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1937-Das Volkslied in Graubünden - Burgenverein Untervaz

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und die Erfahrung zeigt, dass oft e<strong>in</strong>e an sich im wesentlichen gleichbleibende Melodie<br />

von Ort zu Ort, von Tal zu Tal, von Land zu Land wandert, während die zu ihr<br />

gesungenen Texte wechseln können, manchmal nur lokale Varianten e<strong>in</strong>es und<br />

desselben Grundtextes, manchmal aber auch Texte auf ganz neuer Grundlage s<strong>in</strong>d.<br />

Zwischen den beiden Extremen des völlig aus dem Ausland importierten, <strong>in</strong> der<br />

Schweiz unverändert übernommenen und dabei heimisch gewordenen <strong>Volkslied</strong>es und<br />

dem ohne fremdes Vorbild <strong>in</strong> der Schweiz entstandenen und hier autochthon<br />

gewordenen (und meistens auch gebliebenen) Schweizer <strong>Volkslied</strong> gibt es <strong>in</strong>dessen e<strong>in</strong>e<br />

ganze Reihe von Zwischenstadien die der Beachtung wert s<strong>in</strong>d, ja, unbed<strong>in</strong>gt<br />

berücksichtigt werden müssen, wenn man die <strong>in</strong>nere Struktur e<strong>in</strong>es <strong>Volkslied</strong>bestandes<br />

wissenschaftlich ernsthaft erfassen will. Es liegt nämlich im Wesen des <strong>Volkslied</strong>es,<br />

oder vielmehr se<strong>in</strong>er Erfassung durch das Volk, se<strong>in</strong>em Weiterleben im Volke<br />

begründet, dass jede volksmässige Geme<strong>in</strong>schaft, die e<strong>in</strong> Lied im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

«volksläufigen» Liedes s<strong>in</strong>gt und pflegt, sei sie gross oder kle<strong>in</strong>, regional oder national<br />

gegliedert, sich völlig naiv und unbekümmert um den Begriff des geistigen Eigentums<br />

oder denjenigen der wort- oder notengetreuen Konservierung des aufgenommenen<br />

<strong>Volkslied</strong>gutes daran macht, allerlei Änderungen am Text, an der Melodie, an ihrem<br />

Rhythmus usw. anzubr<strong>in</strong>gen. Modifizierungen, die bis zur völligen Entstellung, zur<br />

grundlegenden Strukturänderung des ursprünglichen Materials, aber <strong>in</strong> manchen Fällen<br />

wiederum auch zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tuitiv prachtvoll erfassten und <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv richtig<br />

durchgeführten Korrektur im S<strong>in</strong>ne bodenständiger Orig<strong>in</strong>alität, realistisch-kraftvoller<br />

Charakteristik, seelisch und menschlich wahren Ausdrucks führen können. E<strong>in</strong> solches<br />

erst importiertes, dann orig<strong>in</strong>ell modifiziertes <strong>Volkslied</strong> kann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Art ebensogut<br />

e<strong>in</strong> vollgültiges Zeugnis für den bodenständigen <strong>Volkslied</strong>charakter e<strong>in</strong>es bestimmten<br />

Gebietes und e<strong>in</strong>er bestimmten Volkse<strong>in</strong>heit darstellen wie das sogenannte<br />

«e<strong>in</strong>heimisch» entstandene. Gerade hier und bei dieser Betrachtungsweise kann man<br />

fassbar unter Umständen verfolgen, wie sich die Kreise z. B. des<br />

deutschschweizerischen <strong>Volkslied</strong>es <strong>in</strong>nerhalb <strong>Graubünden</strong>s von der grössten hier <strong>in</strong><br />

Frage kommenden Sprach- und Geistese<strong>in</strong>heit, der <strong>in</strong>dogermanischen, immer mehr über<br />

die germanische, dann die deutsche, die oberdeutsche, die alemannische und von da zur<br />

schweizerdeutschen, zur graubündnerischen und endlich etwa zur sprachlich-<br />

geographischen E<strong>in</strong>heit des Prättigaus und hier zu jener e<strong>in</strong>er bestimmten Geme<strong>in</strong>de<br />

verengen. Dieser Prozess spielt sich hauptsächlich auf den beiden Gebieten der<br />

sprachlich-lokalisierten Umprägung, der psychischen Anpassung an die spezifische<br />

Mentalität der betreffenden E<strong>in</strong>heit und der melodisch-rhythmischen Gestaltung ab. So<br />

etwa hat die echt schweizerische Älplersage von der «verlorenen Kuh» ihre typischen

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