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1920-Placidus Plattner - Ein Veteran - Burgenverein Untervaz

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<strong>Untervaz</strong>er <strong>Burgenverein</strong> <strong>Untervaz</strong><br />

Texte zur Dorfgeschichte<br />

von <strong>Untervaz</strong><br />

<strong>1920</strong><br />

<strong>Placidus</strong> <strong>Plattner</strong> - <strong>Ein</strong> <strong>Veteran</strong><br />

Email: dorfgeschichte@burgenverein-untervaz.ch. Beilagen zu den Jahresberichten des <strong>Burgenverein</strong> <strong>Untervaz</strong> sind<br />

auf dem Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich.


- 2 -<br />

<strong>1920</strong> <strong>Placidus</strong> <strong>Plattner</strong> - <strong>Ein</strong> <strong>Veteran</strong> Vinzenz Kreyenbühl<br />

Abschrift aus: Separatabdruck aus den Monat-Rosen <strong>1920</strong>.


- 3 -<br />

S. 03: <strong>Ein</strong> <strong>Veteran</strong>.<br />

Seit 58 Jahren halten wir die "Monat-Rosen" und haben schon unzählige<br />

Male in diesen Bänden geblättert und gelesen, am liebsten sind uns aber<br />

immer noch die "Späten Rosen" und die ersten Jahrgänge. Es ist das ganz<br />

natürlich. Dort finden wir die alten Namen, die alten Freunde, die schon vor<br />

und mit uns gelebt, und das ist etwas ganz anderes, als wenn uns unbekannte<br />

Männer entgegentreten, mögen ihre Arbeiten auch noch so gut sein. Doch<br />

auch in dieser Beziehung dürfen sich die "Alten" neben den Jüngern und<br />

Jungen immer noch hören und sehen lassen. Wir haben das an Franz Furger<br />

gezeigt und der Selige hatte viele Genossen, die Baumgartner, Bommer,<br />

Dedual, Eberle, Fröhlich, Göldlin, Gyr, Huber, Kämpfen, Lütolf, von Matt,<br />

Meschler, Müller, beide <strong>Plattner</strong>, Roten etc. Wer die ersten Jahrgänge<br />

durchgeht, wird staunen, wieviel Schönes an Poesie in denselben enthalten<br />

ist. Zum Allerschönsten gehört zweifellos, was Pl. <strong>Plattner</strong> geschrieben, der<br />

Redaktor des Jahrganges 1858-1859. Er hat seine dichterische Tätigkeit<br />

später fortgesetzt und dem Publikum immer reifere und schönere Früchte<br />

dargeboten. Das eine und andere Stück wurde auch schon in den "Monat-<br />

Rosen" besprochen, doch ist es wohl an der Zeit, das gesamte literarische<br />

Schaffen dieses unseres hochverehrten Vereinsmitgliedes auch einmal im<br />

Zusammenhange darzustellen. Oder soll man warten, bis der Verfasser von<br />

dieser Welt Abschied genommen, bis ihn der. Rasen deckt und Blumen auf<br />

dem Grabe blühen? Wir finden das nicht, sondern halten es für einen point<br />

d'honneur des Vereins, auch dem Lebenden zu zeigen, dass wir seine<br />

herrlichen Gaben zu schätzen wissen, dass wir dankbar sind für all das<br />

Schöne, das er uns geboten, und für die Ehre, die er dem Vereine<br />

eingebracht. Wir sind in dieser Beziehung viel zu gleichgültig und reserviert<br />

und dürften an dem gegnerischen Lager uns ein Beispiel nehmen. Der<br />

Schöpfer des "Caldar", des "Rink von Baldenstein" und der Sänger des<br />

"Liedes von den ersten Eidgenossen" ist wahrlich nicht verwöhnt worden und<br />

er musste zuerst das 85. Lebensjahr vollenden und vom Komitee der<br />

Schillerstiftung den Ehrenpreis erhalten, bis es <strong>Ein</strong>em einfiel, doch einmal<br />

die Schuld an den trefflichen <strong>Veteran</strong>en abzuzahlen, oder wenigstens den<br />

Versuch hiefür zu machen.


- 4 -<br />

S. 04: Es wären wohl, wie bei Furger sel., genug andere Männer gewesen, die diese<br />

Arbeit besser hätten leisten können, kompetentere Persönlichkeiten aus der<br />

mittleren und jüngeren Vereinsperiode, aber wenn niemand sich regen will,<br />

so ergreift ein Alter die Feder, um der Ehrenpflicht wenigstens einigermassen<br />

nachzukommen. Wir haben ja des Dichters Erstlingsarbeiten vor bald 60<br />

Jahren schon gelesen, darum ans Werk! Mit 85 und 83 Jahren ist nicht mehr<br />

viel Zeit zu verlieren!<br />

Pl. <strong>Plattner</strong>s Schaffen begann in den "Späten"- und "Monat-Rosen", der<br />

Student nahm überhaupt am Vereinsleben regen Anteil, er trat an<br />

Versammlungen als Redner auf, war Kritiker der literarischen Arbeiten,<br />

Mitbegründer der "Monat-Rosen", schrieb prächtige Briefe über die<br />

Weiterentwicklung des Organs, über das Streben der Vereinsmitglieder,<br />

schuf schwungvolle Gedichte. Er wählte auch das Studium, welches zu dieser<br />

Neigung und Tätigkeit passte: Philosophie, Philologie und Geschichte, in St.<br />

Gallen, München und Prag.<br />

Vom Strande an der Moldau schickte er sein "Sturmlied auf dem Gotthard"<br />

an die "Monat-Rosen" und seine herrliche Korrespondenz über das Fest des<br />

Hl. Johannes von Nepomuk vom 11. Mai 1857, aus der wir eine Skizze und<br />

einige Stücke mitteilen wollen.<br />

<strong>Plattner</strong> bummelt am Feierabend vor dem Feste auf dem Pragerquai längs der<br />

Moldau auf und ab und entwirft nun zuerst ein Bild der Umgebung, der<br />

Gärten, Plätze, Monumente, des Stromes, der Brücken etc. und kommt dann<br />

auf den Heiligen selbst und die Pilger zusprechen, die dieses Jahr besonders<br />

zahlreich zum Feste vom Lande herbeigeeilt waren. "Staubig und müd'<br />

kamen die Scharen, ihr Ränzchen auf den Rücken geschnallt und<br />

Rosenkränze in den Händen, in das Weichbild des türmereichen Prags, und,<br />

wenn sie durch die Gassen der Stadt zogen, genierten sie sich nicht im<br />

geringsten, laut zu beten und zu singen, bis sie zum Bilde auf der Brücke<br />

gelangten, wo sie in Andacht niederknieten und dankten und beteten.<br />

"Dummes Volk"! surrte wohl mancher sogenannte "Gebildete", der ihnen auf<br />

der Strasse begegnete, manche herumwandelnde Schreibstubenschablone,<br />

mancher welthausierende Commis mit glacehandschuhenem Gesichte aus<br />

seiner Krambude hervor. Scheltet das arme Volk immerhin dumm, wenn es<br />

einmal im Jahr und vielleicht im ganzen Leben von den Fesseln der


- 5 -<br />

heimischen Scholle, von den Mühen und Sorgen des eigenen Hauses und von<br />

dem ewigen <strong>Ein</strong>erlei seiner Umgebung sich losreisst, um einige Tage Gott<br />

und heiligen Gedanken zu leben, die vielleicht schwergetrübte Harmonie der<br />

Seele wieder herzustellen, und um dem Drucke, der Last und gemeinen Not<br />

des Lebens im Aufschwung des Gemütes zu Gott und dem Göttlichen ein<br />

Gegengewicht zu geben, scheltet es "dumm", während ihr wegen einiger<br />

elender Silberlinge auf den Flügeln des Dampfes durch die Welt rennt, Gottes<br />

grosse Natur und Alles, was des Menschen höherer Sinn geschaffen, mit<br />

blasiertem Stumpfsinn und den Affengeberden unsrer modernen<br />

Gescheidtheit anblinzelt, scheltet es "dumm", wenn es singt und betet und<br />

weint und jubelt in vollem Herzensdrang, indes euere Zunge nur im Dienste<br />

Mammons oder der Lüge und Sinnlichkeit sich regt, scheltet es "dumm",<br />

Alle, die ihr die ewigen Bedürfnisse. der Menschennatur an euerm schalen<br />

Schädel und tonlosen Herzen abmesst, scheltet es "dumm", die ihr Makulatur<br />

und Papierfetzen frivoler Romanschreiber wie Reliquien verehrt und<br />

aufbewahrt."<br />

S. 05: Wer dem allgemeinen Völkerleben und den verborgenen Tiefen der<br />

Menschen. natur etwas mehr auf den Grund gegangen ist, dem drängen sich<br />

andere Begriffe vom Volk und Volkstum auf und das Vollmass dummkluger<br />

Abgeschmacktheit dürfte ihn schwerlich irgendwo mehr anwidern, als bei<br />

dem breiten und schmutzigen Strandschaum, den die moderne Hyperkultur<br />

mit sich führt, bei der grössten Masse derjenigen, die sich "Gebildete"<br />

schelten. Fraget Wind und Wolken, warum sie über Länder fahren? Fraget<br />

die Vögel, warum sie nach fernen Gegenden ziehen?"<br />

"Lebt nicht ein ähnliches Gesetz in den Tiefen der Menschenbrust, die es<br />

rastlos treibt, den Paradiesesfrühling des Seelenfriedens ausser den niedern<br />

Sphären rein irdischer Beschäftigung im Umgang mit Gott und dem Heiligen<br />

zu suchen? Haben nicht alle Völker, so lange sie einig waren und in<br />

ungebrochener Jugendkraft standen, ihre Wallfahrten und Pilgerzüge gehabt,<br />

auf denen sie frei von der gemeinen Not des' Alltaglebens sich mit den<br />

höchsten und heiligsten nationalen und religiösen Gefühlen und Ideen<br />

beschäftigten? Man. denke an die religiösen und zugleich nationalen Feste<br />

der Hebräer im Zentralpunkte ihres Lebens, im Tempel zu Jerusalem! Die<br />

grossen, uralten Wallfahrten der Inder und Aegypter sind bekannt. Wer sich


- 6 -<br />

nur ein bisschen gründlich mit griechischer Geschichte beschäftigt hat, weiss,<br />

dass dieselbe sich grösstenteils an die uralten heiligen Nationalstätten der<br />

hellenischen Erde, an Dodona und Delphi, gleichsam als an ihre innern,<br />

idealen Mittelpunkte knüpft, er weiss nicht minder, dass jährlich Tausende<br />

aus allen: Landen der hellenischen Zivilisation zu diesen<br />

Nationalheiligtümern pilgerten und dass deshalb auch der Tempel der<br />

Artemis zu Delphi, dies Wunderwerk hellenischer Baukunst, aus freiwilligen<br />

Beiträgen der verschiedensten hellenischen Stämme erbaut wurde. Wem<br />

wäre unbekannt, was den echten Osmanlis noch bis auf den heutigen Tag ihre<br />

Kaaba zu Mekka mit dem angeblich vom Himmel gefallenen Stein ist, zu<br />

welchem nach den Vorschriften des Koran jeder Gläubige wenigstens einmal<br />

in seinem Leben pilgern muss? Und endlich, um auf das zu kommen, was uns<br />

am nächsten liegt, pilgerte nicht der ganze Occident auf der ersten<br />

Sonnenhöhe der christlichen Kultur, wie von einem magischen Zuge<br />

getrieben, nach der Geburtsstätte des Christentums und an das Grab seines<br />

göttlichen Stifters? Und lebt dieser tiefe Zug nicht noch heute in allen<br />

Gemütern fort, denen das Christentum mehr ist, als eitle blasse, historische<br />

Reminiszenz, denen es eine lebendige, göttliche Tatsache ist? Und all dies<br />

wäre bei ganzen Völkern wie bei Individuen nichts als Dummheit! Das wäre<br />

nicht ein tiefes inneres Gesetz. der Menschennatur, welches nur von der<br />

Unnatur nicht verstanden wird? Diese und ähnliche Gedanken beschäftigten<br />

mich, während die Scharen: an mir vorüberzogen und ich sie in ihrer Andacht<br />

auf der herrlichen Brücke betrachtete."<br />

Dann schildert <strong>Plattner</strong> das brillante Feuerwerk am Abend, berichtet über das<br />

Pontifikalamt im Dome und bringt über diesen architektonische und<br />

historische Notizen:<br />

"Bald! wäre er, ein Opfer des zerstörenden Fanatismus der Hussiten, durch<br />

Feuer zugrunde gegangen. Später hatte er manches Widerwärtige von den<br />

rohen und raubsüchtigen Schweden zu erfahren. Im siebenjährigen Kriege<br />

sendete ihm der alte Fritz vom Weissenberge herab einen Gruss von in die 20<br />

000 Kanonenkugeln, welche die schönsten Fenster zersplitterten und manche<br />

der zierlichen Türmchen von ihren luftigen Sitzen herunterwarfen. Für den<br />

französisch gebildeten königlichen Raubfahrer im Stile Ludwig XIV. wäre es<br />

wahrscheinlich ein heiteres Amüsement gewesen, wenn der altehrwürdige


- 7 -<br />

Dom unter dem Donner seines Bombardements zusammengebrochen wäre,<br />

mochte er doch seine Bauart und seinen ästhetischen Wert wahrscheinlich<br />

ebenso hoch anschlagen, als den des Nibelungenliedes, das seinem Bedünken<br />

nach bekanntlich keinen Schuss Pulver wert war. Wem die hohngetränkten<br />

Plattheiten der französischen Enzyklopädisten als Muster<br />

S. 06: galten, von dem war freilich über die grossartigsten Schöpfungen des<br />

menschlichen Geistes kein günstiges Urteil zu erwarten. Wo sind indes die<br />

Spottgeburten der französischen Enzyklopädisten und die Höllenmaschine<br />

der Enzyklopädie selber, die die "Infame" ecrasieren und ein neues Weltlicht<br />

anzünden sollte? Sie sind verschollen und wandeln nur noch als blasse<br />

Gespenster in den Gewölben der Bibliotheken herum. Um die literarische<br />

Wäsche von Sanssouci und Potsdam kümmert sich die Gegenwart ebenso<br />

wenig. Das Nibelungenlied ist trotz des geringschätzigen Urteils des<br />

königlichen Philosophen in den bessern Teil der Völker deutscher Zunge<br />

gedrungen, die Kämpfer der Befreiungskriege haben. sich an ihm gestärkt,<br />

wie einst die Marathon- und Thermophylen-Kämpfer an den Gesängen der<br />

Iliade, des einzigen ihm ebenbürtigen Nationalepos der Welt, sich begeistert<br />

und gestärkt haben mochten. Mit Recht sind die Völker deutscher Zunge<br />

stolz auf den gemeinsamen Nationalschatz, dieses grandiose Monument<br />

verschwundener Herrlichkeit und <strong>Ein</strong>heit des deutschen Volkes. Fortwährend<br />

wird es den edleren Teil der Jugend deutscher Zunge und deutscher Art<br />

begeistern und erwärmen, solange noch ein Rest von dem ursprünglichen<br />

Siegfriedtypus in ihm lebt."<br />

Nun kommt <strong>Plattner</strong> auf den Verein und die "Monat-Rosen" zu sprechen. Im<br />

Sommersemester war der "wackere Jenny" angekommen (er ist schon lange<br />

gestorben, bei einer Probe der Liedertafel in Luzern brach er plötzlich an<br />

einem Herzschlage zusammen. Der Verf.), und nun freuten sie sich von<br />

Monat zu Monat auf das Vereinsblatt, das damals im ersten Jahrgange war.<br />

"Hier gefallen sie (die "Monat-Rosen") im ganzen gut. Von anderer Seite<br />

hören wir verschiedenes. <strong>Ein</strong>igen haben sie zu wenig Feuer, andern zu wenig<br />

Lyrisches. Wer wollte in unsere kalten Zeiten auch beständig Feuer sprühen<br />

und Lava speien, selbst die Vulkane haben nur von Zeit zu Zeit Eruptionen....<br />

Respekt vor echter Lyrik, aber zu viel ist ungesund. Die Arbeit des Geistes<br />

und der Ideen möchte ich vor allem in schönen Formen ausgeprägt sehen."


- 8 -<br />

"Dedual in Mailand ist der Ansicht, man sollte im Blatte die wichtigsten<br />

Vereinsnachrichten nicht ganz vergessen, und zwar sowohl in betreff der<br />

Ehrenmitglieder als der Aktiven, die sich nicht selten die Prärogative zu<br />

nehmen scheinen, sich das ganze Jahr hindurch in Vereinssachen so ziemlich<br />

passiv zu verhalten. Die Ehrenmitglieder aus dem Prokrustesbette ihrer<br />

beruflichen Praxis in das Leben und Streben des Vereins hineinzuziehen, das<br />

kann nur durch das Vereinsorgan gelingen) und sollten auch manche durch<br />

das jugendliche Feuer nicht mehr zu beleben sein, so kann das Studium der<br />

Petrefaktenkunde an so ausgezeichneten Exemplaren die strebende Nachwelt<br />

nur fördern und belehren."<br />

So Pl. <strong>Plattner</strong> in seiner Prager Korrespondenz vom 21. Mai 1857. Was er<br />

schrieb, hat heute noch Geltung und sollte von allen Aktiv- und<br />

Ehrenmitgliedern sehr beherzigt werden. Die Prager Epistel war ein<br />

Musterbrief nach Inhalt und Form, geistvoll, gedankenreich, ein Prachtstück<br />

nach Kraft, Frische und Schwung der Sprache, überhaupt eine<br />

Korrespondenz (nicht ein Artikel), wie wir seither in den "Monat-Rosen"<br />

keine mehr gelesen. Wir sprechen ausdrücklich nur für unsere Person, wer es<br />

anders weiss, möge sich melden! Interessant ist es schon, dass<br />

S. 07: <strong>Plattner</strong> in betreff der "Monat-Rosen" und speziell ihrer Beziehung zu den<br />

Ehrenmitgliedern den ganz gleichen Standpunkt vertritt, wie in der Nummer<br />

vom Mai 1919 der "Protest" aus der östlichen Schweiz. Wir gehen nun in<br />

unserer literarischen Skizze weiter. Nachdem der Student "Philister"<br />

geworden, fanden die reichen Kenntnisse bald ihre Verwertung. Wir wollen<br />

nun zuerst den Rahmen zeichnen, innerhalb welchem die ausserordentlich<br />

rege Tätigkeit sich entfalten musste.<br />

Im Jahre 1859 kam <strong>Plattner</strong> als Professor nach Schwyz, 1860/61 wirkte er in<br />

gleicher Eigenschaft in Altstätten, 1862/63 in Zug, wo er Rektor der<br />

Kantonsschule wurde, von 1864-1870 in Chur als Professor und Vizerektor<br />

ebenfalls der Kantonsschule. Auch in der Politik traf <strong>Plattner</strong> schon früh auf,<br />

von 1859-1906 gehörte er dem Grossen Rate von Graubünden an, war öfter<br />

dessen Präsident, wurde 1873 und 1876 Regierungsstatthalter, 1877, 1878<br />

und 1884-1887 Regierungsrat, 1886 Präsident der Behörde, ferner gehörte er<br />

an dem Erziehungsrate, der Standeskommission, der<br />

Geschäftsprüfungskommission, als Suppleant dem Kantonsgerichte, dem


- 9 -<br />

Bankrate, von 1901-1917 der Erziehungskommission, war Präsident der<br />

eidgenössischen Schatzungskommission für Tessin und bekleidete Aemter<br />

für Kreis und Stadt Chur. Was brachten diese Chargen für eine Unsumme<br />

von Arbeit!<br />

Wir mussten diesen äussern Lebensgang streifen, denn jetzt wissen wir erst<br />

recht die literarischen Gaben zu schätzen, die Pl. <strong>Plattner</strong> neben diesen<br />

Berufsgeschäften uns noch geboten hat. Den Professor und Magistraten<br />

lassen wir ganz bei Seite und möchten nur den Literaten, den Jünger der<br />

Muse in wenigen Zügen unsern lieben Freunden vorführen.<br />

Wir greifen auf das Jahr 1859 zurück. <strong>Plattner</strong> ist am Kollegi in Schwyz, er<br />

wird wohl Philologie, Literatur und Geschichte doziert haben. Das ist<br />

übrigens irrelevant, zweifellos hatte er ein gerütteltes Mass von<br />

Unterrichtsstunden. Und nun beachten wir, was er nebstdem noch leistete:<br />

Der vielbeschäftigte Professor gab die Sammlung seiner Gedichte heraus:<br />

"Aus den Rhätischen Alpen", die "Alpenstimmen", redigierte den Jahrgang<br />

der "Monat-Rosen" und die damals ins Leben gerufenen "Schweizer - Blätter<br />

für Wissenschaft und Kunst", die bei A. Eberle in Schwyz erschienen. In<br />

Schwyz also hat <strong>Plattner</strong> die literarische Tätigkeit eröffnet, die Uebersetzung<br />

der "Vier Märtyrer von Rio", Innsbruck 1857, von der in Nr. 8 der "Monat-<br />

Rosen" 1857 die Rede ist, dürfen wir wohl übergehen.<br />

Zum ersten Bande der "Schweizerblätter" schrieb der Redaktor das<br />

"Vorwort", das zu einem herrlichen Programmartikel geworden ist. Wir<br />

S. 08: dürfen uns nicht versagen, aus diesem "Vorworte" die Hauptstellen<br />

mitzuteilen. Der Redaktor schreibt unter anderm: "Es wäre ohne Zweifel<br />

nichts weniger als zeitgemäss und es hiesse Wasser in Rhein und Eulen nach<br />

Athen tragen, wollte man durch ein neues Organ Hass, Neid, Zwietracht,<br />

Verleumdungssucht und wie alle die Nachtgespenster sich nennen, in unserer<br />

lieben. Eidgenossenschaft noch mehr schüren und verbreiten. Lassen wir<br />

diese Irrwische in den Niederungen und Sümpfen des Lebens, aus denen sie<br />

hervorgehen und wohin. sie gehören, den reinen Aether der Wissenschaft und<br />

Kunst sollen sie nicht trüben. So viel zur Beruhigung jener, die in den<br />

"Schweizerblättern" einen neuen Blasebalg zur Anfachung schlechter<br />

Parteileidenschaften befürchten zu müssen glaubten.


- 10 -<br />

"Gegen eines aber verwahren wir uns feierlich. Man verlange von uns keine<br />

Charakterlosigkeit, man deute es uns nicht als konfessionelle Gehässigkeit,<br />

wenn wir offen und redlich katholische Ansichten und katholische<br />

Lebensanschauung vertreten, man schreie nicht über Finsternis, wenn wir<br />

einen andern Standpunkt einnehmen, als den des modernen Industrialimus,<br />

Materialismus und Nihilismus, man verketzere uns nicht von rechts, wenn<br />

wir die wohlfeile, hausbackene und denkfaule Borniertheit gewisser Leute<br />

nicht teilen, man werde nicht ungehalten, wenn nicht jeder in jeder Nummer<br />

und in jedem Aufsatz der "Schweizerblätter" ein getreues Konterfei seines<br />

eigenen Geistes und seiner eigenen, im betreffenden Punkte vielleicht höchst<br />

unmassgeblichen Ansichten wieder findet.<br />

"Oder wenn man' "die süsse Gewohnheit" des Schreiens, Schimpfens,<br />

Verdächtigens durchaus nicht lassen kann, so fahre man unserthalben<br />

ungestört fort. Wir wollen den Lauf der Natur nicht hemmen und jedem die<br />

Stimme und den Ton lassen, womit Mutter Natur ihn bedacht. Nicht jeder<br />

Vogel ist eine Nachtigall und nicht in jeder Haut steckt ein Löwe. Die<br />

"Schweizerblätter" werden trotz der Naturstimmen von hüben und drüben<br />

ihren Weg gehen, einen Weg, wie er der Freiheit des Geistes, dem Ernst und<br />

der Würde der Wissenschaft geziemt.<br />

"Aber stecken denn keine politischen Gelüste dahinter? Will man nicht<br />

Generalmarsch schlagen und den Ultramontanismus in der Schweiz zur<br />

Sammlung rufen, damit er wie ein ungeheures, schwarzes, mittelalterliches<br />

Leichentuch oder gar wie ein Heer ägyptischer Heuschrecken eines schönen<br />

Morgens die ganze Schweiz und all das freie, eigentümliche Leben in ihr<br />

bedrohe und begrabe? Das wäre ohne Zweifel schrecklich, ungefähr ebenso<br />

schrecklich als das Knotennetz der Zentralisation in Verfassung, Verwaltung,<br />

Rechtspflege, Religion, im Unterrichtswesen<br />

S. 09: und in der Wissenschaft. Wir halten aber das erstere wie das letztere für<br />

Phantasmagorien erhitzter Köpfe, denen ein tieferer <strong>Ein</strong>blick in land und<br />

Leute und in die Geschichte unserer Eidgenossenschaft abgeht. Wo ist die<br />

grosse politische Wunderspinne, die das Fangnetz der Zentralisation von<br />

ihrer eigenen Leiblichkeit aus über die 22 Kantone der dreisprachigen,<br />

konfessionell zweispaltigen, von gewaltigen Gebirgen durchschnittenen und<br />

von jeher einem möglichst hohen Grade individueller und kantonaler Freiheit


- 11 -<br />

huldigenden Schweiz auszubreiten und sich behaglich in der Mitte zu halten<br />

vermöchte? Man mache sich keine Illusionen, die kleinen Spinnlein, deren<br />

Anzahl Legion ist und von denen sich jede ins Zentrum setzen möchte,<br />

werden dies nie dulden, und täten sie es, wer würde dafür bürgen, dass nicht<br />

heute oder morgen irgend ein Windstoss das ganze Gewebe zerreissen<br />

könnte?<br />

"Aber auch die Furcht vor dem schweizerischen Ultramontanismus, wie man<br />

ihn sich zu denken pflegt, ist eine Gespensterfurcht, die moderne, aller<br />

mittelalterlichen Gespensterseherei abholde Geister nicht mehr schrecken<br />

sollte. Freilich als Vogelscheuche und Baubau für das Volk lässt sich der<br />

"Ultramontanismus" noch immer recht gut brauchen, weshalb er von Zeit zu<br />

Zeit von den Nachtwächtern der öffentlichen Meinung die die Laternen ihrer<br />

Aufklärung vor sich hin tragen, auf ihre Nachtwächterpartisane gesteckt<br />

wird, um die alten und jungen Kinder damit zu schrecken. Der<br />

Ultramontanismus, den die "Schweizerblätter" vertreten und dessen<br />

wissenschaftliches Organ sie bilden werden, ist nichts Besseres und nichts<br />

Schlechteres und überhaupt gar nichts anderes, als der de facto seit<br />

Jahrhunderten bestehende und auch von der Bundesverfassung und allen<br />

Kantonsverfassungen gewährleistete Katholizismus, nicht ein Katholizismus,<br />

wie man ihn von gewisser Seite haben möchte, sondern wie er zu Recht und<br />

Tat besteht. Ausser diesem Katholizismus verfechten die "Schweizerblätter"<br />

keine besondern Nuancen katholischer Richtung oder Anschauung weder<br />

nach rechts noch nach links. Es bleibt vielmehr jedem Forscher die Freiheit<br />

individueller Anschauung innerhalb der bezeichneten Grenzen vollständig<br />

gewahrt. Auch wer ausschliesslich eine konfessionell theologische Zeitschrift<br />

erwarten zu dürfen glaubt, dem geben wir die Versicherung, dass er sich in<br />

seinen Erwartungen sehr getäuscht sehen wird, indem den<br />

"Schweizerblättern" mit Ausnahme der protestantisch konfessionellen<br />

Theologie das ganze ungeschmälerte Gebiet der Wissenschaft, insofern<br />

dasselbe für die Zwecke einer Zeitschrift sich eignet, unbehindert offenbleibt,<br />

die Natur- und Geschichtswissenschaften haben Zutritt so gut wie die<br />

abstrakten, die theologischen und philosophischen Doktrinen. Auf<br />

theologischem


- 12 -<br />

S. 10: Gebiete wird jede Art unnütz aufreizender und unwissenschaftlicher Polemik<br />

ferngehalten werden. Wir haben Besseres zu tun."<br />

Das sind die Hauptlinien des Programms. Wir haben die Stellen gebracht,<br />

nicht nur, um die grundsätzliche Richtung der Redaktion zu zeigen, sondern<br />

ebenso sehr dem Leser ein Beispiel zu geben von der Frische und Kraft,<br />

Gewandtheit und Originalität der <strong>Plattner</strong>'schen Prosa.<br />

Die gleichen Eigenschaften treten auch, ja sogar noch stärker, hervor in<br />

einigen Artikeln, welche die Redaktion im ersten Bande veröffentlicht hat,<br />

besonders in der "Poesie der Gegenwart" und im "Gang durch die Stoa".<br />

Erstere Arbeit gibt einen knappen Ueberblick über die Entwicklung der<br />

(damaligen) zeitgenössischen Literatur in allen zivilisierten Ländern Europas:<br />

Italien, Frankreich, Spanien, England und Deutschland.<br />

Es möge hier nur die Stelle über Frankreich folgen: "Die Franzosen, die wenn<br />

auch nicht a la tête de la civilisation stehend, doch an der Spitze der Kultur<br />

der romanischen Völker gedacht werden, haben die Poesie in der Tat wohl<br />

seit einem Jahrzehnt unter allerlei Schauer- und Spektakelspuk begraben. Die<br />

meisten ihrer romantischen Grössen, ein Lamartine, ein Viktor Hugo vor<br />

allen fristen ein trauriges, unpoetisches Dasein, Alfred de Musset, der geniale<br />

"Lausbub", wie ihn der geistesverwandte und ebenso liederliche H. Heine<br />

nannte, wurde früh ein Opfer seiner Ausschweifungen. Beranger, der<br />

leichtgeschürzte Chansonnier und populärste Dichter Frankreichs, wurde<br />

letztes Jahr unter polizeilicher Ehrenwache bestattet, nachdem er schon lange<br />

vorher für gut gefunden hatte, die Leier an den Nagel zu hängen. Selbst<br />

Eugen Sue, der grosse Garkoch ist von dem Schauplatz dieser Welt<br />

abgetreten, die er so lang mit Gestank erfüllte.<br />

"Die prickelnde unruhige Phantasie des leicht erregbaren Volkes lustwandelt<br />

gegenwärtig in wüstem Somnambulismus in den unheimlichen<br />

Schlupfwinkeln und Sackgassen des moralisch und ästhetisch Hässlichen.<br />

Die sozialen Zustände des Landes und namentlich der Hauptstadt er. klären<br />

diese Erscheinung hinlänglich. Suchen wir in der Gegenwart Poesie, so<br />

dürfen wir am allerwenigsten über dem Rhein und Jura nach ihr fragen, von<br />

der die auf Korruption gescheit spekulierenden Theater. stücke eines Dumas<br />

Sohn nach dem Geständnis selbst der berufensten Pariser Kritiker keine Spur<br />

an sich tragen, so vortrefflich sie auch in ihrer Mache sind."


