch schon müssen Werner Etter und seine Frau aufbrechen, um die<br />
letzten Bekannten vor ihrer Rückreise zu besuchen. Dabei hätte<br />
ich gerne noch länger zugehört. Von seiner Frau habe ich nur wenig<br />
während des Interviews erfahren. Ich wusste von seiner Nichte,<br />
die mir zum Interview verholfen hatte, dass sie aus Griechen<strong>la</strong>nd<br />
stammt und dass ihre Familie im Perlengeschäft tätig ist. Auch ihre<br />
Geschichte wäre sicherlich nicht <strong>la</strong>ngweilig gewesen. Aber diese Erzählung<br />
war nicht abgemacht. Schade! Das Leben schreibt wirklich die<br />
spannendsten Geschichten. Und die Geschichte von Werner Etter aus<br />
Madretsch, der sich aufmachte, Australien zu entdeckten, werde ich<br />
nicht vergessen.<br />
Nathalie Wittig<br />
8 <strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 9
Ueli Knuchel und Vreni Loder<br />
Le monde à <strong>Bienne</strong>, <strong>Biel</strong> in der Welt<br />
Ueli Knuchel, Senater NO 45489, Weltenbummler<br />
„Marco Polos Koffer steht noch immer ver<strong>la</strong>ssen auf dem Bahnsteig no 4<br />
in Venedig…“<br />
So fängt ein kleines Büchlein an welches ich in den wilden 68 Jahren<br />
gelesen habe. Seitdem habe ich oft darüber nachgedacht was all die<br />
kleinen Marco Polos zu denen wir Weltenbummler gehören, bewogen hat<br />
von dem geborgenen zuhause auszuziehen, der Vergangenheit den Rücken<br />
zu kehren, um irgendwo der Sonne entgegen neue Horizonte zu entdecken.<br />
Am Anfang ist es sicher Abenteuerlust, aber auch natürliche<br />
Neugier etwas Neues zu entdecken oder ganz einfach ein Ausbrechen aus<br />
dem Alltag oder ein Abrechnen mit der Vergangenheit.<br />
Wenn ich heute zurück blicke auf die 25 Jahre welche ich in fremden<br />
Ländern auf 4 Kontinenten verbracht habe, und mich dazu äussern soll,<br />
welches meine Beweggründe sind, in die Ferne zu ziehen, so fällt es<br />
mir schwer eine genaue Antwort zu geben.<br />
Am besten kann ich unser Leben mit einer Zugsreise vergleichen. Irgendwann<br />
steigen wir ein. Wir reisen, wir steigen aus. Wir steigen<br />
wieder ein, und ziehen weiter.<br />
Es gibt manchmal Verspätungen oder sogar Entgleisungen. An manchen<br />
Halten erleben wir Überraschungen. Manche dieser Überraschungen<br />
werden uns Momente von Freude bringen, andere werden uns traurig und<br />
sorgenvoll stimmen. Aber stets fährt der Zug vorwärts. Es gibt kein<br />
Retourticket. Leute steigen zu uns in den Zug welche vielleicht später<br />
für uns wichtig sein werden. Manche dieser Menschen werden einen<br />
dauerhaften Einfluss auf uns haben, andere steigen ein und steigen<br />
aus ohne dass wir uns bewusst sind, dass sie mit uns mitgefahren<br />
sind.<br />
Auf unsere Zugreise werden wir die unterschiedlichsten Menschen ein-<br />
steigen und aussteigen sehen.<br />
Ich bin glücklich zu wissen, dass ich dazu beigetragen habe deren<br />
Gepäck zu erweitern und ihr Leben bereichert zu haben ebenso wie ich<br />
es schätze, was diese Leute zu meinem Gepäck und meinem Leben beigetragen<br />
haben.<br />
Das Abschied nehmen und die Trennung von diesen Freunden und Bekannten,<br />
ist manchmal schwer.. Aber sie haben einen eigenen Fahrp<strong>la</strong>n<br />
und machen ihre eigene Zugsreise. Die Reise geht weiter mit der Erinnerung<br />
an deren Freundschaft, Zuneigung und Grosszügigkeit.<br />
Manchmal sind wir traurig, dass einige Passagiere, welche wir schätzen,<br />
bevorzugen in einem anderen Abteil zu reisen. Das geht in Ordnung<br />
