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52 CHARTERTÖRN - Visit Gent

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<strong>52</strong> <strong>CHARTERTÖRN</strong><br />

Skipper 5/2012


5/2012 Skipper<br />

<strong>CHARTERTÖRN</strong><br />

Flandern-Törn<br />

POMP&PRALINEN<br />

Belgiens Wasserstraßen sind mit 1600 Kilometern fast so lang wie seine<br />

Autobahnen. Während es auf dem Asphalt allerdings schon mal recht hektisch<br />

wird, begeistern die Flüsse und Kanäle des Landes mit geschichtsreichen<br />

Städten und romantischen Landschaften<br />

Eine Grachtenfahrt gehört in <strong>Gent</strong> zu<br />

den touristischen Pflichtübungen und<br />

gewährt interessante Einblicke<br />

53


54 <strong>CHARTERTÖRN</strong><br />

Der streitbare Jacob van Artevelde beherrscht den <strong>Gent</strong>er Vrijdagsmarkts<br />

Von Gerald Penzl<br />

Sie kennen doch Günther Jauch’s grandiose Quizshow.<br />

Mal angenommen, Sie säßen auf seinem Ratestuhl und<br />

würden zu Belgien befragt. Brüssel, antworten Sie wie<br />

aus der Pistole geschossen, ist Hauptstadt, Sitz der Nato und<br />

der EU-Bürokratie, hat ein putzigesPinkelmännchen als Wahrzeichen<br />

und ein 102 mhohes Atomium. Gut, und was wissen<br />

Sie noch über Belgien? Sie zucken mitden Schultern? Tja …so<br />

geht es wohl den meisten von uns. Während unsere Eltern<br />

schon als Dreikäsehoch in der Adria planschten, istBelgien bis<br />

heute eine Art Terra Incognita, ein weißer Fleck auf der Landkarte.<br />

Woran das liegt? Vermutlich am Homo Belgicus selbst!<br />

Als Nachkomme der Gallier, Paul Rubens und Till Eulenspiegel<br />

ist ereher ein introvertiertes Wesen, das wenig Trubel um<br />

sich und seine Werte macht.<br />

Ordentlich Trubel dagegen macht Jacob van Artevelde. In<br />

voller Rüstung steht der bronzene Recke auf dem <strong>Gent</strong>er<br />

Vrijdagsmarktund hält eine flammende Rede gegendie Grafen<br />

von Flandern. Ein paar Meter vor seinem Denkmal sitzen wir<br />

Die Festung Gravensteen<br />

erlebte blutige<br />

Kämpfe und Schlachten<br />

im Biergarten einesBistros, schauen dem bunten Markttreiben<br />

zu, werfen einen Blick auf die historischen Giebelhäuser rund<br />

um den großen Platz und genießen die warme Frühlingssonne.<br />

Auf dem Tisch liegt ein Reiseführer. Vor 700 Jahren, schreibt<br />

der Autor, war <strong>Gent</strong> nach Paris die zweitmächtigste Stadt<br />

nördlich der Alpen. Der Handel blühte, die Tuchindustrie<br />

boomte. Mit welchen Baupretiosen sich die Kaufmannsaristokratie<br />