- 13 -<br />

So das Urteil <strong>Plattner</strong>s über die damalige Poesie der Franzosen, heute würde<br />

es kaum anders lauten. Die Stelle gibt einen Begriff von dem<br />

S. 11: Schneid", dem Esprit und Schwung seines Stiles. Milder lautet das Urteil<br />

über Spanien, und prächtig ist die Charakteristik von A. Manzoni.<br />

Wir können auf England und Deutschland und den gedankentiefen "Gang<br />

durch die Stoa, nunmehr hinweisen. Wenn wir das alles neuerdings lesen,<br />

studieren und geniessen, müssen wir uns immer und immer wieder fragen:<br />

Wie war es möglich, in so wenig Jahren und bei so viel anderer Arbeit eine<br />

solche Beherrschung der alten und neuen Sprachen und eine solche Kenntnis<br />

ihrer Literatur und der Philosophie und Geschichte zu erlangen? Fast möchte<br />

man mit dem Geschicke hadern, dass dieser Mann von Kunst und<br />

Wissenschaft weg zur Politik überging, allein auch da vergass er die ersteren<br />

nicht und stellte doch, seinen ganzen Mann für das Leben und für das Wohl<br />

des Staates und Volkes. Statt durch Schrift, konnte er jetzt durch das<br />

lebendige Wort wirken im Ratssaale, in den Parlamenten, bei Festanlässen<br />

und was er da zu leisten vermochte, zeigte seine grossangelegte, gewaltige<br />

Festrede an der Calvenfeier im Mai 1899, die alle zu Begeisterung hinriss, als<br />

er das letzte Wort "Frei" dreimal mit steigender Kraft über das Haupt der<br />

Hörer weg an die Felsenwände des Calanda hindonnerte.<br />

Wir verlassen nun den Prosaiker, Wissenschafter und gehen zum eigentlichen<br />

Thema, zum Dichter über.<br />

Orator fit, poeta nascitur" - und Pl. <strong>Plattner</strong> war ein geborner Dichter, er hat<br />

den Pegasus auf allen Hauptgebieten der Poesie getummelt. er ist Lyriker,<br />

Epiker und Dramatiker. Wir nehmen die Reihenfolge nach der Bedeutung, in<br />

der der Meister zu unserem Vereine steht.<br />

I. Der Dramatiker.<br />

Pl. <strong>Plattner</strong> hat drei Schauspiele veröffentlicht: "Ulrich Wikard", "Johann<br />

Caldar" und "Rink von Baldenstein". Wir wollen die Stücke uns etwas näher<br />

ansehen.<br />

Alle drei Dramen sind über <strong>Ein</strong>en Grundton gestimmt, variieren das gleiche<br />

Thema, den Sieg von Wahrheit, Recht und Freiheit über Lüge, Willkür und<br />

Gewalt, aber gerade die Art der Durchführung dieses Gedankens bedingt die


- 14 -<br />

Spezialität des Stückes und zeigt den Künstler in richtigem Lichte. "Caldar"<br />

und "Rink" nehmen zum, Vorwurfe die Zustände von Gauen und Gebieten,<br />

eines ganzen Volkes, der "Ulrich Wikard" beschränkt sich auf die engem<br />

Verhältnisse einer Stadt, er erschien 1864 bei Friedrich Schulthess in Zürich,<br />

und spielt im Jahr 1278.<br />

<strong>Ein</strong>e liebliche Szene eröffnet den ersten Akt. Ulrich Wikard ist kürzlich von<br />

einer grossen Reise in die weite Welt, die er als Leiter eines Geschäftes<br />

S. 12: zur Ausbildung unternommen hatte, zurückgekehrt, hat dabei dem alten<br />

Freunde seines Vaters, dem Meier Elsener von Menzigen, einen Besuch<br />

gemacht und ihn als Gast in das Haus nach Zug eingeladen. Er traf da auch<br />

mit der Tochter Margaretha zusammen und wurde von der blühenden<br />

Erscheinung entzückt. Das erzählte er nun seiner Mutter Agnes, welche alles<br />

zum Empfang der Gäste in Ordnung bringen will, denn Ersterer ist<br />

entschlossen, wegen der ewigen Plackereien der Ritter von Wildenburg und<br />

Hünenberg sein Gut zu verlassen und sich als Bürger in Zug anzusiedeln.<br />

Zum Ueberfluss hat der alte Wolfhart von Wildenburg auch noch um die<br />

Hand Margarethas für seinen jüngern Sohn Brandolf angehalten, wurde aber<br />

"höflich, doch entschieden" abgewiesen. Die Wolken steigen in der Ferne<br />

sacht empor und neue sammeln sich.<br />

Die Gäste sind angekommen. Wie alle in heiterm Gespräche sind, wird<br />

Wikard durch einen Knecht rasch ins Geschäft abberufen, und was da sich<br />

ereignete, erzählt der Meister nach der Rückkehr selbst:<br />

"Im Schlachthaus stand der Knecht von Wildenburg,<br />

Der Schurke Kunz, und warf mit wildem Schelten<br />

Das Stück weg, das mein Altgesell ihm reichte,<br />

Da liess ich es dem Schufte wieder bringen.<br />

Er schreit und stösst es weg. "Was willst du denn?"<br />

Sag' ich. Er greift nach einem andern Stück,<br />

Bestellt von einem Bürger. ""Was Hallunke!"<br />

Heult er mich wütend an, "ich will dir zeigen,<br />

Was du zu tun! Das Schlechte gibst du mir<br />

Für meinen Herrn, das beste deinen Bürgern,<br />

Du weisst nicht was du schuldest, wem ich diene!"<br />

Dann höhnt er, mit der Rechten deutend:


- 15 -<br />

"Nimm Du dieses Hundeaas für deine Dirne<br />

Und für den alten Narren" deinen Gast<br />

Mir aber hau' hier ob!" Mir stieg die Wuth<br />

Krampfhaft in Brust und Kehl', ich fass' ein Beil<br />

Hui fliegt die Schneide in die Hand des Kerls<br />

Und blutend und verstümmelt schleicht er fort,<br />

Das Tor erfüllend mit den frechsten Flüchen."<br />

Die Tragik hat begonnen, gleichwohl geht Ulrich mit seinen Gästen auf die<br />

Burg, um den Wunsch der <strong>Ein</strong>bürgerung von Elsener beim kaiserlichen<br />

Amtmann Wem er anzumelden. Dieser wird unterdessen von dem Fronboten<br />

Schlupf, einem geriebenen Intriganten und Gauner gegen Ulrich und Elsener<br />

aufgestachelt, das Gesuch abzuweisen und Wikard zu verbannen. Das<br />

eingeträufelte Gift beginnt zu wirken. Der Amtmann fragt den Meier von<br />

Menzigen: "Erklärt Euch, was geschah mit Eure! Tochter?"<br />

S. 13: Margaretha.<br />

"Gestrenger Herr, o hört mich an, dann urteilt !<br />

Verfolgt, gehetzt, dem flücht'gen Wilde gleich,<br />

Verliessen wir den Berg, die alte Heimat.<br />

Im dichtesten Gehölz der Lorzenschlucht<br />

- Mit Fug gab ihr das Volk den Namen Hölle -<br />

Da, wo der enge Bergsteig zwischen Felsen<br />

Hinan sich windet, eilt ich meinem Vater<br />

In jugendlicher Rüstigkeit voraus<br />

Um ein paar Schritte, da begegnet mir<br />

Der Junker Brandolf von der Wildenburg<br />

Auf schmalem Pfad und tut, als wich er aus,<br />

Indem er auf den äussern Rand sich stellte.<br />

Er schaut um sich, und wie er niemand sieht,<br />

Versucht er's, mich auf seine Burg zu locken,<br />

Und da die Schmeichelworte nicht verfingen,<br />

Will mit Gewalt er meiner sich versichern,<br />

Ich aber stoss' ihn kräftig von mir weg.<br />

Er strauchelt, gleitet aus und stürzt den Abhang


- 16 -<br />

Hinunter in die Schlucht. Ob er nun tot,<br />

Ob nur verwundet, weiss ich nicht. Wir hörten<br />

Sein Schrei'n und Stöhnen aus der Tiefe noch<br />

Nun kam die Wurzeltrud vom Hünenberg<br />

Aus dem Gebüsch, des Wüstlings eigne Muhme.<br />

Sie billigte, was ich getan, dann stieg<br />

Auf meinen Rat sie in die Schlucht hinab,<br />

Um nachzusehen, wie er sich befinde.<br />

Unangefochten eilten wir dann weiter,<br />

Bis hinter uns das Tor der Stadt sich schloss."<br />

Der Amtmann will vorderhand freies Gastrecht gewähren, die Auslieferung<br />

Wikards an den Wildenburger wird verweigert, dagegen soll er auf zwanzig<br />

Jahre verbannt werden und an dessen Stelle tritt Werner als Bewerber um die<br />

Hand Margarethas.<br />

Die Luft ist nun mit Elektrizität geladen, das Gewitter muss losbrechen. Der<br />

Sohn Brandolf in den Abgrund gestürzt, der Knecht Kunz verstümmelt, die<br />

Auslieferung Wikards mit Hohn verweigert, das ist zu viel für die<br />

Wildenburger und Hünenberger. Es wird die Züchtigung der Stadt<br />

beschlossen.<br />

Da gibt es noch eine ergreifende Szene. Die Muhme Gertrud führt.! den<br />

verwundeten Brandolf herbei und fleht um Mitleid und ein bescheidenes<br />

Plätzchen in dem Ahnenschlosse. Die Bitte wird abgeschlagen, und \ nun<br />

müssen die Geschicke sich erfüllen:<br />

"Seid dann verflucht mit allen euren Plänen,<br />

Wie eine Schlange folg ich euren Fersen,<br />

Bis ihr, gleich mir, euch in dem Staube wälzt."<br />

Und die Gelegenheit zur Rache bietet sich, bald. Die Ritter haben ein Heer<br />

von tausend Mann gesammelt und liegen kaum eine Stunde von der<br />

S. 14: Stadt, um Mitternacht soll sie überrumpelt werden. Die Muhme hat den Plan<br />

gehört, sie geht zu Margaretha und verrät ihr alles:<br />

"Nun komm, ich will zum rohen Strauss dich gürten,<br />

Du kleidest dich in rauhes Kriegsgewand<br />

Und gehst zum Burgherrn mit der Schreckenskunde,<br />

Jetzt in der Nacht, er wird dich nicht erkennen.


- 17 -<br />

Auch stärkst du mich mit einem Nachtimbiss,<br />

Damit mein Flämmchen diese Nacht noch daure.<br />

Auf, lass uns keine Zeit verlieren, komm!<br />

Das Weitere sag ich dir bei unserm Werk."<br />

Margaretha geht sofort in später Nachtstunde zum Amtmann, aber ohne<br />

Verkleidung, um den Plan ihm mitzuteilen, doch nur unter der Bedingung,<br />

dass er den Gefangenen Ulrich Wikard freigebe. Darauf geht Werner nicht<br />

ein, im Gegenteil, auch Margarethas Vater, Elsener, wird in Fesseln<br />

herbeigeführt, "weil er die Bürger aufgewiegelt". Nun erheben sich die<br />

Bürger, im wilden Trubel gibt Margaretha Kunde von dem Racheplan der<br />

Ritter unter Führung von Wolfhart und Hünenberg, die schon im Walde von<br />

Steinhausen stehen. Werner ruft nun zu den Waffen und gibt den Elsener auf<br />

Bitten der Tochter frei.<br />

Der wilde Kampf hat begonnen, Elsener und Hunderte von Bürgern sind<br />

schon verwundet, viele gefallen, die Ritter stehen vor der Burg und auf den<br />

Mauem, in dieser Not werden endlich die Fesseln von Wikard gelöst, und der<br />

Held stürmt hinaus, die Streitaxt schwingend. Das Kriegsglück wendet sich,<br />

Wolfhart wird verwundet und schildert selbst den Kampf:<br />

So jagt kein Sturm die Wolken vor sich,<br />

Wie dieser Schlächter meine Scharen trieb.<br />

Errungen schien der Sieg, da speit die Hölle<br />

Dies Ungeheuer aus auf unsere Scharen!<br />

Dumpf brüllend, wie ein Bergstier stürzt er sich<br />

Mit wucht'ger Mordaxt auf die Ritterhelme.<br />

Und Wikard, Wikard! schallt's aus tausend Kehlen,<br />

Die Bürger nun entflammend, uns entgegen.<br />

<strong>Ein</strong> Knäuel trotz'gen Volkes stürmt ihm nach,<br />

Er wird sein Haupt, unwiderstehlich stürzt<br />

Mit der Lawine Wucht, er sich auf uns,<br />

Da war kein Halt mehr, alles Schreck und Flucht!<br />

Mir ward die Rüstung und der Jahre Last<br />

Verhängnisvoll. In wilden Tigersprüngen<br />

Ereilte mich das Ungetüm und streckte<br />

Rasch mit geschwungnem Blutbeil mich zu Boden."


- 18 -<br />

Der Kampf tobt weiter, Wolfhart ist an einen hohlen Baum gelehnt und<br />

beginnt zu phantasieren:<br />

"Der alte Traum! Das blondgelockte Haupt<br />

Mit blut'ger Wunde! Kommst du wieder! - Ha!<br />

S. 15: Wie er es schüttelt! - Wie die Augen glühen!<br />

Gertrud! Gertrud, dein schöngelockter Buhle,<br />

Gemordet einst - durch mich - er holt mich ab!<br />

Die Hochzeit kann beginnen, da sind Fackeln!<br />

Nun kommt auch die Muhme Gertrud zur Leiche:<br />

"Hi, Hi! Das ist ein Wandern, hier im Wald!<br />

Der Grund gerötet, wie ein Erdbeerschlag,<br />

Von blutigen, zerschlagnen Ritterleichen ! -<br />

Und Wildenburg, das Nest, durch mich in Flammen!<br />

Ich hab's erreicht, vollzogen ist mein Fluch!<br />

Nun, gute Ruh, ihr Herrn und schlaft in Frieden!<br />

Du Alter, auch? - Auch du im Staube? Hei!<br />

Der stolze Herr im Staub! - Sieh deine Muhme,<br />

Sie steht vor dir, du liegst zu ihren Füssen<br />

Und flehst sie stumm wohl um ein Obdach, Vetter,<br />

Nicht wahr, wie ich noch jüngst vor dir getan?<br />

Vergessen will ich mein verlornes Leben,<br />

Die Schmach und Not, die ich durch dich erduldet,<br />

Die tausend Tränen und den blut' gen Schmerz,<br />

Der meine Brust durchzuckte, bis Verzweiflung<br />

Und Elend seinen Stachel stumpf gemacht.<br />

Da nun der Ewige mit dir gerechnet,<br />

So lass mich kurz sein! - Diese dürre Hand<br />

Des Blutes Bande ehrend, drückt dir noch<br />

Die starren Augen zu, die lang genug<br />

Verachtung nur und Hohn auf mich geblitzt,<br />

Und nun, mein Herzensvetter, sind wir quitt!<br />

Noch einem Zweiten schuld' ich diesen Dienst.<br />

Da drüben liegt er, der von Hünenberg,<br />

Auch er in Blut und Staub, der stolze, Herr! -<br />

O Uebermut der Grossen, was bist du!"


- 19 -<br />

Gertrud tritt in den Hintergrund und belauscht nun das Zwiegespräch<br />

zwischen Werner und Schlupf, die angekommen. Der harte Kampf mit den<br />

Rittern ist aus, nun soll der Kampf um Margaretha beginnen. Der Schuft<br />

Schlupf hetzt seinen Meister, und sie gehen sofort ab auf die Burg, wo die<br />

Tochter bei ihrem verwundeten Vater wacht. In einem prächtigen Dialog<br />

beginnt nun die Auseinandersetzung zwischen Werner und Margaretha.<br />

Mitten im scharfen Gespräche tritt Ulrich ein und das Geschick ist<br />

entschieden, Werner knirscht nun an der Kette und<br />

"Das Recht, die Wahrheit und die Liebe siegt<br />

Und macht der Hölle finstre Kunst zuschanden."<br />

Der Hauptmann Steiner bringt noch Kunde von Rudolfs Sieg über Ottokar<br />

von Böhmen und übergibt Wikard den Freibrief des Kaisers:<br />

"In Zukunft führen Bürger hier das Amt,<br />

Die Zeit der fremden Junker ist vorbei."<br />

S. 16: Der Sieger gibt den Brief zurück und schliesst:<br />

"So seid uns alle tausendmal willkommen!<br />

Ihr sorgt nun für das Wohl der Vaterstadt,<br />

Mit deren Drängern ich den Kampf begonnen,<br />

Und ausgefochten, wie die Not gebot.<br />

Wohlan zum Rathaus nun, vor die Gemeinde<br />

Und dann zur Trauung und zu Festgelagen"!<br />

Wir haben den "Wikard" etwas ausführlicher skizziert, um wenigstens<br />

einigermassen einen <strong>Ein</strong>blick zu gewähren in den Gang der Handlung. Und<br />

das Stück hat Handlung, viel Handlung, und sie ist reich gegliedert in<br />

Aufzügen und Szenen, aber die Teile sind nicht locker und äusserlich<br />

aneinandergereiht, sondern hängen fest zusammen, entwickeln sich<br />

naturnotwendig aus den Charakteren' und der ganzen Situation. Es fehlt kein<br />

Glied und keines ist überflüssig, das Ganze ist nicht eine Kette, sondern ein<br />

Organismus, hat nicht nur Leib, äussere Gestalt, sondern auch Seele, wie die<br />

Personen Geist und Leben haben. Und wie scharf und bestimmt sind die<br />

Gestalten umrissen und gezeichnet, die hier über die "Bretter" schreiten! Die<br />

Junker in ihrem Stolz und Uebermut, der Elsener in seinem echten,<br />

schlichten, ernsten Bürgersinne, die Agnes, die gute, besorgte Mutter, der<br />

Schlupf, ein ganz geriebener Kerl, aber jeder Zoll ein Schuft und Gauner, der


- 20 -<br />

Werner in, seinem Hochmute, seiner Anmassung und seinem Dünkel, der<br />

von einem Fronboten sich 'einseifen lässt, daneben der jugendliche Held voll<br />

überschäumender Kraft, Ehr. und Rechtsgefühl, ein Vertreter der Freiheit, ein<br />

Mann der Tat und doch wieder von weichem Gemüte! Und endlich<br />

Margaretha, die edle Frauengestalt, begeistert für Wahrheit und Recht,<br />

energisch und doch immer klug und besonnen! Wie schaffen diese Personen<br />

zusammen eine Handlung, so reich gegliedert und mannigfaltig, und doch ein<br />

Ganzes, wie aus einem Gusse!<br />

Und welche Schönheiten finden wir im <strong>Ein</strong>zelnen! Wir möchten zunächst die<br />

Rolle des Wurzelweibes hervorheben. Sie ist eigentlich eine Welt für sich,<br />

ausgestossen aus der Gesellschaft, und doch ist sie mit dem Drama auf das<br />

innigste verwachsen. Sie wird psychologisch ganz von selbst zum Werkzeug<br />

der Rache und der Vergeltung. Sie verrät den Plan der Junker, die Schliche<br />

Werners und Schlupfs und opfert sich schliesslich beim Sturze Schlupfs, um<br />

Wikard das Tor zur Burg offen zu halten. Und wie angenehm berührt der<br />

versöhnende Zug im Monolog bei der Leiche Wolfharts:<br />

"Da nun der Ewige mit dir gerechnet,<br />

So lass mich kurz sein! - Diese dürre Hand,<br />

Des Blutes Bande ehrend, drückt dir noch<br />

Die starren Augen zu.<br />

O Uebermut der Grossen, was bist du"!<br />

S. 17: Unter den Dialogen möchten wir nur denjenigen zwischen Werner und<br />

Margaretha (4. Szene im 5. Akt) erwähnen. Er ist nach Inhalt und Form ein<br />

Kabinettstück, gross in der Anlage, gedankenreich, von feinster Psychologie<br />

und wunderbarer Schlagfertigkeit in der Sprache. Der Geist, den Werner hier<br />

entwickelt, geht fast über sein gewöhnliches Mass hinaus, doch auch hier<br />

mag gelten, was ein anderer Dichter sagt: "Der Mensch wächst mit seinen<br />

höhern Zielen", und der kaiserliche Amtmann hat hier das höchste sich<br />

gesetzt, aber die Partie verloren.<br />

Es liesse sich noch manch Schönes herauslesen und auch auf kleine Schatten<br />

wäre hinzuweisen, doch wir müssen vorwärts kommen, "Johann Caldar" und<br />

"Rink von Baldenstein" warten und dann erst noch der Epiker und Lyriker.<br />

Andere allgemeine Bemerkungen mögen bis an den Schluss dieser Abteilung<br />

verspart werden.


- 21 -<br />

Der "Johann Caldar" wurde 1852/53 in Disentis entworfen, in Prag<br />

umgearbeitet, in Schwyz nochmals gefeilt und dem Druck übergeben 1859,<br />

bei Benziger in <strong>Ein</strong>siedeln. Auch durch dieses Drama weht der Hauch der<br />

Freiheit, das Volk und seine Führer wollen den Druck der Ritter und Vögte<br />

nicht länger dulden, sie erheben sich, setzen der Gewalt Gewalt entgegen und<br />

einigen sich zuletzt zum "Grauen Bunde" bei dem Ahorn in Truns (1423/24).<br />

Die Vögte schalten und walten brutal in den Talschaften, und Wegelagerer<br />

machen die Strassen und Wege unsicher. Wackere Männer treffen sich in<br />

einer einsamen Sennhütte auf dem Berge und geben sich das Wort, den<br />

unerträglichen Druck zu brechen und dafür in allen Tälern Genossen zu<br />

werben, besonders auch den Johann Caldar in Schams. Er hat des Vogtes<br />

Rosse, die auf seinem Acker weideten, erschlagen und wird dafür in das<br />

Verliess der Burg Fardün geworfen. Es gelingt aber dem Abte von Disentis,<br />

den Gefesselten zu befreien, nicht durch gute Worte, sondern durch ein hohes<br />

Lösegeld, das war dem Vogt die Hauptsache.<br />

Nun kommen die Vertrauensmänner in einer stürmischen Nacht beim Ahorn<br />

in Truns zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Abt Pontaning<br />

beherrscht die Diskussion, mahnt in ernsten und bewegten Worten von der<br />

Revolution ab und rät zu einem friedlichen Vorgehen, zu einem Bündnis mit<br />

den Grafen und Freiherren, alle stimmen zu, und die Vertrauensmänner<br />

werden gewählt. Sie gehen auf die Schlösser, werden gut aufgenommen und<br />

haben Erfolg, nur Graf Heinrich von Werdenberg-Sargans lehnt trotzig ab<br />

und will die Bauern in Knechtschaft halten. Die Knappen stehen schon vor<br />

der Kirche in Andeer und wollen die mutigsten Männer zwingen, aus einem<br />

Trog zu essen und so dem<br />

S. 18: Graf zu huldigen. Der Vogt erscheint vor Caldars Haus, wo auf dem Platz ein<br />

Mahl bereitet ist für Gäste. Er spuckt auf's Gericht, aufschreiend:<br />

"Da friss, Trotzkopf, und lern' den Graf erst kennen!<br />

Die Tochter führst du mir zur Burg hinauf,<br />

Das Brautbett steht auf Bärenburg gerüstet.<br />

Die Habe wird dir aus dem Stall geführt!<br />

Als Bettler sollst von Tür zu Tür du wandern,<br />

Ich werde meine Hunde auf dich hetzen,<br />

Wenn hungernd um ein Stückchen Brot du flehst!


- 22 -<br />

Will seh'n, lässt sich dein Trotz nicht bändigen!"<br />

Das war viel zu viel für einen Caldar, der Stahl blitzte:<br />

"Dein Spott ist aus, die Unschuld wandelt sicher,<br />

Die Knechtschaft hat ein End', du fährst zur Hölle".<br />

Jetzt bricht der Sturm unwiderstehlich los, die Männer sind rasch gesammelt,<br />

angeführt von Rinkenberg und Caldar. Die Bärenburg wird bezwungen, der<br />

Graf- musste schwören, keine Burgen mehr zu bauen und keine Vögte zu<br />

setzen über Schams.<br />

So erging's dem übermütigen Werdenberger. Die andern Ritter waren klüger<br />

und liessen den Verstand an Stelle der Leidenschaft walten, der Bund in<br />

Truns wurde geschlossen und Freiheit, Ruhe und Zufriedenheit kehrten in das<br />

Land zurück.<br />

Das ist eine viel dürftigere Skizze als beim Wikard, und mit Absicht, denn<br />

jede Skizze kann doch nicht das Leben eines Stückes ersetzen und die<br />

Schönheiten desselben vorführen. Auch im "Caldar" sind wieder einig!<br />

prächtige Gestalten, vor allen der ernste, besonnene und kluge Landrichter<br />

Lombris, der feurige, ritterliche Christoph von Rinkenberg, der ehrwürdige,<br />

staatsmännische Abt von Disentis und der Held des Stückes Johann Caldar,<br />

von ihm gibt des Werdenbergers Vogt die beste Charakteristik:<br />

"Es scheint bedenklich mir, ihn freizulassen.<br />

Ich muss gesteh'n, ich fürchte ihn am meisten.<br />

Die trutzig finstern Züge, dies Glutauge,<br />

Die gramgefurchte Stirn, umnachtet von<br />

Verworrnem, dunklem Haar, die ganze hagre<br />

Gestalt und seines Wesens derbe Schroffheit:<br />

All das liess mich nie Gutes von ihm ahnen.<br />

Er denkt, nicht dumme Wut war's, was ihn trieb,<br />

die edeln Rosse mir dahin zu schlachten,<br />

Es war bewusster, langgenährter Groll.<br />

Er redet wenig, denkt und brütet immer,<br />

Und den Gedanken, den er aufgenommen,<br />

Wirft er nicht leichtlich wieder weg: er hegt<br />

Ihn, lässt mit tausend zähen Wurzeln ihn<br />

In seiner Seele sich befestigen,


- 23 -<br />

Und reisst ihn nicht aus, eh' er Tat geworden.<br />

Derartige Naturen sind gefährlich."<br />

S. 19: Das ist der Caldar, wie er im Drama leibt und lebt, redet und - handelt. Und<br />

wenn nun der Vogt seinen Gefangenen trotzdem freigibt, so müssen wir uns<br />

nicht wundem, der Dichter begeht keine psychologische Inkonsequenz. Auch<br />

der Abt Pontaning schätzt den Pappenneimer richtig ein, wenn er sofort nach<br />

Fardün reist, um den Caldar frei zu machen. Der Würdeträger redete ja gar<br />

schön, aber er wusste, dass nur ein goldener Schlüssel die Pforte des<br />

Verliesses von Fardün öffnen werde. Die Habsucht siegte über die Klugheit.<br />

Die Person des Abtes ist von <strong>Plattner</strong> mit besonderer Liebe und Sorgfalt<br />

gezeichnet, es mag dabei wohl etwas das Dankgefühl gegen den früheren<br />

Studienort mitgewirkt haben. Pontaning geniesst das unbegrenzte Vertrauen<br />

des Volkes, und der Führer verdient es auch, denn er hat Verständnis für die<br />