so, jedermanns Reise soll ausgefüllt sein mit Hoffnung, Träumen,<br />
Herausforderungen, Rückschlägen und Goodbyes. Wir müssen ständig<br />
bestrebt sein, unsere Mitreisenden zu verstehen und Ihre Werte zu<br />
erkennen: Wir sitzen alle im selben Zug.<br />
Letztenendes müssen wir alles daran setzten die Reise so fröhlich und<br />
angenehm als möglich zu gestalten und nie zu vergessen, dass jede<br />
Zugsreise an der Endstation fertig ist.<br />
Ueli Knuchel Senator NO 45483. Seit 33 Jahren glücklich verheiratet<br />
mit Vreni Loder. Beide sind wir geboren und aufgewachsen in <strong>Biel</strong>.<br />
Unsere Reisestationen bis anhin: Düsseldorf, Paris, Dakar, <strong>Biel</strong>,<br />
Porros Griechen<strong>la</strong>nd, Muiden Hol<strong>la</strong>nd, Essarois Burgund, Fitch Bay<br />
Quebec, Jekyll Is<strong>la</strong>nd Georgia. Unsere Winter verbringen wir im Süden<br />
der USA. Wir haben unzählige Freunde in <strong>Biel</strong> und auf der ganzen Welt<br />
zu welchen wir einen regen Kontakt haben. Wir sind seit einem Jahr<br />
Kanadische Staatsbürger. Es gibt keine Jaycees in Quebec. Deshalb bin<br />
ich seit 3 Jahren Mitglied im lokalen Rotary Club.<br />
Zurzeit arbeite ich für Senator Beat Schori an einem Projekt in China.<br />
Unser Haus ist zum Kauf ausgeschrieben. www.grandcharme.ca .Wir werden<br />
also demnächst an den Hauptbahnhof gehen, den Zug besteigen und<br />
bis zum nächsten Halt weiterreisen.<br />
Wohin der Zug fährt wissen wir beide nicht, das Geheimnis ist in<br />
Marco Polo’s Koffer.<br />
Ueli Knuchel<br />
10 <strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 11
Raumnutzung ist Ausdruck persönlicher Kultur.<br />
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Erscheinungen: La Gueule<br />
148 x 210 mm<br />
Yannick Pelletier<br />
Interview mit Yannick Pelletier<br />
Schachgrossmeister aus <strong>Biel</strong> mit Wohnsitz in Frankreich<br />
1. Wann sind Sie ausgewandert und was war Ihre Motivation, um nach<br />
Frankreich zu ziehen?<br />
Nach Montpellier umgezogen bin ich im Oktober letzten Jahres. Mit meiner<br />
Freundin haben wir eine Wohnung gekauft, und leben dort glücklich<br />
zusammen. Sie wohnt in Montpellier, seitdem sie 10 ist. Als wir uns<br />
dafür entschieden haben, zusammenzuziehen, kam die natürliche Frage,<br />
ob wir in <strong>Biel</strong> oder Montpellier leben sollten. Nun, Familie und Freunde<br />
leben wohl in der eigenen Stadt, sodass die Entscheidung sowieso schwer<br />
fallen würde. Als aussch<strong>la</strong>ggebend erwiesen sich berufliche Gründe. In<br />
<strong>Biel</strong> ist das Schachleben wohl ziemlich traurig, ausser während des<br />
sommerlichen Festivals. In Montpellier leben hingegen fast 10 Grossmeister,<br />
wobei diese Stadt nach Paris im schachlichen Sinne wohl die<br />
zweitstärkste Frankreichs ist.<br />
2. Wie unterscheidet sich Ihr tägliches Leben in Frankreich vom Leben<br />
in <strong>Biel</strong>?<br />
Der Hauptunterschied liegt nämlich darin, dass ich nicht mehr selbstständig<br />
lebe! Aber die Anpassung fiel natürlich nicht besonders schwer!<br />
3. Was ist besser und was ist weniger gut in Frankreich im Vergleich<br />
zum Leben in der Schweiz, was machen die Franzosen besser?<br />
Es ist schwer, sich vorzustellen, wie durcheinander die französische<br />
Burokratie funktioniert. Als Beispiel, die folgende Geschichte. Offiziell<br />
lebe ich in Montpellier seit dem 1. November 2007. Eine Woche<br />