damals ihre Erfolge versüßte, sahen wir heute morgen<br />

bei einer Grachtenfahrt auf der Leie. Vonder Parade der ba-<br />

Drache statt Wetterhahn auf<br />

dem Belfried in <strong>Gent</strong><br />

Nur wenige Kilometer hinter<br />

<strong>Gent</strong> präsentiert sich die Leie von<br />

ihrer beschaulichsten Seite<br />

Panzerglas und Elektronik sichert<br />

den <strong>Gent</strong>er Altar<br />

Skipper 5/2012


ock-,renaissance- und gotiküberbordeten Zunfthäuser am alten<br />

Hafen aus tuckerten wir durch verwunschene Seitenarme,<br />

entlang alter Backsteinbauten mit hübschen Treppengiebeln,<br />

an der Festung Gravensteen –einer der mächtigsten Wasserburgen<br />

Europas –vorbei Richtung Sint-Bavo-Kathedrale.<br />

„Noch ein Rochefort?“ Der Kellner schaut uns fragend an.<br />

Wir schütteln den Kopf. Dieses dunkle Trappistenbier ist zwar<br />

köstlich, hat aber auch –und das istdas Problem –11,3 %Alkohol.<br />

Don’t drive drunken …das gilt nicht nur für den Stra-<br />

Der Grundstein von Sint-Bavo wurde 1228<br />

gelegt, 1538 wurde die Kirche geweiht<br />

5/2012 Skipper<br />

Spezialitäten: Bei Van Hoorebeke in<br />

<strong>Gent</strong> werden Top-Pralinen produziert<br />

<strong>CHARTERTÖRN</strong><br />

ßenverkehr sondern auch für die christliche Seefahrt und ihre<br />

Binnenableger. Im Klartext: Ineiner halben Stunde ist unser<br />

Hausboot klar,wir zahlen und machen uns auf den Wegvorbei<br />

an der Sint-Bavo-Kathedrale zur Stadtmarina Portus Ganda.<br />

„Goeden dag!“, begrüßt uns dort Gwen Steeman. „Das ist euer<br />

Schiff“, deutet er auf eine CountessamAnlegergleich neben<br />

dem hübschen Art-Déco Hallenbad VanEyck. „Rund 10 m<br />

lang, mit Flybridge, 4Kojen, zwei Bädern und kompletter Küche.“<br />

Im Handumdrehen sind die Formalitäten erledigt,die Sa-<br />

Die Marina in Deinze verfügt über allen denkbaren<br />

Komfort und ein gepflegtes Ambiente<br />

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56 <strong>CHARTERTÖRN</strong> Brügge war im Mittelalter eine<br />

boomende Weltstadt. Das historisches<br />

Zentrum der UNESCO-<br />

Perle lässt sich stilvoll mit der<br />

Pferdekutsche entdecken<br />

chen verstaut und der Selbstzünder zum Leben erweckt. „Ihr<br />

fahrt“, deutet er auf die Wasserkarte, „bis zur Schelde, dort<br />

durch die Brusselsepoort-Schleuse, weiter über die Innenstadtkanäle<br />

zum Yachthaven Snepdijk und dann die alte Leie talwärts<br />

nach Deinze. Veel plezir, viel Spaß!“<br />

<strong>Gent</strong> ist ein Kind des Wassers. Die heute drittgrößte Stadt<br />

