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Einfache Antworten - Landeszentrale für politische Bildung Thüringen

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preis. Wenn ich weinend nach Hause kam und mich über die Bösartigkeit<br />

und Ungerechtigkeit meiner Lehrer beschwerte, wies mich<br />

meine Mutter schroff mit den Worten zurück: „Du wirst es verdient<br />

haben. Und wenn du nicht aufhörst zu weinen, bekommst du von<br />

mir auch noch Hiebe, damit du weißt, warum du weinst!“ Ich fühlte<br />

mich damals sehr allein gelassen und der Willkür böser Menschen<br />

ausgeliefert.<br />

Und selbstverständlich rächte ich mich an Schwächeren. Die Schüler<br />

mit körperlichen Fehlern oder solche, die sich besonders empfindsam<br />

zeigten oder die nicht ganz so gut waren im Sport, wurden<br />

unbarmherzig gehänselt, geschlagen und unterdrückt. Aber auch die<br />

schwächeren Lehrer dienten zur Befriedigung der Rachegelüste,<br />

zum Erleben einer Stärke, die immer auf Kosten anderer ging. Wenn<br />

ein neuer Lehrer oder Referendar Schwäche zeigte und nicht so hart<br />

durchgriff, dann brach die Hölle los. Wir schwatzten, schossen mit<br />

Gummiflitzen, brüllten dazwischen und prügelten uns untereinander<br />

solange, bis auch er zu den harten Mitteln griff und uns Disziplin<br />

und Gehorsam beibrachte. Es war ein Erziehungssystem, das<br />

sich durch seine Folgen bei den Erzogenen selbst seine Notwendigkeit<br />

bewies und jeden in die Reihen zurück zwang, der sich ihm zu<br />

widersetzen suchte. Erzogen wurde vor allem durch Tadel, Zurechtweisung,<br />

Strafe. Ganz selten gab es Lob. „Nicht kritisiert ist Lob genug“,<br />

war die Devise. Es war keine schöne Zeit.<br />

Dann kam ich mit sechzehn Jahren <strong>für</strong> ein Jahr nach Amerika. Dort<br />

war alles anders. In der Schule wurde nicht geschlagen. In der Schule<br />

wie zuhause wurde viel gelobt. Ich wurde ermutigt, meine Meinung<br />

zu sagen, meine Sichtweise einzubringen. Man diskutierte mit<br />

mir, wie mit einem gleichwertigen Menschen. Man war neugierig<br />

auf mich und behandelte mich, als ob ich etwas zu erzählen hätte.<br />

Ich wurde eingeladen, Vorträge zu halten. Und weil ich so viel<br />

Beifall und Anerkennung bekam, begann ich, mich immer besser<br />

auf die Vorträge vorzubereiten. Ich entwickelte einen Ehrgeiz, das<br />

Lob auch zu verdienen. Bald zählte ich zu den besten Schülern der<br />

Schule.<br />

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