zuvor melde ich mich beim Amt an, welches für alle sozialen Fragen<br />
verantwortlich ist. Wie <strong>la</strong>nge denken Sie, dass ich warten musste, bis<br />
ich eine Bestätigung erhielt? Über zwei Monate habe ich zuerst mal<br />
<strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 13
keine Nachrichten erhalten! Und nach weiteren drei bis vier Monaten<br />
erhielt ich einen Brief, der mir bestätigte, dass ich gesundheitlich<br />
versichert war! Es hat <strong>la</strong>nge gedauert, dafür bin ich aber gar zweimal<br />
gedeckt worden… nämlich mal als Yannick Pelletier, und mal als Yannick<br />
Pellettier … ! G<strong>la</strong>uben Sie mir, es braucht wirklich Nerven, um nicht<br />
durchzudrehen.<br />
Es gäbe noch einige Details, die das Leben in Frankreich weniger<br />
leicht machen als in der Schweiz. Aber insgesamt, kann man sich in<br />
unseren westeuropäischen Ländern natürlich nicht bek<strong>la</strong>gen. Ich bin<br />
schon zu Orten gereist, wo es wirklich nicht schön war.<br />
Geographisch und kulturell ist Frankreich wirklich ein wunderschönes<br />
vielseitiges Land. Ich habe es nicht erst jetzt kennengelernt, da ja<br />
ein Teil meiner Familie in der Bretagne wohnt. Und selbstverständlich<br />
habe ich auch Wettkämpfe in allen Ecken dieses Landes bestritten. Aber<br />
es fehlt (ja sogar Touristen) oft die Zeit, um all seine Facetten wirklich<br />
zu entdecken.<br />
Was die Mentalität betrifft, gibt es schon einige Unterschiede. Zwar<br />
würde ich im Gegensatz zu vielen Leuten nicht behaupten, dass Schweizer<br />
weniger offen sind (verglichen mit Frankreich oder sonst anderen<br />
Nachbarländern). Es scheint mir aber eindeutig, dass Schweizer konservativer<br />
sind. Und ich muss zugeben, dass mir das generell wenig<br />
gefällt.<br />
4. Was sind Ihre Ziele punkto Schach und wie charakterisiert sich Ihre<br />
Arbeit als Schachprofi?<br />
Mit fast 32 muss man auch im Schach ein bisschen bescheidener zur<br />
Sache gehen! Meine Ziele setze ich mir deshalb etwas kurzfristiger<br />
als vorher. Bis zum Ende des Jahres bestreite ich noch drei wichtige<br />
Turniere. Im November findet die Schacholympiade in Dresden statt. Die<br />
Schweizer Mannschaft wird wohl kaum um die vorderen Plätze kämpfen<br />
können. Trotzdem wird uns die ganze Schweizer Schachgemeinschaft beobachten,<br />
und ein gutes Abschneiden erwarten. Die Verantwortung ist<br />
deshalb grösser.<br />
Im Dezember habe ich dann die Gelegenheit, am FIDE Grand Prix in Doha<br />
teilzunehmen. Da sich dort ein wichtiger Teil der Weltelite trifft,<br />
werde ich einer der schlechtest eingestuften Spieler sein. Aber solche<br />
Herausforderungen gefallen mir!<br />
Im Moment bereite ich mich auf diese Turniere vor. Ich verbessere und<br />
erweitere mein Eröffnungsrepertoire (also Spielbeginne), und studiere<br />
auch wieder mehr Endspiele. Durchschnittlich bedeutet das 6 bis 7<br />
Stunden Arbeit pro Tag.<br />
5. Spielen Sie heute mehrheitlich in Frankreich oder in der Schweiz<br />
oder weltweit Turniere?<br />
Obwohl ich nun mehr Möglichkeiten habe, in Frankreich zu spielen,<br />
nehme ich mehrheitlich an Schweizer Wettkämpfen teil. Sonst spiele ich<br />
nach wie vor oft in den Nachbarländern; Und weltweit nur, wenn sich<br />
eine Gelegenheit bietet.<br />
6. Was sind Ihre Hobbies? Sind in Frankreich neue dazugekommen?<br />
Eigentlich habe ich wenige. Schach nimmt mir nämlich den grössten<br />
Teil meiner Zeit in Anspruch. Zu meinen früheren Hobbies (ein bisschen<br />