Belgiens entstand aus einer Ansammlung kleiner Streusiedlungen<br />

am Zusammenflussvon Schelde und Leie, wirdvon unzähligen<br />

Kanälen, Wasserstraßen und Flussläufen durchzogen und<br />

zählt –man höre und staune –mehr als 200 (!) Brücken. Die<br />

erstenKilometer tuckertunsere schwimmende Ferienwohnung<br />

an einer Schöner-Wohnen-Parade aus modernen Lofts und historischen<br />

Backsteinpalais vorbei. Am Kai sitzen Angler, flanierenPärchen<br />

oder liegen alte, mitviel Geld und Sachverstand zu<br />

cool gestylten Fluvial-Residenzen aufgepeppte Frachtkähne.<br />

Mit dem Belfried, dem 91 mhohen, von der UNESCO zum<br />

Weltkulturerbe gekürten Glockenturm, setzt sich die Sint-Bavo-Kathedrale<br />

in Szene. Absolutes Muss dieser gotischen<br />

Prachtkirche ist der <strong>Gent</strong>er Altar. Zum Niederknien schön,<br />

zählen seine 26 Bildtafeln zu den großartigsten Kunstschätzen<br />

des christlichen Abendlandes. Nicht selten wurden sie gestohlen,<br />

frei gepresst, vor Feuer und Krieg gerettet oder vor Bilderstürmern<br />

in Sicherheit gebracht. Die Tafel mit dem Bildnis der<br />

„Gerechten Richter“ verschwand in der Nacht vom 10. April<br />

1934.Seitdem fahnden Wissenschaftler,Wünschelrutengänger<br />

und Amateurdetektive nach der gemalten Frömmigkeit, wurden<br />

Häuser auf den Kopf gestellt, ein Denkmal zerlegt und eine<br />

Brücke demontiert, alles bis heute ohne Erfolg. Deshalb<br />

schützen heute Panzerglas und Elektronik den Altar.<br />

Ländliches Idyll<br />

20 Minuten später verabschiedet sich die stolze Stadt; Wiesen,<br />

Fleckvieh, verwunschene Flussaue und luxuriöse Landhausvillen<br />

bestimmen das Bild. Schleife um Schleife gräbt sich<br />

die handtuchschmale alte Leie durch die beschauliche Natur.<br />

Das wohl augenfälligste Bauwerk ist das Kasteel Ooiddonk,<br />

ein wasserumspültes Zuckerbäckerschlösschen mit bauchigen<br />

Backsteintürmchen und Treppengiebel-Zierrat. Vor der<br />

Schleuse von Astene heißt es dann „Maschine Stopp“. Zwar<br />

sind die Schleusentore bis zum Anschlag offen –wir könnten<br />

alsoeinfach durchfahren –doch leider, leider istdas Brückchen<br />

über dem Schleusenbecken für unsere Countess zuniedrig. Also<br />

einmal kräftig auf’s Schiffshorn gedrückt …und schon öffnet<br />

sich die Tür des alten Schleusenwärterhäuschens. Ein<br />

Vom Kai der Coupure Stadtmarina erreicht man bequem in nur<br />

wenigen Fußminuten alle Sehenswürdigkeiten Brügges<br />

Skipper 5/2012


Mann kommt heraus, geht auf uns zu, murmelt etwas in seinen imaginären<br />

Bart, spuckt in die Hände und kurbelt die betagte Eisenbrücke hoch. „Das<br />

kostet euch ein Bier“, grinst erund deutet auf die Kneipenreklame amHaus.<br />

„Tut mir leid“, antworte ich mit Blick auf die Uhr, „aber wir müssen weiter.“<br />

Wir verabschieden uns und nehmen Kurs auf die kleine Marina des Yacht<br />

Clubs inDeinze. Für 15 €gibt es einen komfortablen Liegeplatz mit Strom,<br />

schicken Sanitäranlagen und eine Großfamilie schnatternder Enten. Der<br />

nächsteTag steht im Zeichen des <strong>Gent</strong>-Oostende-Kanals.Wir hattenmit starkem<br />

Berufsverkehr gerechnet …und werden –angenehm –enttäuscht. Der<br />

ach so verrufeneBrückenschlag zur Nordseezeigt sich von seiner beschaulichsten<br />

Seite, sprich: es kommen uns gerade mal eine Handvoll Frachtschiffe entgegen.<br />

In Steenbrugge ändert sich das Bild. Der historische Fleck mit seinem<br />

mittelalterlichen Klosterist ein neuralgischer Straßenverkehrsknoten. Vorder<br />

Hebebrücke der N50wirddie Geduld zur Mutteraller Tugenden; wir warten<br />

…10Minuten, 20 Minuten, eine halbe Stunde …irgendwann hat der Brückenwärter<br />

Erbarmen, die Straßenschranken senken sich, die Brücke geht<br />

hoch und gibt uns die Fahrt ins Zentrum von Brügge frei.<br />

Weltkulturerbe Brügge<br />

Es war wohl ein Wunder, damals, 1134, als eine gewaltige Sturmflut durch<br />

das Wattenmeer fegte, der Stadt einen schiffbaren Zugang zur Nordsee bescherte<br />

und damit die Weichen für ihren kometenhaften Wirtschaftsaufstieg<br />

stellte. Rund 200 Jahre später zählte Brügge zu den reichsten Städten der damals<br />