Leiden des Landes:<br />

O wäre es mir vergönnt, so wie ich wollte,<br />

Den tausendfachen Schrei der Not zu stillen,<br />

Der durch die Täler dieses Landes hallt!<br />

Das arme Volk, wie's unterm Drucke schmachtet<br />

Der üpp'gen Herren, die sein Mark verzehren,<br />

Und vom Schweisse' seiner Hände schwelgen!<br />

Wie manchem Hirten raubt man seine Habe,<br />

Wie manchem Landmann seines Ackers Frucht!<br />

In Not und Hunger lässt man seine Kinder<br />

Zurück durch all die langen Wintermonde,<br />

Die rauh und streng auf unsrer Gegend lasten!<br />

Von Raub und Mord und Todschlag ist das Land erfüllt,<br />

Kein Weg und keine Strass' ist sicher,<br />

Ins Innerste der Häuser dringt der Frevel,<br />

Das Heiligtum der reinen Sitte schändend,<br />

Und über an den innern Wehn des Landes<br />

Droh'n noch Gefahren ihm von aussen her...<br />

So steht's um uns, doch wenige kümmert dies.<br />

In grenzenloser Blindheit lebt der Adel,<br />

Gefangen von der Lust des Augenblicks,


- 24 -<br />

Die ihm die Sinne so betört,<br />

Dass er den Abgrund nicht gewahrt, vor dem er steht.<br />

Dies alles schaut mein Blick und kann's nicht wenden!<br />

Allmächtiger, der du die Herzen lenkst,<br />

In dessen Hand der Völker Lose ruh'n,<br />

Reiss weg die Binde von dem Aug' der Herren,<br />

Gibt ihnen Sinn für Recht, Gesetz und Pflicht!<br />

Und hören sie, verstockt, nicht auf dein Mahnen,<br />

So schleudre deine Blitze über sie,<br />

Und gib dem Volke Rettung und Befreiung"!<br />

Auch auf der ersten Vertrauensmänner-Versammlung in Truns führt der Abt<br />

das entscheidende Wort, wie wir schon in der Skizze hervorhoben,<br />

S. 20: und Alle - horchen auf seinen klugen Rat. Was der würdige Abt spricht, ist<br />

wie auf unsere Zeit zugeschnitten:<br />

"Auch zur Empörung könnt ihr euch entschliessen?<br />

Ihr schreckt vor offnem Aufruhr nicht zurück?<br />

Die hergebrachten Bande wollt ihr brechen,<br />

Und mit Unrecht auch das Recht zerstören?<br />

Stets ruht ein schwerer Fluch auf solchem Trachten,<br />

Denn 's ist ein Frevel an der Ordnung Gottes,<br />

Die er den Völkern und dem Weltall setzte.<br />

Wer einmal diese heil' gen Bande hat zerrissen,<br />

Der strebt umsonst, sie wieder festzuknüpfen.<br />

Hinausgeschleudert aus der Ordnung Fugen,<br />

Erfasst ein toller Schwindel stets die Völker,<br />

Bis in das eigne Herzen den Dolch sie bohren<br />

Ihr wollt nur Recht und Ordnung, die Empörung<br />

Ist eurem graden Sinn verhasst, sie ist<br />

<strong>Ein</strong> schwarzes, unglückschwangeres Schicksal,<br />

Der Hölle tiefstem Jammerpfuhl entstiegen,<br />

Schuld oder Unschuld, beides gilt ihr gleich,<br />

Die Geissel der Zerstörung rastlos schwingend,<br />

Eilt sie ein fluchbeladen Weib von Land zu Land,<br />

Der Leidenschaften gier'ge Horde


- 25 -<br />

Als grässliches Gefolge, mit, sich, führend,<br />

Reisst sie die gottgesetzten Schranken nieder<br />

Und öffnet jenen Schrecklichen die Tore<br />

Zu jedem Heiligtum, dass sie es schänden<br />

Und der Verwüstung Greuel drin verbreiten.<br />

Flieht! flieht drum die Empörung wie die Pest!<br />

Es lebt ein Gott, der wägt der Völker Schicksal<br />

Und streckt die Hand aus über die Tyrannen.<br />

Er spricht zum Trotz: Bis hierher und nicht weiter!<br />

Er hat den Frevler immer noch erreicht"<br />

Dazumal horchten die Volksführer noch auf diese ernsten Worte des<br />

würdigen Abtes, heutzutage wären sie in den Wind gesprochen, wie die<br />

Mahnungen und Bitten des Papstes, nicht bei allen, aber bei den<br />

massgebenden Führern der sozialen und der Weltbewegungen.<br />

Es liegt ein ausserordentlich hoher Ernst über dem "Caldar" wie über dem<br />

"Wikard", und darum war es schön und gut, dass der Dichter auch im<br />

Bündner Freiheitskampfe ein Liebesidyll eingeschaltet hat, Christoph von<br />

Rinkenberg und Caldars Tochter Viktoria, eine Idylle, die über da Stück<br />

einen lieblichen Zauber verbreitet.<br />

Noch einen glücklichen Griff dürfen wir nicht unerwähnt lassen Wegelagerer<br />

haben durch Misshandlung Rinkenbergs und Lombris, de unmittelbaren<br />

Anstoss zur Volksbewegung gegeben, und gegen de Schluss treten diese<br />

schlimmen Gesellen wieder auf. <strong>Ein</strong>e Bande Freibeuter treibt sich im Wald<br />

von Truns herum in der Sturmesnacht, da die Delegierten sich beim Ahorn<br />

versammeln wollen. <strong>Ein</strong>e prächtige Szene<br />

S. 21: diese unheimlichen Gestalten in der schaurigen Nacht, die Flibustier, die auf<br />

ihre Opfer lauern, ihre Reden passen zu den Mordgesellen.<br />

Zweiter: 's ist eine Torheit, hier herumzuschweifen<br />

In dieser wilden Nacht, horcht, wie der Sturm<br />

Tobt, wie die hundertjährigen Tannen er<br />

Gewaltig aneinanderschlägt, Uhu's<br />

Und Eulen flattern schwirrend und gespenstisch<br />

Von Ast zu Ast.., der Teufel hol' dies Treiben!


- 26 -<br />

Erster: Dir graut schon, Kerl, vor einer leeren Sturmnacht,<br />

Dein weiches Hirn steckt noch voll Ammenmärchen,<br />

Pfui, Milchbart, alle Schmach und Schand' auf dich!<br />

In meiner Schule sollst du anders werden,<br />

Es wird dich die Gewohnheit so abstumpfen,<br />

Dass rauben, plündern, morden nach und nach<br />

Dein liebstes Handwerk. wird und deine Leiblust.<br />

Zweiter: Horcht! horcht in der Ferne!<br />

Vierter: Hört ihr von ferne das grässliche Gebelle,<br />

Als käm's von tausend Hunden? horcht! wau! wau!<br />

Es scheinet aus der Luft zu kommen.<br />

Erster: Ha! Das ist der Geisterritt des Kropfensteiners,<br />

Der war mein Vorfahr' und ein Mordgeselle!<br />

Das ist kein gutes Zeichen, der erscheint<br />

Nicht jede Nacht. Das deutet auf ein Unglück,<br />

Oder auf ein gross' Ereignis in dem Land.<br />

Zweiter: Hu! Hu, es naht<br />

Dritter: Wie schrecklich! und sein Zug mit ihm!<br />

Vierter: Seht! seht! sie kommen,<br />

Zweiter: O! wie er<br />

Die grauen Locken schüttelt, auf dem Schimmel<br />

Festsitzend! ha! er nickt als wollt' er<br />

Was sagen..... bleibe fern uns, Alter 's ist<br />

Vorüber!<br />

Dritter: Himmelsmächte, seid gelobt!<br />

Vierter: Seht ihr gen Ost die Wolken blutigrot?<br />

Ha! schauet dort nach Obersaxen hin!<br />

Zweiter: Wie lohe Flammenwirbel, eingehüllt<br />

In schwarzem Qualm, gepeitscht vom heulenden<br />

Windstoss, sich in die dunkeln Lüfte recken!<br />

Erster: Bei Gott, das ist des Saxersteiners Burg!<br />

Das wird das Zeichen sein zum Aufruhr gegen<br />

Die Ritter. Fort, fort von hier! <strong>Ein</strong> jeder suche<br />

Vorm Volk in seiner Burg sich Schutz, so gut<br />

Es geht, fort, fort! Auf besseres Wiedersehn!"


- 27 -<br />

Das ist eine Szene von packender Kraft. Die Freibeuter gehen ab und nun<br />

rückt Caldar mit seinen Mannen auf. Auch diese hat die Schauernacht<br />

erschreckt. Fluri gibt der Stimmung Ausdruck:<br />

"Solch eine Nacht hab' ich noch nie erlebt,<br />

Die Haare stiegen mir zu Berg, als ich<br />

Den Lärm der tollen Geisternacht vernommen,<br />

Und sah, wie der Gespensterzug hinsauste.<br />

S. 22: Von Fels zu Fels, die Schluchten überspringend,<br />

Und wie die Windsbraut durch die Fichten rasend.<br />

Aus welcher Zeit mag sich die Jagd herschreiben?<br />

Caldar: Man sagt, sie sei uralt, die ältsten Männer<br />

Des Tals behaupten, dass schon ihre Väter<br />

Davon erzählt als wie von einer alten<br />

Und altbekannten Sache. Die Geschichte<br />

Ist folgende: Es war ein Ritter auf<br />

Dem Schlosse Kropfenstein, das hinter Ilanz<br />

Bei Ruis in dem grauen Felsgeklüfte<br />

Gleich einem Geierneste hängt. Der Ritter<br />

War grausam und des ganzen Tales Schrecken,<br />

Der Landmann zitterte auf seinem Acker,<br />

Wenn er von seiner Burg geritten kam,<br />

Der Hirte trieb die Rinder in den Stall,<br />

Wenn seine Knappen in dem Tal sich zeigten,<br />

Die Weiber floh'n ins Innerste der Häuser,<br />

Wenn das Gesinde durch die Dörfer zog,<br />

Er übte alle Gräuel ungestraft,<br />

Das Land verwüstend bis nach Truns hinein,<br />

Kein Wandrer war auf offner Strasse sicher,<br />

Dem Kaufmann nahm er seine Waren weg,<br />

Und plagte selbst den frommen Pilgersmann.<br />

Doch wie der Tod den alten Frevler traf,<br />

Blieb die verdiente Strafe ihm nicht aus.<br />

Seither erscheint er in Gewitternächten,<br />

Und macht mit dem Gefolg' die Rund ums Tal


- 28 -<br />

Zum ew'gen Zeichen der verübten Frevel."<br />

Mit feinem Gefühl hat der Dichter diese Volkssage und den Brand von<br />

Obersaxen im richtigen Momente verwendet, um die frechen und feigen<br />

Wegelagerer zu erschrecken und zu vertreiben. Wir wollen nicht verhehlen,<br />

dass der "Caldar" auch Partien hat, Situationen, Wendungen, Ausdrücke, die<br />

wohl mancher anders' wünschet möchte. Die Kleinigkeiten verschwinden<br />

aber neben dem vielen Grossen, darum mögen sie unerörtert bleiben. Nur ein<br />

Vorwurf soll' uns noch beschäftigen.<br />

Es wurde schon beim Erscheinen des "Caldar" bemerkt, er lehne zu sehr an<br />

Schillers "Teil" an, "die Nachahmung steche zu sehr hervor, als dass sie dem<br />

Interesse desselben keinen bedeutenden Abbruch tun sollte" und Dr. Jenny<br />

schreibt (S. 89), das Schauspiel sei "nicht ganz frei von einer geschickten<br />

Anlehnungen an Schillers "Tell"." In der ersten Fassung muss das Urteil<br />

entschieden abgelehnt werden, in der zweiten Fassung lässt sich darüber<br />

reden.<br />

Vorab darf sich <strong>Plattner</strong> eigentlich nur freuen, wenn sein "Caldar" mit dem<br />

"Tell" ernsthaft in Parallele gestellt wird, das ist wahrscheinlich mehr, als er<br />

geahnt oder gewünscht hat.<br />

S. 23: Wir sind nicht so beschränkt, zu leugnen, dass bei einzelnen Partien gewisse<br />

Reminiszenzen im Leser aufsteigen, das ist aber beim verwandten Thema<br />

und verwandten Situationen so einfach Und natürlich, dass sich nur Nörgeler<br />

darüber aufhalten können. Dann dürfen wir nicht vergessen, in welcher Zeit<br />

das Schauspiel entstanden ist: <strong>Plattner</strong> schrieb es mit 18 Jahren, arbeitete es<br />

fünf Jahre später aus und in nochmals zwei Jahren kam es in Druck. Es wäre<br />

mit Wundern zugegangen, wenn da nicht ein Hauch vom "Tell" über dem<br />

Dichter geschwebt hätte, aber das ist noch lange nicht eine "starke<br />

Anlehnung". Der Grundgedanke: die Befreiung des Volkes von der Tyrannei<br />

der Ritter und Vögte ist der gleiche, die Ausführung aber und die handelnden<br />

Personen sind himmelweit verschieden, der Caldar ist aus ganz anderm, Holz<br />

geschnitzt als der Tell, Lombris ist kein Walter Fürst, Rinkenberg kein<br />

Melchtal und kein Rudenz, ein Seitenstück zum Stauffacher gibt es unter den<br />

Laien bei <strong>Plattner</strong> nicht, die Viktoria und Bertha sind grundverschiedene<br />

Charaktere und ebenso die Gattinnen Elsbeth und Gertrud. Die Frau Caldars<br />

nimmt selbstverständlich auch innigen Anteil am Schicksal ihres Mannes,


- 29 -<br />

aber sie übt auf denselben keinen <strong>Ein</strong>fluss, wie "des edlen Ibergs Tochter",<br />

sie spricht auch nicht den feinen epischen Stil wie diese, sondern das<br />

schlichte, einfache Bündnerdeutsch. Und wenn Teil nach dem Tode Gesslers<br />

sagt:<br />

"Frei sind die Hütten, sicher ist die Unschuld vor dir, du wirst dem Lande<br />

nicht mehr schaden", - Caldar aber nach dem Tode des Vogtes:<br />

"Dein Spott ist aus, die Unschuld wandelt sicher, die Knechtschaft hat ein<br />

End", so möchten wir doch fragen: darf oder vielmehr muss man ganz<br />

gleiche Wirkungen nicht mit ähnlichen Worten oder Wendungen<br />

ausdrücken? Und wer das tut, ist der ein Plagiator? Sicher nicht!<br />

Vielleicht lassen sich in den grossen Szenen vom Rütli und von Truns<br />

Anklänge finden? Wir konnten bei den bisher genannten Personen nichts<br />

entdecken, auch zwischen Rösselmann. und Abt Pontaning nicht. Der Pfarrer<br />

hätte bei Schiller eigentlich auch wegbleiben können, im "Caldar" gehört der<br />

Abt ipso facto zur Versammlung und ist ihr Haupt als Vorstand des Klosters,<br />

als Machtfaktor. Als solcher leitet er die Versammlung, als Politiker, als<br />

Staatsmann. Pontaning spricht auch als Theologe und redet den Männern ans<br />

Herz, aber Caldar und selbst Richter Lombris erlauben sich da Bemerkungen,<br />

ganz anders ist die Stimmung, wenn der Politiker spricht, zur <strong>Ein</strong>tracht und<br />

zum Bunde mahnt:<br />

"Denn glaubt mir's, bald wird's harte Zeiten geben,<br />

Wo wackere Führer unser Land bedarf,<br />

Um äusserer Feinde Andrang abzuwehren.<br />

S. 24: Der Churer Bischof, Herr Abundi Naso,<br />

Hat sich mit Oesterreich geheim verbündet,<br />

Der Graf von Werdenberg-Sargans will Land<br />

Und Leut' dem Herzog Friederich verpfänden,<br />

Ganz Rhätien will man österreichisch haben,<br />

Was man an Limmat, Aar und Reuss verlor,<br />

Das möcht' am obern Rheine man gewinnen."<br />

Das schlug ein, auf den Politiker und Diplomaten horchten die Volksführer<br />

noch mehr als auf den Theologen. Der Abt von Disentis kann mit Pfarrer<br />

Rösselmann nicht in Vergleich gesetzt werden. Es ist auch ganz einseitig und<br />

darum viel zu wenig, wenn man dem Würdenträger nur das Prädikat


- 30 -<br />

"ehrlich" gibt, er ist eben noch viel mehr, er ist ein klarer um kluger Kopf<br />

und ein gewiegter Diplomat, welcher die Regungen der Volksseele kennt und<br />

die Schliche der Feinde durchschaut.<br />

Die "Schwüre" vom Rütli und Truns haben allerdings Aehnlichkeit nicht der<br />

Form, aber dem Inhalte nach und überhaupt schon durch die Tatsache. Aber<br />

die Stiftung des "Grauen Bundes" unter dem Ahorn von Truns ist eben<br />

historisch und konnte vom Dichter einfach nicht umgangen werden. Das ist<br />

keine "Anlehnung an den Tell", sondern eine Anlehnung an die - Geschichte,<br />

da gibt's nur eine Freiheit in der Gestaltung, und diese hat der Dichter des<br />

"Caldar" vollständig gewahrt.<br />

Es bleibt noch ein Letztes: Vielleicht kommt einer und stellt Pontaning mit<br />

Stauffacher in Parallele, Die Redeführung und Beherrschung der Diskussion<br />

geben hiezu einen Schein der Berechtigung, aber bei näherer Betrachtung<br />

fällt der Entscheid sicher nicht zu Ungunsten vor <strong>Plattner</strong> aus. Der Abt von<br />

Disentis und der gewandte Herr von Steinen in dem schönen Hause an der<br />

Landstrasse nach Schwyz sind beide Historiker, Politiker, staatsmännische<br />

Köpfe und feine Psychologen, aber wie ist der "Delegierte" vom Strande der<br />

Muota zu seinem Wissen, zu all seinen Kenntnissen gekommen? Wir dürfen<br />

doch diese Frage stellen und am Ende auch die Antwort geben: Ja, diese<br />

Gestalt in dem herrlicher Drama hat der Dichter konstruiert, geschaffen und<br />

auf das Piedestal gehoben. Nicht so jedoch der Abt von Disentis. Als<br />

Vorsteher des Klosters hat er ein höheres Mass von Bildung voraus und<br />

daneben noch die Bibliothek, Regesten und - Archivare zur Verfügung. Mit<br />

andern Worten: Abt Pontaning ist, wie schon oben bemerkt, eine scharf<br />

umrissene, durch die Verhältnisse gegebene Persönlichkeit, hingegen den<br />

wackern Volksmann von Steinen stellt uns der Sänger von Marbach vor. Wir<br />

betonen darum nochmals: Abt Pontaning in <strong>Plattner</strong>s "Caldar" hat den<br />

Vergleich mit dem Stauffacher in Schillers "Tell" gar nicht zu scheuen.<br />

S. 25: Wir haben nicht die Aufgabe, Pl. <strong>Plattner</strong> auf der Leiter der Ehre und des<br />

Ruhmes um einige Sprossen höher hinaufzurücken, als ihm gebührt,<br />

hingegen soll er auch nicht unnötig hinabgedrückt werden. Wir wissen recht<br />

gut, der <strong>Veteran</strong> am Fusse des Calanda ist kein Schiller, und er will es auch<br />

nicht sein, und sein "Caldar" und sein "Rink" sind kein "Tell", es sind eben<br />

Bündnerische Volksstücke voll Kraft und Frische, voll Begeisterung für


- 31 -<br />

Recht und Freiheit in echt dramatischem Stile, und als solche behalten sie<br />

ihren bleibenden Wert.<br />

Wir haben den "Tell" wieder und wieder gelesen und uns an seiner ewigen<br />

Jugendfrische und seinem unvergänglichen Zauber erlabt und erquickt, aber<br />

auch der "Caldar" und der "Rink" haben uns hohen Genuss und ungetrübte<br />

Freude bereitet.<br />

Je tiefer wir in unsere Materie hineinkommen, desto mehr fühlen wir, wie<br />

unendlich schwer es ist, die Schönheiten eines Dramas den Lesern<br />

vorzuführen, ohne auch gar zu breit und damit lästig zu werden. Bei<br />

Gedichten ist das anders, dort kann man einzelne Stücke als Muster<br />

vorführen, das Schauspiel aber ist ein Ganzes, ein Organismus ein Baum, und<br />

wenn ich schon einige Zweige, Aeste, Blüten, Früchte, sogar das Gerippe<br />

habe, so ist das eben noch nicht der Baum in seiner Vollendung, in seinem<br />

Bilde, seiner Form und Schönheit. <strong>Ein</strong> ganzes Drama können wir aber in den<br />

"Monat-Rosen" nicht zum Abdrucke bringen, drum mögen die Notbehelfe<br />

weiter funktionieren.<br />

Wir kommen zum "Rink von Baldenstein", welcher im Jahr 1888/89<br />

geschrieben wurde und welcher im Jahr 1892 bei Jul. Rich in Chur in zweiter<br />

Auflage erschien. Der "Rink" zeigt uns den Verfasser auf der vollen Höhe<br />

des dichterischen Schaffens nach Aufbau und Durchführung, nach<br />

Charakteristik und Dialog, nach Gedanken fülle und Sprachgewalt.<br />

Die Handlung fällt ins Jahr 1450/51 und schliesst sich eng an den "Caldar"<br />

an, spielt doch der grosse Volksmann auch in diesem Drama wieder eine<br />

bedeutende Rolle und wird zum Opfer in dem Kampf um Recht.<br />

Wir erinnern hier an die Stiftung des "Grauen Bundes". Die Werdenberger<br />

wollten nichts davon wissen und dem Volke keine Freiheiten gewähren. Der<br />

Vater Heinrich war gestorben und hinterliess als Erben die zwei Söhne<br />

Wilhelm und Georg. Dem letztern vermachte der Bistumsverweser und<br />

Fürstbischof von Konstanz, Freiheit von Heven, des Stiftes Lehen, Tomils<br />

und Vatz, die Grafschaft Schams und Rheinwald, mit Land und Leuten,<br />

Burgen und Gerichten. Es geschah das in einer grossen<br />

Notabelnversammlung, durch die die politischen Verhältnisse neu geordnet<br />

werden sollten. An derselben nahmen unter andern noch


- 32 -<br />

S. 26: teil der Baron von Rhäzüns, Rink von Baldenstein, Caldar, Hosang und der<br />

Graf von Rechberg. Es entwickelte sich eine grosse und gereizte Diskussion,<br />

doch eine <strong>Ein</strong>igung konnte nicht erzielt werden. Caldar und Hosang wollen<br />

den durch den Grauen Bund geschaffenen Zustand erhalten, Rink und Räzüns<br />

raten auch energisch zu dieser Lösung, Hewen, Jörg Werdenberg und<br />

besonders sein Schwager Rechberg dringen ebenso entschieden auf<br />

Wiederherstellung der frühern Ordnung:<br />

Jörg: "Ihr ruft nach Recht, auf Mannszucht dringen wir.<br />

Mein Schwager Rechberg wird an meiner Statt<br />

Der Grafschaft Schams und meiner Rechte walten."<br />

Rink: Mein Graf, Ihr wolltet? Nie und nimmer! - Nein,<br />

Ihr schickt uns euern Schwager nicht nach Schams!<br />

Jörg: Was hindert mich daran?<br />

Rink: Die Klugheit, Graf!<br />

Ihr giesst nicht Gift in eine alte Wunde.<br />

Jörg: Mit Eisen nur lässt sich der Schaden heilen.<br />

Rink: Durch euern Schwager? Glaubt Ihr das, mein Graf?<br />

Anna (Freiin von Räzüns): Ihr wollt es?<br />

Jörg: Ja.<br />

Anna: Ihr dürft es nicht, mein Vetter!<br />

(Zu Hewen) Verzeiht mir Fürst, dass ich das Wort ergriff,<br />

<strong>Ein</strong> Mädchen, hier im Kreis erfahrner Männer!<br />

Mich drängt mein Herz und der Entschluss des Grafen.<br />

Hans Rechberg ist ein jäher Mann, voll Trotz,<br />

Als Feldhauptmann der Zürcher war er immer<br />

Der Eidgenossen bittrer Feind und steht<br />

In schlimmer Nachred' bei dem ganzen Volk,<br />

Den Heereszug der Schaaren Armagnac's,<br />

Das Unglück an der Birs legt's ihm zur Last,<br />

Der Name Rechberg heisst so viel als Sturm,<br />

Als Raub und Totschlag, Brand und Plünderung.<br />

Der Bischof Rechberg ward von hier vertrieben,<br />

Es weiss das Volk, dass Ihr auf Rache sinnt,<br />

Ich sag' Euch das ins Angesicht, Herr Rechberg!<br />

Ihr kennt die Männer unserer Berge schlecht.


- 33 -<br />

Herr Graf, Ihr schickt den Schwager nicht nach Schams!<br />

Nun ergreift Rink zu einer ruhigen Auseinandersetzung das Wort:<br />

Zahllose Fehden, die das Land zerfleischt,<br />

Zerstörten das Vertrauen in die Lenker<br />

Und zwingen unser Volk, sich selbst zu helfen.<br />

Mit heil'gen Eiden haben die Gemeinden<br />

Von Tal zu Tal sich Schutz und Schirm geholt.<br />

Die Herren billigten die Bünde meist,<br />

Die Macht liegt nun bei diesen, nicht bei euch.<br />

Werft eure Blicke rings in alle Lande!<br />

Das alte Recht, die alten Formen fallen.<br />

Die Fürsten dort, und hier die freien Städte,<br />

Und weite Lande in geschloss'nen Bünden!<br />

Nach Landeshoheit geht ihr ganzes Streben!<br />

S. 27: Auch Rhätiens Bünde sind nicht mehr zu trennen.<br />

Schliesst euch als ihre Häupter an den Fürsten,<br />

Verzichtet auf das alte Fehderecht,<br />

Gelobt euch gleiches Recht und gleichen Frieden.<br />

Und schützt die Schwachen gegen Ungebühr,<br />

Beratet euch in ernsten Landessachen<br />

Mit den Vertretern der Gerichtsgemeinden!<br />

So schirmt ihr euch, das Stift, das ganze Volk,<br />

Mehrt euern Ruhm, wie eures Landes Ehre.<br />

Mein edler Herr, ihr jungen Grafe alle,<br />

In eure Hände ist dies Werk gelegt,<br />

Dies ist der Stern, der eurer Zukunft leuchtet,<br />

Ich rat' euch treu, wie ein Vasall es soll.<br />

Rechberg: Ihr ratet, wie ein Schwärmer und Phantast,<br />

Wenn ich nicht sagen soll, wie ein Verräter!<br />

Rink: Verräter! Dieses Wort nehmt Ihr zurück!<br />

Rechberg: Das Wort ist Wort. Viel schlimmer ist die Sache.<br />

Rink: Verräterischer Ueberfall wehrloser Leute,<br />

Im Schutz der Nacht, war meine Sache nie,<br />

Rheinfeldens Schmach, der Schimpf von Brugg, ist Euer.


- 34 -<br />

Ihr rieft, zur Schande für den deutschen Namen,<br />

Den Auswurf Frankreichs. in ein deutsches Land!<br />

Rechberg: Zum Henker, Rink, mit Euren Zukunftsträumen!<br />

Es gilt, ein Unrecht hier im Land zu sühnen,<br />

Es gilt zu zeigen, ob der Bauer Herr<br />

Und ob der Herr zum Knecht herabgesunken,<br />

Zum Spielball roher Willkür für den Haufen,<br />

Der frechen Mutwill treibt mit Herrenrechten,<br />

Bischöfe aus dem Lande jagt, die Richter<br />

Erdolcht und Grafen und Barone narrt.<br />

Rebellen schwatzt man nicht von Strafe frei!<br />

Caldar: Was immer über mich ergehen mag<br />

Und sei es Folterpein, qualvoller Tod,<br />

Dem schwachen Rest der müden Lebenstage<br />

Zuliebe weich' ich nicht um Haaresbreite<br />

Von unserm alten Recht und meiner Pflicht.<br />

Ich steh' vor Euch im Namen der Gemeinde<br />

Und flehe nicht um Gnade für mich selbst.<br />

Rechberg: Er will es ja, fort in den Turm mit ihm!<br />

Hewen: Stört mir den Frieden meines Hauses nicht.<br />

Jörg: Trotz wider Trotz. Mein Schwager geht nach Schams.<br />

Rink: Dann Herr Graf, gestattet dem Vasallen,<br />

Dass er sein Schwert nicht gegen seine Heimat,<br />

Sein eignes Blut und seine Brüder kehre!<br />

Ich lege meine Lehn in Eure Hände.<br />

Dem Himmel Dank! Ich bin ein freier Mann!<br />

Auf Euern Schimpf, Herr Rechberg, gibt mein Schwert,<br />

Das bei Ragaz Euch Eure Flucht gedeckt,<br />

Die Antwort: Ich erwarte Euch bei Schams!<br />

Rechberg: Je schneller, desto besser!<br />

Anna: Mit den Freien,<br />

Erlaubt mir, Rink und Caldar, geht die Freyin!<br />

Jörg: Was tat ich? Himmel!