lesen, DVD schauen) dazu gekommen ist eigentlich nur Eines…: kochen!<br />
Vorher habe ich das auch gemocht, aber als Eigenständiger war ich natürlich<br />
wenig motiviert. Aber besonders viel Zeit und Energie verbrauche<br />
ich dafür nicht. Ich mag’s einfach.<br />
7. Wie gross ist der Bekanntheitsgrad des <strong>Biel</strong>er Schachfestivals in<br />
Frankreich?<br />
Unter Schachspielern natürlich sehr gross, zumal die Organisatoren oft<br />
einen Franzosen zum Grossmeisterturnier ein<strong>la</strong>den. Aber Schach bleibt<br />
in Frankreich nur eine Randsportart. Deshalb erscheint es fast nie in<br />
den Medien.<br />
8. Hat sich Ihr Bild von <strong>Biel</strong> gewandelt, seit Sie in Frankreich leben?<br />
Es ist ja noch nicht so <strong>la</strong>nge her! Es ist sicher noch zu früh, damit<br />
ich mir ein objektives Bild machen kann.<br />
9. Haben Sie vor, wieder einmal zurück nach <strong>Biel</strong> zu kommen und wenn ja<br />
weshalb?<br />
Wenn Sie meinen, zurück nach <strong>Biel</strong>, um dort wieder zu leben… meine Antwort<br />
zur ersten Frage sollte wohl genügen! Aber sonst komme ich natürlich<br />
regelmässig nach <strong>Biel</strong>. Wie vorher gesagt, spiele ich weiterhin oft<br />
in der Schweiz. Ich nutze diese Gelegenheiten, um einige Tage in <strong>Biel</strong><br />
zu verbleiben, und meine Familie zu besuchen.<br />
10. Haben Sie vor, Ihr Leben <strong>la</strong>ng als Schachprofi zu arbeiten oder p<strong>la</strong>nen<br />
Sie auf mittlere oder längere Sicht einen Berufswechsel?<br />
Wahrscheinlich ist es nun schon zu spät, um zu wechseln…! Spass beiseite,<br />
es gibt mehrere Grossmeister, die stärker waren als ich, und in<br />
einem höheren Alter ihre Lebensrichtung völlig geändert haben. Daher<br />
wäre es auch für mich theoretisch vorstellbar. Diese Spieler waren<br />
aber ehrgeiziger als ich, und hatten sich im Schach von Anfang an<br />
höhere Ziele gesetzt. Ausser in Kinderträumen habe ich natürlich nie<br />
gehofft, Weltmeister zu werden!<br />
Als bester gebürtiger Schweizer und einer der einzigen Schachprofis<br />
des Landes fühle ich aber eine zusätzliche Verantwortung gegenüber<br />
den nächsten Generationen. Würde ich nun oder in einigen Jahren aussteigen,<br />
könnte es für die Schweizer Schachjugend heissen, es sei<br />
wirklich unmöglich, als Schachprofi in der Schweiz zu leben. Nebenbei<br />
wurde meine Auswanderung von einigen Leuten in diesem Sinne falsch<br />
interpretiert. Aber nein! Auch in der teuren Schweiz ist ein Leben als<br />
Schachprofi möglich. Diese Lebensart gefällt mir und ich habe deshalb<br />
nicht vor zu wechseln. Falls ich damit auch junge Schweizer Talente<br />
inspirieren kann, bin ich natürlich umso froher.<br />
Yannick Pelletier<br />
14 <strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 15
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Cédric Huguenin<br />
ist seit 2003 Mitglied der<br />
Jungen Wirtschaftskammer in<br />
<strong>Biel</strong> und der Arbeitskommission<br />
„<strong>la</strong> Gueule“. Im Herbst<br />
2007 hat er die Schweiz<br />
für mindestens zwei Jahre<br />
ver<strong>la</strong>ssen und arbeitet in<br />
New York für eine Schweizer<br />
Grossbank.<br />
The four seasons in New York City<br />
Sommer-Herbst<br />
Gerade eben habe ich Handschuhe, Echarpe und Wintermantel abgelegt<br />
und soll nun einen Bericht über den Sommer und den Herbst in New York<br />
schreiben? Leider halten mittlerweile auch hier wieder winterliche<br />
