Demokratie- theorien
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Teil 1: Vorläufer moderner <strong>Demokratie</strong><strong>theorien</strong><br />
KapitelS<br />
Die Federalist Papers: Zügelung der <strong>Demokratie</strong> durch<br />
Repräsentation, Konstitutionalismus und Föderalismus<br />
Die nächste Station auf dem Weg von den älteren zu den modernen <strong>Demokratie</strong><strong>theorien</strong><br />
ist das Nordamerika von 1787 und 1788. Zu dieser Zeit wurden die Federalist<br />
Papers geschrieben und veröffentlicht, eine mittlerweile weltberühmte Zeitungsartikelserie,<br />
die für die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika<br />
werben soll. Verfasst wurden die Artikel von Alexander Hamilton (1755-1804),<br />
James Madison (1750-1836) und John Jay (1745-1829), allesamt junge Männer der<br />
amerikanischen Revolution und Angehörige der Oberschicht des Landes.<br />
Ein politisches Motiv trieb die Verfasser der Federalist Papers an: Sie wollten<br />
Partei für den Entwurf der Verfassung ergreifen, durch den die lose Union der<br />
amerikanischen Staaten zu einem handlungsfähigen Bundesstaat geformt werden<br />
sollte. Ihre Hauptadressaten waren die New Yorker Wähler und Deputierten des<br />
Ratifizierungskonventes, der über Annahme oder Ablehnung des Entwurfs der<br />
Bundesverfassung zu befinden hatte. Die Werbung für die neue Verfassung bestimmte<br />
die Struktur der Federalist Papers, ihre Tonlage und Schwerpunkte (Kielmansegg<br />
2007: 352ff.). Auch deshalb ähnelt ihr Duktus dem Plädoyer eines Verteidigers<br />
vor Gericht. Zugleich aber sind die Federalist Papers ein "Meisterwerk<br />
der politischen Argumentierkunst" (Hennis 1999: 369), das von dem engagierten<br />
Plädoyer zugunsten einer handlungsfähigen Union der nordamerikanischen<br />
Staaten über die sachkundige Erörterung der Schwächen der Konföderation bis<br />
zur gelehrten, konsensorientierten Werbung für die als leistungsfähiger einge<br />
stufte neue Bundesverfassung reicht.<br />
5.1 Der politische Kontext<br />
Dem Streit zwischen den "Federalists", den Föderalisten, so die Selbstbezeichnung<br />
derBefürwortereines handlungsfähigen Bundes, und den "Anti-Federalists", den<br />
Gegnern der Ratifizierung des Verfassungsentwurfs, lagen schwere Konflikte<br />
zugrunde: zwischen Südstaaten und Nordstaaten, zwischen kleinen und großen<br />
Staaten und zwischen unterschiedlichen Vorstellungen von der Machtverteilung<br />
zwischen den Gliedstaaten und der Union sowie innerhalb des Bundes (Howard<br />
2001). Die politische Ausgangslage war heikel. Nach dem Sieg im Unabhängigkeitskrieg<br />
(1775-1783) hatten Streitigkeiten und neue Herausforderungen die<br />
Die F ederalist Papers 99<br />
Union der dreizehn nordamerikanischen Staaten, die sich mit den 1777 beschlossenen<br />
und 1781 in Kraft getretenen Articles of Confederation zu einem Staatenbund<br />
zusammengeschlossen hatten, zutiefst erschüttert_! Diese Union war ein loser<br />
Verbund, eine weder außen- noch innenpolitisch hinreichend handlungsfähige<br />
Konföderation. Die einzige föderationsweite Einrichtung war der Kongress, die<br />
Vertretung der Mitgliedstaaten. Doch der Kongress war kaum mehr als eine<br />
"Botschafterversammlung" (Adams/Adams 1994: xxviii). Ihm fehlte das Instrumentarium<br />
zur Sicherung der Union nach innen und außen. Auch war ihm das<br />
Recht verwehrt, Steuern zu erheben. Schon die ersten Belastungsproben hatte die<br />
Konföderation der amerikanischen Staaten nicht bestanden- gleichviel, ob es sich<br />
um den Streit über die Verteilung der Kriegslasten handelte, um Auseinandersetzungen<br />
über Ansprüche auf noch unerschlossenes Gebiet im Westen Amerikas,<br />
um Konflikte über die inflationär wirkenden Papiergeldemissionen einiger Mitgliedstaaten,<br />
um Wirtschaftskrisen oder um politische Unruhen, wie die Rebellion<br />
bankrotter Farmer, die 1786 Massachusetts erschütterte. Für neue Herausforderungen<br />
unionsinterner oder -externer Art war dieser "konföderierte Staat"<br />
(Howard 2001: 180) nicht gerüstet. Mehr noch: Ohne grundlegende Reform der<br />
Union musste sogar mit dem Rückfall in neue Abhängigkeit von ausländischen<br />
Mächten gerechnet werden.<br />
Der mangelnden Handlungsfähigkeit der Konföderation suchte eine Koalition<br />
von Reformern abzuhelfen, die sich dem Projekt einerneuen Verfassung für<br />
die nordamerikanischen Staaten verschrieb. Aus ihren Bestrebungen entstanden<br />
der Entwurf einer neuen Verfassung für Amerika und schließlich ein Verfassungstext,<br />
der den Mitgliedstaaten der Union zur Ratifizierung vorgelegt wurde.<br />
In Kraft treten konnte diese Verfassung in den Staaten, die ihre Zustimmung<br />
erteilt hatten, sofern neun der 13 Unionsmitglieder in eigens hierfür eingesetzten<br />
Ratifikationskonventen ihr zustimmten.<br />
1 Seine Mitglieder waren Connecticut, Delaware, Georgia, Massachusetts Bay, Maryland,<br />
New Hampshire, New Jersey, New York, North Carolina, Pennsylvania, Rhode Island and<br />
Providence Plantation, South Carolina und Virginia. Ein Bundesstaat entstand erst mit dem<br />
Irrkrafttreten der neuen Verfassung am 4. März 1789. Ihm schlossen sich 1789 und 1790 die<br />
Mitglieder der zuvor erwähnten Konföderation an. 1836 war der Kreis der Unionsstaaten<br />
auf 25 angewachsen, 1850 mit Kalifomien auf 31. Im Jahre 1900 wurden 44 Mitgliedstaaten<br />
gezählt und seit 1959, dem Jahr der Aufnahme von Alaska und Hawaii, 50.