- 35 -<br />

S. 287: Hewen: Freyin!<br />

Räzüns: Tochter.<br />

Anna: Beharrt auf eurem Recht und eurer Macht,<br />

Versteckt euch gegen alle Not des Volkes,<br />

Es kommt die Zeit - schon rauscht ihr Flügelschlag<br />

Da euer Trotz zum Kinderspotte wird,<br />

<strong>Ein</strong> neu Geschlecht in andern Formen denkt,<br />

Auf Gott vertraut und kühn sich selber lenkt!<br />

Das ist eine Auseinandersetzung von ätzender Schärfe, da kann nur das<br />

Schwert entscheiden. Hosang, Caldar, Rink und Anna gehen ab, um sofort<br />

zum Kampf zu rüsten, und Rechberg tut das gleiche. Bevor aber die Würfel<br />

fallen, haben wir noch einige friedliche --- und vorbereitende Szenen im<br />

zweiten Akt in Räzüns.<br />

Der Freiherr ist ein Mann voll Liebe und Güte und hat Verständnis für die<br />

Leiden und Wünsche des Volkes. Er empfängt die Vorsteher der Freien und<br />

lässt ihnen die alten Rechte durch neue Briefe bestätigen, und die Ammänner<br />

ziehen vergnügt wieder ab. Nun gibt's eine ernste Aussprache zwischen Vater<br />

und Tochter. Schon vor dem Tage in Chur hatte im Auftrage des Grafen Jörg<br />

sein Vasalle Rink um die Hand der Freyin Anna werben müssen, und jetzt will<br />

der Freiherr selbst der Tochter diese Heirat plausibel machen, doch ohne<br />

Erfolg, vorzüglich auch, weil Jörg im Banne Rechbergs steht. Anna zum<br />

Vater:<br />

Du weisst, am liebsten weilt der Graf in Innsbruck.<br />

Rechberg benützt den Gang des Unerfahrnen,<br />

Um ihn von seiner Herrschaft fern zu halten.<br />

Der Stürmer lechzt nach unserm Alpenland.<br />

Die Eidgenossen haben ihn geschlagen,<br />

Nun möcht' er sie mit List im Rücken fassen.<br />

Den Handschuh wirft er unsern Bünden hin,<br />

Die Alpenpässe an das Kaiserhaus,<br />

Churrätien an Oesterreich zu bringen,<br />

Den Anschluss an die Schweizer zu vereiteln,<br />

Ist nun sein Ehrgeiz, seiner Wünsche Ziel.<br />

Die Schreckenskunde von dem Tag zu Chur


- 36 -<br />

Fährt wie die Flamme durch Gebirg und Tal,<br />

Man spricht von ihr an allen Hirtenfeuern,<br />

Wird Rechbergs Name nur im Volk genannt,<br />

Erschallen Flüche, ballen sich die Fäuste<br />

Ergrauter Männer, Zorn und Kampfeslust<br />

Ergreift die jüngern, blitzt aus ihren Blicken,<br />

Gebeugte Mütterchen bekreuzen sich,<br />

Rheinfeldens Gräuel schweben ihnen vor,<br />

Die Weiber schreien auf, die, Kinder decken<br />

Mit ihren Schürzen sich die hellen Augen,<br />

Als steh' der Fürst der Finsternis vor ihnen.<br />

Er ist der böse Geist des jungen Grafen,<br />

Der ihn mit seinem biedern Volk entzweit,<br />

S. 29: Und ihn verführt zu Trotz und Eigenwillen.<br />

Verderben stiftet er, wohin er kommt.<br />

Lass mit dem Raufbold dich nicht ein, vertraue<br />

Ihm nicht, an sich nur denkt er, meint's nicht redlich.<br />

Der Hass des ganzen Volkes liegt auf ihm,<br />

So lang der. Graf von ihm sich leiten lässt,<br />

Verscheucht er das Vertrauen und die Liebe.<br />

Hat er nicht schnöde deinen Rat missachtet,<br />

Mir meine erste Bitte nicht versagt?<br />

O dräng' mich nicht, mein Vater! Zeit bringt Rat!<br />

Rechberg ist falsch, lass dich mit ihm nicht ein!<br />

Denk' an den grauen Bund! O glaube mir!<br />

Das war zweifellos ein Grund, die Bitte des Vaters abzulehnen, aber im<br />

tiefsten Herzen schlummerte die Liebe zu Rink, mit dem sie bei dessen<br />

Mutter aufgewachsen war, und diese Neigung fühlte auch, die Anna, als nun<br />

Graf Jörg selber die Werbung vorbrachte.<br />

Räzüns hatte auf der Versammlung in Chur mit des Fürsten Gunst das Wort<br />

gegeben, dass Thusis, Savien und der 'Heinzenberg nach seinem Tode an den<br />

Grafen Georg von Werden berg, als Mannslehn vom Stifte, gelangen:<br />

"Um meinem vielgeliebten Vetter Jörg<br />

Und der Versammlung Sicherheit zu leisten,


- 37 -<br />

Gestatt ich ihm mit Freuden, Pfand und Geisel<br />

Sich selbst zu holen mit der Tochter Hand."<br />

Das wollte nun Jörg tun, und schwülstig bringt er seine Werbung an:<br />

Schwer wäre es, dich zu sehn und nicht zu sagen:<br />

Ich liebe dich und bin für immer dein!<br />

Wie schwer, vor dir, du blühende Gestalt,<br />

Des Herzens Sturm und Wogendrang zu hemmen,<br />

Zu stammeln bloss, wenn alle Pulse fliegen!<br />

Anmut taufrischer Rosen auf den Wangen,<br />

Holdsel'ges Antlitz, Spiel- und Schlummerstätte<br />

Der Liebesgötter, wende dich nicht weg!<br />

Bewegter Wellenschlag des jungen Herzens,<br />

<strong>Ein</strong> Kranker steht vor dir und sucht Genesung!<br />

Anna: Ist das Liebe,<br />

Die meine erste Bitte mir versagt,<br />

Vor solchen Zeugen und in solcher Stunde?<br />

Du ahnst nicht Vetter, welche Kluft uns trennt!<br />

Versuchs mit Rechberg, ich beklage dich!<br />

Georg: O sage, was ich tun soll, um dein Herz....<br />

Anna: Du dünkst dich was als neuer Lehensträger,<br />

Tritt trotzig vor die Leute, heisch Gehorsam,<br />

Hörst du, Gehorsam! - Lachen sie, so weine<br />

Und fall' auf deine Knie mit heissem Fleh'n,<br />

Nachdem du sie zum äussersten getrieben!<br />

Es wird zwar wenig fruchten, mehr jedoch,<br />

Als wenn du ihnen deinen Schwager schickst.<br />

Jörg: In deinen Augen bin ich....<br />

S. 30: Anna: Knappe Rechbergs!<br />

Das steht dir gut, erwirbt dir Lieb' und Achtung.<br />

Boshafte Schwäche im Verein mit Tücke,<br />

Mit kalter Grausamkeit und blindem Hass!<br />

Jörg: Boshafte Schwäche? Nein, das ist zu viel!<br />

Du tust mir Unrecht, Freyin, schweres Unrecht.<br />

Anna: Wär dies der Fall, es läge wenig dran,


- 38 -<br />

Doch wessen sich das Volk von dir versieht,<br />

Das ist und bleibt entscheidend, glaub mir's, Graf!<br />

Jörg: Du machst mich wankend. Könnt' ich noch zurück!<br />

War's möglich? Steht denn nicht der Streit<br />

Auf Eid und Eid, auf Biegen oder Brechen?<br />

Anna: Dein bestes Schwert, den Mann voll Mut und<br />

Geist. Der treu wie Gold an deiner Seite stand,<br />

Du gabst ihn schmählich der Beschimpfung preis,<br />

Ihn stiessest du von dir und! warfst dich ganz<br />

Dem ränkevollen Rechberg. in die Arme.<br />

Herr Baldenstein war eine Grafschaft wert.<br />

Gesichert hätte dir sein treuer Mut,<br />

Was dir dein Schwager nun zu Grunde richtet.<br />

Jörg: Herr Baldenstein scheint dir ans Herz gewachsen,<br />

<strong>Ein</strong> wahrer Zauberer, der schlanke Ritter!<br />

Schad' dass er, statt zum Freiherrn, nur zum Dienstmann<br />

Geboren ist! Ihn würdest du vergöttern!<br />

Rink kommt hinzu, um Abschied zu nehmen. Auch er gibt sich alle Mühe,<br />

den Grafen Jörg von Rechberg zu trennen, es ist alles umsonst, und die<br />

Geschicke müssen sich erfüllen. Rink verabschiedet sich nun von Räzüns,<br />

Anna bittet den Vater, mit ihm nach Baldenstein gehen zu dürfen, bis der<br />

Streit vorüber, und die Bitte wird gewährt.<br />

Jetzt geht es rasch vorwärts. Jörg und sein Schwager entwerfen den Plan, und<br />

Rechberg übernimmt die Ausführung. Mit offener Gewalt ist da nichts zu<br />

machen, darum greift der Macchiavell zur List. Er lügt dem Freiherrn vor, er<br />

wolle zum Antritt seines Amtes Lustbarkeiten geben, Jagden, Feste und<br />

Trinkgelage und sich mit Rink versöhnen, so gibt Räzüns die Erlaubnis zum<br />

freien Durchzug.<br />

Die Volksmänner kennen die Lage und rüsten sich zur Abwehr. In grosser<br />

Versammlung gibt Rink Kunde von dem Plane Jörgs und Rechbergs, und er<br />

wird zum Führer erwählt. Es war hohe Zeit, denn schon meldet ein Hirte,<br />

dass Rechberg mit seinem Schwager gegen Schams im Anzug ist. Die<br />

Männer eilen zum Kampf, Rinks Mutter und Anna gehen zur Kapelle, um für<br />

den Sieg zu beten. Rechberg ist auf Schleichwegen herangekommen, nimmt


- 39 -<br />

die Frauen gefangen und lässt sie als Geiseln auf die Bärenburg bringen.<br />

Inzwischen waren die Streiter der Bünde aus allen Tälern hervorgebrochen<br />

und dem Andrange vermochten die zerlumpten Knechte Rechbergs<br />

S. 31: nicht standzuhalten., Die Bärenburg, wohin Rechberg geflohen, wird von<br />

Rink belagert. Rechberg macht einen Ausfall und wird von Rink im<br />

Zweikampf schwer verwundet, die Knechte zünden die Burg an, Anna und<br />

die Mutter rufen auf den Zinnen um Hilfe und werden von Rink und<br />

Ehrenfels aus den Flammen getragen. Caldar wird schwerverwundet:<br />

"Der Stich ist tödlich! Meine Kraft versiegt.....<br />

Verteidigt hab' ich eine edle Sache<br />

Und gegen Unrecht und! Gewalt gekämpft.<br />

Hielt ich nicht immer und in allen Dingen<br />

Das rechte Mass, so litt ich schwer dafür.<br />

Wie heiss ich rang, wie viel ich litt, weiss Gott."<br />

Der Sieg ist gewonnen, nun geht's nach Räzüns, wo Rink und Jörg Frieden<br />

schliessen, der Graf behält seine Rechte und der Vasall seine: Lehen. Es gilt<br />

noch, den Freiherren zu retten. Das Volk kannte die Sachlage nicht, zieh ihn<br />

des Verrates und forderte seinen Tod. Seine eigene Verteidigung und die<br />

durch Landrichter Mont vermochte die: Krieger nicht zu überzeugen, der<br />

Scharfrichter ist schon bereit. In dieser Not erscheint Rink, bürgt für des<br />

Barons Ehre und Treue und legt dar, wie er von Rechberg schmählich sei<br />

hintergangen worden. Jetzt rufen Ritter und Knechte ein Hoch dem<br />

Bundeshaupt.<br />

Rink: Empfangt von mir im Namen unseres Volkes<br />

Den Friedenskuss auf diese edle Stirn,<br />

Auf der des Friedens mildes Licht erglänzt!<br />

Die Heldentochter bring' ich Euch zurück,<br />

Entrissen hab' ich sie dem Feuertod,<br />

Als Bärenburg in Rauch und Flammen stand.<br />

Sie ist und bleibt der Engel unseres Volkes,<br />

Für das sie litt und stritt mit Heldenmut.<br />

Räzüns: Ich schliess euch an mein Herz, geliebte Kinder.<br />

Anna: O Vaterherz, dein Segen ruh' auf uns<br />

Und gebe unserm Bunde Kraft und Weihe!


- 40 -<br />

Räzüns: Ja, liebe Kinder, Segen, Glück und Wonne,<br />

Mein Stolz und Schmuck, ihr Stützen meines Alters!<br />

Landrichter, unserm Land und allem Volk<br />

Heil, Frieden, Glück und Freiheit immerdar!<br />

Das ist die Skizze und einige Zitate, aber sie verblassen vor den frischen,<br />

kräftigen, leuchtenden Farben des ganzen Dramas und der handelnden<br />

Personen. Wir wollen von Wenigen nur noch einige Züge vorführen. Johann<br />

Caldar gibt sich selbst in den Reden und besonders schön in den letzten<br />

Worten vor seinem Sterben:<br />

Mein schweres Tagewerk ist nun getan.<br />

Geniesst der Freiheit und beherrscht euch selbst!<br />

Ich scheide ohne Groll aus dieser Welt.<br />

S. 32: Hielt ich nicht immer und in allen Dingen<br />

Das rechte Mass, so litt ich schwer dafür.<br />

Wie heiss ich rang, wie viel ich litt, weiss Gott!<br />

Wie ruhig und gemessen sind gegen diesen Feuerkopf seine Kollegen von<br />

Tenna, Savien und Tschappina, und heimelig-patriarchalisch ist die Szene bei<br />

ihrem Herren in Räzüns! So ernst und würdig ist die Verhandlung, erst als<br />

Anna mit Kanne und Bechern kommt, tauen die Herzen auf, und Wieland<br />

wird poetisch:<br />

Lachte Freyin, nicht ob meiner Huldigung:<br />

Ihr macht den grauen Kopf mir wieder jung<br />

Und glättet mir die Falten aus der Stirn,<br />

Mir ist, wie einem alten Wurzelstock,<br />

Aus dem der Frühling neue Schosse treibt.<br />

<strong>Ein</strong> durch und durch edler Charakter, voll Liebe und Güte ist der Baron von<br />

Räzüns. In unserer Skizze schon zeigten sich die Würde und Ruhe dieses<br />

Mannes, am schönsten aber vor dem drohenden Tode:<br />

Befriedigt sie mein Blut allein, so weiss<br />

Der letzte Freiherr von Räzüns zu sterben.<br />

Scharfrichter: Zu sterben! - Das ist eine schwere Kunst.<br />

Man übt sie ein Mal nur in seinem Leben.<br />

Räzüns: Man lernt- daran an jedem Tag und Abend.<br />

Wer keinen Druck verspürt in seinem Innern,


- 41 -<br />

Versteht sie.<br />

Der Scharfrichter blaguiert nun noch etwas mit seiner Kunst:<br />

"Mein Aug ist scharf, mein Arm erprobt und stark,<br />

Und was mein Schwert angeht, so schaut nur her!<br />

Es ist von blankem Schliff und feinstem Faden.<br />

Seht nur! Ich führ' ein Haar aus meinem Bart<br />

Drüber weg! - Just wie entzwei geblasen!<br />

(Räzüns schaudert - zusammen.)<br />

So sicher führt es durch den stärksten Nacken!<br />

In seinem Kuss berühren sich zwei Welten,<br />

Die eine schliesst es zu, die andere auf.<br />

Räzüns: So hab' ich menschlicher Gebrechlichkeit<br />

Nun im geheimnisvollen Todesschauer<br />

Den lästigsten Tribut vorausbezahlt!<br />

Geh! melde deinen Herren, dass ich komme!"<br />

So spricht nur ein Mann, der mit sich und dem Himmel im Reinen ist. Rink<br />

hat dann das Los gewendet.<br />

Und wie der Vater, so die Tochter Anna, eine Frauengestalt von idealer<br />

Grösse und Schönheit, Klugheit und Stärke, würdig der ernsten und grossen<br />

Zeit, in der sie lebt. Fern von aller Gefühlsduselei, hat sie lebhaftes Interesse<br />

und nimmt Teil an den Kämpfen des Volkes, dessen Freiheit und Wohl ihr<br />

über alles geht. Darum verschmäht sie Glanz und<br />

S. 33: Prunk der Grafenschlösser, "und bötest du mir eine Königskrone, ich sagte<br />

Nein dazu". Und wie stark weiss sie ihre Neigung zu Rink zu verbergen, nur<br />

hie und da bricht das Gefühl hervor. Wie erfrischend wirkt das Ungewitter,<br />

das Sie über Rechberg loslässt, und wie selbstbewusst die Haltung gegenüber<br />

dem Vetter Jörg. Daneben die innige, zärtliche Liebe zu ihrem guten Vater<br />

und ihrer Pflegemutter, und wie schön der Zug, dass sie mit derselben zur<br />

Kapelle geht, um für den Sieg der Helden zu beten! Und bei alldem still und<br />

bescheiden und selbstlos ohne Grenzen, ein Weib, wie es sein soll.<br />

Und der Anna ebenbürtig ist der Rink, in Wahrheit ein Ritter ohne Furcht und<br />

Tadel. ein Edelmann in des Wortes wörtlicher Bedeutung! Wie nobel und<br />

treu gegen seinen Herren, wie nobel und gross gegen seinen Feind, nachdem<br />

er besiegt ist: "Wehrlosen gegenüber schweigt der Groll!" Dem Jörg lässt er


- 42 -<br />

Schlösser und Lehen. Jeder Zug ein ganzer Mann! Und die Arbeit und die<br />

Kämpfe für das Volk! Opfer und Seelenstärke überall. <strong>Ein</strong>e einzige Seite<br />

wollen wir noch hervorheben. Ohne mit einer Wimper zu zucken, tritt er für<br />

Jörg als Brautwerber auf, und nach dem Siege noch einmal, ehrlich und<br />

offen: "Der Ort, die Zeit, die Art - sind sie Euch recht? - Fragt Euer Herz und<br />

lasst es frei entscheiden!" Und erst jetzt, nachdem dieser Entscheid in<br />

Gegenwart Jörgs frei gefallen, hält auch Rink nicht mehr mit seinem<br />

Geständnis zurück: "Mein Glück und meine Lust! Nun auf, zum Vater!" Wir<br />

sagen ohne Uebertreibung: hätte <strong>Plattner</strong> nur diese zwei Idealgestalten<br />

geschaffen (mit ihren Reden und Taten) man müsste den Lorbeerkranz des<br />

Dichters auf das greise Haupt ihm setzen.<br />

Idealgestalten! Sind sie nicht auch historisch? Ja, das können wir nicht<br />

entscheiden, da wir specialissime keine bündnerische Geschichtsstudien<br />

gemacht haben, das ist uns unmöglich. Aus geschichtlichem Boden werden<br />

die Männer und Frauen schon herausgewachsen sein oder sie werden ganz in<br />

die Verhältnisse hineinpassen, das ist übrigens Nebensache: die Menschen,<br />

die da vor uns handeln und reden, sind Produkte, Gebilde der Schöpferkraft<br />

des Dichters, und als solche sind sie mit feinster Psychologie ausgedacht und<br />

durchgeführt, lebenswahr, fest umrissen, klar und bestimmt, ächte<br />

bündnerische Landsleute, Ritter, Grafen und Barone, Menschen mit Seele,<br />

aber auch mit Fleisch und Blut, keine Schemen.<br />

Sagen wir es nur ganz frei: <strong>Plattner</strong> hat eben nicht nur Phantasie, sondern<br />

auch klaren, hellen Verstand, er ist Wissenschafter mit scharfem Denken, er<br />

weiss, wie die Menschen sind und sein müssen, wie sie fühlen und handeln,<br />

und darum auch seine bestimmten Charaktere. Was noch<br />

S. 34: fehlte, ergänzen die gründlichsten historischen Studien, eine Detailkenntnis<br />

der verwickelten Rechtsverhältnisse, die uns in Erstaunen setzt.<br />

Mit allem dem und vielleicht auch mit dem ernsten Charakter der Personen<br />

und Oertlichkeiten mag es zusammenhängen, dass wir in <strong>Plattner</strong>s Dramen so<br />

wenig weichere lyrische Partien finden und die Monologe ausserordentlich<br />

knapp gehalten sind. Die Handlung reisst und drängt unaufhaltsam vorwärts,<br />

die Kraftnaturen stürmen dem Ziele zu, da ist keine Zeit zu lyrischen<br />

Ergüssen, und ein Monolog nach dem Stile Tells ist da absolut<br />

ausgeschlossen. <strong>Ein</strong>e reizende Ausnahme macht hier die 7. Szene im III. Akt,


- 43 -<br />

wo Anna allein auftritt, nach dem Gebet in der Kapelle:<br />

"Noch ruht der Friede, auf dem schönen Tal,<br />

In das die Berge still herniederschauen.<br />

Der Firn erglüht im goldnen Morgenstrahl,<br />

Die Burgen ragen über Flur und Auen.<br />

Noch singt der Rhein sein frisches Morgenlied<br />

Der jungen Albula im Morgengrauen,<br />

Es flüstert in den Wipfeln und im Wind:<br />

Hier, ist es schön, hier lass' uns Hütten bauen!<br />

Wie lächelt noch das blühende Gefild!<br />

Des Himmels Perlen, wie sie niedertauen!<br />

Im Flammenschein, wie ändert sich das Bild,<br />

Wenn Schwerter blitzend aufeinander hauen!<br />

O wüsst' ich meinen Vater ohne Schuld<br />

Und unberührt von dieses Wolfes Klauen,<br />

Wie gerne trüg' ich Alles in Geduld,<br />

In stiller Liebe und in Gottvertrauen! -<br />

<strong>Ein</strong>e liebliche Idylle' von sonnigem Zauber!<br />

Zum Schluss noch ein Punkt. Man möchte sich vielleicht aufhalten, dass das<br />

Volk mit seinen kirchlichen Obern so ungnädig verfährt. Ja, das ist nun so<br />

eine eigene Sache. Wir wollen nicht urgieren, dass der Fürstbischof von<br />

Konstanz in Chur nur Verweser war, aber das sei betont, dass hier eine Zwei-<br />

Seelen-Theorie herrschte: der Fürst und der Bischof, die Verquickung von<br />

geistlichem und weltlichem Regiment, und das war nicht von Gutem. Der<br />

Fürst tat oft, was der Bischof nicht billigen konnte. So war es bei Naso, bei<br />

Rechberg und so war es bei Hewen, Er kannte genau den Jörg von<br />

Werdenberg, er wusste, dass er der Hampelmann des Hallunken Rechberg<br />

war, warum denn ihm gleichwohl die Lehen Schams und Rheinwald<br />

übergeben? Und seine Schwester Clementa! Ihr Mann, der Graf von<br />

Mesocco, war ein grossartiger Lump, das hätte noch wenig geniert, aber die<br />

Schwester selbst war eine politische Xantippe erster Güte, die nichts Besseres<br />

zu tun wusste, als den<br />

S. 35: Gauner Rechberg noch aufzustacheln zum Kampfe wider das gedrückte<br />

Volk, ihn nach Schams zu begleiten und ihm Judasdienste zu leisten bei der


- 44 -<br />

Gefangennahme der Frauen Jutta und Anna!! Volenti non fit iniuria, die<br />

Führer haben dem Fürsten gesagt, was kommen werde, und er hat auf die<br />

Warnungen und Bitten nicht gehört, er schickte den Jörg nach Schams, über<br />

seine Schwester hielt er die schützende Hand und gab ihr Schlösser und<br />

Ländereien! Tu l'as voulu, Georges Dandin! Das Volk wandte sich direkt<br />

nicht gegen den Bischof, sondern gegen den Tyrannen Rechberg und den<br />

Junker Jörg, und wie der Mantel fiel, musste auch der Herzog nach. Hewen<br />

spricht das resigniert aus gegenüber Räzüns:<br />

"Die Ordnung sucht ich wieder herzustellen!<br />

Gut war der Zweck, die Absicht rein, die Mittel<br />

Von zweifelhaftem Wert, der Plan verfehlt.<br />

Ich leist' auf mein Verweseramt Verzicht.<br />

Noch heute geht ein Schreiben ab nach Wien."<br />

Das war gewiss das Richtigste. Dass übrigens die Führer der Religion gar<br />

nicht bar waren, zeigt ihr Verhalten in entscheidenden Augenblicken. Wie<br />

beten die Frauen Jutta und Anna in der Kapelle, als die Männer in den Kampf<br />

ziehen! Und als Gefahr drohte für das Leben und alle zur Flucht rieten, wie<br />

vertrauensvoll spricht da Räzüns das schlichte Wort: "Ich bleibe! Mein Leben<br />

liegt in des Allmächt'gen Hand." Und wie Rink den Gang um Tod und Leben<br />

in die Flammen wagte, da spricht er nur das heisse Wort: "Hilf reicher Christ,<br />

um Deiner Wunden willen!" Und nach der edlen Tat sagt er bescheiden zu<br />

Jörg: "Gerettet, mit Gottes Hilfe!" Diese wenigen Worte Rinks sagen nicht<br />

nur viel, sondern - alles! Er liegt im schweren Kampfe mit Rechberg, muss<br />

die Schergen vom greisen Caldar abwehren, dann schlagen die Flammen aus<br />

der Burg empor, und die Mutter und Anna rufen von der Zinne um Hilfe,<br />

wahrlich, für drei Männer genug Arbeit, und der Held vom Baldenstein<br />

leistet sie allein! Die Zeit zählt sich nicht mehr nach Minuten, sondern nach<br />

Sekunden, und doch in dieser furchtbaren Lage, welche alle Nerven zum<br />

Zerreissen spannt und die Pulse fiebernd durch die Adern jagt, vergisst der<br />

edle Ritter nicht, um' Hilfe von oben zu bitten: "Hilf, reicher Christ, um<br />

Deiner Wunden willen!" Dann geht's in die Flammen, und das Opfer wird<br />

belohnt. Wahrlich, das ist einzige Heldengrösse, aber auch praktisches<br />

Christentum: Glaube, Gebet, Liebe und Opfer des Lebens! Kann man mehr<br />

verlangen? Möge jeder die Antwort selber geben!<br />

<strong>Plattner</strong> lässt die Menschenkräfte und die Leidenschaften sich im Drama


- 45 -<br />

auswirken, lässt menschlich die Schuld entstehen und die Sühne folgen und<br />

will nicht, dass seine Männer und Frauen mit der Religion<br />

S. 36: prunken und sich zieren, aber in schweren Stunden wissen sie, woher die<br />

Hilfe kommt. Das passt zum braven Christen und zum braven Bündner.<br />

Wir wollen es uns und den lieben Freunden nicht versagen, auf eine<br />

Besprechung zurückzugreifen, welche seinerzeit ein anderer Bündner<br />

Dichter, P. Maurus Carnot, in den "Schweizer Blättern" dem "Rink"<br />

gewidmet hat. Er gibt einen Abriss des Stückes und schliesst denselben mit<br />

folgenden prächtigen Worten:<br />

"Das ist eine sehr lückenhafte Skizze des Schauspieres, in dem Plazid<br />

<strong>Plattner</strong> das Feuer der Jugend mit dem "männlichen Dur" verbunden hat. Bei<br />

der Lektüre möchte man keinen Vers vermissen, für die Aufführung könnten<br />

vielleicht einige historische Aeusserungen wegbleiben oder gekürzt werden,<br />

obwohl sie zur Zeichnung eines freuen Zeitbildes beitragen (vgl. z.B. S. 8<br />

und 9, S.79 und 80). Hat auch Schiller den "Don Carlos" für die Bühnen<br />

gekürzt und aus dem "Wallenstein" 400 Jamben herausgeworfen (Brief an<br />

Goethe). Goethe fordert, dass das Historische im Drama bloss ein leichter<br />

Schleier sei, wodurch das rein Menschliche durchblickt. Dem gründlichen<br />

Historiker <strong>Plattner</strong> ist wohl kaum ein Zug entgangen, der zu einem treuen<br />

historischen Bilde jener Zeit beiträgt, würden weniger gründliche Geister sich<br />

auch mit weniger historischen Daten und Motiven begnügen, so muss<br />

bemerkt werden, dass der dichterische Hauch und die Pracht der Diktion über<br />

das ganze Schauspiel einen Reiz verbreitet, der nicht gestattet, dass man bei<br />

der Lektüre auch nur einen einzigen Vers übergeht. Das Drama ist keine<br />

"Siesta" für Denkfaule, es will studiert Sein, und wem es nicht sehr gefällt,<br />

der greife nach dem "Kotzebue". <strong>Plattner</strong> hat, da er als geborner Dichter<br />

fühlte, dass der historische Stoff etwas dürftig sein könnte, eine durchaus<br />

edel gehaltene Liebe zwischen dem Haupthelden und der Freyin Anna in das<br />

Drama verflochten, deswegen trifft ihn nicht der Vorwurf, den Eichendorff<br />

dem ersten deutschen Dramatiker macht, dass er nämlich in den sonst schon<br />

zu stoffreichen "Wallenstein" sich selbst und Seine Neigungen in der<br />

Liebschaft von Max und Thekla ungehörig eingefügt habe.<br />

<strong>Plattner</strong>s prächtige Dichtung hat nicht bloss lokales Interesse und wird unter<br />

den vaterländischen Schauspielen immer einen der ehrenvollsten Plätze


- 46 -<br />

behaupten. Es ist besser, wenn wir das herrliche Werk des Dichters ehren, als<br />

wenn wir den Namen unseres Freiheitssängers auf dem Stein zu Vazerol oder<br />

beim Ahorn zu Truns verewigen. <strong>Ein</strong> Dichter darf von der Mitwelt<br />

wenigstens diesen Lohn beanspruchen, dass man seine Werke nicht<br />

totschweigt.<br />

S. 37: Mögen unserm Volke nie jene Worte gelten, welche Lermentoff in seinem<br />

Klagegesang am Grabe Alexander Puschkins dem gerechten Richter in den<br />

Mund legt:<br />

Versiegen soll die Quelle Eurer Lieder!<br />

Ihr wusstet nicht zu ehren Euren Dichter,<br />

Zum zweiten Mal send' ich Euch keinen wieder!"<br />

Soweit P. Carnot.<br />

Die Dramen von <strong>Plattner</strong> wurden schon öfter in Bünden aufgeführt, der<br />

"Rink" in Chur und der "Caldar" auf Volksbühnen schon bei 150 mal, und<br />

wurden auch ins Romanische übersetzt. Die Stücke werden sich prächtig<br />

machen, diese edlen Rittergestalten, diese herrlichen Frauen und diese braven,<br />

tüchtigen, kräftigen Führer des Volkes, diese Charaktere aus Marmor<br />

gehauen, und die Sprache, die frisch und kräftig wie ein Bergquell<br />

dahinrauscht! Und nicht zuletzt die Szenerien: die Bergesriesen, die<br />

freundlichen Täler, die Burgen und Schlösser und' die Prunkgemächer und<br />

Ahnensäle mit den Waffen, die Ritter mit Schwert und Harnisch und<br />

fliegendem Helmbusch, die Frauen in ihren malerischen Trachten, die Bauern<br />

mit Wams und Kniehose. Viel Genuss für das schauende Auge!<br />

Grössere Bühnen scheinen sich die Dramen nicht erobert zu haben, und die<br />

Gründe dürften nicht weit zu suchen sein. Das spezifisch Bündnerische mag<br />

zuerst in die Wagschale fallen, dann kommt aber noch etwas anderes. Der<br />

Dichter hat es mit seiner Aufgabe sehr ernst genommen. Gross und ernst sind<br />

die Gestalten, die er geschaffen, gross und ernst ist die Zeit, aus der er sie<br />

herausgreift, voll und stark sind die Töne, die der Sänger anschlägt. <strong>Plattner</strong><br />

ist kein "Moderner", er will nicht bloss aufregen, kitzeln und unterhalten, er<br />

will auch nicht den Pessimismus nähren, er will packen, aufrütteln, heben,<br />

erziehen, stärken, begeistern für Wahrheit, Freiheit und Recht. Seine<br />

Bühnenstücke sind Hohelieder auf den Kampf des freien Bürgers gegen die<br />

Tyrannei der Ritter, der Wildenburger und Hünenberger, denen von


- 47 -<br />

Werdenberg und Rechberg. Gauner und Schufte sinnen Verderben und suchen<br />

skrupellos in mächtiger Stellung ihren Egoismus und ihre Interessen zur<br />

Geltung zu bringen, tüchtige, kerngesunde Männer des Volkes treten ihnen<br />

unerschrocken entgegen, der Kampf wogt hin und her, sie können -fehlen, sie<br />

können straucheln, das ist das Los des allgemein Menschlichen, sie können<br />

zeitweilig unterliegen, aber endlich durchbricht doch die Sonne des Rechtes<br />

und der Wahrheit das Gewölk und leuchtet zum Siege.<br />

Die moderne Bühne kann solche Stücke leider nicht mehr gut brauchen. Die<br />

Gross-, Mittel- und vielfach. auch die Kleinstadt-Theater von<br />

S. 38: ehedem sind andere geworden, da herrscht nicht mehr die edle, züchtige<br />

Muse, sondern andere Göttinnen führen da Regiment und Regie. Da duften<br />

die Odeurs de Paris, da herrscht die Stickluft der gewaltigen Volkszentren, da<br />

bieten die Mäkler der Pornographie, des Ehebruches und der Bordelle ihre<br />

übelriechende Tausendware feil, und da lassen die Propheten und Sänger der<br />

Dekadenz, des Pessimismus und Sadismus ihre heisere Stimme ertönen, und<br />

da ist für einen Pl. <strong>Plattner</strong> und seine Dramen mit der frisch strömenden<br />

Bergluft und den Kraftgestalten aus den bündnerischen Hochtälern absolut<br />

kein Raum mehr. Dem Himmel sei's geklagt, aber es ist so.<br />

Auf Volksbühnen aber, besonders des Bündnerlandes, werden sich die<br />

<strong>Plattner</strong>'schen Schauspiele gewiss noch lange halten. Wäre es nicht an der<br />

Zeit, dass auch die Mitglieder des Schweizerischen Studentenvereins, die<br />

alten wie die jungen, sich wieder an ihren <strong>Veteran</strong>en und die Kinder seiner<br />

Muse erinnern sollten? Die meisten wissen kaum mehr, wieviel Schönes,<br />

Anregendes und Erhebendes uns dieser Dichter geboten hat, im Drama, in<br />

der Epik und im Lied. Man greift zum faden Zeug so mancher Moderner, und<br />

das gediegene Alte eines wackeren Vereinsgenossen lässt man beiseite,<br />

bekümmert sich nicht darum, es kennen zu lernen. Probiert es einmal und lest<br />

den "Wikard", den "Caldar", den "Rink von Baldenstein", und ihr werdet<br />

finden, was wir gefunden: Freude an den kraftvollen, majestätischen<br />

Gestalten und Genuss an der Sprache, die wie ein Bergstrom an uns<br />

vorüberrauscht!