Temperaturen einzug! Die gemütlichen Oktober-Abende auf der Dachterrasse<br />
liegen eine Weile (viel zu <strong>la</strong>nge) zurück – und bereits haben<br />
wir uns das erste Fondue gegönnt und die kitschige Weihnachts-show in<br />
der Radio City Hall besucht (Nb – völlig identisch mit der letztjährigen)…<br />
Apropos Oktober: Nun lebe ich schon seit über einem Jahr hier in<br />
New York und habe mich bestens eingelebt. Abgesehen von Thomy Senf,<br />
Aromat, Schoggi und Nivea Haar<strong>la</strong>ck komme ich bestens ohne Schweizer<br />
Produkte aus. In den nächsten Tagen werde ich – ganz nach dem Vorbild<br />
vieler Amerikaner - einen Thanksgiving Truthahn verzehren und viel<br />
zu oft schleichen sich Anglizismen in Gespräche mit Freunden und Familie<br />
aus der Schweiz - „if you know what I mean?“<br />
Nachfolgend eine Definition von Anglizismus, über welche ich zufälligerweise<br />
gestolpert bin: „Anglizismus ist something von den blödesten<br />
things, die es in der german <strong>la</strong>nguage gibt. Ein Anglizismus comes<br />
from dem Englischen. Anglizismen killen unsere coole Sprache. Auf<br />
jedem Loser-Event trifft man sie an, und jeder Lamer und jeder Noob<br />
benutzt sie, again and again.“ In diesem Sinne bin ich bemüht, möglichst<br />
die Sprache Goethes zu pflegen.<br />
Die im Januar-Artikel aufgeworfene Frage, ob der in Honolulu geborene<br />
afroamerikanische Barack Hussein Obama nächster Präsident wird, ist<br />
mittlerweile beantwortet. Nebst feurigen Präsidentschaftskampagnen<br />
<strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 19
war der Sommer und Herbst in den USA äusserst ereignisreich: Die<br />
Finanzmärkte kol<strong>la</strong>bierten weiter und namhafte Firmen berichteten Liquiditätsprobleme<br />
oder gar Insolvenz. Ironischerweise wird die Krise<br />
in den USA insgesamt weniger dramatisch aufgenommen und die Debatten<br />
sind weniger emotionsge<strong>la</strong>den. Gründe dafür mögen einerseits kulturell<br />
bedingt sein (die Hoffnung stirbt zuletzt) und andererseits ist<br />
die Amerikanische Wirtschaft im Vergleich zur Schweizerischen auch<br />
deutlich weniger von der Finanzindustrie abhängig.<br />
Abgesehen von den Gewitterwolken an den Finanzmärkten waren die<br />
Sommer- und Herbstmonate äusserst sonnenreich (NYC liegt ungefähr<br />
auf dem gleichen Breitengrad wie Neapel). Selbstverständlich habe ich<br />
etliche Stunden im Central Park verbracht (siehe Artikel Frühling)<br />
und habe die Stadt per Fahrrad erkundet. Mit der notwendigen Portion<br />
Vorsicht ist Manhattan überaus velofreundlich. Bisher waren alle<br />
Besucher positiv von diesem Abenteuer überrascht. Mit dem Drahtesel<br />
über die Brooklyn Bridge oder den Times Square zu radeln ist ein<br />
einmaliges Erlebnis.<br />
Mein nächster Aufenthalt in der Schweiz ist für Weihnachten/Neujahr<br />
gep<strong>la</strong>nt. Besinnliche Weihnachtsabende verbringe ich dann doch am<br />
liebsten im Kreise meiner Familie.<br />
Herzliche Grüsse aus New York – häbet’s guet!<br />
Cédric Huguenin<br />
Ein Insider-Bericht von<br />
Adrian Ruhstaller, Gründer<br />
und Inhaber der Outdoor-<br />
Bekleidungsmarke R’ADYS mit<br />
Sitz in Nidau am <strong>Biel</strong>ersee<br />
Globalisierung in der Textil-Industrie<br />
R’ADYS AG, Hersteller hochwertiger Outdoor-Bekleidung<br />
Wenige Jahrzehnte ist es her, dass die Schweiz eine weltweit führende<br />
Rolle in der Textil-Industrie spielte. Ganze Talschaften wie z.B. G<strong>la</strong>rus<br />