bekannten Welt. Ende des 15. Jhs. versandete ihr Zugang zur Nordsee,<br />

die stolze Dameverlor an Bedeutung und verkam zum Armenhaus Flanderns.<br />

1892 hüllte der Schriftsteller Georges Rodenbach die Stadt mitseinem Roman<br />

„Bruges la Morte“ inliterarische Leichentücher. Damit läutete er–gewollt<br />

oder nicht –aber auch ihr glanzvolles Comebackein. Rund eine Million Besucher<br />

jährlich flanieren heute durch das bilderbuchschöne, von der UNESCO<br />

zum Weltkulturerbe gekürte Baujuwel.<br />

„Sucht ihr einen Liegeplatz?“ Wir nicken. „Okay“, sagt Jaques, „ich hab<br />

noch was frei.“ Sagt`s, stellt sich als Hafenmeister der Coupure Stadtmarina<br />

vor,kassiert10€und drückt uns eine Plastiktüteindie Hand. „Die istfür den<br />

Müll. Strom und Wasser gibt’s umsonst.“ Zehn Minuten später sitzen wir in<br />

einer offenen Pferdekutsche und nehmen das architektonische Erbedes Romanciers–ganz<br />

stilecht –von den bequemen Ledersitzen des Fiakers aus in Augenschein.<br />

Höhepunkt ist –nein, nein, nicht was Sie denken, keine Grachtentour,<br />

kein Welt abgeschiedenen Beginenhof und auch kein Blick vom 83 mhohen<br />

Belfried auf das historische Bau-Spektakel, nein, getreu Goethe –demnach<br />

Bier klüger macht und herrlichen Genussverschafft–kehren wir in der altehrwürdigen<br />

Brauerei De Halve Maan ein und lassenuns vom BraumeisterXavier<br />

Vannestehöchstpersönlich das goldgelbe Hirn-Tuning des Hauses servieren.<br />

Wo Licht ist, istauch Schatten. Das gilt –nicht nur aber auch –für die War-<br />

Mondänes Seebad und quirlige Hafenstadt: Zwischen dem imposanten Seebahnhof<br />

und dem Dreimaster Mercator tummeln sich inOostende große und kleine Yachten<br />

5/2012 Skipper


58 <strong>CHARTERTÖRN</strong><br />

Die beschauliche Ijzer<br />

war im I. Weltkrieg<br />

Schauplatz mörderischer<br />

Stellungskämpfe<br />

Das Kriegsmuseum im84mhohe Ijzerturm ist<br />

ein mächtiges Mahnmahl des Friedens<br />

Die 132 mlange<br />

Tuchhalle in Ieper<br />

wurde im I. WK<br />

völlig zerstört<br />

tezeiten der Hobbyskipper vor den Schleusen der Stadt. Wir<br />

folgen Jaques Ratschlag, schauen uns das Dörfchen Damme –<br />

im Mittelalter der Hafen von Brügge und der Legende nach die<br />

Wiege von Thyl Ulenspiegel, Till Eulenspiegel –per Drahtesel<br />

an und heften uns anderntags an das Heck eines großen<br />

Frachtschiffs. Jaques Tipp war Spitze! Während die meisten<br />

Hausbootkapitäne eine halbe Ewigkeit fürdie Brügger Schleusen<br />

brauchen, flutschen wir im Windschatten des Berufsschiffers<br />

nur so durch. Drei Stunden später gurgelt bereits der Plassendale-Nieuwpoort<br />

