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Demokratie- theorien

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Bändigung staatlicher Gewalten durch Recht, Gesetz und Legitimationspflicht<br />

Zwei Werke ragen in demokratietheoretischer Hinsicht heraus: die Staatstheorie<br />

von John Locke (1632-1704), insbesondere die Two Treatises of Government (1690),<br />

die Zwei Abhartdlungen zur Regierung, und die Gewaltenteilungslehre Montesquieus<br />

(1689-1755), von der das nächste Kapitel handelt.<br />

Mit Zwei Abhandlungen zur Regierung legt Locke das Fundament einer weltlich<br />

legitimierten, antiabsolutistischen Staatsverfassung. Die dort entfaltete Lehre<br />

von der rechtmäßigen, nicht-absolutistischen Staatsverfassung kleidet er in die<br />

Sprache der naturrechtlich, eigentumsrechtlich und konstitutionalistisch begründeten<br />

Lehre der legitimen Herrschaft über grundsätzlich freie, gleiche Staatsbürger.<br />

Locke kritisiert die absolutistische Monarchie radikal im Unterschied zu<br />

Hobbes. In diese Kritik und Lockes Lehre von der rechten Herrschaft gehen nicht<br />

nur politische Überzeugungen ein, sondern auch religiös tief verankerte. Sie wurzeln<br />

in der Auffassung, die Menschen seien Geschöpfe Gottes (Cranston 1985:<br />

210). Nicht minder einflussreich ist Lockes konfessionelle Bindung. Er gehört zu<br />

einer Partei, die in England einen katholischen Thronfolger, obendrein einen mit<br />

absolutistischen Neigungen, mit allen Mitteln zu verhindern sucht. Das ist angesichts<br />

der anstehenden Thronfolge des zum Katholizismus konvertierten Bruders<br />

von König Karl Il. eine reale Gefahr. Auch sie gehört zum Kontext der Zwei Abhandlungen<br />

zur Regierung. Diese sind nicht nur eine "systematische Absage an den<br />

Absolutismus", sondern auch eine "politische Streitschrift" (Schwaabe 2007a:<br />

152). Sie richtet sich gegen den drohenden Absolutismus des Königshauses der<br />

Stuarts und soll, so die Hoffnung ihres Auftraggebers, des Grafen von Shaftesbury,<br />

zur Abwehr einer katholischen Thronfolge in England dienen.<br />

Von der Kritik der absoluten Monarchie und vom Entwurf einer freieren<br />

Staatsverfassung handelt ein Großteil der Zwei Abhandlungen zur Regierung. Die<br />

erste Abhandlung hinterfragt die Rechtfertigung der absoluten Monarchie. Ihr<br />

Objekt der Kritik ist allerdings nicht Hobbes, sondern vielmehr Robert Filmers<br />

Patriarcha, or the Natural Power of Kings (1680), das "Flaggschiff des Royalismus im<br />

17. Jahrhundert" (Goldie 1985: 313). Filmers patriarchalische Staatslehre hatte das<br />

Königtum aus der Herrschaftsgewalt abgeleitet, die Gott Adam gegeben habe,<br />

und in der absoluten Monarchie die einzig legitime Herrschaftsordnung gesehen.<br />

Filmers Patriarcha spiegelte den PatriarchaUsmus der damaligen Agrargesellschaft<br />

wider, deckte sich mit der staatskirchlichen Orthodoxie, sprach aus, was<br />

das Volk gerne hörte, und wurde vom Hof und von den Königstreuen hoch geschätzt.<br />

Die Konstruktion des Naturzustandes aber, mit der Denker wie Thomas<br />

Hobbes und nun auch John Locke argumentierten, war für den PatriarchaUsmus<br />

Filmers Teufelszeug.<br />

Von Hobbes' De1YWkratiekritik zu<br />

Filmers Lehre kam auch der anglikanischen Staatskirche gelegen. Zudem<br />

war sie politisch einflussreich. Wer sie kritisierte, riskierte einiges. Die Königstreuen<br />

zu Lockes Zeiten beriefen sich weitgehend auf Filmers Begründung monarchischer<br />

Herrschaft aus dem "divine right of kings", dem göttlichen Recht der<br />

Könige. Locke aber verwarf Filmers Ableitung politischer Prinzipien aus der<br />

Heiligen Schrift. Insoweit folgte er Hobbes' Spuren. Der Lehrmeinun& wonach<br />

der Herrscher von Gott legitimiert sei, versagte er ebenso seine Zustimmung wie<br />

der Auffassung, die patriarchalische Familie sei ein auch für die Politik geeignetes<br />

Muster.<br />

Das bereitet den Boden für die Zweite Abhandlung über die Regierung. Sie wird<br />

die "Hauptschrift des Anti-Absolutismus" (Brandt 2008: 312). In ihr entwirft<br />

Locke, weit über den Auftrag einer Kampfschrift gegen die katholische Thronfolge<br />

hinausgehend, eine naturrechtlich fundierte Gesellschafts- und Staatstheorie,<br />

die viele jener Grundsätze des späteren Liberalismus andenkt, die in der Geschichte<br />

der <strong>Demokratie</strong> und der <strong>Demokratie</strong>theorie einflussreich werden sollten,<br />

die natürliche Freiheit und Gleichheit des Menschen beispielsweise und das<br />

Recht jedes Einzelnen auf Eigentum. Darunter versteht Locke im engeren Sinne<br />

Besitz an materiellen Gütern und im weiteren Sinn "Lives, Liberties, and Estates"<br />

(Two Treatises of Government li, § 123), also Leben, Freiheit und Vermögen (Schochet<br />

2000). Hinzu kommen die religiöse Toleranz, die Suprematie der Gesellschaft<br />

über das Politische, sodann die Herrschaft des Rechts, ferner die Gewaltentrennung<br />

zwischen Legislative und Exekutive, weiterhin das Widerstandsrecht<br />

der Bürger gegen jede unrechtmäßige Regierung und überdies das Regieren mit<br />

eng begrenztem Staatszweck und begrenzten Machtmitteln der öffentlichen Gewalt,<br />

und zwar auf der Basis der Zustimmung des Staatsvolkes ("government by<br />

consent"). Dadurch wird Locke "einer der Väter der Gewaltenteilungslehre"<br />

(Ottmann 2006: 361) und ein Vorkämpfer der Lehre von der Volkssouveränität<br />

(Euchner 2004), obwohl er diese Begriffe nicht gebraucht.<br />

Locke zufolge besitzt der Mensch im Naturzustand das Recht auf Leben, Freiheit<br />

und Besitz und ist berechtigt, dieses mit Gewalt zu verteidigen. Dementsprechend<br />

ist der eigentliche Zweck des Gemeinwesens, das die freien Bürger per Gesellschaftsvertrag<br />

gründen, vorrangig der Schutz des Eigentums im oben erwähnten<br />

dreifachen Sinne von Leben, Freiheit und Besitz. Ein radikaler Bruch in der<br />

Lehre legitimer Herrschaft und in der Bestimmung der Zwecke des Gemeinwesens!<br />

Nicht mehr um Verbesserung oder Erlösung der Seelen geht es in Lockes Staatstheorie.<br />

Nicht auf Bestrafung von Laster oder Sünde zielt sie oder darauf, Wahrheiten<br />

zu propagieren oder die Herrschaftsgewalt durch göttlichen Auftrag zu legitimieren.<br />

Vielmehr rückt Lockes Staatstheorie den Rechtsanspruch der Bürger auf Schutz

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