oder die Surselva waren mehrheitlich in der Textil-Industrie tätig.<br />
So war zum Beispiel die Tuchfabrik Trun mit rund 400 Mitarbeitern<br />
der grösste Arbeitgeber in der Surselva. Auf allen Stufen der textilen<br />
Herstellungskette wurde in der Schweiz gefertigt. Durch die Industrialisierung<br />
wurden im 18. und 19. Jahrhundert möglichst viele arbeitsintensive<br />
Prozesse durch den Einsatz von Maschinen beschleunigt, was in<br />
den besagten Textil-Hochburgen zu grossen Umwälzungen und Notständen<br />
führte.<br />
Im zweiten Teil des 20. Jahrundert wurde die Textilindustrie nochmals<br />
komplett umgebaut. Herstellende Betriebe gingen fast vollständig ein.<br />
Überlebt haben einzig hochspezialisierte zuliefernde Firmen, die z.B.<br />
Spezial-Stoffe herstellen (Schoeller Textil in Sevelen SG, Eschler<br />
Swissknit in Bühler AR) oder hochtechnische Maschinen wie Webstühle,<br />
Stickerei-Automaten und Hochfrequenz-Schweissapparate für den Export<br />
fertigen (Rieter, Saurer, Schips). Einzig im Hochpreis-Segment konnten<br />
sich herstellende Betriebe behaupten wie die aufwändigen Stickereien<br />
aus dem Raum St. Gallen beweisen, die erst neulich wieder für Furore<br />
in der Haute Couture gesorgt haben.<br />
Vor allem die grossen Mode-Ketten wie C&A und Vögele haben sehr früh<br />
eine Ver<strong>la</strong>gerung der Produktion in Tieflohn-Länder forciert und den<br />
tiefen Preis als wichtiges Kaufkriterium positioniert. In Europa waren<br />
Portugal, Rumänien und die Türkei wichtige Länder für Näharbeiten bevor<br />
sich die Ver<strong>la</strong>gerung unaufhaltsam Richtung Osten fortsetzte. Dank<br />
20 <strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 21
22<br />
der britischen Kron-Kolonie Hong Kong entstand ein textiler Cluster im<br />
Süden von China. Millionen von Wanderarbeitern haben sich Jahr für Jahr<br />
aus den weit abgelegenen Provinzen nach Südchina begeben, um dort als<br />
Näher 7 Tage in der Woche in drei 4-Stunden-Blöcken pro Tag für einen<br />
bescheidenen Lohn zu arbeiten. Nur einmal im Jahr über Chinese New<br />
Year Ende Januar reisen die Wanderarbeiter für 3 Wochen zurück zu ihren<br />
Familien.<br />
In den letzten 8 Jahren hat sich die Situation in Südchina jedoch rasant<br />
verändert. Im Jahr 2000 verdiente ein gut angelernter Näharbeiter<br />
neben Kost+Logis ca. 200 CHF im Monat und es herrschte ein Angebots-<br />
Überschuss an Arbeitswilligen. Heute ist das monatliche Einkommen eines<br />
Nähers mit etwas Erfahrung auf ca. 800 CHF angestiegen und es ist sehr<br />
schwierig, genügend ausgebildetes Personal zu finden. Der stark monetär<br />
motivierte Chinese wechselt von Arbeitgeber zu Arbeitgeber, sobald er<br />
am anderen Ort etwas mehr Lohn erhält. Oft schliessen sich die Näher zu<br />
20 – 30 Mann starken Gruppen zusammen, um mehr Verhandlungspower gegenüber<br />
dem Arbeitgeber zu erhalten. Dies führt zu der paradox erscheinenden<br />
Situation, dass ein Hochschu<strong>la</strong>bgänger im Dienstleistungssektor<br />
in China weniger verdient, als ein gleichaltriger angelernter Näharbeiter.<br />
Der Grund: Die Chinesen im stark entwickelten Süden Chinas möchten<br />
heute nicht mehr in die Fabrik arbeiten gehen und die noch weniger<br />
entwickelten Gebiete im Norden und Westen Chinas haben nun ihre eigenen<br />
Fabriken, weshalb der Strom an Wanderarbeitern <strong>la</strong>ngsam versiegt.<br />
Als Person mit einem hohen Gerechtigkeits-Sinn kann ich diese Tendenzen<br />