Kanal unter unserem Kiel.<br />

Freundliche Schleusenwärter<br />

„Wo wollt ihr hin“, fragt uns der Schleusenwärter der Sint-<br />

Joris Schleuse, „nach Nieuwpoort? Oder Diksmuide.“ „Diksmuide“,<br />

antworten wir. „Okay“, sagt er, „es ist zwar schon<br />

spät. Aber ich ruf meinen Kollegen an der Tervatebrücke an.<br />

Der soll warten und euch die Brücke öffnen.“ Wir bedanken<br />

uns, schleusen durch den 124 mlangen und 20 mbreiten<br />

Schiffsliftund sind ein paar Zündtaktespäter auf der Ijzer.Was<br />

für ein Unterschied zu dem Plassendale-Nieuwpoort Kanal!<br />

Während das artifizielle, wie mitdem Lineal gezogene Wassersträßchen<br />

ziemlich unspektakulär an der N358 entlang plätschert,wartetdie<br />

Ijzer mithübschen, wind- und wettergeföhnten<br />

Polderlandschaften auf. Doch so still und erhaben sich das<br />

Käthe Kollwitz Skulptur „Trauernde Eltern“<br />

steht vor dem Grab ihres Sohnes<br />

78 km lange Gewässer durch die Weite Flanderns schlängelt,<br />

so mörderisch wütete der I. Weltkrieg an seinen Ufern. Hunderttausende<br />

Soldaten aus über 30 Nationen fielen, starben<br />

und krepierten inder Hölle der Stellungskriege, einen Sieger<br />

gab es nicht, nur verbrannte Erde, Giftgas und Tod.<br />

Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Diksmuide. Der<br />

Anleger des 16 000 Einwohnerstädtchen ist neu, die Handynummer<br />

des Hafenmeisters prangt in großen Ziffern an der<br />

Mole. Wirrufen an und fragen nach einem Liegeplatz.„Ich bin<br />

gleich da“, antwortete eine Stimme …und tatsächlich, wenige<br />

Minuten später sitzt Herr Gooris bei uns an Bord. „Ich war“,<br />

erzählt er, „früher einmal Kapitän auf’m Frachtschiff.“ Wo er<br />

denn überall gefahren sei, fragen wir. „35 Jahre lang zwischen<br />

Rotterdam und Basel. Vier Tage hin, zwei Tage zurück. Insgesamt<br />

mehr als 1000 mal.“ Nach einer kleinen Kunstpause<br />

holt er ein paar Broschüren aus der Tasche und legt sieauf den<br />

Tisch. „Morgen“, sagt er,„müsstihr euch unbedingt den Ijzerturm,<br />

den Soldatenfriedhof Vladslo und natürlich das mittelalterliche<br />

Zentrum unseres Städtchen ansehen.“<br />

Gut, dass wir gefrühstückt haben! Mit leeren Magen wäre<br />

das Kriegsmuseum im Ijzerturm wohl kaum zu ertragen gewesen.<br />

Auf 22 Etagen regiert der Todmultimedial in Wort und<br />

Bild, heulen Granaten, schreien Verwundete. Wir sind froh,<br />

wieder draußen zu sein. Doch auch Vladslo, die letzte Ruhestätte<br />

von 25 644 deutschen Soldaten, ist kein Hort, der Freu-<br />

Die Fluss-Marina von Diksmuide liegt unmittelbar<br />

gegenüber des Ijzerturmes<br />

Skipper 5/2012


Wie gemalt präsentiert<br />

sich die Flusslandschaft der<br />

Ijzer zwischen Veurne und<br />

dem Seebad Nieuwpoort<br />

de.Ergriffen stehen wirvor KätheKollwitz’s berühmten<br />

Trauerskulpturen. Zu Füßen des lebensgroßen Kunstwerks<br />

ruht Peter Kollwitz, der Sohn der Künstlerin. Er<br />

hattesich als 18jähriger gleich zu Kriegsbeginn freiwillig<br />

gemeldet und war wenige Wochen später bei einem<br />

Angriff auf Diksmuide ums Leben gekommen.<br />

