2010-2 Tradition und Kultur - Schweizerischer Verband der ...
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DIE GEBURT DES BÜRGER-<br />
TRUNKS<br />
Der Hilarius Festtag, wie er heute gefeiert<br />
wird, geht auf das Jahr 1860<br />
zurück. Damals erwarb Schuhhändler<br />
Jakob Keller (1819 – 1892) das Bürger -<br />
recht. Als Zeichen seiner Freude zeigte<br />
er an, dass er «den herwärtigen Bürgern<br />
einen vergnügten Abend verschaffen<br />
wolle <strong>und</strong> ladet ein, diesen<br />
Abend um 6 Uhr sich im Ochsen dahier<br />
einzufinden , wo jedem 2 Schoppen<br />
Wein, ½ Pf<strong>und</strong> Brot <strong>und</strong> eine Wurst<br />
gratis verabreicht werde». Schon im<br />
nächsten Jahr berappte die Bürgerkasse<br />
diesen sogenannten Bürgertrunk.<br />
In <strong>der</strong> Folge meldet das Hilarius -<br />
protokoll 1862: «<strong>der</strong> letztes Jahr<br />
ab gehaltene Bürgertrunk hat so amü -<br />
siert, dass beschlossen wird, das gleiche<br />
Manöver wie<strong>der</strong> abzuhalten.»<br />
Und so ist dieser Brauch bis heute geblieben<br />
<strong>und</strong> strahlt gemeindeverbindende<br />
Kraft aus.<br />
TRADITION UND KULTUR<br />
THURGAU<br />
BÜRGERGEMEINDE MÄRSTETTEN<br />
HILARIUS HEUTE<br />
Zeiten, Land <strong>und</strong> Leute haben sich<br />
geän<strong>der</strong>t, Hiläri ist geblieben. An diesem<br />
verklärten Morgen um neune treten<br />
alle interssierten Märstetter in stets<br />
stattlicher Zahl zur gemeinsamen, öffentlichen<br />
Informationsveranstaltung<br />
<strong>der</strong> Schulgemeinde, Einheitsgemeinde<br />
<strong>und</strong> Bürgergemeinde an. Anschliessend<br />
stellen sich die Bürger mit dem<br />
Märstetter Heimatschein unterm Brusttuch<br />
zur Bürgergemeindeversammlung<br />
ein, <strong>und</strong> schon früh nachmittags treffen<br />
wir sie in ihren gepflegten Waldungen,<br />
wo nach alter Vätersitte das<br />
Jahresholz laut vergantet wird.<br />
Abends aber verschlingt <strong>der</strong> Märstetter<br />
Bürger sein verdientes Hilärimahl<br />
(1 Salzisse mit Brot, 1 halber Liter Bach -<br />
toblerwein <strong>und</strong> Mehlsuppe zu Mitternacht)<br />
nicht nur unter seinesgleichen –<br />
das sei ihm nicht hoch genug angerechnet<br />
–, son<strong>der</strong>n er lädt, nebst seinen<br />
Brü<strong>der</strong>n, die von weit weg herbeieilen,<br />
auch die Ansassen seines Dorfes<br />
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mit eigenem Rauche (Hausstand) ein.<br />
Prominente Leute – auch aus Frauenfeld<br />
– sind immer zu Gast. Die Dorfvereine<br />
bieten beste Unterhaltung.<br />
So fällt manch witziges, auch kluges<br />
Wort, bis um Mitternacht <strong>der</strong> «Hilarius»,<br />
die reichbebil<strong>der</strong>te Dorfzeitung<br />
mit <strong>der</strong> Jahres-Chronik, dem geschichtlich-kulturellen<br />
Teil <strong>und</strong> dem Humor<br />
aus <strong>der</strong> Gemeinde verkauft wird.<br />
Während die Gläser viel <strong>und</strong> laut erklingen,<br />
geniesst <strong>der</strong> Höchste des Tages,<br />
Hilarius, das heisst, <strong>der</strong> Frohe, <strong>der</strong> Fröhliche,<br />
<strong>der</strong> sich freuen kann, gerührt<br />
seinen Segen aus <strong>und</strong> verschmilzt Bürger<br />
<strong>und</strong> Nichtbürger zu allgemein ganz<br />
guten Märstettern. Erst Morgengrauen<br />
löst die Brü<strong>der</strong>schaft auf. Hilärigeist<br />
aber überspannt regenbogengleich<br />
für einen weiteren Erdenlauf Dorf<br />
<strong>und</strong> Flur <strong>und</strong> alle, die darin wohnen.<br />
Möge es immer so sein.<br />
Eugen Al<strong>der</strong>,<br />
Ehrenbürger von Märstetten<br />
Die edlen Tropfen stehen bereit Dr. Rudolf Grüninger geniesst sein Gastrecht