Stenografischer Bericht - Deutscher Bundestag
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9496 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. April 2007<br />
Eva Bulling-Schröter<br />
(A) Zum Glück hat die EU-Kommission kürzlich zumin- die Nationen, die hier angesprochen wurden, in den da- (C)<br />
dest die größten Fehler des deutschen Zuteilungsplans rauf folgenden Jahrzehnten nicht Lügen gestraft. Wir ha-<br />
für die nächste Handelsperiode beseitigt. Die Gesamtben erlebt, dass die Wälder abgeholzt, die Meere überobergrenze,<br />
das Cap, ist deutlich gesenkt worden. Es ist fischt wurden und unsere Umwelt verschmutzt wurde,<br />
verboten worden, die Kohlemeiler 14 Jahre lang zu pri- wobei wir lange Zeit nicht eingegriffen haben.<br />
vilegieren. Wir begrüßen das sehr und haben das unterstützt.<br />
Aber nun will die Bundesregierung wiederum der<br />
Braunkohle einen Bonus zuschanzen. Wir haben über<br />
die CO2-Bilanz gesprochen. Bedenken Sie, was Sie da<br />
tun! Bedenken Sie, was Sie damit anrichten! Anscheinend<br />
hat diese Bundesregierung keine Lust auf ernsthafte<br />
Konflikte mit den EVUs.<br />
Seit 30 Jahren gibt es Gott sei Dank eine andere Diskussionsgrundlage:<br />
Man spricht über den Umweltschutz<br />
und entsprechende Maßnahmen. Gerade auch in diesem<br />
Land wurden viele wichtige Maßnahmen auf den Weg<br />
gebracht, um dieses Vorgehen und die damit verbundene<br />
Politik zu ändern.<br />
In anderen Sektoren gäbe es eine Vielzahl von Minderungsoptionen.<br />
Die müssten jetzt einfach angegangen<br />
werden. Dazu liegen Anträge vor; da muss gehandelt<br />
werden. Zum Teil ist das – das sage ich an die Haushälter<br />
gewandt – nicht einmal mit Kosten verbunden.<br />
Allerdings müssen wir auch resümieren, dass wir für<br />
den Klimaschutz in den letzten 30 Jahren nicht besonders<br />
viel getan haben, obwohl die Erkenntnisse zugenommen<br />
haben und wir immer besser wissen, was der<br />
Klimawandel anrichtet. Er wird viel mehr anrichten als<br />
das, was in den letzten Jahrzehnten oder im letzten Jahrhundert<br />
passiert ist.<br />
Wir meinen, dass in diesem Bereich etwas getan werden<br />
muss, und haben ein Sofortprogramm vorgelegt,<br />
über das wir abstimmen können. Wir halten für die Zukunft<br />
eine energetische Schwerpunktsetzung auf Sonne,<br />
Wind, Biomasse und Wasser für notwendig, die auch der<br />
Volkswirtschaft nutzen wird. Das wissen wir nicht erst<br />
seit Nicholas Stern. Auch vor dem letzten IPCC-<strong>Bericht</strong><br />
war schon bekannt, dass wir eine Abkehr von fossilen<br />
Energien brauchen. Die internationalen Konflikte wurden<br />
schon angesprochen.<br />
Präsident Dr. Norbert Lammert:<br />
Ich erteile das Wort dem Kollegen Marco Bülow,<br />
SPD-Fraktion.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Marco Bülow (SPD):<br />
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte<br />
Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem<br />
Zitat:<br />
Gerade unter den Nationen, die sich für die zivilisiertesten<br />
halten und die sich der großartigsten Fortschritte<br />
in der Wissenschaft rühmen, finden wir die<br />
größte Apathie und die größte Ruchlosigkeit, was<br />
das ständige Verschmutzen der wichtigsten aller<br />
Lebensnotwendigkeiten angeht.<br />
Das ist kein neues Zitat. Es ist eine Feststellung von<br />
Alfred Russel Wallace von 1903. Leider haben ihn genau<br />
Deswegen ist Handeln – und zwar vor allem gemeinsam<br />
– das oberste Gebot. Es nützt nichts, Frau Künast,<br />
wenn wir uns jetzt zerfleischen und darüber reden, was<br />
in den letzten Jahren falsch gemacht worden ist. Wir<br />
müssen vor allem darüber reden, was wir gemeinsam in<br />
der nächsten Zeit richtig machen müssen.<br />
Es gilt, das Ruder herumzureißen. Wir müssen das gemeinsam<br />
tun, aber das muss in einer Weise erfolgen,<br />
(Beifall bei der SPD – Renate Künast [BÜND-<br />
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Satz hätte mit<br />
„Kelber“ anfangen müssen: Es nützt nichts,<br />
Herr Kelber!)<br />
dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land den Ich freue mich über jeden, der bis vor kurzem noch<br />
(B) Prozess unterstützen. Dann muss auch damit Schluss eine andere Politik betrieben hat und für den Klimawan- (D)<br />
sein, dass in einkommensschwachen Haushalten im del und Umweltschutz kein Thema war, der aber heute<br />
nächsten Winter, der vielleicht sehr kalt wird, Energiear- darüber redet und es ernst meint. Ich weiß, dass das viele<br />
mut herrscht oder dass es sich Kinder nicht mehr leisten tun, und zwar in allen Fraktionen. So müssen wir die Zu-<br />
können, mit dem Bus zu ihrem Sportverein zu fahren. Es kunft gestalten.<br />
geht nicht an, dass Energiekonzerne Zusatzgewinne in<br />
Milliardenhöhe aus dem Emissionshandel erzielen,<br />
wenn gleichzeitig dieses Geld an anderer Stelle dringend<br />
gebraucht wird.<br />
Wir müssen mit Fingerspielen im Sinne von „Wer hat<br />
Schuld?“ oder „Wer macht mehr?“ aufhören, aber auch<br />
mit dem Motto: Die anderen emittieren viel mehr CO2; deswegen müssen wir am Anfang nichts tun. Oder: Die<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
sind noch viel schlimmer als wir; die Amerikaner verbrauchen<br />
noch viel mehr. – Ich denke, jetzt geht es darum,<br />
wer mutig ist und vorangeht.<br />
Wir müssen vor allen Dingen lernen, wie die immer<br />
noch Ewiggestrigen und die Zauderer und Zögerer überzeugt<br />
werden können, das Richtige zu tun. Ich will auf<br />
einige Punkte eingehen. Es gibt zum Beispiel immer<br />
noch das Argument, Erderwärmung habe es immer gegeben<br />
und es werde sie auch in Zukunft geben; wie viel<br />
der Mensch dazu beitrage, sei nicht so wichtig. Erderwärmung<br />
hat es in der Tat immer gegeben. Es gab schon<br />
Eiszeiten, als es noch keine Menschen gab. Das ist alles<br />
richtig. Erderwärmung wird es auch in Zukunft geben,<br />
auch ohne Menschen. Denn die Natur wird nicht zerstört.<br />
Wir zerstören nur die Lebensgrundlagen der Menschen.<br />
Das heißt, Klimaschutz bedeutet in erster Linie<br />
weder Umweltschutz noch Naturschutz, sondern Menschenschutz.<br />
Ich denke, wir haben die egoistische Verantwortung,<br />
dafür zu sorgen, dass die Menschen auch<br />
weiterhin auf diesem Planeten leben können. Die Natur<br />
wird immer einen Weg finden, auch ohne uns und trotz