Ausgabe 10/2003 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
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18/19 Titelgeschichte-OK 29.09.<strong>2003</strong> 12:30 Uhr Seite 2<br />
Ziele, das Hineinintervenieren, um eigene<br />
Interessen zu vertreten, und die<br />
Anpassung des Projektziels im Laufe<br />
des Projekts sind keine Seltenheit.<br />
Es muss zur Selbstverständlichkeit<br />
werden, dass ein Projektauftrag nur<br />
dann Gültigkeit hat, wenn er vom Auftraggeber<br />
unterschrieben ist. Alles andere<br />
ist eine bloße Absichtserklärung,<br />
bindet niemanden und zeigt, dass der<br />
Auftraggeber nicht hinter dem Projekt<br />
steht. Projektarbeit ist durchaus das<br />
PROJEKTVERLAUF „OHNE“ -KULTUR<br />
richtige Mittel, um ein komplexes Vorhaben<br />
zu bewerkstelligen. Es muss aber<br />
allen klar sein, dass Projekte auch Kosten<br />
verursachen und Mitarbeiter nicht<br />
gratis zur Verfügung stehen. Kostentransparenz<br />
ist dringend erforderlich.<br />
Ein Beispiel für gelebte Projektkultur,<br />
Engagement, gute Projektarbeit<br />
und damit ein erfolgreiches IT-Projekt<br />
stellt das Projekt „BAKS IV (Büro-,<br />
Automations- u. Kommunikationssystem<br />
in Vers. 4)“ des Bundesministerium<br />
für Inneres dar. Eine intern durchgeführte<br />
TCO-Analyse (Total Cost of<br />
T I T E L G E S C H I C H T E<br />
Ownership) bildete die Basis. Auch im<br />
Bereich der öffentlichen Verwaltung<br />
müssen IT-Investitionen in Wettbewerbsvorteile<br />
umgesetzt und die Gesamtperformance<br />
verbessert werden.<br />
Das Innenministerium spielte hier die<br />
Vorreiterrolle und setzte sich nicht nur<br />
das Ziel, die Kosten zu senken, sondern<br />
auch die Konsolidierung der einzelnen<br />
Systeme zu einer integrierten Gesamtlösung.<br />
Ein Nutzen wird durch den<br />
Wechsel auf Windows Server <strong>2003</strong> und<br />
Beispiele für mangelnde Projektkultur.<br />
> Entscheidungen werden außerhalb der Projektorganisation<br />
getroffen<br />
> weich definierte Projektziele<br />
> Hinauszögern von Entscheidungen<br />
> Im Projektverlauf werden Sonderwünsche abweichend vom<br />
ursprünglichen Projektziel definiert<br />
> Personal wird aus dem Projektteam abgezogen<br />
> Projektmitarbeiter bzw. Projektleiter müssen sich um mehrere Projekte<br />
gleichzeitig kümmern<br />
> große Distanz zwischen Projektteam und Entscheidungsträger – dadurch kommt<br />
es zum Informations- und Kommunikationsverlust<br />
> dominierende Kontrollmentalität<br />
> fehlende Anerkennung und Bildung einer „Mehrklassen-Gesellschaft“<br />
> zu viele Berichte, wenig Standards – führen zu einem Overreporting<br />
> hoher Kommunikationsbedarf, viele Verantwortlichkeits- und Rollenkonflikte<br />
> Wegdelegieren von Problemen – für alles wird ein Spezialist benötigt<br />
> taktische, fachliche Ablehnung statt objektiver Diskussion, wenig kreatives<br />
Denken (u. a. fehlende Gesprächs- und Problemlösungskultur)<br />
> kaum Spielraum für kreative Lösungen<br />
> fehlende Moderation bei Großprojekten<br />
> zu eng gesetzte Zeitziele – Projektendtermine können realistisch<br />
kaum eingehalten werden<br />
> kaum Budget für das Projektmanagement im Projekt<br />
> keine Wissenssicherung<br />
> Projektmethoden und Instrumente im Diskussionsmittelpunkt<br />
> persönliches Karrieredenken (Karriere<br />
führt über die Linienorganisation)<br />
Active Directory durch die Reduktion<br />
der TCO von rund zehn Prozent (7,2<br />
Millionen Euro) über einen Zeitraum<br />
von fünf Jahren erwartet. Der Return of<br />
Investment (ROI) soll in vier Jahren erreicht<br />
sein. Ab dem fünften Jahr ist mit<br />
einem Einsparungspotenzial von rund<br />
7,2 Millionen pro Jahr zu rechnen.<br />
ÖFFENTLICH VS. PRIVAT<br />
Große Projekte der öffentlichen Verwaltung<br />
stehen meist im Blickpunkt der<br />
Öffentlichkeit und nicht selten auch in<br />
Konkurrenz mit der Privatwirtschaft.<br />
GÖD Oktober <strong>2003</strong><br />
Bei einem Vergleich wird eines klar: Die<br />
öffentliche Verwaltung steht unter einem<br />
viel komplexeren sozialen und<br />
ethischen Spannungsfeld als private Betriebe.<br />
Dies hängt eng mit der banalen,<br />
aber zentralen Tatsache zusammen,<br />
dass in diesem Bereich nicht allein aufgrund<br />
von Effizienzkriterien entschieden<br />
wird. Auch sozialpolitische, vollziehende<br />
und demokratische Leistungen<br />
sind zu erbringen. Dementsprechend<br />
sind Effizienzkriterien und Wirtschaftlichkeit<br />
nur bedingt anwendbar. Legitimität,<br />
Gesetzmäßigkeit und Bürgernähe<br />
sind ebenso wichtige Kriterien.<br />
Diese Besonderheit der öffentlichen<br />
Verwaltung hat eine Konsequenz: Sie<br />
steht häufig in einem besonders ausgeprägten<br />
sozialethischen Spannungsfeld<br />
zwischen teilweise unvereinbaren Werten<br />
oder Leistungskriterien (etwa zwischen<br />
Effizienz und Gesetzen, zwischen<br />
individueller Bürgerbetreuung und<br />
Gleichbehandlung aller Bürger etc.). Je<br />
komplexer und ethisch mehrdeutiger<br />
die Aufgaben, desto wichtiger sind qualifizierte<br />
und motivierte Mitarbeiter.<br />
Projektarbeit heißt nicht nur 24<br />
Stunden unmöglichen Ziel- und Terminvorgaben<br />
hinterherhetzen und<br />
möglichst kein Budget verbrauchen.<br />
Es heißt auch Herausforderungen annehmen,<br />
kreativ denken und am Entstehen<br />
von Neuem beteiligt sein. Projekte<br />
sind wie Babys, man sieht sie<br />
wachsen. Sie begeistern und motivieren,<br />
wie es mit dem Tagesgeschäft in<br />
der Linienarbeit kaum möglich ist.<br />
Sich täglich dem Unvorhergesehenen<br />
zu stellen, ist auch ein persönliches Erfolgserlebnis.<br />
Es bedeutet gewohnte<br />
Verhaltensweisen und damit die Organisationskultur<br />
zu ändern, neue Wege<br />
beschreiten und über den Tellerrand<br />
blicken. Aufgaben sind nicht nur<br />
schwarz und weiß; es gilt die Farben,<br />
also auch die Meinungen anderer in ihrer<br />
Vielfalt ins Arbeitsgeschehen hereinzuholen,<br />
Spaß an der Arbeit zu haben,<br />
zukunftsorientiert zu handeln<br />
und, wenn nötig, gesicherte Pfade zu<br />
verlassen und Verantwortung zu übernehmen.<br />
Macht hat, wer macht. ◆<br />
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