2010-2 Tradition und Kultur - Schweizerischer Verband der ...
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geln, Lebkuchen, kleinen Würstchen<br />
<strong>und</strong> oft auch Kleingeld gefüllt <strong>und</strong><br />
nach Hause getragen.»<br />
Aus heutiger Sicht <strong>und</strong> zeitgemässer<br />
Interpretation des Begriffes immaterielles<br />
<strong>Kultur</strong>erbe darf man also mit<br />
Fug <strong>und</strong> Recht von einer lebendigen<br />
<strong>Tradition</strong> sprechen. Ein immaterielles<br />
<strong>Kultur</strong>gut also, dessen Gr<strong>und</strong>struktur<br />
seit Jahrh<strong>und</strong>erten die gleiche ist,<br />
dessen äussere Ausdrucksform (Masken,<br />
Darbietungen) von den Ausfüh -<br />
renden aber immer dem (Zeit-)Geist<br />
angepasst wurde <strong>und</strong> wird.<br />
Es gibt auch<br />
schwarze<br />
Indianer …<br />
TRADITION UND KULTUR<br />
BERN<br />
BÜRGERGEMEINDEN BERNER-<br />
OBERLAND<br />
Dieser lebendig gebliebene Brauch –<br />
ein Stück (Dorf-)<strong>Kultur</strong> mit <strong>Tradition</strong> –<br />
passt denn auch nicht so recht in das<br />
enge Korsett eines Antragsformulars<br />
<strong>der</strong> geplanten Inventarisierung. Die<br />
Schwierigkeiten beginnen schon bei<br />
Punkt eins, <strong>der</strong> Berechtigung zur Antragstellung.<br />
Denn, einen Antrag auf<br />
Einschreibung können u.a. Vertreterinnen<br />
<strong>und</strong> Vertreter einer Gruppe<br />
von Personen stellen, die immaterielles<br />
<strong>Kultur</strong>erbe aktiv pflegen. Nur, in<br />
Bönigen existieren diese Personen als<br />
Gruppe nicht. Es sind vielmehr Grosseltern<br />
<strong>und</strong> Eltern die, zusammen mit<br />
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ihren Enkelkin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>n –<br />
ohne (lästige) Strukturen – dieses immaterielle<br />
<strong>Kultur</strong>erbe von Jahr zu Jahr<br />
aktiv weiterpflegen.<br />
Walter Leimgruber, Ordinarius am Seminar<br />
für <strong>Kultur</strong>wissenschaft <strong>und</strong> Europäische<br />
Ethnologie an <strong>der</strong> Universität<br />
Basel, hat Sinn <strong>und</strong> Unsinn einer<br />
solchen Inventarisierung in seinem<br />
Artikel in <strong>der</strong> Neuen Zürcher Zeitung<br />
vom 2. September <strong>2010</strong> auf den Punkt<br />
gebracht:<br />
Zitat «... Die Unesco-Liste erscheint eher<br />
als Ausdruck von Ratlosigkeit denn<br />
als sinnvolles Ziel. Nutzt man sie aber,<br />
um auf Prozesse kulturellen Tradierens<br />
aufmerksam zu machen, diese<br />
besser zu verstehen <strong>und</strong> auch zu för<strong>der</strong>n,<br />
dann kann die Konvention einen<br />
sinnvollen kulturpolitischen Anreiz<br />
bieten. ... ».<br />
Seine Worte treffen auf die Situation<br />
in Bönigen <strong>und</strong> sicher auch auf viele<br />
an<strong>der</strong>e kleine Schweizer Gemeinden<br />
zu. Immaterielle <strong>Kultur</strong>güter <strong>und</strong> <strong>Tradition</strong>en<br />
lassen sich nicht durch Inven -<br />
tare «faktisch» o<strong>der</strong> sogar «rechtlich»<br />
schützen, wie es die UNESCO vorsieht.<br />
Der Denkansatz von Walter Leimgruber<br />
geht wohl in die richtige Richtung<br />
wenn er for<strong>der</strong>t: «B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantone<br />
sind daher gefor<strong>der</strong>t, nicht nur Listen<br />
zu erstellen, son<strong>der</strong>n sich mit den Prozessen<br />
<strong>der</strong> <strong>Tradition</strong>sbildung in einer<br />
mo<strong>der</strong>nen, medialen <strong>und</strong> global vernetzten<br />
Welt auseinan<strong>der</strong>zusetzen.»