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Stenografischer Bericht - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. April 2007 9639<br />

(A) rer Populismus und in der Sache verfehlt. Eine Begren- wird aber anerkennen müssen, dass zivilrechtliche Er- (C)<br />

zung der Abmahngebühren würde dazu führen, dass der satzansprüche gegen einen Verletzer häufig schon vor<br />

Rechteinhaber die Kosten selbst trägt, soweit die Vergü- der Grenze strafwürdigen Verhaltens bestehen können.<br />

tung des Rechtsanwalts höher als 50 Euro ist, und zwar<br />

auch dann, wenn die Abmahnung an sich berechtigt war.<br />

Damit wird das in Deutschland geltende Prinzip des<br />

Schadensersatzes durchbrochen. Das ist nicht akzeptabel.<br />

Und mit Stärkung des geistigen Eigentums hat das<br />

Ganze wirklich nichts zu tun.<br />

Außerdem ist es den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten<br />

kaum auf Dauer zumutbar, sich als notwendige<br />

Erfüllungsgehilfen zivilrechtlicher Kompensation bereitzuhalten.<br />

Deshalb ist der vom Entwurf vorgesehene<br />

Auskunftsanspruch des Verletzten gegen den Dritten<br />

überlegenswert.<br />

Lassen Sie uns in den kommenden Wochen den Regierungsentwurf<br />

so ändern, dass wir das Ziel der Richtlinie<br />

auch wirklich erreichen: die Verbesserung der<br />

Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums.<br />

Er ist aber nur überlegenswert, weil er im Wege einer<br />

vorangehenden richterlichen Anordnung durchgesetzt<br />

werden soll. Ich erinnere daran: Der Vorbehalt richterlicher<br />

Anordnung für sich genommen ist schon keine Garantie<br />

für Rechtsstaatlichkeit. Fehlt er jedoch ganz, ist<br />

nicht einmal der Versuch unternommen worden, Rechtsstaatlichkeit<br />

durch ein formales Verfahren zu sichern.<br />

Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Betrachte ich<br />

mir den vorliegenden Gesetzentwurf im Lichte der aktuellen<br />

Streitereien innerhalb der Koalition, mache ich mir<br />

vor allem Gedanken über den Schaden, den ein Lob auslösen<br />

könnte.<br />

Diese etwas kryptische Formel will ich Ihnen gerne<br />

auflösen: Zunächst zum Lob und dann zum befürchteten<br />

Schaden.<br />

Weder ist der Entwurf aus unserer Sicht perfekt, noch<br />

bestände etwa kein Diskussionsbedarf. Das Wesentliche<br />

aber ist: Der Entwurf trägt tatsächlich einmal eine klar<br />

erkennbare sozialdemokratische Handschrift.<br />

Dies ist ein kluges und sozial reflektiertes Anerkenntnis<br />

der veränderten Realität.<br />

Eine Realität weltumspannender Kommunikation, in<br />

der Unbedarfte ausgesprochen leicht und schnell in Konflikt<br />

mit dem geistigem Eigentum Anderer gelangen<br />

können, weil sie etwa einen Kartenausschnitt oder ein<br />

Logo in ihren privaten Webauftritt einbauen, von dem<br />

sie gutwillig annahmen, er unterläge keinen rechtlichen<br />

Beschränkungen.<br />

Eine Realität, in der eine effektive zivile Rechtsverfolgung<br />

oft an der Unkenntnis über die Person eines<br />

Verletzers scheitert, weil dessen Identifizierung die Klarlegung<br />

einer IP-Adresse erforderte, zu der Provider natürlich<br />

nur eingeschränkt bereit sind. Eine zivilrechtliche<br />

Klage aber kann nicht gegen Unbekannt erhoben werden.<br />

IP-Adressen taugen eben nicht für die erforderliche<br />

Bezeichnung des Beklagten im Antrag des Klägers. Bislang<br />

war damit eine effektive Rechtsverfolgung oft nur<br />

möglich, wenn der Verletzte sich dazu der Erkenntnisse<br />

der Staatsanwaltschaft und der Strafgerichte in einem<br />

vorgeschalteten Strafverfahren bedienen konnte. Man<br />

Ich komme darauf gleich zurück.<br />

Die vom Entwurf vorgesehenen Erleichterungen für<br />

die Rechtsverfolgung sind also in der Tendenz ebenso<br />

richtig, wie die Begrenzungen der Abmahnungskosten in<br />

einfach gelagerten Fällen. Diese richtige Tendenz entnimmt<br />

der Entwurf natürlich den bestehenden europäischen<br />

Vorgaben. Das hindert aber gar nicht das Lob. Natürlich<br />

kann der Gärtner noch gründlich verderben, was<br />

ihm die Baumschule geliefert hat.<br />

Wenn man die Grundauffassung teilen will, dass die<br />

Doch nun zum befürchteten Schaden, den das Lob<br />

auslösen kann. Es ist nicht etwa so, dass wir uns dafür<br />

gewachsenen technischen Möglichkeiten zur Verbrei- fürchten, einen Entwurf der Regierung in Teilen zu lo-<br />

(B)<br />

tung geistiger Arbeitsergebnisse im Internet einen gesteigerten<br />

Schutz dieser Arbeitsergebnisse notwendig<br />

machen – dann sucht der Entwurf einen angemessenen<br />

Ausgleich zwischen den gegebenen Interessen. Er sucht<br />

einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Rechtsinhaben,<br />

weil uns das unsere Anhänger übel nehmen. Die<br />

denken in aller Regel hoch differenziert und werden<br />

kaum überrascht sein, dass eine Regierung unter sozialdemokratischer<br />

Beteiligung auch einmal etwas Brauchbares<br />

produziert. Die Gefahr liegt ganz woanders.<br />

(D)<br />

ber nach der Verteidigung ihrer Rechte und dem Interesse<br />

der Verbraucher, vor überzogenen Abmahnungskosten<br />

wegen etwaiger Rechtsverletzungen geschützt zu<br />

werden.<br />

Den befürchteten Schaden skizziert uns Frau Ministerin<br />

Zypries in der Presseerklärung ihres Hauses vom<br />

24. Januar diesen Jahres.<br />

Ich zitiere:<br />

„Ich weiß, dass insbesondere in der CDU im Deutschen<br />

<strong>Bundestag</strong> die Auffassung vertreten wird,<br />

man könne auf den Richtervorbehalt in Teilen verzichten.<br />

Diese Frage soll im Verfahren erörtert und<br />

nach der Anhörung der Sachverständigen entschieden<br />

werden.“<br />

Es gibt eine gewachsene, ganz und gar nicht christliche<br />

Tradition der CDU, die SPD auf dem schwachen<br />

Fuß zu suchen und auch zu erwischen. Der schwache<br />

Fuß war stets der linke.<br />

Frau Zypries strauchelt gerade auf dem linken Fuß,<br />

wenn sie bekannt gibt, die Frage des Richtervorbehaltes<br />

sei diskutabel. Ich hoffe, dass es nur ein strategisches<br />

Straucheln zur Erhaltung der Verhandlungsbereitschaft<br />

war und die Ministerin unser Lob für die gegenwärtige<br />

Struktur des Entwurfes am Ende nicht aus dem Gleichgewicht<br />

bringt. Hier liegt der Schaden, von dem ich eingangs<br />

meinte, dass ihn unser Lob auslösen kann. Das<br />

eindeutig Falsche wäre nämlich, das zivile Auskunftsbegehren<br />

ohne Richtervorbehalt zu verabschieden. Es wäre

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