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Demokratie- theorien

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72 Teil1: moderner <strong>Demokratie</strong><strong>theorien</strong><br />

wesen (Althusser 1959). Gewiss: Montesquieu ist nicht fortschrittsoptimistisch,<br />

sondern konservativ (Aron 1968, Neumann 1986a). Er setzt auf den Adel und auf<br />

gezügelte Königsherrschaft Allerdings beeindrucken ihn die freiheitlichen Ordnungen,<br />

vor allem diejenige Englands, und dies lässt ihn nach einer geeigneten<br />

Mischung von monarchischer, aristokratischer und demokratischer Herrschaft<br />

suchen (Krause 2000). Letztlich befürwortet Montesquieu eine konstitutionell<br />

verfasste aufgeklärte Monarchie auf der Basis einer gesellschaftlichen Gewaltenteilung<br />

zwischen Krone, Adel und Bürgertum und auf der Grundlage gegenseitiger<br />

Kontrolle der Staatsgewalten (Riklin 1989). Die gemäßigte Monarchie auf<br />

institutioneller und sozialer Gewaltenverteilungsbasis ist das Leitbild (Weinacht<br />

1999). Und damit erfahren demokratische Elemente der Staatsverfassung eine<br />

größere Wertschätzung als zuvor.<br />

3.3 Montesquieus Gewaltenverteilungslehre<br />

Vom Geist der Gesetze ist ein wirkungsmächtiger Beitrag zur Verfassungslehre.<br />

Besondere Bedeutung kommt dem England-Kapitel im XI. Buch des Werkes zu.<br />

In ihm analysiert Montesquieu die "konstitutionelle Maschinerie" (Aron 1968: 34)<br />

einer zeitgenössischen gemäßigten Monarchie. Und dort entwickelt er ein Ideengebäude,<br />

das lange fehlgedeutet wurde, nämlich als Theorie der Gewaltentrennung,<br />

als Theorie der Separation der Staatsgewalten Legislative, Exekutive und<br />

Judikative in voneinander abgeschottete Teilgewalten. In Wirklichkeit aber konstruiert<br />

Montesquieu ein freiheitliches Modell der Gewaltenverteilung und -balance<br />

(Riklin 1989, 1999). Ausdrücklich spricht er im XII. Buch des Vom Geist der<br />

Gesetze von einer "certaine distributiondes trois pouvoirs", also von Verteilung<br />

oder Aufteilung der öffentlichen Gewalten, nicht von Separierung und wechsel­<br />

seitiger Isolierung (Imboden 1959, Korioth 1998). Montesquieus Gewaltenverteilung<br />

beruht auf einer Synthese von "Legalität, Grundrechten, Machtteilung und<br />

Mischverfassung" (Riklin 1989: 420), an der die maßgebenden gesellschaftlichen<br />

Kräfte beteiligt sind: Krone, Adel und Bürgertum.<br />

Das demokratietheoretisch Bedeutungsvolle von Montesquieus Gewaltenverteilungsmodell<br />

liegt vor allem in dreierlei. Die "Grundidee" hat Riklin so<br />

benannt: "Weil der Mensch, der Macht hat, zum Machtmissbrauch neigt, wenn er<br />

nicht auf Grenzen stößt, ist es zwingend, dass die Macht auf mehrere Machtträger<br />

verteilt wird, die sich wechselseitig am Machtmissbrauch hindern" (Riklin 2006:<br />

290). Deshalb lautet Montesquieus Leitsatz: "que le pouvoir arrete le pouvoir".<br />

Jede Staatsgewalt hat die andere in Schach zu halten (De l'Esprit des Loix XI, 4)<br />

Idee der <strong>Demokratie</strong>" 73<br />

der Gegensatz zu Bodins oder Hobbes' Lehre der ungeteilten Souveränität könnte<br />

nicht größer sein. Zweitens kommt die Auffassung hinzu, die Gewaltenbalance<br />

sorge für Sicherheit und Freiheit. Und drittens geht es um Einbindung auch der<br />

<strong>Demokratie</strong> in ein System der Mischverfassung und Machtteilung (Riklin 1989,<br />

2006: 269ff.).<br />

Montesquieus Modell der Gewaltenbalance besteht aus vier Komponenten:<br />

1) den Staatsgewalten ("pouvoirs", "puissances"), die in legislative, exekutive<br />

und rechtsprechende Gewalt unterschieden werden, 2) den tonangebenden ge­<br />

sellschaftlichen Kräften, vor allem Krone, Adel und Besitzbürgertum, 3) den<br />

Staatsorganen, zu denen die Wahlberechtigten zählen, die Volkskammer, die aus<br />

Erbadligen zusammengesetzte Adelskammer, das periodisch in neuer Zusammensetzung<br />

tagende und durch Los aus dem Volk hervorgehende Volksgericht,<br />

weiterhin das Adelsgericht als Ausschuss der Adelskammer des Parlaments,<br />

überdies der Monarch als Erbmonarch und die Minister als Berater des Königs,<br />

und 4) den Befugnissen ("facultes"), wozu beispielsweise die Kompetenz, Reprä­<br />

sentanten zu wählen und Gesetze zu erlassen, gehört.<br />

Die Komponenten des Gewaltenbalancemodells verknüpft Montesquieu<br />

nach bestimmten Regeln (Riklin 1989: 429). Der ersten Regel zufolge kann keine<br />

Freiheit herrschen, wenn zwei oder drei Gewalten ausschließlich nur einer gesellschaftlichen<br />

Kraft oder einem Staatsorgan zustehen. Der zweiten Regel nach kann<br />

keine Freiheit gegeben sein, wenn eine der drei Gewalten ausschließlich nur einer<br />

gesellschaftlichen Kraft oder einem Staatsorgan anvertraut ist. Die dritte Regel<br />

besagt, es könne keine Freiheit geben, wenn die tonangebenden gesellschaftlichen<br />

Kräfte nicht an jeder der drei Gewalten angemessen beteiligt werden, sofern sie<br />

diesen unterworfen sind. Der vierten Regel zufolge sollen Gleichheit und Unabhängigkeit<br />

der wichtigsten gesellschaftlichen Kräfte - wiederum sind Krone,<br />

Adel und Bürgertum gemeint- die Grundlage der Zusammenarbeit bilden.<br />

Montesquieus System der Gewaltenteilung sieht die Verteilung und Beschränkung<br />

der Staatsgewalten und der gesellschaftlichen Kräfte vor. Die daraus<br />

resultierende Architektur der institutionellen und sozialen Gewaltenbalancierung<br />

lässt sich mit Riklin so beschreiben: "Die gesetzgebende Gewalt ist auf die drei<br />

sozialen Kräfte Volk, Adel und König bzw. die drei Organe Volkskammer, Adelskammer<br />

und Monarch verteilt. Dabei hat das Volk bzw. die Volkskammer die<br />

stärkste Stellung, der Monarch die schwächste, während der Adel bzw. die<br />

Adelskammer die Mitte einnimmt - Mitte im Doppelsinn von mittlerer Stärke<br />

und vermittelnder Kraft. Kein Gesetzgebungsakt kommt zustande ohne die Zu­<br />

stimmung aller drei sozialen Kräfte bzw. aller drei mit gesetzgebenden Kompetenzen<br />

ausgestatteten Organe. Auch die ausführende Gewalt liegt in den Händen

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