- 48 -<br />

II. Der Epiker.<br />

In diese Kategorie gehören zwei grössere Arbeiten: Die Uebersetzung der<br />

"Rhäteis" von Simon Lemnius, und das "Lied von den ersten Eidgenossen".<br />

Bevor aber hier der Dichter an die Reihe kommt, müssen wir noch etwas vom<br />

Historiker und Philologen sagen.<br />

<strong>Plattner</strong> hat den Lemnius nicht "entdeckt", aber doch eigentlich wie: der<br />

bekannt gemacht und speziell sein Epos, wie P. Carnot schreibt, aus, dem<br />

Schutte dreier Jahrhunderte und aus den Truhen einiger alten Familien<br />

hervorgezogen. Wir halten uns an die <strong>Ein</strong>leitungen, die der Verfasser seinen<br />

Werken vorangestellt hat.<br />

Dieser Lemnius ist ein merkwürdiger Mann. Im Münstertal geboren, zog er<br />

als Student nach Augsburg, München, Ingolstadt und Wittenberg, wo er<br />

besonders von Melanchthon in die klassischen Sprachen sich einführen liess.,<br />

Wegen Epigrammen eingeklagt (und später verurteilt), flüchtete er zu seinem<br />

Gönner, dem Kurfürsten von Mainz, nach Halle<br />

S. 39: und kehrte nach einigen Jahren in die Hauptstadt seiner Heimat zurück, wo er<br />

der Poesie lebte und unter anderem auch die Odyssee ins Lateinische<br />

übersetzte. <strong>Plattner</strong> schreibt von dieser Arbeit: "An Eleganz und Reinheit der<br />

Form, wie an Elastizität des Ausdrucks ist diese geniale Umdichtung der<br />

grossen griechischen Epopöe noch zur Stunde unübertroffen." Das Werk,<br />

sowie die Uebersetzung des Dionysos erhoben den Autor rasch zu<br />

europäischem Rufe. Den Schlusstein seiner dichterischen Tätigkeit bildet die<br />

Rhäteis, in welcher Lemnius die Kämpfe und Siege der Bündner und<br />

Eidgenossen besingt im Kriege wider Tyrol, Kaiser Maximilian, und den<br />

schwäbischen Bund im Jahre 1499. <strong>Plattner</strong> erklärt den Verfasser dieses<br />

Heldengedichtes, am Ausgange des kriegerischen Zeitalters der Schweiz, als<br />

ihren grössten und genialsten Epiker. Gegenüber diesem ächten Homeriden<br />

treten alle andern weit in den Hintergrund. Es war ein grosses und<br />

patriotisches Unternehmen, die entschwundene Heldenzeit, deren Abendrot<br />

noch an des Dichters Wiege geleuchtet, nach dem Vorbilde Virgils in einer<br />

grossen, in ächt klassischem Geiste entworfenen und ausgeführten<br />

Heldendichtung in der Erinnerung festzuhalten, und den zersetzenden<br />

Wirkungen des kirchlichen Haders und unauslöschlicher Zwietracht durch


- 49 -<br />

die Pflege des nationalen Geistes und den begeisternden Hinweis auf eine<br />

grosse Vergangenheit einen Damm entgegenzusetzen. Dieses Unternehmen<br />

hat der Dichter rühmlich zu Ende geführt." "Leider war es dem Schöpfer der<br />

Rhäteis nicht vergönnt, die letzte Feile an sein Lieblingswerk zu legen und<br />

dasselbe dem Druck zu übergeben. Er stand auf dem Zenit seines Lebens,<br />

kaum mochte er 40 Jahre erreicht haben, da raffte ihn plötzlich aus all seinen<br />

Hoffnungen, Träumen und Entwürfen den 7. Dezember 1550 die Pest<br />

hinweg".<br />

Die geschichtliche Basis für das Epos bildete ein Bericht, welcher aus der<br />

Feder eines Zeitgenossen des Krieges stammt, ja wahrscheinlich in der<br />

Stadtkanzlei selbst abgefasst und daselbst aufbewahrt wurde. <strong>Plattner</strong><br />

bemerkt: "Lemnius hält sich gewissenhaft an diese seine Quelle. Er entnahm<br />

derselben alle Daten, Personen und Ortsnamen, sowie die Zahl der in den<br />

einzelnen Treffen des schweizerisch-deutschen Krieges Gefallenen, wie nicht<br />

minder eine Anzahl volkstümlicher und anekdotenhafter Züge. Sein Epos<br />

beruht auf der streng historischen Grundlage dieses zeitgenössischen<br />

Berichtes. Die in einzelnen Episoden seines Werkes eingeflochtene<br />

Geschichte der Vorzeit Rhätiens beruht auf den römisch-griechischen<br />

Schriftstellern."<br />

Das Heldengedicht blieb Manuskript, von dem Original wurden jedoch im<br />

16. und 17. Jahrhundert verschiedene Abschriften gemacht, die<br />

S. 40: aber nach und nach in Vergessenheit geraten sind. Endlich nahm sich die<br />

historisch-antiquarische Gesellschaft Graubündens der Sache an und<br />

beauftragte Pl. <strong>Plattner</strong> mit der Herausgabe. Er unterzog sich der mühevollen<br />

Arbeit, und die "Rhäteis" konnte 1874 in Chur im Druck erscheinen. Der<br />

Herausgeber schliesst seine <strong>Ein</strong>leitung mit den schönen Worten: "Möge nun<br />

die "Rhäteis", diese bedeutendste rhätisch-helvetische Heldendichtung, wie<br />

die Walküre nach langem Zauberschlafe hervortretend an das Licht der<br />

Oeffentlichkeit, freudige Aufnahme finden überall, wo noch Verständnis<br />

waltet für die Sprache Virgils und wo den stolzen Erinnerungen an die<br />

Waffentaten der alten Eidgenossen empfängliche Herzen entgegenschlagen!<br />

Das Heldenlied des alten Sängers, in welchem die Banner der alten<br />

schweizerischen Freiheit rauschen, möge wach erhalten und nähren den alten<br />

Schweizergeist im neuen Schweizerbunde"!


- 50 -<br />

Wir mussten diese Bemerkungen vorausschicken, um zum folgenden<br />

übergehen zu können.<br />

Die "Rhäteis" war ediert, und das war ganz recht, ein Gebot der<br />

Wissenschaft, des Patriotismus und der Pietät gegen den Verfasser - mit der<br />

Herausgabe eines Werkes hält jedoch die Verbreitung nicht immer gleichen<br />

Schritt. Die Gebildeten, die einmal die Aeneis gelesen und vielleicht noch<br />

Cicero und Horaz, und die nach zwanzig oder dreissig oder vierzig Jahren<br />

noch nach einem Epos greifen, welches in der klassischen Sprache und den.<br />

Metren Virgils geschrieben ist - diese Männer sind bald gezählt. Mit dem<br />

Lexikon in der Hand treibt man nicht eine Lektüre zur Unterhaltung und zum<br />

Genusse, abgesehen davon, dass meistens auch die Zeit fehlt. Und so blieb<br />

nichts anderes übrig, als. an eine Uebersetzung zu denken, natürlich im<br />

Versmass des Originals. Aber wer sollte das besorgen? Niemand wollte sich<br />

daran wagen. Endlich liess sich auch hier wieder <strong>Plattner</strong> bestimmen, die<br />

schwere Arbeit zu übernehmen. Er schreibt selbst in der <strong>Ein</strong>leitung: "Acht<br />

Jahre hindurch habe ich einen beträchtlichen Teil der Zeit, die mir meine<br />

Berufs und Amtsgeschäfte übrig gelassen, diesen Arbeiten gewidmet, um das<br />

Andenken des rhätischen Dichters wieder herzustellen und die Kraft und<br />

Schönheit seines Werkes dem heutigen Geschlechte im Geiste der deutschen<br />

Sprache und Poesie vorzuführen."<br />

Diese Bemerkung wird erst recht verständlich, wenn man sich an die Aemter<br />

erinnert, die der Uebersetzer in den Jahren 1874-1882 zu versehen hatte, wie<br />

wir sie im ersten Artikel angeführt haben: Grossrat, Regierungsrat, Bankrat<br />

usw. Daneben die Gesänge der Rhäteis metrisch ins Deutsche übertragen -<br />

das soll einer nachmachen! Das bringt nur<br />

S. 40: ein <strong>Plattner</strong> zustande. Wir bitten noch, die letzte Wendung in obigem Zitat<br />

genau anzusehen: "Im Geiste der deutschen Sprache und Poesie". Das war<br />

die Kunst, die hier unbedingt gefordert wurde, und diese Kunst hat der<br />

Meister erreicht. Wir möchten aber das erste Manuskript sehen, in welchem<br />

der Dichter seine Arbeit festgelegt hat! Nun, forschen wir nicht weiter,<br />

genug, das Ganze liegt ja jetzt vor! <strong>Plattner</strong> hat einige unbedeutende<br />

Episoden weggelassen "im übrigen in allem Wesentlichen den Inhalt der<br />

Urschrift getreu und vollständig wiedergegeben."<br />

Und nun, was ist da zu machen und zu sagen? Das einfachste wäre, an alle


- 51 -<br />

die Bitte zu richten: Nehmt Original und Uebersetzung zur Hand, vergleicht<br />

und studiert beide! Wer hat aber den lateinischen und deutschen Text der<br />

Rhäteis? Wer hat überhaupt auch nur einen? Wie viele Aktive im Vereine<br />

sind es, die von der Existenz einer "Rhäteis" nur Kenntnis haben? Mit<br />

obigem Rate ist somit nicht viel anzufangen. Wir bringen lieber zunächst ein<br />

kleines Stück des Originals und lassen gleich die Uebersetzung folgen, dann<br />

kann der Leser selber beurteilen, wie der Meister die Sache angepackt. Als<br />

Beispiel wählen wir gleich den Anfang:<br />

ORIGINAL.<br />

Fortia Räteis cantata nepotibus arma<br />

Ordior, linde virum se tollit gloria terris.<br />

Da mihi, Musa, decus, da tantae proelia cladis<br />

Et memorare Athesis rorantes sanguine rivos,<br />

Ac tria Raetorum sectas in foedera gentes:<br />

Quot bellatores, quantosque in bella crearint,<br />

Aeriasque inter quue gesserit arduus Alpes<br />

Raeticus Hetrusca deductus origine miles,<br />

Utque acies clausas vallo perfregerit alto.<br />

Dum quondam patrios defendit Raetia campos,<br />

Fas aperire mihi et servata minoribus arma<br />

Tradere et ingentis causas narrare tumultus.<br />

ÜBERSETZUNG.<br />

Rätischen Enkeln verkünd' ich im Liede die Taten der Väter,<br />

Ueber die Länder erhebt sich der Ruhm, den die Männer erwarben.<br />

Gib mir, O Muse, die Macht des Gesanges, zu schildern die Kämpfe<br />

Und die gewaltige Schlacht an der Etsch blutführenden Bächen,<br />

Nenne mir all die Helden des Volks in den rätischen Bünden<br />

Künde mir, was vom etrurischen Stamme die mutigen Sieger<br />

Hoch in dem Alpengebirge vollbracht am befestigten Walle,<br />

Wie sie die Zinnen erstürmt und die Reihen der Feinde gebrochen.<br />

Rätier haben der Väter Gefilde in Waffen verteidigt,<br />

Rätischen Sänger geziemt es, den Enkeln die glänzenden Taten<br />

Und den Beginn und Verlauf des verderblichen Krieges zu melden.


- 52 -<br />

S. 42: Diese kleine Probe genügt schon, um in die Methode und die Kunst des<br />

"Uebersetzers" einigermassen einen <strong>Ein</strong>blick zu gewinnen. Wir stellen<br />

"Uebersetzer" zwischen Gänsefüsschen, denn die <strong>Plattner</strong>ische Arbeit ist<br />

eben keine Uebersetzung, sie ist auch nicht eine "Uebertragung", sondern sie<br />

ist viel mehr, sie ist die freie Nach- und Umdichtung, sie ist eigentlich die<br />

Neuschöpfung eines kongenialen Poeten. Er liest das Original, lässt alles in<br />

seinem Geiste sich gären, durcharbeiten, giesst es dann in neue Form und<br />

lässt diese vor unserm Auge erstehen. Diese Methode ist in solchen Fällen<br />

die einzig richtige, und <strong>Plattner</strong> hat sie mit Meisterschaft angewendet. Seine<br />

Rhäteis ist nicht dem Gehalte, aber der Form nach ein ganz neues und sein<br />

eigenes Werk. Man kann es lesen und an der Macht und Kraft der Sprache<br />

sich erfreuen, ohne auch nur von der Rhäteis des Lemnius eine Ahnung zu<br />

haben.<br />

Es liessen sich von dieser vollendeten Kunst zahllose Beispiele aufführen,<br />

wir wählen noch eines vom Beginne der Schlacht an der Calven:<br />

"Nunmehr flehten sie alle zu Gott in heissen Gebeten,<br />

Unter dem Schutz und im Namen des Ewigen hatten sie Alle<br />

Ihre Waffen ergriffen, er möge die Seinen behüten,<br />

Schirmen das Land und das Gotteshaus und das Volk in demselben,<br />

Gnädiglich möge er, Hilfe gewährend, die Feinde vertreiben.<br />

Also beteten, sie und erhoben die Hände zum Himmel:<br />

"Gott, der auf Alles du siehst herab von den Sternen des Aethers,<br />

Brich doch ihr Eisen entzwei, O zerbrich der Tiroler Geschosse,<br />

Strecke die Feinde darnieder, zermalme sie unter dem Walle!"<br />

Links erdröhnte der Himmel, im dichten Gehölze vermengte<br />

Wirr sich der Männer Geschrei mit dem lärmenden Schalle der Trommeln.<br />

Da die Tiroler die Brücke, zerstörten, die über den Fluss ging,<br />

Stürmten die Bündner in heftigem Anlauf gegen die Feinde,<br />

Schwangen die Waffen in nerviger Faust hoch über den Häuptern,<br />

Zuckten die Speer' und der Hellebarden hell schimmerndes Eisen,<br />

<strong>Ein</strong>gedenk der Worte Capols, des verwegenen Führers,<br />

Drängten, sie ein auf die Feinde und häuften die Leichen im Walde.<br />

Grauses Geschrei erhob der Steinbock hoch im Gebirge,<br />

Zitternd vernahm es das Wild und die Geister der Berge erbebten,


- 53 -<br />

Aengstlich lauschte der Flussgott, hielt und entfloh dann in Eile.<br />

<strong>Ein</strong>en, der zaudert im Sturm der Geschosse, erblicket Capol, ruft:<br />

"Feiger, was stehst du?" entreisst ihm die Lanze und rennt in die Feinde,<br />

Schnelleren Laufes nun folgt auf dem Fuss ihm der stürmende Haufe.<br />

Lautes Gestöhn von Verwundeten schallt und Geschrei der Gefall'nen.<br />

Wie wenn die Hirten in dämmernder Stunde die blöckende Herde<br />

Heimwärts treiben und rings von dem Schreien die Wälder ertönen,<br />

Also erschallt der Verwundeten Ruf, dem das Echo erwidert.<br />

Wildes Getümmel entsteht und es häufen sich Bilder des Todes.<br />

Phiesel, Capol und die Planta toben im wilden Gewühle,<br />

Weiter und weiter, der Seuche vergleichbar morden die Speere.<br />

Wild ergossen dem Sturmwind gleich, entstürzen die Feinde,<br />

Also strömet ein Fluss, von längerem Reden geschwollen,<br />

Schwemmt von dem Boden die Ställe hinweg und die Pferde und Rinder,<br />

S. 43: Wälzt in den Fluten Gerölle und Bäume und schlammige Wurzeln.<br />

Wie sie die vorderste Reihe gebrochen, da drängten die Bündner<br />

Heftigen Sturms mit siegenden Waffen nun gegen den Wall hin.<br />

Ihnen rannten im grünen Gehölze zwei Haufen entgegen,<br />

Aber die Bündner empfangen sie blutig im heissen Gefechte,<br />

Stürzen sich mitten hinein in die Scharen, die ängstlich um Rettung<br />

Kämpfen, Geschrei und Getümmel erhebt sich, es fallen die Krieger,<br />

Aber die Feinde kehren vom Wald das Geschütz auf die Bündner,<br />

Senden Bombarden und glühende Stein' in die kämpfenden Reihen,<br />

Qualm wallt auf und gewaltiger Donner erschüttert die Lüfte,<br />

Und es erbebt das Gebirg' und das Echo erschallt von den Felsen,<br />

Mit der Trompeten Geschmetter vermischt sich der Wirbel der Trommeln,<br />

Zischend flogen die Kugeln und streckten die Männer zu Boden.<br />

Dort reisst <strong>Ein</strong>em ein Stein den Kopf von dem Rumpf in die Lüfte,<br />

Hier saust einer vorbei und trifft Jan Philipp, den Führer,<br />

Der sich soeben gegürtet, um rühmlichst des Amtes zu walten.<br />

Sieben treffliche Jünglinge stehen daneben im Kampfe,<br />

Prättigauer sind alle, sie drängen die Feinde zurücke.<br />

Plötzlich erschüttert ein Krach der Kanonen die Fenster.<br />

Und in die kämpfende Schaar fällt zischend die platzende Bombe,<br />

Sechs sind! getötet, der siebente bleibt voll Staunen am Leben,


- 54 -<br />

Solche Gewalt hat die glühende Kugel die Deutsche erfunden.<br />

Aber von Mont riss nun die bewaffneten Schaaren ins Treffen,<br />

Trotzig stand er in heissem Gefecht, wie ein zweiter Kapaneus,<br />

Scheck nicht minder und Mohr und der wilde Capol und von Balken,<br />

Rasend berennen die Bündner den Wall mit seinen Geschützen.<br />

Lombris, Schau'nstein, Salis und Porta bedrängen die Feinde,<br />

Jan Philipp schlägt grimmig darein und schleudert die Krieger<br />

Mit der rucantischen Schaar in dem blutigen Ringen zu Boden."<br />

Wir brechen hier ab, obschon uns die Lust nicht fehlte, die ganze Schilderung<br />

der Calvenschlacht zum Abdruck zu bringen. Sie ist mit der Kraft und dem<br />

Schwung der Sprache, den plastischen Bildern, dem rollenden, stürmenden<br />

Hexameter ein Glanzstück der Epik.<br />

Auch uns kommt es unbegreiflich vor, dass das Heldengedicht des Lemnius<br />

so lange verschollen sein konnte, aber noch unbegreiflicher, dass so wenige<br />

das Meisterwerk in der <strong>Plattner</strong>'schen Bearbeitung kennen. Wir hoffen<br />

zuversichtlich, unsere Anregung werde nun in diesem Punkte etwelche<br />

Besserung bringen. Sollten wir uns täuschen, so muss uns das Bewusstsein<br />

genügen, den genialen Dichter der klassischen Epopöe des 16. Jahrhunderts<br />

und den kongenialen Kollegen des 19. Jahrhunderts doch wenigstens<br />

einigermassen aus der unverdienten Vergessenheit gezogen zu haben.<br />

Wir gehen nun an das "Lied von den ersten Eidgenossen". Es ist das nicht<br />

eine Epopöe im strengen Sinne, gehört aber formell in diese Klasse. Das<br />

Werk erschien 1896 bei Stehli und Keel in Chur und wurde wahrscheinlich<br />

durch die Bundesfeier vom 1. August 1891 angeregt, wenigstens nimmt der<br />

Dichter in seinen Schlusstrophen hierauf Bezug.<br />

S. 44: Man darf sich durch den Ausdruck "Lied" nicht täuschen lassen, es ist ein<br />

Sang mit epischem Charakter, und der Verfasser hat als spezifische Form<br />

auch wirklich die schwere, breite Strophe des altdeutschen Heldengedichtes<br />

gewählt. Auch die Sprache hat ganz diesen behaglichbreit erzählenden<br />

Charakter, und den Inhalt bilden Geschehnisse nicht in der alten<br />

Eidgenossenschaft, sondern unter den ersten Eidgenossen, Episoden, Bilder,<br />

Szenen aus der geschichtlichen und wirtschaftlichen Entwicklung unserer<br />

Altvordern, der Historiker geht da Hand in Hand mit dem Dichter: der erstere


- 55 -<br />

liefert den Stoff, der zweite die Form. Dazwischen finden sich prächtige<br />

Charakteristiken handelnder Personen, zarte Liebesidylle, malerische<br />

Schilderungen der Natur, Ergüsse von echtem Humor, und diese Vorzüge<br />

helfen auch leicht über jene Partien hinweg, in denen die Darstellung von<br />

Rechtsverhältnissen einen sehr breiten Raum einnimmt.<br />

Das Lied enthält auf 96 Seiten 20 Nummern, und dem Ganzen geht voraus<br />

ein Prolog: "Die Alpen", er preist die Firnen, die Täler, die Ströme und Seen<br />

und führt uns in grossen Linien die älteste Entwicklung vor, von den<br />

Alemannen an durch Chlodwig und Theoderich dem Grossen, durch die<br />

Glaubensboten, ihre Kulturmission, durch die Klöster und Stifte bis zu den<br />

Kaisern und Vögten und dem ersten Bund. Gegen Ende dieser Periode,<br />

ungefähr im ersten Drittel des dreizehnten Jahrhunderts, setzt der Dichter ein<br />

und zwar mit dem "Urner Maiending". Wir lassen diese erste Lied folgen als<br />

Beispiel, wie <strong>Plattner</strong> einzelne Ereignisse aus der Zeit der ersten Eidgenossen<br />

behandelt. Der Leser kann sich so am besten ein Urteil bilden über die<br />

Detailkenntnis in der Geschichte, über die Verarbeitung des Materials, über<br />

die Sprachkunst des Meisters über den ächt epischen Ton, die prächtige -<br />

Konstruktion und glückliche Verwendung der Nibelungenstrophe mit den<br />

feinen Aliterationen. Wir werden unmerklich und unwillkürlich<br />

hineingezogen in den magischen Kreis der Kontemplation, welchen der<br />

Dichter um uns bildet.<br />

Das Urner Maiending.<br />

Der Frühling war gekommen im bunten Festgewand,<br />

Es blühten alle Gründe, der Berge Schnee verschwand,<br />

Das war ein Schäumen, Rauschen von Bächen ohne Zahl,<br />

Es schwollen Reuss und Schächen und eilten durch das Tal.<br />

Und tausend Knospen sprangen, die Bäume schlugen aus,<br />

Am Hage prangten Schlehen im weissen Blütenstrauss.<br />

Durch das Gebirge brauste - mit aller Macht der Föhn,<br />

Es stürzten die Lawinen dumpf donnernd von den Höh'n.<br />

S. 45: In Feld und Wald ein Singen und lauter Jubelschall,<br />

Und von den Felsenhängen ein froher Wiederhall!<br />

Es grüssten alle Glocken in lautem Ueberschwang


- 56 -<br />

Den hellen Sonntagsmorgen mit festlich frohem Klang.<br />

<strong>Ein</strong> Reiten, Wandern, Wallen begann die Reuss entlang.<br />

Von Bergen, aus den Tälern, vom See, von Hald' und Hang,<br />

Von Hütten, Häusern, Burgen, zu Schiff, zu Ross, zu Fuss.<br />

Vereinten sich die Männer mit Händedruck und Gruss.<br />

Die Markgenossen zogen in Waffenschmuck und Wehr<br />

Nach Altdorf auf die Breiten, es war ein ganzes Heer.<br />

Sie traten dort zusammen in einen weiten Ring<br />

Zur Frühlings-Markgemeinde, zum alten Meiending.<br />

Dann schritt von Attinghausen Herr Ulrich in den Kreis,<br />

An Ehren und an Jahren ein würdevoller Greis,<br />

Es ging zu seiner Rechten ein Degen schlank und kühn,<br />

Arnold von Ah, der Weidmann aus Unterwaldens Höh'n.<br />

Er war der Königsbote und kam von Hagenau,<br />

Auch bracht' er frohe Botschaft von Zürichs hoher Frau.<br />

Es folgten dann die Meier und an der Ritter Schar,<br />

Sie traten in den Umstand, der Tag war hell und klar.<br />

Der Herr von Attinghausen entbot nun den Willkomm<br />

Arnold dem Königsboten, den Männern stark und fromm.<br />

<strong>Ein</strong> Brausen wie vom Sturme, der durch die Eichen fährt,<br />

Erhob sich bei dem Grusse und jeder schwang sein Schwert.<br />

Dann sprach Arnold der Bote (vom König bracht' er Mär')<br />

Von Kaiser Friedrichs Kämpfen und von des Reiches Ehr',<br />

Vom Krieg in welschen Landen, von treuer Hilf in Not,<br />

Es war der König Heinrich, der ihm die Kunde bot.<br />

"Es ist des Königs Wille", fuhr Arnold lauter fort,<br />

Das Tal ans Reich zu ziehen, gegeben ist sein Wort.<br />

Zum Reichsland ist' erhoben, von alter Schirmvogtei<br />

Geledigt durch den König und durch den Kaiser frei!"<br />

Wie Donner der Lawinen erhob sich in dem Kreis<br />

<strong>Ein</strong> Jubelsturm und Jauchzen "Dem Kaiser Dank und Preis!"<br />

Als sich die Brandung legte, hub Arnold wieder an:


- 57 -<br />

Der Kaiser gab euch Freiheit, nun schafft ihm freie Bahn!<br />

Durch eure Schluchten schlaget den Heerweg in's Gestein,<br />

Erbauet feste Brücken durch euer Land hinein<br />

Die Schöllenen bezwinget, ob wild die Reuss auch tobt,<br />

Es mag die Brücke stieben, wenn sie den Meister lobt.<br />

Die Reichsgemeinde Ursern baut auf des Berges Höh'<br />

Und Livinen am Tessin bis an den Langensee.<br />

Es winde sich der Heerweg kühn durch's Gebirg hinan,<br />

Sankt Gotthard wird ihn schützen und jeder freie Mann!<br />

Der Kaiser gibt die Strasse hinein in's welsche Land<br />

Zum Schutz und Schirm der Wand'rer in eure treue Hand.<br />

<strong>Ein</strong>st waren diese Berge, der Täler <strong>Ein</strong>samkeit,<br />

