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Von Puschkin zu Schostakowitsch<br />
Möglichkeiten des Schattentheaters gemessen am fast grenzenlosen illusionistischen<br />
Zauber des Trickfilms limitiert sind. So wird unsere Realisierung<br />
des »Märchens vom Popen und seinem Knecht Balda« eher den Charakter<br />
einer belebten Bilderfolge haben, einer Reihe von statischen Tableaux<br />
vivants, während die Dynamik des Erzählflusses von der Musik zu evozieren<br />
ist.<br />
Von Puschkin zu Schostakowitsch<br />
Sofia Chentowa hat in einem 1980 in der Zeitschrift »Musik und<br />
Gesellschaft« veröffentlichten Artikel in anschaulichen Worten den<br />
Ursprung des Puschkinschen Märchens aus dem Jahr 1830 beschrieben: »Es<br />
gibt in Russland einen Landstrich – die Gegend um Pskow –, den dichte<br />
Wälder mit jahrhundertealten Kiefern, Flüsse mit flachen Ufern, steile<br />
Hügel, endlose Wiesen und Felder, die sich bis zum Horizont erstrecken,<br />
charakterisieren. Hier ist alles so geblieben, wie es damals zu Puschkins<br />
Zeiten war. Elektrokabel und andere Kommunikationsmittel sind bewusst<br />
unter der Erde versteckt worden, statt Telegraphenmasten erhebt sich hier<br />
eine Mühle mit großen Flügeln. Am Fluss steht das Michailowsker Gut von<br />
Puschkin mit den quietschenden und knarrenden Fußböden, und daneben<br />
befindet sich das niedrige Häuschen seiner Amme Arina Rodionowna.<br />
Niemand liebte Puschkin mehr und zärtlicher als diese kräftige Bauernfrau.<br />
Von Puschkin zu Schostakowitsch<br />
Und der Poet beantwortete dies mit ebenso intensiven Gefühlen. Die des<br />
Lesens und Schreibes unkundige Bäuerin inspirierte Puschkin zu zahlreichen<br />
Werken. Sie hatte in ihrem Gedächtnis viele Märchen, Legenden,<br />
Parabeln bewahrt, die sie ihm erzählte. Aus den Märchen der Amme entstanden<br />
später die bedeutenden Poeme ‘Ruslan und Ludmilla’, ‘Das<br />
Märchen vom Goldenen Hahn’, ‘Das Märchen vom Fischer und den<br />
Fischlein’ und ‘Das Märchen von der toten Zarentochter und den sieben<br />
Recken’. Nach Irina Rodionownas Erzählungen schrieb Puschkin auch ‘Das<br />
Märchen vom Popen und seinem Knecht Balda’. Begeistert von dieser einfachen<br />
und farbenreichen Geschichte von der Volkslist, die über Gier und<br />
Dummheit triumphiert, formte er sie zu einer Versparabel um. So entstand<br />
ein kleines Werk, in dem sich der Genius des Dichters in der Präzision und<br />
Trefflichkeit der Sprache, in der dynamischen Entfaltung des Sujets und der<br />
besonderen Puschkinschen Klarheit zeigt. Die Verse sind von einer<br />
Transparenz, einer Rhythmik, die geradezu eine Vertonung verlangen: das<br />
Märchen ist, wie andere Werke Puschkins, für die musikalische Umsetzung<br />
wie geschaffen.«<br />
In Schostakowitschs und Zechanowskis Adaption des Stoffes werden freilich<br />
die einfachen Gegenüberstellungen von Gut und Böse aufgehoben. Kein<br />
»nettes Bild vom Volk« war da intendiert – das offenbaren schon die<br />
zweieinhalb erhaltenen Minuten der Jahrmarkts-Filmszene (im web zu<br />
sehen unter http://vimeo.com/1482846) –, sondern eine grelle Karikatur des<br />
Volkstümlichen. Auch der grobschlächtige Held Balda taugt kaum zur<br />
Identifikation. Die Kehrseite seiner Kraft und Verwegenheit sind Brutalität<br />
und Skrupellosigkeit. Am ehesten sympathieheischend wirken noch die arglosen<br />
Teufel, die von Balda denn auch schnöde über den Tisch gezogen werden.<br />
Schostakowitschs Musik ist eine des permanenten »als ob« und parodiert<br />
fast unausgesetzt Klänge der damals aktuellen Trivial-, Tanz-, und<br />
Gebrauchsmusik: seien das militante Marschrhytmen, eine aufgeblasene<br />
Polonaise, sentimentale Walzer, simple Kinderlieder, banale Schlager,<br />
schmachtende Romanzen, eine schmissige Polka wienerischer Provenienz,<br />
ein rasender Galopp, Volksliedintonationen oder fromme Gesänge. Es sind<br />
dies durchweg Klänge, an denen die Spuren ihrer Benutzung haften. Die<br />
Schäbigkeit und das Beschädigte der Klänge und damit jener Sphären, für<br />
die sie stehen, werden von Schostakowitsch nicht etwa verhüllt, sondern vor<br />
allem durch die Instrumentation und Eigenarten des Tonsatzes unterstrichen:<br />
die extremen Register dominieren, alles Vermittelnde, Glättende wird<br />
ausgeblendet. Nur in wenigen Momenten wird diese permanente Maskerade<br />
durchbrochen und greift unverstelltes Espressivo Raum: etwa im<br />
»Wiegenlied« des 2. Bildes, wenn in einem großen Notturno (das neben dem