Mit den Obstwiesen und Weizenfeldern entlang des<br />

friedlichen dahin gluckernden Lokanals steigt wieder<br />

die Stimmung.UnsereletzteHommageandie flämische<br />

Renaissance ist Veurne, ein 12 000-Einwohnerstädtchen,<br />

sechs Kilometer vor der französischen Grenze.<br />

Am späten Nachmittag machen wir dort imkleinen<br />

Stadthafen am Kaaiplaats fest, schauen uns die Giebelhäuser<br />

am Grote Markt an – für den französische<br />

Schriftsteller Victor Hugoübrigens einer der schönsten<br />

Plätze auf Erden –und lassen den Tagmit einer XXL-<br />

Portion goldgelben Fritten und schokoladenbraunem<br />

Trappistenbier in der nahen Nordsee versinken.<br />

Saluut Kapitein, tschüss Countess …Punkt 10 Uhr<br />

am nächsten Taggeben wir das Schiff inder Charterbasis<br />

von Le Boat in Nieuwpoortab, setzen uns ins Taxi,<br />

drehen eine Ehrenrunde um den Yachthafen –mit<br />

2000 Liegeplätzen der größte der Nordsee –und fahren<br />

nach Nieuwpoort-aan-Zee, dem Badespaß-Ableger<br />

der alten Fischereistadt Nieuwpoort. Der Rest der<br />

Reise istpureFaulenzerei. Wirquartieren uns in einem<br />

Hotel direkt am Meer ein, flanieren den kilometerlangen<br />

Strand entlang, füttern die Möwen und schauen<br />

den Seglern bei der Umsetzung der Newton’schen Kraftgesetze<br />

zu… ob ich mit ihnen tauschen möchte? Nein!<br />

Heutenicht! Schließlich hat das Leben als (temporäre!)<br />

Landratte jaauch seine kommoden Seiten. Darauf –<br />

nein ,kein Trappistenbier –sondern eine Bewerbungsmail<br />

an Günther Jauch. Vielleicht hab ich ja Glück …<br />

und seine 1-Mio-€-Frage dreht sich um Belgien.<br />

5/2012 Skipper


60 <strong>CHARTERTÖRN</strong><br />

Reise-Informationen<br />

Anreise:<br />

Mitder DB nach<strong>Gent</strong>oderOostendeund vondort weiter mitder<br />

Straßenbahn an derNordseeküste entlang nachNieuwpoort<br />

(www.bahn.de). Alternativmit demeigenen Fahrzeug vonSüden<br />

oder Ostenaus über die Niederlande und Brüssel, vonNordenaus<br />

über Antwerpen nach<strong>Gent</strong>bzw.Nieuwpoort.Die Charterbasis<br />

vonLeBoat in Nieuwpoort verfügtübereigeneParkmöglichkeiten,<br />

in <strong>Gent</strong> stehen neben teuren Parkhäusernunbewachte Sammelparkplätzezur<br />

Verfügung.Wer fliegen will, reist über Brüssels<br />

FlughafenZaventemein (www.brusselsairport.be).<br />

Land und Leute<br />

Belgien ging 1830 aus demKönigreichder VereinigtenNiederlande<br />

hervor.ImNordendes 30<strong>52</strong>8 qkm großenLandesliegtdas<br />

niederländisch sprechendeFlandern, im Südendie französisch<br />

sprechendeWallonie. Im Ostengibteseinigedeutschsprachige<br />

Regionen. Während BelgiensOberschicht bisweit ins19. Jhd. aus<br />

Wallonenbestand unddie Wallonieüberprosperierende StahlundKohlereviereverfügte,war<br />

Flandern lange Zeit das agrarische<br />

Armenhaus des11-Mio-Einwohnerlandes.Mit demNiedergang<br />

derMontanindustrieinden 1970ernwendete sichdas Blatt.Wallonien<br />

hängt heute am Subventionstropf,Flandern dagegen<br />

sonnt sichimGlanz seiner Industrie-,Dienstleistungs- und Agrarwirtschaft.Zum<br />