Verbannungsort für Grosse nach Kampf und herbem Streit<br />

S. 46: Heerfahrten werden ziehen in Zukunft durch das Tal<br />

Und fromme Pilgerschaaren, Kaufleut' in grosser Zahl!<br />

Und Rosse, schwer beladen mit Wein und edlem Kauf,<br />

Wird mancher Säumer führen das Land hinab, hinauf.<br />

Und sollte je den Kaiser in dem ererbten Land<br />

Gefahr und Not bedrängen, dann nehmt das Schwert zur Hand,<br />

Und bringt ihm rasche Hilfe nach treuer Männer Art,<br />

So wird das Reich in Ehren vor List und Trug bewahrt."<br />

Wie Donner der Lawinen erhob sich in dem Kreis<br />

<strong>Ein</strong> Jubelsturm und Rufen: "Wir folgen dem Geheiss!"<br />

Er ruft: "Ihr habt's beschlossen, nun führt es mutig aus!<br />

Gott schütze unsern Kaiser mit seinem ganzen Haus!"<br />

Wie Wogenbrandung rauschte der Jubelsturm im Kreis<br />

Dann grüsst' er die Gewerke mit seiner Worte Preis:<br />

Steinmetzen, Maurer, Schmiede und Zimmerleut' im Tal,<br />

Ich gross' euch, wackre Meister mit Hammer, Kell' und Stahl.<br />

Der Kaiser schuf aus Liebe und Lust zur kühnen Tat,<br />

Erweiset euch am Werke entschlossen wie im Rat!<br />

Lasst euer Eisen lohen und stählt die Aexte gut


- 58 -<br />

Und schmiedet scharfe Waffen, ihr Schmiede in der Glut!<br />

Es kommt so manche Tanne im Walde nun zu Fall<br />

Und Weg und Brücken heischen so manchen Hieb und Hall.<br />

Steinmetzen ihr und Maurer, erprobt euch am Gestein,<br />

Granit ist hart, noch härter muss euer Wille sein.<br />

Ich bitte Gott im Himmel, dass er Gediehen send'<br />

Und alles gnädig führe zu einem guten End!<br />

Wohl mag in fernen Zeiten ein grösseres Werk ersteh'n,<br />

<strong>Ein</strong> Wunderwerk der Mensch, wie wir noch keines geseh'n,<br />

Doch wer zuerst gebrochen den Weg durch Schlucht und Stein,<br />

Wird auch in fernsten Tagen nicht ganz vergessen sein.<br />

Gehabt euch wohl, ihr Männer, und denkt an diesen Tag!<br />

Wer weiss was alles künftig daraus noch werden mag."<br />

Noch einmal rauschte mächtig der Jubel durch den Ring,<br />

Das war die Landsgemeinde, nicht mehr das Meiending.<br />

Dann trennten sich die Scharen, es trat zum Landammann<br />

Mit leuchtend frohen Antlitz ein biedrer Greis heran.<br />

<strong>Ein</strong> Brausen wie vom Sturme, der durch die Eichen fährt,<br />

Erhob sich nach dem Spruche und jeder schwang sein Schwert.<br />

Dann rief Herr Attinghausen: "Das Land verlangt ein Haupt,<br />

So lasst es uns erküren, ist uns die Wahl erlaubt."<br />

"Der König lässt", sprach Arnold, "der Wahl den freien Lauf".<br />

Der Freiherr" rief dann wieder: "Nehmt mir's in Gutem auf<br />

Den Burkhard Schüpfer wählet zum ersten Landammann,<br />

Es ist in Uri keiner, der solche Kraft gewann."<br />

Da flogen aller Hände mit Jubelruf empor,<br />

Herr Burkhard trat errötend jetzt aus dem Kreise vor,<br />

Er war, ob jung an Jahren, ein Mann, an Geist und Kraft<br />

Und kundig in der Sachen der Markgenossenschaft,<br />

S. 47: Auch ragt er hoch vor Allen an Mut und an Gestalt,<br />

Und Blick und Rede waren von fesselnder, Gewalt.<br />

Herr Burkhard, der Gewählte, der Mann von seltner Art,


- 59 -<br />

Erhob sich ernst und sinnend und griff an seinen Bart.<br />

Er mass mit festen Blicken im Kreis der Männer Schar,<br />

Erwägend, was ihr Wille und! ihre Sendung war.<br />

Da fühlt' er sich gehoben von Schultern breit und stark,<br />

Von Sennen, die ihn trugen, erprobt an Kraft und Mark.<br />

Es waren freie Siedler tief aus dem Schächental,<br />

Die allem Volke zeigten den Mann der eigenen Wahl.<br />

Da rief er in dem Ringe, dass jeder ihn verstand:<br />

Heil unserm Kaiser Friedrich und Uri's freiem Land!"<br />

Ihm bot der alte Hunno von Schwyz die derbe, Hand,<br />

Es ehrten freie Männer als Richter ihn im Land.<br />

Er bracht' ihm viele Grüsse und manches holde Wort<br />

Von seinen Hausgenossen, das klang im Herzen fort.<br />

Sie schüttelten einander nach guter Freunde Art<br />

Die Hand, es hat auch Burkhard die Fragen nicht gespart.<br />

Die Herren zogen fröhlich nach Altdorf im Verein,<br />

Schon glühten alle Berge im Abendsonnenschein.<br />

Zu Altdorf bei der Linde genossen sie das Mahl.<br />

Es kreist in froher Runde der schäumende Pokal.<br />

Herr Hunno sprach: "Ihr Urner, ihr geht uns frisch voran,<br />

Zu hohen Ehren brechet ihr mutig uns die Bahn.<br />

Altfreie Schwyzer" führen noch immer gern ihr Schwert,<br />

Wer weiss, wird nicht dem Kaiser einst unser Arm noch wert?"<br />

Und Hunnos Haupt umspielte purpurner Abendschein,<br />

Er brach wie Alpenglühen vom Rütlistrand herein. -<br />

Die weitere detaillierte Skizzierung der' Gesange würde wenig Wert haben<br />

und auch kaum gelesen werden, wir müssen uns auf wenige springende<br />

Punkte beschränken.<br />

Hunno und Burkhard fahren nachts nach Brunnen und gehen nach Schwyz,<br />

wo am Tage darauf grosse Waffenschau ist. Die Schilderung dieses<br />

Auffahrtsmorgens ist von entzückender Schönheit. Bei der Versammlung<br />

sprach ein junger Mann heftig gegen die Friedensvorschlage Hunnos und


- 60 -<br />

verwundete seine Tochter Ostergild durch einen Pfeilschuss, es war der<br />

Wilderer Wido Locholt aus Iberg. Die Vögte hatten Vater: und Bruder des<br />

armen Knaben erschlagen, das Vieh geraubt und Haus und Stall angezündet.<br />

Ostergild tröstete ihn mit den milden Worten: "Klein Wido, schlaf, klein<br />

Wido, du bleicher, armer Bub!" Und seither ist das Bild ihm nie mehr aus der<br />

Seele geschwunden, auch nicht im wilden Jagerleben. Nun wollte er<br />

"Abschied" nehmen mit einem "Schützengruss". Zur Sühne musste er einige<br />

Jahre im Kloster Engelberg zubringen, von wo er später wieder zu<br />

Kriegstaten geholt wurde. Die Schilderung<br />

S. 48: an dieser Vorgänge greift mächtig an das Gemüt. Zur Bekräftigung des<br />

Bundes zwischen Uri und Schwyz wird nun Hunnos Tochter Ostergild mit<br />

Landammann Burkhard verlobt.<br />

Der Urner Landrat hatte beschlossen, die Strasse durch die Schöllenen zu<br />

bauen, und das Werk wurde ausgeführt. Da brach der alte Kampf der Staufen<br />

mit Rom und den Guelfen wieder aus. Faenza wurde belagert, und die<br />

Eidgenossen mussten Hilfstruppen schicken. Der Königsbote Arnold wird<br />

von Hunno nach Engelberg abgesandt, um Wido zu holen, er musste bei<br />

diesem Zuge Bannerträger werden. Beide gingen miteinander nach Altdorf.<br />

Zuerst mussten aber Stege und Brücken geprüft werden. Dieses "Lied" lassen<br />

wir folgen:<br />

Die Probe.<br />

Zu Altdorf auf dem Thurme am alten Meierhaus,<br />

Da flogen muntre Schwalben geschäftig ein und aus.<br />

Es hatte sich versammelt ein froher Wanderzug,<br />

Die junge Brut versuchte den ersten kühnen Flug.<br />

Sie träumte von den Alpen, vom Meer und seiner Art,<br />

Von sonnigen Gefilden und froher Wanderfahrt.<br />

Es paarten sich die Jungen und zwitscherten gar viel<br />

Vom Nesterbau im Süden und anderm frohem Spiel.<br />

Erzählten doch die Mütter, wie dort der Himmel lacht,<br />

Auf schlanken Marmorsäulen in seiner Sonnenpracht.<br />

Im Schatten der Zypressen, berauscht von Blüthenduft,


- 61 -<br />

Verträumten sie die Wochen in linder Frühlingsluft.<br />

Im Turmgemach von Altdorf am Fenster stand ein Strauss<br />

Von frischerblühten Blumen, es blühte hold heraus<br />

Der Berge Purpur blühte und lichtes Edelweiss,<br />

Von Männertreu umgeben und Alpen-Ehrenpreis.<br />

Und wer die Blumen brachte, das war ein schlanker Mann,<br />

Der's mit dem ersten Blicke Richenza angetan!<br />

Sie sass mit Osterhilden am Fenster im Gelass<br />

Und frug sie über Wido, sie trug ihm Lieb und Hass.<br />

Er war mit Ritter Arnold und Hunno hier zu Gast,<br />

Dann ritten sie mit Burkhard durch's Thal in grosser Hast<br />

Vom Surenen-Gebirge bracht' er den Strauss ins Land<br />

Und legt' ihn, bei der Ankunft als Gruss in ihre Hand.<br />

Fast hätt' er ihrem Bruder einst Osterhild geraubt<br />

Und trug bei der Begrüssung doch frei und hoch sein Haupt.<br />

Und als er heut' am Morgen sich in den Sattel schwang,<br />

Kaum dass sein Blick in Eile zu ihr herüberdrang.<br />

Es wurmte sie nicht wenig, sie sprach zu Osterhild:<br />

Er scheint mehr eines Mönches als eines Ritters Bild.<br />

Da sprach die sanfte Taube: "In ihm sind, wie mir scheint,<br />

Zum echten Johanniter die Züge schon vereint".<br />

S. 49: "Dann bin ich", sprach Richenza, "auch Nonn' und Edelfrau",<br />

Da lachte Osterhilde und sprach: "Das stimmt genau<br />

"Man merkt es," spitzt Richenza, "dich hat sein Pfeil gestreift,"<br />

Und Osterhild erwidert: "Und sich bei dir versteift!"<br />

"Versteift! Das wäre seltsam, er trägt den Kopf zu hoch,<br />

Und er auch ein Schwyzer, den Falken zähm' ich doch"<br />

"Und soll es dir gelingen, eh' sich der Mond erneut,<br />

Strühenza, dann beginne das Probestück schon heut'!"<br />

Ich rate dir das Rechte, ergreif' es, schau' und glaub',<br />

Nach Hohem strebt der Falke und liebt den kühnen Raub.<br />

Er schlägt dir seine Fänge recht tief in's Herz hinein,


- 62 -<br />

Eh' du dich des versehen, musst du sein eigen sein."<br />

Da sprach Richenza lächelnd: "Das ginge mir in's Blut,<br />

Eh' lässt er seine Federn und seinen stolzen Muth.<br />

Wär' ich ein holdes Täubchen, so gallenlos wie du,<br />

Dann könnt' es wohl geschehen und weg wär' meine Ruh'!"<br />

So neckten sich die Töchter und wurden kaum gewahr,<br />

Wie sich der Himmel trübte, der erst noch heiter war.<br />

Rasch ballten sich die Wolken und jagten durch das Thal,<br />

Und tiefer im Gebirge fuhr nieder Strahl auf Strahl.<br />

Es wechselten die Schwalben den Mückenfang, den Flug,<br />

Der sie bald in die Höhe, bald in die Tiefe trug,<br />

Dann schlug in schweren Tropfen der Regen auf das Dach<br />

Und durch die Schluchten gellte der Donner hundertfach.<br />

Es zuckten grelle Blitze und an dem alten Turm,<br />

Da heulte wie ein Raubtier und rüttelte der Sturm.<br />

Die Mädchen wirkten emsig an ihrer Arbeit fort,<br />

Es war ein rotes Banner mit weissem Silberbord.<br />

Und in das Banner wirkte des weissen Kreuzes Bild<br />

Mit zarten Silberfäden die blonde Osterhild.<br />

<strong>Ein</strong> Strahl! <strong>Ein</strong> Schlag! - Es sanken die Mädchen auf die Knie<br />

Und riefen laut: "Die Lieben, O Herr, beschütze sie!"<br />

Und zu derselben Stunde da zogen Mann an Mann<br />

Die Herren durch die Wildnis der Schöllenen hinan.<br />

In weltenfernen Tagen rang sich der Alpen Wall<br />

Aus Dunst und Wasserstrudeln empor vom glüh'nden Ball.<br />

Das war ein Bersten, Stürzen und Krachen! Fels und Flut<br />

Und alle Elemente in Aufruhr, Sturm und. Wut!<br />

Es schien, es wiederhole sich jener Kampf und Drang,<br />

Als Burkhard mit den Freunden die wilde Schlucht bezwang.<br />

Sie traten auf die Brücke, die stiebende genannt,<br />

Die zwischen Fels und Reussfall der Meister kühn gespannt.<br />

Es trug der starke Burkhard die Axt in seiner Hand


- 63 -<br />

Und Wasserstaub und Regen durchnässten sein Gewand.<br />

Ihm folgten in der Reihe Wido, dann Arnold, Hunn,<br />

Der tolle Bergstrom tobte wie wilde Tiere tun.<br />

Mit seiner Axt erprobte Burkhard der Brücke Kraft,<br />

Die Schrauben, Bänder, Keile, die Klammer, Nut und Haft.<br />

S. 50: Dann schlug er am Geländer die Eisenringe fest,<br />

Da fuhr, ein Hagelschauer in's wilde Felsennest.<br />

Und wütend springt und brüllend ein Stier daher zur Brück<br />

Ihn sieht erstaunt der Ammann und bäumt sich, weicht zurück,<br />

Und schwingt die Axt zum Streiche und trifft mit lautem Prall,<br />

Der Bulle stürzt! Verschlungen hat ihn der Wogen Schwall! -<br />

Da steht ein Bär im Wege, ein zottiger Gesell,<br />

Er jagte nach dem Stiere und kam an diese Stell!<br />

Und Burkhard wagt entschlossen zum zweiten Mal den Strauss,<br />

Da glitscht er auf den Schlossen und nassen Planken aus,<br />

Kopfüber! hätte Wido mit seiner Riesenkraft<br />

Den strauchelnden Gefährten nicht jähem Sturz entrafft!<br />

Da schlug der Bär sich seitwärts und stieg den Fels hinan.<br />

Herr Burkhard stand gerettet mit Wido auf dem Plan.<br />

"Gottswunder!" rief der Ammann, "das war ein schweres Stück!<br />

Der Weg ist kühn vollendet, dem Lande bring' er Glück!<br />

Dir sag' ich Dank, mein Bruder! Du hast auf nassem Pfad<br />

In Treue mich gerettet vor einem schlimmen Bad!"<br />

Da riefen Hunn und Arnold den jüngern Freunden zu:<br />

Die Retter von uns Beiden seid ihr, Burkhard und du!"<br />

Und Arnold sprach: "Ihr Freunde, der Urner Wappentier<br />

Betracht' ich als gefunden, es ist der wilde Stier!"<br />

Darauf erwidert Burkhard: "Herr, euer Rat ist gut,<br />

Er weist auf starke Nacken und einen festen Mut.<br />

Nun folget mir zum Imbiss hinauf nach Andermatt.<br />

Wir sind des vielen Wassers jetzt mehr als übersatt.<br />

Schon stellt vor ihren Blicken das Alpendorf sich dar,


- 64 -<br />

Dort harrt auf ihre Ankunft der Freunde biedre Schar."<br />

Von Sax der edle Freiherr mit manchem Ritter wert<br />

Empfing mit Gruss die Männer und hat sie hochgeehrt<br />

Dem Werke gab die Weihe der Abt von Disentis,<br />

Obwohl es ihm in Ursern manch' altes Recht entriss.<br />

Bereitet war zur Heerfahrt Herberge, Weg und Ross<br />

Und in die welschen Lande fuhr manch' ein Schwertgenoss'.<br />

Beim Trunke schlossen Burkhard und Wido Brüderschaft<br />

Zu Schutz und Trutz für's Leben mit ihrer ganzen Kraft.<br />

Der alte Hunno dachte: "Rat, Wille, Macht und Tat<br />

Vollenden Wunderdinge. Schon reift die goldne Saat,<br />

Und neues, frisches Leben strömt kräftig durch das Land,<br />

Es ist nun überwunden die alte Scheidewand."<br />

Bald nach der "Probe" sollte nun der Heereszug über den Gotthard nach<br />

Italien angetreten werden. Die Jungburschen von Schwyz, vom Kernwald,<br />

Sarnen, Buochs und Stans sammelten sich in Altdorf zur grossen Heerschau:<br />

"Ihr Banner bot Richenza dem kühnen Wido dar,<br />

Da sank er auf die Knie, ergriff es vor der Schar,<br />

Und kniend liess er's wallen und küsste ihre Hand<br />

Und eine stolze Zähre hat heiss auf ihr gebrannt.<br />

S. 51: Es tauchte Aug' in Auge und Seel' in Seele tief<br />

Und eine Flamm' erwachte, die nimmermehr entschlief.<br />

Und ihren stillen Segen enteilte hold und mild<br />

Zwei Herzen, die sich fanden, die schlanke Osterhild.<br />

Zum Aufbruch mahnte Hunno. In sittig holder Scham<br />

Erglühte Osterhilde, als Burkhard Abschied nahm.<br />

Dann, küsste sie den Vater nach holder Kinder Art<br />

Und eine Träne rollte auf' seinen grauen Bart.<br />

Nun rief er: "Auf zum Kaiser!" Der Bläser stiess in's Horn.<br />

<strong>Ein</strong> Jubelruf und Jauchzen: "Die Schnitter zieh'n in's Korn!"<br />

Das Kreuz im roten Felde, es zog zum ersten Mal<br />

Der Reuss entgegenwehend durch Uris Felsental.


- 65 -<br />

Nun folgen Bilder aus der Belagerung von Faenza, die <strong>Ein</strong>nahme der Stadt<br />

und der Dank des Kaisers durch den Freibrief.<br />

"Da leuchten Hunnos Augen und seine Wangen blüh'n<br />

Wie edle Firnenkronen im hehren Alpenglühn.<br />

Was sich in dunklen Träumen ihm halb geoffenbart,<br />

Und was der See geflüstert auf nächtlich stiller Fahrt,<br />

Wonach die Sehnsucht strebte, der Seele Flügelschlag,<br />

Die Freiheit seiner Heimat! Sie trat nun an den Tag."<br />

Die Heimkehr und den Empfang zu Altdorf hat der Dichter mit<br />

majestätischem Schwunge geschildert, ebenso die Siegesfeier in Schwyz:<br />

"Und Burkhard stand bei Hunno, zur Rechten Widos ging<br />

Richenza, Osterhilde zur Linken in den Ring,<br />

Und über ihren Schultern und reichen Lockenzier<br />

Schwang Wido hoch zum Grusse das flatternde Panier.<br />

Nie war ein Jubelbrausen so stürmisch und so laut<br />

Nie haben Schwyzerberge ein schönres Bild geschaut."<br />

Nun preist Wido begeistert die Heimat, das Vaterland, Glauben, Treue, Recht<br />

und Freiheit. Hunno liess die Krieger nochmal den Fahneneid schwören, und<br />

den Abschluss der Feste bildete die Doppelhochzeit Burkhard-Ostergild und<br />

Wido- Richenza.<br />

'<br />

Bald kam die "Wendung" zum Schlimmem. Des alten Grafen Erbe, der<br />

"Schweiger", liess in der Nähe Festen und Wehren bauen, die freien Männer<br />

aber brachen den Ring, und Luzern trat dem Bunde bei. In diesem Kampfe<br />

fielen Hunno und Wido, und der Kaiser wurde in Bann getan, die Kämpfer<br />

waren glücklich, doch der Hunger drohte, und Luzern erlag den Guelfen. In<br />

der Landsgemeinde zu Schwyz rieten alte Männer zur Auswanderung,<br />

wogegen aber Stauffacher zum Ausharren mahnte: "Wir leben und wir<br />

sterben für unser Vaterland!" Jetzt kam Hilfe in der Not. Der Propst von<br />

Luzern war gefangen in Stans und<br />

S. 52: machte Vorschläge zum Frieden, die auf Burkhards Rat angenommen<br />

wurden.<br />

"Und alle Herzen schöpften bald wieder frischen Mut,


- 66 -<br />

Bald haben auch die Waffen im Alpenrand geruht.<br />

Und in der kaiserlosen, der schreckenvoller Zeit<br />

Entstand in den drei Landen nie wieder Kampf und Streit.<br />

Es schützte ihren Frieden der junge starke Bund<br />

Bis in dem Reiche wieder die Kaisermacht erstund."<br />

Wir bringen hier noch den<br />

Schluss<br />

Nach Königs Rudolfs Tode, in schwüler Sommernacht,<br />

Ward neu der Bund und kräftig in andre Form gebracht.<br />

Es halfen bei dem Werke Burkhard, der biedre Greis,<br />

Stauffacher, Hunn, Ab-Yberg, den Männern Dank und Preis!<br />

Wer wüsste nicht, wie Albrecht des Hauses Macht gemehrt.<br />

Und auch das Waldgebirge mit neuem Druck beschwert,<br />

Sein Landvogt aus dem Aargau den Gotthardzoll erhob<br />

Und zum Geleit von Uri die eigenen Schergen schob.<br />

Als dann am Urner Heerweg sein fester Turm erstand,<br />

Wie ging ein dumpfes Grollen da durch das ganze Land!<br />

Wie kühn es sich des Dranges entledigt, weiss die Welt,<br />

<strong>Ein</strong> grosser Meister hat es ihr herrlich dargestellt.<br />

Und als dann König Albrecht durch seines Neffen Hand<br />

<strong>Ein</strong> jammervolles Ende auf seinem Eigen fand,<br />

Ist bald der Kampf von Neuem im Land emporgeloht,<br />

Es führte Herzog Leopold die Seinen in den Tod.<br />

Morgarten tat und Sempach es allen Landen kund,<br />

Wie mächtig sich erhoben der junge Schweizerbund.<br />

Wohl sind sechshundert Jahre vorüber schon gerauscht,<br />

Er hat die Form schon manchmal, sein Wesen nie vertauscht.<br />

Wer an der Bundesfeier das Schwyzertal gesehn,<br />

Im Jubel eines Volkes gefühlt des Geistes Weh'n<br />

Und dann im Meer von Lichtern die Blicke schweifen liess,<br />

Vom Mythen-Kreuz zum Rotstock in seinem Silbervliess.


- 67 -<br />

Der sah vielleicht Gestalten nach dieses Liedes Sinn.<br />

In früher Knospe schlummert der späten Frucht Gewinn.<br />

Die Knospe ging zur Blüte im Schwyzertale auf,<br />

Von hier begann die Freiheit den kühnen Siegeslauf.<br />

Das ist des Liedes Ende. Was schert euch, wer es sang?<br />

Genug, wenn's euch erfreute und euch zu Herzen drang!<br />

Die Wahrheit im Gewande der Dichtung wird verstehn,<br />

Wer in die alten Zeiten mit hellem Blick gesehn."<br />

S. 53: Auch wir sind nun zu Ende mit dem Liede von den ersten Eidgenossen und<br />

bedauern nur, dass unsere Auswahl nicht reicher ausfallen durfte, denn nur<br />

für das Schönste aus dem vielen Schönen hätte der verfügbare Raum der<br />

"Monat-Rosen" nicht gereicht. Wir können die alten und jungen Freunde nur<br />

bitten, selber zuzugreifen, zu lesen und zu studieren, und sie werden, wie wir,<br />

hohen Genuss finden. Das Material ist oft spröd, trocken, hart, speziell die<br />

alten Rechtsverhältnisse, aber der Dichter hat seinem Gegenstande stets<br />

Leben einzuhauchen gewusst, die Form ist immer schön und die Sprache<br />

frisch. Wir müssen staunen, nicht nur mit welcher Sachkenntnis und<br />

Genauigkeit <strong>Plattner</strong> alle die verwickelten Umstände beherrscht und darlegt,<br />

sondern auch, mit welcher Liebe und mit welchem Geiste er sie zu umgeben<br />

weiss. Der Entscheid würde fast schwer fallen, ob man dem Historiker oder<br />

dem Dichter den Vorzug geben sollte. Daneben hat es Partien von vollendeter<br />

Schönheit, Naturbilder, Schilderung von Versammlungen, Zügen, Personen<br />

usw. Und über dies die prächtigen Heldengestalten und die herrlichen Frauen,<br />

alle gross und edel und doch jede wieder von der andern scharf sich<br />

abhebend: Dieser Hunno, Burkhard, Wido, Arnold, Attinghausen, Ab-Iberg,<br />

Stauffacher, Frowin, diese Gertrud, Osterhild und Richenza. - Alle eine<br />

Galerie echter Schweizer-Charaktere aus der alten Zeit!<br />

Nicht um dem lieben <strong>Veteran</strong>en am Fusse des Calanda ein Kompliment zu<br />

machen, schreiben wir diese Zeilen - der Dichter liebt und braucht das nicht -<br />

sondern um den Jungen zu zeigen, was ein wackerer Alter Grosses und<br />

Schönes geschaffen hat. Greift darnach und Ihr werdet dann selber finden,<br />

dass wir nicht zu viel gesagt haben!


- 68 -<br />

III. Der Lyriker.<br />

Unserem Vereine am nächsten steht Pl. <strong>Plattner</strong> als Lyriker. Als solcher hat<br />

er zuerst in den "Monat-Rosen" sich präsentiert, in den "Späten-Rosen" und<br />

in den zwei ersten Jahrgängen. Im Jahre 1859 erschien das Bändchen "Aus<br />

den rhätischen Alpen", in welche Sammlung die meisten schon<br />

veröffentlichten Gedichte aufgenommen wurden, nicht alle, so fehlen der<br />

"Herbstgruss", "<strong>Ein</strong>e Episode aus dem Feste zu Freiburg", "Die Tellen der<br />

Neuschweiz", "Sonett nebst Anhang", "Klage", "Demostenes" (nach dem<br />

Spanischen des Aberto Lista), "Prolog des Oedipus auf Kolonos von<br />

Sophokles", die "Abendwehmut" führt in der Sammlung den Titel:<br />

"Verschollene Tage" und ist formell und inhaltlich wesentlich geändert.<br />

S. 54: Wir wissen die Gründe für die Eliminierung der genannten Jugendprodukte<br />

zu würdigen, hingegen der "Prolog" hätte ganz gut Aufnahme finden dürfen,<br />

er ist in rein sprachlicher Beziehung mindestens so fein als die Donner'sche<br />

Uebertragung, immerhin ist die Arbeit nicht eigenes Produkt.<br />

Nach dieser "Sammlung" ist unseres Wissens noch ein einziges Gedicht von<br />

Pl. <strong>Plattner</strong> erschienen, im Bündner Tagblatt vom 14. Februar 1892.<br />

Ständerat Peterelli war in Bern gestorben, der Sarg wurde per Bahn nach<br />

Chur und von da per Schlitten nach dem Heimatorte geführt, nachts 10.30<br />

Uhr. Diese Fahrt behandelt <strong>Plattner</strong> in einem von tiefster Wehmut<br />

durchhauchten Liede, das wir hier gleich mitteilen wollen:<br />

Nächtliche Fahrt.<br />

Auf der Heide Totenstille,<br />

Tiefgehüllt in Eis und Schnee,<br />

Schlummern all' die Bergesriesen<br />

In der Ferne, in der Näh'.<br />

Helles Auge, das gebrochen,<br />

Und ein Herz, das nicht mehr schlägt<br />

Ruht der See in Todesschlummer,<br />

Keine Welle, die sich regt!<br />

Nur ein leises, tiefes Flüstern<br />

In dem schneebehang'nen Tann,


- 69 -<br />

Und des Mondlichts fahles Zittern.<br />

In den Zweigen dann und wann!<br />

Von der Höhe klingen Glöcklein,<br />

Schallt ein Hufschlag durch die Luft,<br />

Führt man einen müden Pilger<br />

Heim in seiner Väter Gruft?<br />

Helle Augen, nun gebrochen<br />

Und ein Herz, das nicht mehr schlägt<br />

Und zwei Herzen, die ihm folgen,<br />

Stumm, von tiefem Schmerz bewegt.<br />

Und es flüstern leis die Tannen<br />

Müder Pilger, fahre wohl!<br />

Fahr' zum letzten Mal vorüber<br />

An dem Stein von Vazerol!<br />

Würdig gingst du zu den Vätern,<br />

Die mit ihrer starken Hand<br />

<strong>Ein</strong>st in Not und Sturmeswettern<br />

Frei bewahrten unser Land.<br />

Dieses Gedicht dürfte den Abschluss der <strong>Plattner</strong>'schen Lyrik bilden, seither<br />

hängt die Laute verstaubt an der Wand: Die wenige freie Zeit, welche<br />

Magistratur und Administration dem Dichter übrig lassen, hat dieser für<br />

Drama und Epos verwendet, zu welchen beiden Gattungen der Jünger der<br />

Muse mehr Lust und Liebe hatte.<br />

Nun zur "Sammlung". Sie weist keine Klassen, keine Abteilungen auf, die<br />

Gedichte sind auch nicht chronologisch, sondern offenbar ganz frei<br />

aneinandergereiht. Die zarte, sinnige Lyrik, das eigentliche Lied ist nur in<br />

wenigen Exemplaren vertreten, aber sie zeigen, dass der Dichter auch diesen<br />

weichen, gemütvollen Ton zu treffen weiss. Nur ist es auffallend, wie fast<br />

über alle ein tiefer Ernst, eine stille Wehmut sich lagert, und wenn nicht über<br />

das Ganze, so doch sicher über den Schluss. Ausnahmen finden sich nur<br />

wenige, darunter selbstverständlich "Rhätischer Wein" (Prag 1857). Da<br />

sprudelt eine Frische, ein Leben, wie kaum in den besten Trinkliedern, und


- 70 -<br />

doch nobel bis zum Schlusse:<br />

Fort, zum Henker das Geleier,<br />

Prager Musikantenschaft!<br />

<strong>Ein</strong>en Czardar spielt' voll Feuer.<br />

Kellner, Ungarwein geschafft!<br />

Viva la Grischa!<br />

<strong>Ein</strong>en Becher will ich leeren<br />

Funkelnder Magyarenwein,<br />

Meinem Rhätier zu Ehren,<br />

Her die Flasch' und schenke ein!<br />

Viva la Grischa!<br />

Das glüht und sprüht von Feuer wie Tokaier ein und Rhätier, ist aber fast eine<br />

einzige Ausnahme. Man sieht und fühlt recht gut, das Lautenspiel behagt<br />

dem bündnerischen Sänger gar nicht, er ist viel zu ernst, zu feierlich, viel zu<br />

sehr Denker und Philosoph, als dass er an dem leichtem Genre der Lyrik<br />

Gefallen finden könnte, und vollends der "Moderne" steht er diametral<br />

gegenüber. Die Poesie der Stosseufzer, des Weltschmerzes und der<br />

Dekadenz, die Poesie der Punktation, der Ausrufszeichen und der<br />

Gedankenstriche, der abgeknippsten Momentaufnahmen und verrenkten<br />

Metaphern ist bei <strong>Plattner</strong> eine Unmöglichkeit, er will nicht blos mit den<br />

Stimmungen und Gefühlen spielen, sondern er hat und weiss immer etwas zu<br />

sagen, aus dem Liede müssen auch Gedanken wiedertönen. Wir wollen doch<br />

einige Proben vorführen:<br />

Im Walde.<br />

Welch tiefes, wunderbares Rauschen<br />

Im stillen, dunkeln Tannenwald,<br />

Ich möchte einsam immer lauschen<br />

Der süssen, fesselnden Gewalt.<br />

Mir ist's, ich sei in einem Dome<br />

Vom farb'gen Lichte mild durchglüht,<br />

Wo auf der Lieder süssem Strome<br />

Zum Himmel der Gedanke zieht.


