Demokratie- theorien
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102 Teill: moderner <strong>Demokratie</strong><strong>theorien</strong><br />
5.3 Konzeption der Federalist Papers<br />
Für die neue Bundesverfassung zogen die Federalist Papers ins Feld und nahmen<br />
dabei zugleich die Argumente der Anti-Föderalisten unter Beschuss. Ihren Beitrag<br />
zur Debatte eröffneten sie mit einem geschickten Schachzug: Durch die Benennung<br />
ihrer Artikel als "Federalist Papers" beanspruchten sie die wahren Unionisten,<br />
die "Föderalisten", zu sein. Das sollte ihre Widersacher zu "Anti<br />
Föderalisten" stempeln und in die Defensive drängen. Zum besseren Verständnis<br />
ist dies hinzuzufügen: "Föderal" war in Amerika bis dahin weithin der Gegenbegriff<br />
zu "national" oder "bundesweit". Mit ihm war ein Attribut der Staatsmacht<br />
der Einzelstaaten gemeint, vor allem ihre auf Verträgen mit anderen Einzelstaaten<br />
basierende Beteiligung an einer Konföderation. Indem Hamilton, Madison<br />
und Jay ihre Fürsprache für ein stärker nationales, zentralstaatliches Regierungssystem<br />
als "föderalistisch" auswiesen, wollten sie die positiven Konnotationen<br />
des "Föderalen" auf ihr Projekt umleiten.<br />
Bei diesem Vorhaben kamen ihnen gute Ausbildung, Gelehrsamkeit und Erfahrung<br />
in der Politik zugute. Alle drei Verfasser der Federalist Papers hatten studiert:<br />
Madison in Princeton, Hamilton und Jay an der Columbia University. Und<br />
alle drei hatten schon beträchtliche politische Erfahrungen gesammelt trotz<br />
ihres jungen Alters. Überdies konnte jeder von ihnen für die Federalist Papers eine<br />
besondere Kompetenz einbringen. Hamilton, der 51 Artikel zu den Federalist<br />
Papers beisteuerte und vor allem für den pragmatisch-politischen Teil des Werkes,<br />
insbesondere die finanzpolitischen Fragen, zuständig war, befürwortete eine<br />
starke Bundesregierung. Hamilton, später der Secretary of the Treasury des ersten<br />
Präsidenten der USA, George Washington (Amtszeit 1789-1797), warb vor allem<br />
für eine starke Bundesregierung, weil andernfalls der Zusammenhalt der Union<br />
gefährdet sei und die für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung erforderliche<br />
politische Basis fehle. Eine kraftvolle Regierung ist Voraussetzung für Freiheit,<br />
einschließlich des freien wirtschaftlichen Handelns, so lautete seine Devise.<br />
James Madison, von Hause aus Politiker und Politiktheoretiker, später Präsident<br />
der Vereinigten Staaten von Amerika (1808-1817) und Südstaaten-Laudbesitzer<br />
mit Sklavenwirtschaft, befürwortete im Unterschied zu Hamilton ein am<br />
kurzen Zügel geführtes Regierungssystem und eine streng gezügelte Bundesregierung.<br />
"Limited govemment" war ein Stichwort, "checks and balances" ein<br />
zweites: Sicherungen und Gegenkräfte sollten das eigeninteressierte Tun und<br />
Lassen der Mehrheit, auch das der politischen Führer, begrenzen, so Madisons<br />
Leitidee. Madison zeichnete mit seinen 29 Beiträgen zu den Federalist Papers vor<br />
allem für konzeptionelle verfassungspolitische Artikel verantwortlich. Unter<br />
Die Federalist<br />
ihnen ragen zwei besonders häufig zitierte Artikel hervor, der 10. und der 51.<br />
Artikel. Der dritte im Bunde war John Jay, ein wohlhabender New Yorker<br />
Rechtsanwalt, der später der erste Oberste Richter der USA wurde (1789-1795).<br />
Jay, von Hause aus Jurist und Politiker, steuerte den Federalist Papers fünf Beiträge<br />
bei, hauptsächlich zu außenpolitischen Fragen.<br />
Die Federalist Papers sind in vier Teile gegliedert. Die ersten 14 Artikel erörtern<br />
die Wichtigkeit der Union der amerikanischen Staaten. Die folgenden acht<br />
Artikel decken Mängel der damals bestehenden Konföderation auf und schildern<br />
ihre innen- und außenpolitische Schwäche, ja: Überforderung. Die Artikel 23 bis<br />
36 erörtern die Grundzüge der neuen Verfassung, mit der die nordamerikanischen<br />
Staaten ihre Herausforderungen meistem könnten. Allerdings entstehen<br />
hierdurch neue Probleme, die womöglich die Vorwürfe seitens der Gegner der<br />
Verfassung bekräftigen könnten. Der Entkräftung dieser Vorwürfe widmen sich<br />
die restlichen der insgesamt 85 Artikel. Ihnen zufolge regelt die neue Verfassung<br />
den Konflikt zwischen bürgerlicher Freiheit und Sicherheit besser als alle anderen<br />
Verfassungen, während die Argumente der Anti-Föderalisten das Freiheitsziel<br />
zum Schaden der Sicherheit voranstellten. Doch um Freiheit und Sicherheit zu<br />
optimieren, müsse die Staatsverfassung wohlgeordnet sein, und zwar nicht direktdemokratisch,<br />
sondern repräsentativdemokratisch, nicht konföderal, sondern<br />
bundesstaatlich, und nicht ungebremst demokratisch, sondern republikanisch<br />
und verfassungsstaatlich.<br />
5.4 Politische Grundlinien<br />
Am wenigsten umstritten waren im Grundsatz die Argumente zugunsten einer<br />
stärkeren Zentralregierung. Denn die Sorge, ihre Schwäche mache die nordamerikanischen<br />
Staaten womöglich wieder zu "Sklaven Europas" (Hampsher-Monk<br />
1992: 214), trieb auch die Anti-Föderalisten um. Nachweislich hatte sich der Staatenverbund<br />
von 1777 als nicht ausreichend handlungsfähig erwiesen. Abzusehen<br />
war, dass er vor noch größeren Aufgaben versagen würde. An dieser Stelle hatten<br />
die Autoren der Federalist Papers mit ihrem Plädoyer für wirksame Stärkung der<br />
Zentralgewalt vergleichsweise leichtes SpieL<br />
Schwieriger zu vermitteln war hingegen ihr Anliegen, in einem großen Flächenstaat<br />
eine republikanische Staatsverfassung föderalistischer Art einzurichten.<br />
Das stand quer zur bis dahin herrschenden Überzeugung, <strong>Demokratie</strong> und Republik<br />
könnten nur in kleinräumigen Gemeinwesen funktionieren und nur dort<br />
könnte man die Regierungsweise auf Bürgertugenden gründen. Überdies sei in