Leitwesen derbelgischenTouristiker spielt der<br />

Fremdenverkehr nur eineuntergeordneteRolle. Dabei hat das<br />

Land mitseiner 67 km langen Sandstrand-Nordseeküste,seinen<br />

historischenSeebädern wiez.B.Knokke-Heist (www.knokkeheist.be),<br />

Nieuwpoort (www.nieuwpoort.be), Oostende<br />

(www.oostende.be)und Koksijde(www.koksijde.be), den waldreichen,<br />

biszuknapp 700 mhohenArdennen sowieden zahlreichen<br />

Kunst- und Kulturstädten wie z. B. Antwerpen (www.visit.antwerpen.be),<br />

Brügge (www.brugge.de), Brüssel (www.visitbrussels.be)und<br />

<strong>Gent</strong> (www.visitgent.be)viel zu bieten.Aberauch<br />

kleinereStädtchenwie Veurne (www.veurne.be)oderdas im 1.<br />

Weltkrieg völlig zerstörteund nachhistorischenVorlagenwieder<br />

rekonstruierte Ieper(www.ieper.be)sindeinen Besuch wert.<br />

Beaufort04<br />

Beuafort04 ist kein Maßfür eineneueWindgeschwindigkeit sondern<br />

die 4. Triennale für Gegenwartskunst entlang der flämischen<br />

Küste. Zwischendem 31. März unddem 30. September2012 präsentieren<br />

rund30Orte zeitgenössische Arbeiten europäischer<br />

Künstler (www.beaufort04.be).<br />

Essen und Trinken<br />

Nichtohne Grund bezeichnendie Flamenihr Land als „Lekker<br />

Land“. GutEssen ist für sie so selbstverständlichwie derBelfried<br />

in <strong>Gent</strong>. Allein Flandernzähltüber17000 Restaurants, hat rund<br />

11 500 Kneipen und braut in über 110 Brauereien mehr als 680<br />

Biersorten. Bezogenauf seine Einwohnerzahl funkeln in Flandern<br />

diemeisten Michelinsterne Europas. DieKüche ist ein gelungener<br />

Mixaus niederländischer Deftigkeit und französischerRaffinesse.<br />

An der Küstedominieren Muscheln,Meeresfrüchte undfangfrischerFisch,<br />

gekocht wird nicht selten mitBier,soz.B.Stoofkarbonaden<br />

(Rinderschmorfleischragout) oder Konijntje (Kaninchen<br />

mitPflaumen).<strong>Gent</strong>ist bekannt für sein Waterzooi(herzhafter<br />

Gemüseeintöpfe mitFischoderHuhn), in Brüssel kommenzarte<br />

HähnchenoderWitlof(Chicorée mitSchinkenund Käsesauce) auf<br />

den Tisch, Lüttich ist stolzauf seine Kalbsnieren und gekocht-gebratenenGänse.<br />

Leckere, goldgelbeFritten gibt es an jeder Straßenecke.Die<br />

Saucen dazu werden in separatenSchälchengereicht.<br />

Wersie einfach nurüberdie knusprigen Stengelkippt, begeht<br />

in denAugen der Belgier ein essenskulturelles Sakrileg.Auch<br />

für Schleckermäuler ist Belgien eineOffenbarung.SeineTorten,<br />

Schokoladen und PralinenhabenWeltruf,in<strong>Gent</strong>zählen dieChocolaterie<br />

vanHecke (www.chocolaterievanhecke.be)und die Chocolaterie<br />

vanHoorebeke (www.chocolatesvanhoorebeke.be)zu<br />

denPremiumadressen. Bei vanHoorebeke kannman denPralinenmachern<br />

voneiner Empore aus beider Herstellung der süßen<br />

Sündenauf die Fingerschauen.<br />

Charter<br />

Le Boatunterhält in Belgien zwei Charterbasen. Die„Hauptbasis“<br />

ist Nieuwpoort,hier stehen 18 Schiffeunterschiedlicher Größe<br />

und Ausstattung zurVerfügung, alsmögliche Touren werden die<br />

3-Tages-Tour Nieuwpoort-Brügge-Nieuwpoort (39km, 15 Schleusen,ca.<br />

12 Std. Fahrzeit), die einwöchige Tour Nieuwpoort-Ieper-<br />

Brügge-Nieuwpoort (158 km, 14 Schleusen,40Brücken, Fahrtzeit<br />

ca. 40 Std. Fahrzeit), die einwöchige Tour Nieuwpoort-Brügge-<br />

Deinze-<strong>Gent</strong>-Nieuwpoort (200 km, 5Schleusen,37Brücken, ca.<br />

42 Std. Fahrzeit), die einwöchige One-Way-Tour Nieuwpoort-Diksmuide-Ieper-Brügge-Deinze-<strong>Gent</strong>(70<br />

km, 8Schleusen,18Brücken,<br />

ca. 25 Std. Fahrzeit)sowiedie zweiwöchige Tour Nieuwpoort-Brügge-<strong>Gent</strong>-Kortrijk-Oudenaarde-Nieuwpoort<br />