- 71 -<br />

Sind es des Aethers lichte Geister,<br />

Die durch die dunkeln Zweige gehn?<br />

Haucht irgendwo der Weltenmeister<br />

Den Odem drüber ungesehn?<br />

Es fasst das Herz ein tief Erbeben,<br />

Es schwillt voll Wonne meine Brust,<br />

Der Wald erzählt sein tiefstes Leben,<br />

Er teilt der Menschen Leid und Lust.<br />

Des jungen Herzens erste Schläge<br />

Vier Tannenbrettchen hören sie,<br />

Und auf des Lebens dunkelm Wege<br />

Verlässt der Baum den Menschen nie.<br />

Erfreut der heil'ge Christ die Kleinen<br />

Mit seiner Gaben goldnem Schein,<br />

Da muss der Tannenbaum erscheinen,<br />

Der liebe Christbaum muss er sein.<br />

Jüngst zog es mich zum düstern Walde,<br />

Es war das Herz so froh, so voll,<br />

Ich träumt' und plauderte und balde<br />

Er rauschend mir entgegenschwoll.<br />

Er wachte auf und rauschte wieder,<br />

Die Zweige flüsterten so hold,<br />

Die Vöglein sangen süsse Lieder,<br />

Die Wipfel küsst' der Sonne Gold.<br />

Und hinter jedem Stamme winkte<br />

<strong>Ein</strong> Wunderknabe hell und mild,<br />

Aus jeder klaren Quelle blinkte<br />

<strong>Ein</strong> süsses, träumerisches Bild.<br />

Es plauderten die grünen Moose,<br />

Sie waren holder Märchen voll,<br />

Und an dem Strauch die wilde Rose<br />

Voll süsser Düfte träumend schwoll.


- 72 -<br />

S. 56: Die grauen Felsen schauten düster<br />

In's fröhliche Gekos herab,<br />

Sie murmelten von einem Küster,<br />

Gleich Mönchen und von einem Grab.<br />

"<strong>Ein</strong>st kehrt der Winter ein in's Leben,<br />

Der Rosen- Pracht ist bald verblüht,<br />

Lass dich vom Tannenwald erheben,<br />

Der dir schon manches Gute riet.<br />

Er strebt, gleich einem schlanken Turme<br />

Vertrauensvoll stets himmelan<br />

Und ist im rauhsten Wintersturme<br />

Noch grün und mailich angetan.<br />

Und wird dein Herz einst nicht mehr schlagen,<br />

So fährt's dem Tannenbaum durch's Mark,<br />

Man wird mit dir zu Grab ihn tragen<br />

Und treu umfängt er dich als - Sarg."<br />

Wie feierlich ernst sind Stimmung und Ton "Im Walde", und erst am<br />

Schluss! Ebenso im<br />

Herbstgefühl.<br />

Horch! ein Grablied raunt der Wind dahin<br />

Durch des Waldes Bäume,<br />

Graue Nebel längs den Bergen ziehn<br />

Wie verworrne Träume.<br />

Was soll, Bäume, euer Festgewand<br />

Von rotgelber Seide?<br />

Was, Natur, noch all der bunte Tand<br />

Und im Tod die Freude?<br />

Wirfst du sterbend einem Greisen gleich<br />

Noch Erinnerungsblicke<br />

In des Frühlings holdes Zauberreich<br />

Wonnevoll zurücke?


- 73 -<br />

Oder mag in dir ein Ahnen sein<br />

Künft'ger Frühlingswonnen?<br />

Wieder Greis im Tode ahnt den Schein<br />

Ew'ger Geistersonnen?<br />

War, der Frühling hell und blütenvoll<br />

Und der Herbst voll Trauben,<br />

Nun, dann kann man scheiden, wie man soll,<br />

Voller Lieb' und Glauben.<br />

Und noch das<br />

Abendlied.<br />

In Dämmerung hüllend seine Pracht<br />

Wandelt ernst der Herr nun durch den Himmel<br />

Zündet an der Sterne Glanzgewimmel<br />

In stiller Nacht.<br />

"O tu' nichts Böses bei der Nacht",<br />

Ruft's herab von all den Sternenchören<br />

"Wähne nicht, du könn'st den Herrn betören,<br />

Sein Auge wacht"<br />

"Ihr lieben Armen, gute Nacht!<br />

Werft von Herzen weg des Tages Sorgen<br />

Denkt nicht nach, was essen wir am Morgen,<br />

Es ist bedacht."<br />

Wer Himmelslichter angefacht.<br />

Wer sie nähret, dass sie nicht erlischen,<br />

Der kann auch sein hungernd Kind erfrischen,<br />

Drum gute Nacht!"<br />

Wie lieb und gut dieses fein und zart gestimmte Abendlied, wie ernst und<br />

doch wieder von Vertrauen und Trost! So noch andere Gedichte, aber<br />

wahrhaft grossartig "Not und Trost des Lebens", von dem wir blos die<br />

Schlusstrophen hersetzen, wie gemacht für unsere Zeit:<br />

"Trennt euch dann ewig dunkles Grollen<br />

Seit Zwietracht euch und Rache schlug?


- 74 -<br />

Ist denn des Jammers nicht genug?<br />

Nährt ihr noch stets den alten, tollen,<br />

Irrwahn in euerm Busen fort?<br />

Wird der Versöhnung nie ein Hort?<br />

Trennt euch auf ewig dunkles Grollen?<br />

Es muss die Welt sich einst versöhnen,<br />

Die Völker eine Heerde sein,<br />

All' eine Hürde schliessen ein,<br />

Erfüllt wird einst der Besten Sehnen<br />

Des Herren Wort, so liebevoll,<br />

Verstummen wird der alte Groll,<br />

O Gegenstück von Babels Szenen.<br />

Dann wird die Schöpfung sich erneuen,<br />

Verklärung, harrt der Kreatur,<br />

Umwandeln wird sich die Natur,<br />

Die Kräfte, die sich jetzt entzweien,<br />

Umschlingt einst nach dem Erdenbrand<br />

Der Harmonien himmlisch Band,<br />

Es muss sich alle Welt erneuen.<br />

Gegrüsst, ihr Paradiesesauen!<br />

Gegrüsst, du Land der Seligkeit!<br />

Nach Kreuz und Nacht und Sturm und Streit.<br />

Wird einst des Staubes Kind dich schauen<br />

Durch Kreuz zum Heil! Durch Nacht zum Licht,<br />

Durch Kampf zum Siege! O zage nicht!<br />

Es geht zu Paradiesesauen."<br />

Wir möchten noch manches Lied, ja sogar alle vorführen, eines tiefer, ernster<br />

und schöner als das andere, so "Trost", "Die Waise", "Wahres Leben",<br />

"Christuslehre", "Das Kreuz" - gedankenreiche Poesie und in einer Sprache<br />

von vollendeter Schönheit und Kraft.<br />

Wir kommen jetzt zur dritten Gattung, zu <strong>Plattner</strong>s eigentlicher Spezialität,<br />

zur Alpendichtung. Unser Sänger ist ein Bündner par excellence. In der<br />

Ebene draussen kann er nicht leben, es ist ihm nur wohl in den Bergen


- 75 -<br />

drinnen oder doch in ihrer, Nähe, nur die Alpenluft ist sein Element, wie dem<br />

Adler und wie dem Fisch das Wasser. In der Fremde sehnt er sich immer<br />

nach der Heimat, nur hier geht sein Herz auf und reckt die Phantasie ihre<br />

Fittige zum Hochflug auf die Firnen. So sind denn die Poesien entstanden,<br />

die in unserem Vaterland zum Schönsten und Grossartigsten auf diesem<br />

Gebiete gehören, ja, die nach unserem Dafürhalten bis zur Stunde<br />

unübertroffen geblieben sind, wenigstens was Grösse der Konzeption, Tiefe<br />

der Gedanken, Gewalt Kraft und Wucht der Sprache anbelangt.<br />

Wir dürfen da einmal eine Autorität zitieren. Dr. H. Ernst Jenny schreibt in<br />

seiner "Alpendichtung" (Bern 1908) S. 89: "Während Widmer noch vielfach<br />

ältere Motive, wie wir sie bei Salis, Wyss dem Jüngern und Kuhn gefunden<br />

haben, behandelte, ging dagegen der Bündner Plazid <strong>Plattner</strong> ganz eigene<br />

Wege. Was er in seinen "Dichtungen aus den rhätischen Alpen" geschaffen<br />

hat, gehört zweifellos zum Besten in der schweizerischen Alpenlyrik vor C.<br />

F. Meyer. Er empfand nicht minder patriotisch als Wälti und Widmer, nur<br />

etwas weniger laut und mehr lokal, an philosophischer Tiefe übertraf er<br />

beide. Auch seine Sprache klang lebendig und schön." Dr. Jenny bringt dann<br />

einige Perlen. Wir wollen das anders versuchen, denn die wenigen<br />

vorgeführten Strophen<br />

S. 58: mitsamt den verbindenden Bemerkungen geben kein rechtes Bild von der<br />

<strong>Plattner</strong>'schen Alpenpoesie.<br />

Das Portal zu diesem Kristallpalast grossartiger Alpendichtungen bildet das<br />

im Ton und Strophenbau ausserordentlich gemütvolle Lied: "Nach Fry-<br />

Rhätien". Da kommt das Heimweh nach den Alpentälern, nach der Bergen<br />

und Wäldern, nach den grauen Burgentrümmern, Gletscherfirnen und<br />

Bergströmen tief und innig zum Ausdruck, wie "Bei der Heimkehr" die<br />

Freude, wieder der Heimat Alpenzauber zu geniessen, die er im "Rhätischen<br />

Lied" so frisch und kräftig besingt, Dass <strong>Plattner</strong> auch den volkstümlichen, ja<br />

kindlich-naiven Ton zu treffen weiss, dafür zeugen die reizenden Lieder:<br />

"Der Alpenblümlein Streit" und "Alpenröslein und Alpenmägdlein". Schon in<br />

der folgenden Nummer kommt der Dichter tiefer in die Alpenwelt hinein,<br />

einem Liede voll hoher Gedanken und von süssem Wohllaut der Sprache, wir<br />

wollen es hersetzen:


- 76 -<br />

Die Alpennacht.<br />

Tiefes Schweigen rings und Schlummerstille!<br />

Keine Stimme klingt, kein Laut ertönt.<br />

Leise atmend ihren Flor gedehnt.<br />

Ihr nur raget, ew'ge Felsenriesen,<br />

Klar und herrlich in des Aethers Zelt,<br />

Eurer Brust entsteigt geheimes Grüssen<br />

Bei dem Aufblick in die Sternenwelt.<br />

Ihr erzählt Euch von des Ew'gen Ehre,<br />

Rühmt des Weltenherrn Erhabenheit,<br />

Frei aufblickend in die Glutenmeere,<br />

In die Wogen der Unendlichkeit.<br />

Herrlich rollen ihre Harmonien<br />

Ueber Euern Silberhäuptern fort,<br />

Ewig will der Geist zu ihnen fliehen,<br />

Licht will Licht, das ist sein Zauberwort.<br />

Welch ein still geheimnisvolles Walten!<br />

Welch ein Geisterwehen nah und fern!<br />

Keine Qual und keines Kummers Falten,<br />

Firn an Firn nur seh' ich, Stern alt Stern!<br />

Holder <strong>Ein</strong>klang aller Himmelskräfte,<br />

Ewig wundervolles Flammenblühn!<br />

Linder Weihbrunn voll Genesungssäfte,<br />

Die empor uns von der Scholle ziehn!<br />

Wirke fort und heil' des Staubes Wunde,<br />

Süsse Träume spend' und sanfte Rast!<br />

Sterne, leuchtet überm dunkeln Grunde.<br />

Führt zum Licht den müden Erdengast.<br />

Gebt ihm Freiheit von der Wirrnis Qualen,<br />

Freiheit von der Erde dunklem Zwang,<br />

Wahrheit nach der Täuschung bittern Schalen,<br />

Schlummer, wenn ein Leben er durchrang.


- 77 -<br />

Süsse Stille! alle Sinne heben<br />

Wie auf Aetherflügeln sich empor,<br />

Tauchen ein in's leise, grosse Weben,<br />

Fluten tönend fort im Weltenchor.<br />

<strong>Ein</strong> wundervolles Nachtlied, sanft beruhigend und doch so gedankenreich!<br />

Immer weiter und höher steigt der Dichter, er kommt in die bündnerische<br />

Sagenwelt hinein, und von Firngipfeln aus schaut er über die Erde, in die<br />

Feme hin, und im Geiste über die Völker, die Menschheit und ihre<br />

Geschichte. Die Sprache wird stärker, voller, mächtiger, rauscht bald wie ein.<br />

Bergstrom dahin, oder donnert wie Lawinenfall. Wir erinnern da blos an den<br />

"Gemsjäger", "Das Totenvolk", "Der Lawinengeist", "Der Reiter auf<br />

Lampersalp", "Der Schleinser Totenmahl" usw. Wir können aus diesen<br />

Nummern nicht einmal Bruchstücke vorlegen, dagegen soll eine grandiose<br />

Vision ganz folgen:<br />

Aus den Höhen.<br />

War geklettert, war geklommen<br />

Manchen schroffen Grat hinan,<br />

Hab am Abend Rast genommen<br />

Hoch auf grünem Alpenplan.<br />

Heimlich naht, auf leichten Sohlen<br />

Mir der Schlaf, ich schlummre ein,<br />

Bald drauf küsste süss verstohlen'<br />

Mich die Fee der Träumerei'n.<br />

Rasch begann ein mächtig Stürmen,<br />

Schlug an mich wie Wogenbrand,<br />

Dunkle Wetterwolken türmen<br />

Sich hinan die Felsenwand.<br />

Und des Himmels Donnerrollen<br />

In die blitzerhellte Kluft,<br />

Horch! tief aus des Wetters Grollen<br />

<strong>Ein</strong>e Stimme, die mich ruft!<br />

"Sei willkommen, Sohn der Scholle


- 78 -<br />

Mit des Alpenadlers Mut,<br />

Der, ob rings der Donner grolle,<br />

Rastlos strebt zur Sonnenglut,<br />

Folge mir zum Gletscherhorne<br />

Ueber Sturm und Wolkengraun,<br />

Dort lässt dich der Erdgeborne<br />

Manch ein dunkles Rätsel schaun.<br />

Und er klomm von Block zu Blocke<br />

Mir voran, ich folgt' ihm nach,<br />

Bis wir auf dem Felsenstocke<br />

Standen, wo der Sturm sich brach.<br />

Ueber uns war Sternenfunkeln,<br />

Um uns her der Gletscher Pracht,<br />

Unter uns die wetterdunkeln<br />

Wolken und des Abgrunds Nacht.<br />

Jetzt nahm aus des Mantels Falten<br />

Er ein altes, dunkles Buch,<br />

Drinnen stand des Schicksals Walten,<br />

Segen rechts und links stand Fluch!<br />

"Künde mir denn, welchem Wesen<br />

Ich gefolgt auf steile Höh',<br />

Schaff' mir, was mein Herz genesen<br />

Macht von Erdenlust und Weh."<br />

"Wer ich sei, willst du erkunden?<br />

Lang' schon bin ich dir bekannt,<br />

Früh schon hast du mich gefunden<br />

Und dein Herz mir zugewandt.<br />

Zwischen zweier Welten Schwelle<br />

Stand ich einst im grossen Rom,<br />

Vor mir hintrieb Well' auf Welle<br />

Der Geschicke dunkler Strom."<br />

S. 60: "Zagend starrt' ich in die Wogen,<br />

Gierig frassen sie den Grund,<br />

Der des Riesenbaues Bogen


- 79 -<br />

Stolz getragen bis zur Stund!<br />

Sah ihn morschen, sah ihn wanken,<br />

Der so stolz einst war und stark,<br />

Wie die ersten Pfeiler sanken,<br />

Fuhr ein Schauer mir durch's Mark."<br />

"Was die Götter uns versprochen,<br />

Das war eitel Trug und Tand,<br />

Römerherzen sah'n gebrochen,<br />

Was gebaut der Römer Hand.<br />

Ruhm und Stolz für alle Zeiten,<br />

Ew'ges Rom, du sinkst in Nacht,<br />

Weh, wie die Geschicke schreiten!<br />

Götter, wo ist Jovis Macht?"<br />

"Und ich sah und starrte bange<br />

In das wilde, wüste Meer,<br />

Und mein Geist sah lange, lange,<br />

Romwärts ziehen Heer um Heer.<br />

Gleich dem wilden Ozeane<br />

Naht' in ungestümer Wut<br />

Eisentrutzig der Germane,<br />

Lechzend nach der Feinde Blut."<br />

"Und in all der wüsten Brandung<br />

Sah ich nichts, als Untergang,<br />

Keinen Port und keine Landung<br />

Fand der Geist, wie sehr er rang,<br />

Ach der Arme, stolz geblendet,<br />

Sah die kleine Barke nicht,<br />

Die, den Kiel nach Rom gewendet,<br />

Auf dem Meer schwamm, still und schlicht. "<br />

"Doch die Barke fand die Strandung<br />

An der Siebenhügelstadt,<br />

Durch des Weltmeeres Wogenbrandung<br />

Ging sie sicher ihren Pfad.<br />

Wo die Bücher der Sibyllen


- 80 -<br />

Wo einst Roms Palladium<br />

Kund getan der Götter Willen,<br />

War's schon lange still und stumm."<br />

Doch von nun an scholl es wieder<br />

Lauter als Sibyllenwort<br />

Und in's Erdreich senkte nieder<br />

Sich ein neuer Völkerhort,<br />

Und das Wort vom ew'gen Leben<br />

Mächtig scholl's durch Land und Meer<br />

Und ein Zittern und ein Beben<br />

Fuhr durch's alte Götterheer."<br />

"Romas Schwert bezwang die Erde<br />

Aber nicht des Irrtums Macht,<br />

Nur des Wortes Doppelschwerte<br />

Glückt der Wahrheit Geisterschlacht.<br />

Und das Wort, das Fleisch geworden,<br />

Ward der wahre Gotteshort<br />

Von dem eisumstarrten Norden<br />

Bis zum Südpol fort und fort."<br />

"Was kein Herrscherstab errungen,<br />

Was kein Schwert vermocht und Beil<br />

Ist des Wortes Kraft gelungen,<br />

Ward dem neuen Rom zu Teil.<br />

Denn das Wort, es hat gestritten,<br />

Denn das Wort, es hat gebrannt,<br />

Und die Hölle hat's gelitten,<br />

Dass die Wahrheit ward erkannt."<br />

"Und die Hölle muss es leiden,<br />

Dass die Wahrheit weiter dringt,<br />

Und die Welt kann's nicht vermeiden,<br />

Dass sie fort und fort erklingt,<br />

Es verwehrt's kein Murren, Pochen<br />

Und es hemmt's kein Schwert, kein Wort,<br />

Denn was Gottes Geist gesprochen,


- 81 -<br />

Hat Bestand und dauert fort."<br />

So des Römers stolze Seele,<br />

Der erglüh'nd mein Herz gelauscht,<br />

Bis nach dunkler Felsenhöhle<br />

Die Gestalt vorbeigerauscht.<br />

Wollte Manches sie noch fragen,<br />

Doch sie schwand mit einemmal.<br />

Ich erwachte rasch und tagen<br />

Sah ich's über Berg und Tal.<br />

Und ein leises Geisterwehen<br />

Schwebte überm Firnenmeer,<br />

Gleich als ob durch Gottes Höhen<br />

Segnend zög' ein Engelheer,<br />

Und als ob's erschliessen wolle,<br />

Fern im Ost des Morgens Tor,<br />

Dass das Licht, das strahlenvolle<br />

Wecke rings der Schöpfung Chor.<br />

Rasch erschwangen sich die Gluten<br />

Zaubrisch über's Firneneis,<br />

Welch ein Strömen, welch ein Fluten,<br />

Heil dem Schöpfer, Ruhm und Preis!<br />

Oben zieht der Welten Sonne<br />

Herrlich ihren alten Kreis,<br />

Alle Berge stehn voll Wonne,<br />

Krönt sie ihrer Häupter Eis,<br />

S. 61: Oben Licht und Morgenklarheit,<br />

In den Talen Grau'n und Nacht,<br />

Oben Sieg und ew'ge Wahrheit,<br />

Unten Wirrnis, Streit und Schlacht.<br />

Fasse frohen Mut für's Leben,<br />

Hafte nicht an niederm Spiel,<br />

Schau empor in's grosse Weben,<br />

Auf der Dinge End' und Ziel!"


- 82 -<br />

Diese grossartige Vision behandelt ein bekanntes Thema, den Fall Roms, die<br />

Völkerwanderung und den Sieg des Christentums, aber die Meisterschaft<br />

zeigt sich in den hohen Gedankengängen und der gewaltigen Sprache. Wie<br />

voller, feierlicher Glockenklang schweben die prächtigen Achtzeiler an uns<br />

vorüber. Und noch eines müssen wir hier bemerken.<br />

Dr. Jenny schreibt zu diesem Gedichte: "Von der philosophischen Tiefe und<br />

Kraft der Lehre des Nazareners war <strong>Plattner</strong> auch auf Bergeshöhen erfüllt.<br />

Sein "Aus den Höhen" ist ein merkwürdiges Pendant zu Gottfried Kellers<br />

"Schein und Wirklichkeit'. Während dieser auf einem Felsgrat eingeschlafen<br />

von leerem Hotten und verlorner Tat träumt und aus dem Traum erwachend<br />

die Abendröte für das Erwachen des Morgens hält, so träumt jener "hoch auf<br />

grünem Alpenplan" von einer kleinen Barke, die, den Kiel nach dem stolzen,<br />

von wilder Brandung umtobten Rom gewendet, still und sicher übers Meer<br />

schwimmt, das Wort des ewigen Lebens tragend, und wie er erwacht im<br />

tagenden Morgen, da erfüllt ihn die sich immer reicher und klarer entfaltende<br />

Hochgebirgsherrlichkeit mit "frohem Mut fürs Leben" und gibt ihm zugleich<br />

die Mahnung: "Schau empor in's grosse Weben,<br />

Auf der Dinge End' und Ziel."<br />

Auch Dr. Jenny gibt unzweideutig zu verstehen, dass <strong>Plattner</strong> mit seinem<br />

mächtigen Gedankenfluge in das Aetherreich der höchsten Ideale über dem<br />

Rationalismus und religiösen Nihilismus des gefeierten Zürcher Meisters<br />

hoch emporrage. Das kommt aber nicht daher, weil der Bündnerdichter von<br />

der Tiefe und Kraft der Lehre "des Nazareners" erfüllt war, sondern weil er<br />

glaubte, fest und innig glaubte an den Gottmenschen Jesus Christus und weil<br />

er unerschütterlich überzeugt war von der Wahrheit seines Wortes: "Auf<br />

diesem Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden<br />

sie nicht überwältigen". Das ist die gleiche Wahrheit, die <strong>Plattner</strong> so<br />

wunderbar tief und in hinreissender Sprache verkündet und gefeiert hat im<br />

"Kreuz" und in der "Christuslehre", auf die wir vielleicht noch<br />

zurückkommen werden. Für diese Nummer müssen wir abbrechen.<br />

S. 62: Wenn bei <strong>Plattner</strong> vom "Ozean und den Alpen" die Rede ist, so kann man<br />

sich ungefähr denken, welche Töne der Künstler anschlägt: Wie mächtige<br />

Akkorde aus "vollem Werk" orgeln und rauschen sie durch den Dom. Dr.