wohlwollend akzeptieren, auch wenn dies in den vergangenen Jahren zu<br />
deutlich höheren Einkaufspreisen für meine Firma geführt hat. Ich sehe<br />
viel mehr die Chance, dass die zum Teil gegeisselte Globalisierung<br />
mittelfristig zu einer Angleichung der Lohnniveaus führt und somit auch<br />
der Druck nach einer Beschaffung vom anderen Ende der Welt abnimmt.<br />
Wieso soll es in Zukunft nicht wieder möglich sein, dass wir in der<br />
Schweiz wieder selbst Textilien vollstufig und nachhaltig herstellen<br />
können?<br />
Mit dem Projekt „MyShell – swiss custom made“ haben wir uns vor 2 Jahren<br />
auf den Weg gemacht, diese Vision umzusetzen. Dieser Weg war bis<br />
jetzt um einiges steiniger, als ich es mir zu Beginn vorgestellt hatte.<br />
Einfache Dinge, die von meinen Fernost-Lieferanten in wenigen Wochen<br />
oder sogar Tagen umgesetzt werden, mussten in monate<strong>la</strong>nger Arbeit<br />
entwickelt werden. Es ist für die Schweiz fast etwas beschämend, wie<br />
man die einstige Textil-Führerschaft abgegeben hat. Zum Glück konnten<br />
wir die wenigen verbleibenden Schweizer Nischen-P<strong>la</strong>yer motivieren, uns<br />
bei diesem Vorhaben zu unterstützen und so verarbeiten wir ab 2009 in<br />
den ehemaligen Tuchfabrik-Hallen in Trun GR hochfunktionelle Schweizer<br />
Schoeller-Stretch-Stoffe und Schweizer Riri-Reissverschlüsse zu massgeschneiderten<br />
und nach Kundenwunsch ausgestatteten Wetterschutz-Jacken<br />
und -Hosen – 100% swiss made! Dies ist unser Beitrag zu einer nachhaltigeren<br />
globalisierten Welt.<br />
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Enten legen ihre Eier in aller Stille.<br />
Hühner gackern dabei wie verrückt.<br />
Was ist die Folge?<br />
Alle Welt isst Hühnereier. Henry Ford<br />
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Geburtstage<br />
Anniversaires<br />
Dezember / Décembre<br />
Weyrich Hansruedi 01.12.1964<br />
Wittig Markus 02.12.1969<br />
Knuchel Ulrich 17.12.1950<br />
Januar / janvier<br />
Bühler Dominque 03.01.1975<br />
Esseiva Michel 17.01.1951<br />
Flückiger Hans 31.01.1950<br />
Stampfli-Hitz 18.01.1966<br />
Februar / février<br />
Junod Etienne 12.02.1964<br />
Züger Stefan 14.02.1963<br />
Alioth Stephan 21.02.1972<br />
März / mars<br />
Ranft Cyrill 16.03.1974<br />
Manigley Dominique 17.03.1950<br />
Grossenbacher Ruedi 24.03.1957<br />
Anlässe<br />
Événements<br />
Januar / janvier<br />
Afterwork hören 14.<br />
JCI-Skimeisterschaften Wengen 23-25.<br />
Skinacht Frutigen 30.<br />
Februar / février<br />
Afterwork riechen 11.<br />
Skiweekend Twinning in Engelberg mit JC Mikkeli 27/28/01.<br />
März / mars<br />
An<strong>la</strong>ss mit Lions: Sexarbeiterinnen 4.<br />
Curlingturnier JCI Switzer<strong>la</strong>ndAfterwork 14/15.<br />
Generalversammlung 21.<br />
26 <strong>la</strong> <strong>gueule</strong> 4/2008 27
28<br />
Impressum<br />
«<strong>la</strong> <strong>gueule</strong>»<br />
«<strong>la</strong> <strong>gueule</strong>» erscheint vier Mal pro Jahr in einer Auf<strong>la</strong>ge von 1200<br />
Exemp<strong>la</strong>ren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Vervielfältigung<br />
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«<strong>la</strong> <strong>gueule</strong>» paraît quatre fois par an. Tirage 1200 exemp<strong>la</strong>ires.<br />
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Marc Weiss, www.wcd.ch<br />
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