(350 km,<br />

27 Schleusen,57Brücken, ca. 80 Std. Fahrzeit)angeboten. In <strong>Gent</strong><br />

liegen in der Marina PortusGanda vier Le Boat-Schiffe; vondort<br />

ausist nur die einwöchige Tour <strong>Gent</strong>-Nieuwpoort möglich. Die<br />

Charterpreise variieren je nachGrößeund Saisonzwischen1015<br />

(Polders Star,4+1) und4030 (Magnifique 8+2).Hinzu kommen<br />

proStunde 6 bis 8.50 Betriebskosten, Endreinigung (75 bis<br />

130 )sowieauf Wunsch der HaftungsausschlussimSchadensfall<br />

(115 bis155 ). DieBoote habenkeinen Funk, eineWeiterfahrt<br />

vonder Plassendalebrücke aus nach Oostendeist somitnicht<br />

Von der Le Boat Charterbasis inNieuwpoort<br />

aus lässt sich Flandern prima entdecken<br />

Skipper 5/2012


Im Vleeshuis in <strong>Gent</strong> isst<br />

man preiswert und gut<br />

möglich(Le Boat, Tel.: 061015579175, Fax: 061015579122,<br />

Email: info@leboat.de, www.leboat.de)Viele Kneipen am Kanal<br />

bzw. Flussverfügen über eigeneStege, privat betriebeneMarinas<br />

habeninder Regel ein paar Gastliegeplätze, dieStädte und Städtchenbetreiben<br />

ihre eigenen Anleger,die Liegegebühren (inkl.<br />

Strom undWasser)betragenzwischen10 und 15 .Daesin<br />

derHochsaisoneng werden kann, empfiehlt sicheinemöglichst<br />

frühzeitigeAnkunft.<br />

Literatur:<br />

Baedecker Belgien, Das Land im Zentrum Europas auf 438 Seiten<br />

in kompakter Ausführlichkeit mitgroßer Straßenkarte.Baedeker<br />

Verlag, 9. Auflage 2010, 22.95<br />

DuMont Belgien, DerAutor Reinhard Tiburzylebtseit über 20<br />

5/2012 Skipper<br />

Das Dörfchen Damme war<br />

einst der Hafen von Brügge<br />

6<strong>52</strong>0<br />

<strong>CHARTERTÖRN</strong><br />

JahreninBelgien und kennt das Land wie seine Westentasche,<br />

Mairdumont Verlag, 2. Auflage 2011, 288 S., 16.99 .<br />

Informationen<br />

TourismusFlandern-Brüssel,Cäcilienstrasse 46, 50667 Köln, Tel.:<br />

02 21–27 09 77 0(Mo –Fr9.00 –13.00 Uhr),Fax: 02 21–27 09 77 7,<br />

Email: info@flandern.com, www.flandern.com.Darüberhinaus<br />

können über die Homepage vonWaterrecreatie(www.waterrecreatie.be)u.a.Routentipps<br />

und Verkehrsdaten (u.a. „Magazin<br />

Wassersport:4RundfahrteninFlandern“ oder „Bedienungszeiten<br />

vonSchleusen und Brücken auf befahrbarenWasserstraßen in<br />

Flandern“) kostenlosabgerufenbzw.gegen Gebühr amtlicheWasserstraßenkartenbestellt<br />

werden(soz.B.Karte derbelgischen<br />

Schifffahrtsstraßen, Edition 2009, 24 inkl.Auslandversand).<br />

6484<br />

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