- 83 -<br />

Jenny gibt diesem Gedichte die Bezeichnung "tief". Wir sagen: Es ist sehr<br />

tief, und man muss dieses Stück drei und viermal oder noch mehr lesen,<br />

wenn man es ganz verstehen will, besonders der erste Teil ist nicht leicht zu<br />

konstruieren. Der Dichter schildert, Wie der Ozean nach der Schöpfung<br />

immer weiter und weiter zog.<br />

"Donnernd drang von Süd und Norden<br />

Sturmgesang und Kampfestoben<br />

An die Felsen rings heran"<br />

Seine Wogen, Löwenhorden,<br />

Deren Mähnen wild erhoben,<br />

Trieb der stolze Ozean."<br />

In der Alpen Zauberarme zog es den Gewaltigen rastlos fort, durch Iberiens<br />

Felsentor, er umbraust die Apenninen und er stürmt nach Tänaron, fort zum<br />

Athos, zu des Ida wald'gen Hängen, dann zum Kaukasus hinan, rastlos<br />

vorwärts drängt's den Mächtigen hinein. Abend wird's, nun wird der<br />

Gewaltige müde und<br />

"Träumt von Völkern, die sich trennen<br />

An dem fernen Ararate<br />

Um die stolze Babylon.<br />

Diese zieh'n, wo Wüsten brennen,<br />

Jene fort, durch Steppenpfade,<br />

Meerwärts trachtet Japhet's Sohn."<br />

Träumt von Kämpfen und Völkerschaften, von Perserschiffen, die nachdem<br />

Athos segeln.<br />

Und ihm ist's, als säh' im Westen<br />

Er ein Felseneiland ragen,<br />

Und darauf ein Königshaupt,<br />

Düster blickend nach den Resten<br />

Seines Weltheers, das, geschlagen,<br />

An der Freiheit Wunder glaubt.<br />

Was dem Alten sonst sich zeigte<br />

Durch des Traumes offne Pforten,<br />

Das tun tausend Bücher kund.<br />

Segnend sich der Weltgeist neigte,<br />

Auf die Völker aller Orten,


- 84 -<br />

Wo Gebirg und Meer im Bund.<br />

Diesen Schlussgedanken hob der Verfasser selber durch Sperrschrift hervor.<br />

Ozean und Alpen - diese gewaltigsten Erscheinungen auf der Erdoberfläche<br />

im Bunde bringen den Völkern Segen. Und dieser Bund, dieses<br />

Zusammenstreben feiert der Dichter in grossartigem. Pathos.<br />

Das bedeutendste Produkt der <strong>Plattner</strong>'schen Lyrik ist das "Sturmlied auf dem<br />

Gotthard", gedichtet in Prag 1857 als Vereinsaufgabe und erschienen in den<br />

"Monatrosen", Jahrgang 1857, Nr. 10, Sammlung der Gedichte anderletzte<br />

Nummer. Zuerst einige Aeusserlichkeiten.<br />

S. 63: Es zerfällt in eine <strong>Ein</strong>leitung und drei Teile und hat im ganzen 37 achtzeilige<br />

Strophen. Die Reimkonstruktion, die Reihenfolge der Reime ist sehr<br />

kompliziert und selbstverständlich mit Absicht so gewählt. Der Dichter hat<br />

da seine formale Kunst gezeigt. Wir wollen aber nicht verhehlen, dass die<br />

Dichtung dadurch nicht gewonnen hat. Die Töne liegen zu weit auseinander,<br />

und dadurch geht ein erheblicher Teil der schönen Klangwirkung verloren.<br />

Zu verbessern ist jetzt aber nichts mehr, es müsste zu viel verändert werden.<br />

Die Sprache ist durchwegs edel, vornehm, frisch und gewandt, bilderreich,<br />

glänzend und von herrlichem Flusse. Nun aber der Inhalt.<br />

Dr. Jenny bezeichnet das "Sturmlied" als "eine eigenartige Apotheose des<br />

Sieges der Lehre Jesu". Wir möchten. diese Charakteristik nicht rundweg<br />

ablehnen, finden aber, sie sei nicht scharf genug, richtiger scheint uns zu<br />

sagen, die Dichtung sei eine Apologie des Christentums, aus dessen Gehalt<br />

und der Weltgeschichte geschöpft. Wir bringen zunächst die <strong>Ein</strong>leitung:<br />

"Durch des Gotthards tiefe Schlünde,<br />

Wo die starren Gipfel ragen<br />

Auf der Mark von Nord und Süd,<br />

Wo der Felsen rauhe Winde<br />

Kühn vier wilde Flüsse sprengen:<br />

Scholl in dunkeln Schicksalstagen<br />

Mit des Donners vollen Klängen<br />

<strong>Ein</strong>st der Stürme Zauberlied,<br />

Denn: die Nordsbraut kam von Norden<br />

Aus des Polmeers Eispalästen


- 85 -<br />

<strong>Ein</strong>er Schlachtenjungfrau gleich,<br />

König Föhn mit Wolkenhorden,<br />

Trutzig kühn. voll Todesgluten<br />

Stürmt herbei zu wilden Festen<br />

Ueber blanke Meeresfluten<br />

Aus des Südens. Wunderreich.<br />

König Föhn, der stolze Freier,<br />

Bringt der nord'schen Jungfrau Kunde<br />

Von des Südens Herrlichkeit,<br />

Nordbraut lüftet ihren Schleier,<br />

Mächtig stürmt er durch die Saiten,<br />

Mächtig strömt von seinem Munde<br />

Zaubersang aus alten Zeiten,<br />

Süss ergriffen lauscht die Maid."<br />

Der Föhn singt nun von Thebens Trümmern, von den alten Pyramiden, von<br />

Memphis' Schätzen, von Alexanders Stadt, von des Meeres, blauen Wogen<br />

und vom schönen Inselland, wo Uliss vorbeigezogen, von der Pracht von<br />

Syrakus. - Das Auge kann sich nicht satt sehen an diesen sonnigen,<br />

leuchtenden Naturbildern und das Ohr sich nicht satt hören an diesen<br />

Zauberklängen der Sprache. Doch Hellas Pracht ist längst vergangen, und<br />

auch das stolze Volk der Römer ist hingesunken:<br />

"Ewig jung jedoch erblühet<br />

Ueber an den öden Resten<br />

Süsse Fülle der Natur.<br />

Hei, wie da die Traube glühet<br />

In den wild verschlungnen Ranken,<br />

An der Ulme dunkeln Aesten!<br />

Hei, wie Pinienkronen schwanken<br />

Und Zypressen auf der Flur!"<br />

S. 64: Jetzt fordert der Föhn die Braut aus den Eispalästen auf: "Singe Nordens<br />

Zauberei"! Und die Jungfrau hebt an und singt von Eichenhainen und<br />

Fichtenwäldern, von Runensteinen und Opfermalen, von Wodan und seinen<br />

wilden Jagdgenossen, von den Germanen und dem Helden Armin im<br />

Teutoburger Walde, vom Nornengesang durch die Eichenwälder, wie der


- 86 -<br />

Römer Macht ins Grab gesunken. Wie der Jungfrau Lied verklungen, fasst<br />

sie König Föhn und sie ringen miteinander, wie einst Sigurd und Brunhilde.<br />

Während des Kampfes dämmert es im Osten:<br />

"Auf des Morgens goldnen Flügeln<br />

Nahet Ost, der Friedensbote,<br />

Wie ein Engel hold und schön,<br />

Um der Liebe Bund zu siegeln.<br />

Kunde von dem Palmenlande<br />

Bringt er und vom Morgenrote,<br />

Das erblüht am Jordansstrande,<br />

Von dem Heile aus den Höh'n."<br />

Es beginnt der dritte Teil. Der Ost singt vom Paradiese, den ersten Menschen,<br />

der Schlange und der Verheissung des Erlösers. Doch die Menschheit musste<br />

lange warten, die Schuld häufte sich, Mord und Greuel, bis Jehovas<br />

Flutgerichte tilgten all den Lästerknäuel. Der Frevel begann wieder frisch<br />

schon bei Cham, beim Turmbau in Babel, "und die Völker sind zerstoben".<br />

Aus den Millionen wurde dann <strong>Ein</strong>er ausgewählt zu des Heiles Hort. Ninive<br />

und Babylon sind in Staub gesunken und die Throne der Despoten zermalmt,<br />

das Volk aber ist geblieben, dem der Herr seinen Willen kund getan, alles<br />

sehnt sich nach Erlösung, die in der Fülle der Zeiten erscheint:<br />

"Tauet, Himmel, den Gerechten,<br />

Wolken, regnet ihn hernieder,<br />

Sprosse, Erde ihn empor!"<br />

In wie manchen trüben, Nächten<br />

Drang der Ruf zu Sternenhöhen,<br />

Klangen glüh'nder Sehnsucht Lieder,<br />

Bis die grösste Tat geschehen,<br />

Menschgestalt ein Gott erkor.<br />

"Sie geschah, er ist gekommen,<br />

Hat gelehrt, gelebt, gelitten,<br />

Wie es nur ein Gott vermag,<br />

Hat der Welt Schuld weggenommen,<br />

Stark der Menschheit Weh getragen,<br />

Mit des Abgrunds Fürst gestritten,


- 87 -<br />

Und des Todes Macht geschlagen,<br />

Aufersteh'nd am dritten Tag.<br />

"Sie geschah! Er ist gekommen!"<br />

Wie der Sänger es gesungen,<br />

Ging die Sonne, strahlend auf.<br />

Welche Gluten sind erglommen<br />

Ueber an den Alpenriesen!<br />

Lobt den Herrn, ihr Sturmeszungen<br />

Der so herrlich sich erwiesen,<br />

Lob' ihn, Sonn', im Siegeslauf!"<br />

Die Anlage dieser dichterischen Apologie ist fest fixiert, der Aufbau von<br />

durchsichtiger Klarheit, die Sprache von immer gleicher Schönheit<br />

S. 65: und stellenweise von dithyrambischem Schwunge. Nur eine Frage: Sollte<br />

nicht die Wirkung des Gesanges aus dem Osten auf die Sänger von Süd und<br />

Nord etwa in einer oder zwei Schlusstrophen herausgehoben werden? Wir<br />

vermissen einen völligen, befriedigenden Abschluss des Ideenganges. Das<br />

wäre noch zu machen. Sonst ist das Gedicht nach Konzeption und<br />

Entwicklung, nach Inhalt und Form eine Schöpfung von monumentaler<br />

Grösse.<br />

Wir können es uns nicht versagen, zu diesem "Sturmliede" noch eine<br />

Rektifikation anzubringen, Es wurde schon beim Erscheinen als<br />

"phantastische Träumerei" und "zu dunkel" bezeichnet, sei nur dem kleinem<br />

Teil des Publikums verständlich, es sei eine Grille, "Zeiträume von<br />

Jahrtausenden nach ihrer historischen Bedeutung in wenige Strophen<br />

zusammenzuzwängen usw. Wir können diesen Anwürfen und direkten<br />

Kränkungen des Dichters gar nicht beistimmen. Den "Ozean" muss man<br />

studieren, aber es geht bei ernstem Lesen, hingegen das "Sturmlied"<br />

beherrscht man im ersten Gange. Uebrigens darf ein Kritiker nicht übersehen,<br />

dass das Gedicht als "Vereinsaufgabe" verfasst wurde, also zunächst für<br />

Studenten, Akademiker, Gymnasiasten, und diese sollten doch die<br />

geschichtlichen Tatsachen kennen, die im "Sturmlied" berührt werden, und<br />

auch aus dem Katechismus noch so viel wissen, um dem "Gesang aus dem<br />

Osten" folgen zu können. für Kohlenbrenner und Kloakenräumer hat <strong>Plattner</strong><br />

allerdings in erster Linie nicht geschrieben. Wie ganz anders als diese


- 88 -<br />

kleinlichen Nörgeleien lautet doch das Urteil Dr. Jennys!<br />

Wir reihen hier ein Lied an, das aus dem gleichen Jahre stammt, wie das<br />

vorhergehende und in welchem der Sänger seiner Stimmung über die<br />

Zeitströmung und Zeitrichtung, über das Leben und Treiben seiner Tage<br />

herben Ausdruck gibt:<br />

Unmut.<br />

Betracht' ich an das Treiben unserer Tage<br />

Und schau' ich ernst in seine Tiefen nieder,<br />

Dann fährt es mir wie Frost durch Mark und Glieder,<br />

Mein Herz durchschauert ahnungsbange Klage.<br />

Es blühn Gemeinheit üppig auf und Schande,<br />

<strong>Ein</strong> Narr ist, wer dem Golde nicht will fröhnen,<br />

O Seele, lass den Flug dir abgewöhnen,<br />

Und wühl' im Schlamme mit der Sklavenbande.<br />

Verlass des Geistes sonnenfrohe Höhen,<br />

Verwirf die Hoffnung bessrer, schönrer Tage<br />

Im Sinnenrausch erstick des Lebens Klage,<br />

<strong>Ein</strong> Tor, wer mit der Heerde nicht will gehen.<br />

Und fühlst du edles Jugendfeuer glühen<br />

In deiner Brust, das ist ja dumm und blöde,<br />

S. 66: In deinem Herzen sei es kalt und öde,<br />

Zertritt die letzten Blüten, die drin blühen!<br />

Doch mit dem Kopfe schwindle ungefährdet,<br />

Die tollsten Pläne heg' in deinem Hirne,<br />

Betrüg', belüg', doch nur mit frecher Stirne,<br />

Denn Tölpel heisst, wer sich nicht frech geberdet.<br />

Auf Gaukelei schau' nur gleich den Barbaren,<br />

Die sich mit Flitterwerk und Muscheln zieren,<br />

Und kannst du noch recht tüchtig schwadronieren,<br />

Dann bist du geistvoll, schön und vielerfahren.<br />

Ich wüsste dir noch manche gute Räte,<br />

Wozu jedoch in Lied damit sich quälen?


- 89 -<br />

Zwar ist's durchaus nicht nötig sie zu hehlen,<br />

Sie würden doch befolgt, auch wenn man's täte.<br />

Der Weisheit Kern ist: Huldigt dem Gemeinen,<br />

Was ihr mit Händen packt, das kann euch fristen,<br />

O sauget von euch an der Erde Brüsten<br />

Und lasst um Träume Kinder, Narren weinen!<br />

Genuss, Genuss! Das ist der Witz des Lebens,<br />

Nur zugetastet! Blickt nicht nach den Höhen,<br />

Ihr könnt dort nichts als Luft und Sterne sehen,<br />

Seid futterfroh, - das Andere ist vergebens!<br />

Wo sind sie hin, die quellenden Gedanken?<br />

Wo findest du die stolzen Ideale,<br />

Aus deren gottentsprungenem Flammenstrahle<br />

<strong>Ein</strong>st Millionen volles Leben tranken?<br />

Sieh hin, wie matt' der Völker Pulse schlagen,<br />

Wie alle Glut verglomm in ihren Adern,<br />

Wie dumpf sie kauern auf der Vorzeit Quadern<br />

Und keinen frischen Flügelschlag mehr wagen!<br />

Zu Grabe geht der letzte Rest der Helden,<br />

Die siegreich auf der Menschheit Höhen drangen,<br />

Die Adler sterben, es gedeihn die Schlangen,<br />

Die Gleissnerbrut, von der nur Trug zu melden.<br />

Mit unserm Wissen! - O wie kalt und bleiern!<br />

Verhöhnt vom Wahnwitz der erhabne Glaube,<br />

Und selbst der Liebe himmlisch hohe Taube<br />

Verscheucht, verstossen von der Selbstsucht Geiern.<br />

Betracht' ich all das Treiben unsrer Tage,<br />

Und blick' ich ernst in seine Tiefen nieder,<br />

Dann fährt es mir wie Frost durch Mark und Glieder,<br />

Mein Herz durchschauert ahnungsbange Klage."<br />

Gewiss eine ahnungsbange und bittere Klage. Sie entrang sich vor 62 Jahren<br />

des Dichters Brust, wie würde es tönen, wenn jetzt der fünfundachtzigjährige


- 90 -<br />

Sänger in die Saiten greifen wollte, um "das Treiben unserer Tage" zu<br />

schildern? Satz um Satz und Wort um Wort gilt seine "Klage" noch, nur in<br />

der x ten Potenz. Wo finden wir aber heute<br />

S. 67: einen Jeremias, der auf den Trümmern nicht Jerusalems, sondern der<br />

Menschheit, der Welt den Spiegel vorhält und Trauerlieder anstimmt, wie es<br />

<strong>Plattner</strong> getan, Trauerlieder, die mit ihrem Ernst und ihrer Kraft voll ins Herz<br />

hineingreifen? Ach, unsere Zeit hat viel Wichtigeres zu tun, als ihr "Treiben"<br />

zu beobachten und an die eigene Brust zu schlagen!<br />

Die "Sammlung" der Gedichte schliesst ab mit dem "Kreuze", und auch wir<br />

wollen dieses Siegeszeichen auf der Halle der Lieder aufrichten. Der<br />

Verfasser hat für dieses letzte Stück als Form die Terzine gewählt.<br />

Das Kreuz.<br />

Es steht ein Kreuz auf hoher Alpenfirne,<br />

Zu dem der Wanderer nur mit Grauen klettert,<br />

Hoch ragt es mitten auf der Felsenstirne.<br />

Der schlichte Stamm, er steht ohn' Angst und Zittern,<br />

Von wilden Stürmen des Gebirgs umwettert,<br />

Kein Element vermag ihn zu zersplittern.<br />

Oft flattern unzählbare Wolkenhorden<br />

Zu Häupten ihm, sich sammelnd zu Gewittern,<br />

Die bald nach Süden fahren, bald nach Norden.<br />

Der Donner rollt und grelle Blitze zünden,<br />

Als gält's die ganze Schöpfung hinzumorden,<br />

Wutschnaubend rast die Windsbraut in den Schlünden.<br />

Das Kreuz bleibt stehen über all den Trümmern,<br />

Der grausen Wildnis, die nur Tod verkünden,<br />

Ob auch die Stürme wie Schakale wimmern.<br />

Es weiss, einst wird die Sonne wieder strahlen,<br />

Der Sterne Kranz wird ihm zu Häupten flimmern,<br />

Drum thront es ruhig über Berg und Talen.<br />

So lag, am Opferpfahle festgekettet,<br />

Der Gottmensch einst in einem Meer von Qualen


- 91 -<br />

Und hat uns vor dem ew'gen Tod errettet.<br />

Er war allein, als er im Tod gerungen,<br />

Als man um seine Kleider hat gewettet,<br />

Und als vor Gram der Felsen Herz zersprungen.<br />

Der Tag war sonnenlos, die Erde bebte,<br />

Durch's Reich der Schöpfung ist ein Schrei gedrungen,<br />

Als an dem reinen Lamm die Urschuld klebte.<br />

Die Menschheit lag in Sündennacht versunken,<br />

Bis er auf's neu die starre Welt belebte<br />

Und aus dem Steine schlug den glüh'nden Funken.<br />

Er hat die Menschheit an sein Herz gezogen,<br />

An seiner Brust hat Liebe sie getrunken,<br />

Um abzuschwören dem, der sie betrogen.<br />

Des Abgrunds Mächte haben Wut geschnoben<br />

Der kalte Hasser, der die Welt belogen,<br />

Sah seine Beute wieder zieh'n nach Oben.<br />

S. 68: Er sah die Völker nach dem Licht sich wenden,<br />

Sah, wie sein altes Wahngebild zerstoben,<br />

Und sucht ergrimmt drum Gottes Sieg zu schänden.<br />

Musst' auch vorm ew'gen Licht die Lüge schwinden<br />

Der alte Kampf wird dennoch nimmer enden,<br />

So lang den Geist die Fesseln Adams binden.<br />

Solang ein Kreuz wird stehn auf weiter Erde,<br />

Der Welt den Weg- des Heiles zu verkünden,<br />

Droht auch der Hölle grinsende Geberde.<br />

Solang das milde Wort des Herrn ertönet,<br />

Den Menschen tröstend in des Kampfs Beschwerde,<br />

Solang wird's von der Leidenschaft verhöhnet,<br />

Solang ein Herz erglühet für das Wahre,<br />

Solang ein Mann dem blinden Wahn nicht fröhnet,<br />

Sei er bedacht, wie er vor Hohn sich wahre.<br />

An's Kreuz zu schlagen droht die blinde Rotte.


- 92 -<br />

Den, der vor ihrer schalen Trödelware<br />

Im Staub nicht kniet, wie vor dem ew'gen Gotte.<br />

O ew'ge Huld, die du so viel gelitten,<br />

Die ausgeliefert ward dem frechsten Spotte.<br />

O schenk' uns <strong>Ein</strong>es nur, um das wir bitten!<br />

Verleih' Geduld im Kampf und treu Beharren,<br />

Damit wir streiten, wie einst du gestritten,<br />

Und unsere Herzen nicht im Kampf erstarren,<br />

Damit wir lieben, die nur Hohn uns sinnen<br />

Und uns die Grube trachten aufzuscharren,<br />

Denn Lieb' allein kann ew'gen Sieg gewinnen.<br />

Wie einfach und klar ist doch der Aufbau dieses einzig schönen, ergreifenden<br />

Kreuzesliedes! Das Kreuz auf dem Bergesfelsen, Christus am Kreuze, unser<br />

Kampf für das Kreuz und dann die rührende Bitte um Geduld, Treue und -<br />

Liebe, Liebe auch für die Feinde, denn nur die Liebe "kann ew'gen Sieg<br />

gewinnen"!<br />

Könnten wir unsere Auslese aus dem <strong>Plattner</strong>'schen Hesperidengarten besser<br />

und schöner schliessen, als mit dieser goldenen Frucht, mit diesem<br />

entzückenden Hymnus auf das Kreuz und die ewige Liebe! Gewiss nicht!<br />

Es mögen nun noch einige allgemeine Bemerkungen folgen.<br />

Wir wissen nicht, ob einige Leser bei unserer literarischen. Skizze sich<br />

gelangweilt haben, möglich ist es schon, nun, sie konnten ja beizeiten<br />

aufhören und die Nummern beiseite legen. Wir haben zum Glück die<br />

Genugtuung - anderswo gefunden. Ueber vierzig Jahre hat der Sänger von<br />

Chur im Reiche des Schönen und Idealen, im Dienste des Rechtes und der<br />

Freiheit gearbeitet und viel und Glänzendes geschaffen. Er hat die Heldenzeit<br />

und die Kämpfe seiner Heimat geschildert, das Volk vom<br />

S. 69: Joche der Tyrannen zu befreien, er hat uns ernste Bilder vorgeführt aus dem<br />

Leben unserer Altvordern, um uns für ihre Taten und ihr einfaches Leben zu<br />

erwärmen, er erzählt uns die Sagen der bündnerischen Alpenwelt und besingt<br />

ihre Grösse und Herrlichkeit, er feiert den Sieg des Christentums, die<br />

Religion des Kreuzes und der Liebe in ergreifenden Liedern, er fühlt sich<br />

heimisch auf allen Gebieten der Poesie, er ist Dramatiker, Epiker und


- 93 -<br />

Lyriker, er beherrscht alle Formen und verfügt über alle Register der<br />

Sprache, von dem weichen, zarten Hauche der Wehmut und Sehnsucht bis<br />

zum rollenden Donner des Zornes und der Überschäumenden Kraft und bis<br />

zum majestätischen Brausen des Pathos. Leset nur nach und leset nur laut<br />

und sagt uns dann, ob wir übertrieben haben! <strong>Plattner</strong> ist ein Dichter, ein<br />

begnadeter Dichter und als Sänger der Alpen, in bezug auf Kraft und<br />

Schwung, bis jetzt nicht übertroffen.<br />

Und nun: Wer und wie viele unserer alten und jungen Freunde haben diesen<br />

Meister des Liedes überhaupt nur gekannt, trotzdem er seit 66 Jahren (1854)<br />

dem Vereine angehört, seine schönsten Weisen zuerst in den "Monat-Rosen"<br />

ertönen liess und seine drei trefflichen Söhne unserem Bunde zugeführt hat<br />

und alle, Vater und Söhne, demselben treu geblieben sind!!! Wer hat das<br />

gewusst, sich darum bekümmert und die literarischen Schätze gewürdigt? Die<br />

Zahl dieser Kenner und Verehrer ist vielleicht selbst in Bünden nur gering.<br />

Darum haben wir uns an die Arbeit gemacht, um ein Unrecht zu sühnen und<br />

keinen Undank auf uns ruhen zu lassen. Wir haben schon vor beinahe 60<br />

Jahren an den <strong>Plattner</strong>'schen Liedern uns erfreut, und bei unserem "Franz<br />

Furger" reifte in uns der Gedanke, auch dem kongenialen Landsmann Pl.<br />

<strong>Plattner</strong> einmal im Vereinsorgan Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es ist<br />

vielfach nicht Schnödigkeit, sondern nur Gedankenlosigkeit, wie wir an so<br />

viel Grossem und Schönem in unserem Vereine ohne Beachtung<br />

vorbeigehen. So schwindet dann die Begeisterung, das Interesse am Bunde,<br />

die Ideale rücken in weite und weitere und zuletzt in nebelhafte Fernen, und<br />

die Blasiertheit legt sich bleiern auf das Sektions- und Vereinsleben. So ist<br />

es, ihr lieben Freunde, und dagegen hilft kein Protestieren mit oder ohne<br />

grosse Geste! Durchgeht die Jahrgänge der ,,Monat-Rosen", und Ihr werdet<br />

uns Recht geben! Und die "Monat-Rosen", speziell die Korrespondenzen,<br />

sind doch gewiss der Gradmesser für die Pulse des Vereinslebens.<br />

Wir wollten nun einmal einen "Alten" vorführen in seinem Charakter, in<br />

seiner Tätigkeit, in seinem Schaffen für das Schöne und Wahre, und ein<br />

solcher ist eben der Jubilar am Fusse des Calanda. <strong>Ein</strong> prächtiger Dichter von<br />

Gottes Gnaden und nebenbei noch ein bedeutender<br />

S. 70: Politiker, Administrator und Magistrat. Die Dichtergestalt haben wir in<br />

weiten Umrissen vorzuführen gesucht, mögen sich recht viele an dieser


- 94 -<br />

Gestalt erfreuen und emporrichten! Haben wir das erreicht, haben wir auch<br />

nur einigermassen dem Dichtergreise zur Würdigung und Anerkennung<br />

verhelfen können, so ist das eine Seite unserer Freude. Die andere liegt in der<br />

Sache selbst.<br />

Wir haben uns wochen- und monatelang mit der <strong>Plattner</strong>'schen Muse<br />

beschäftigt, alles zwei-, dreimal und noch mehr gelesen, studiert, verglichen,<br />

wieder nachgeschlagen und immer mit gleichem und steigendem Genuss.<br />

Wie vieles wurde schon früher und wird heute noch verschlungen, gelobt und<br />

auf den höchsten Gipfel des Parnassus hinaufgeschoben, das mit der<br />

<strong>Plattner</strong>'schen Poesie in bezug auf Gedankenfülle, Ideenreichtum, Fluss,<br />

Kraft, Schwung, überhaupt Schönheit der Sprache sich kaum messen dürfte.<br />

Leider hat auch hierin die Mode viel auf dem Kerbholz. Wir aber huldigen<br />

nicht der Mode, sondern dem Wahren, Grossen und Schönen, wo wir es<br />

finden, wir blicken noch auf zu den Sternen, die aus der Ewigkeit zu uns<br />

herüberleuchten, zu den Ideen und Idealen, die auch unsere <strong>Veteran</strong>en noch<br />

erfüllt, sie begeistert haben zu den Liedern, die sie uns gesungen. Darum<br />

führten wir die Feder für Franz Furger und führen sie auch für Plazidus<br />

<strong>Plattner</strong>.<br />

Vielleicht gibt es Leute, die meinen, wir hätten dem Jubilaren von Chur einen<br />

besondern Liebesdienst geleistet. Sollte es wirklich solche alte und junge,<br />

grosse und kleine Kinder geben, so dürfen wir dieselben des formellsten<br />

versichern, dass sie ihre Ansicht einer erheblichen Korrektur zu unterziehen<br />

haben: Von einem "Liebesdienst" ist da keine Rede. Vor 55 Jahren haben wir<br />

über den "Ulrich Wikard" einige Zeilen in den "Monat-Rosen" "verbrochen",<br />

was, haben wir nicht mehr nachgelesen, wir wissen nur noch, dass der<br />

Dichter mit uns nicht sehr zufrieden war, und er wird seine Gründe gehabt<br />

haben. Es gab dann einen kurzen Briefwechsel, seither ist es zwischen uns<br />

still geworden "über den Wassern". Unsere Lebenswege kreuzten sich nie,<br />

wir haben nie einander Aug in Aug geschaut und nie ein persönliches Wort<br />

miteinander verloren. Dafür hat <strong>Plattner</strong> in seinen Schriften die Sprache des<br />

Geistes, der Ideen und Ideale, der Wahrheit und Schönheit, die Sprache des<br />

hohen Ernstes und der Begeisterung auch zu uns gesprochen, frei von der<br />

Seele weg und ohne Reklame, und das hat uns mit Hochachtung und Liebe<br />

für den Mann erfüllt, und diesen. Gefühlen wollten wir einmal Ausdruck


- 95 -<br />

geben und sonst nichts anderem: Bei dem unvergesslichen Furger klang eine<br />

persönliche Note mit, die Erinnerung an einen inniggeliebten Freund, bei<br />

<strong>Plattner</strong> schreiben wir<br />

S. 71: rein objektiv, und wenn der Ton trotzdem hin und wieder etwas wärmer und<br />

voller wurde, so liegt der Grund einzig in des Meisters Poesie: Uebrigens<br />

sagen wir nochmals: tolle, lege!<br />

Bevor wir schliessen, noch etwas Praktisches. <strong>Plattner</strong>s Werke sind, soviel<br />

uns bekannt, im Buchhandel vergriffen. Wäre es nun nicht möglich, eine<br />

Gesamtausgabe oder doch eine Auswahl zu veranstalten? z.B. die Gedichte<br />

und das "Lied von den ersten Eidgenossen" in einem Bande, dann die<br />

Dramen und endlich in einem dritten die. "Rhäteis"? Der Verfasser könnte<br />

die Auswahl treffen, vielleicht noch einige Aenderungen anbringen, etwas<br />

Neues hinzutun und das Ganze mit einem Vorworte aus "alten Zeiten"<br />

einführen. Wir möchten diesen Gedanken den trefflichen Söhnen des<br />

Dichters und einigen Bündner Freunden zur "Erdauerung" unterbreiten. .<br />

<strong>Plattner</strong> hat lange warten müssen, bis er von zuständiger Seite die verdiente<br />

Anerkennung gefunden, endlich ist sie doch gekommen. In seiner Sitzung<br />

vom 16. Dezember 1918 hat der "Aufsichtsrat der Schweizerischen<br />

Schillerstiftung" unserm Dichter eine Ehrengabe von 1000 Fr. zuerkannt, mit<br />

der Motivierung: "<strong>Plattner</strong> hat sich zeitlebens mit dichterischen Arbeiten<br />

befasst, deren Stoff er aus der Geschichte des engern und weitern Vaterlandes<br />

schöpfte. Aus der Reihe seiner Werke ragen hervor: "Das! Lied von den<br />

ersten Eidgenossen" und die metrische Uebertragung des antiken Epen<br />

nachgebildeten Heldengedichtes "Rhäteis" des Simon Lemnius. In diesen<br />

Büchern verkörpern sich die hohen Ideale einer entschwundenen Zeit". Dem<br />

Aufsichtsrate gehören unter andern an: Prof. Dr. Philipp Godet, Dr. Hans<br />

Bodmer, P. Maurus Carnot, Prof. Dr. Adolf Frei, Prof. Eligio Pometta, Prof.<br />

Dr. Paul Seippel und Dr. Carl Spitteler. Der Beschluss erfolgte einstimmig.<br />

Wir denken, das Urteil dieser Männer dürfte auf das Prädikat "kompetent"<br />

Anspruch erheben und werde den Dichterveteranen in Chur herzlich gefreut<br />

haben.<br />

Wir reihen hieran noch ein prächtiges Gedicht, welches P. Maurus Carnot bei<br />

diesem Anlasse dem Jubilaren gewidmet hat:


- 96 -<br />

Dem Dichter Plazidus <strong>Plattner</strong>.<br />

O Freund mit fünfundachtzig Jahren,<br />

Sitz nur im Erker, träume still,<br />

Lorbeer und Silber auf den Haaren,<br />

Indes ich Dich betrachten will.<br />

Nicht wecken, nein. Rauh ist die Welt,<br />

Sie ist Dir fremd. Die Augen schliessen!<br />

O lass vergang'ne Zeiten fliessen<br />

Um Dich, vom Abendrot umhellt!<br />

Sie kommen wieder, die Gestalten,<br />

Die in der Jugend Du geschaut,<br />

Caldar, die mit und nach ihm wallten,<br />

Und Ulrich Wikart mit der Braut,<br />

Die Helden von der Calvenschlacht,<br />

Der Baldenstein, und liedumflossen<br />

Die lieben alten Eidgenossen,<br />

Sie alle kennen keine Nacht.<br />

S. 72: Sie alle leben, weil Du Leben,<br />

Weil Du ein ewig Bürgerrecht<br />

Beim Volke ihnen hast gegeben,<br />

Bei uns, beim kommenden Geschlecht.<br />

Doch weil Du sangst von alter Zeit,<br />

Hat Dich die junge Welt vergessen,<br />

Die's liebt, den <strong>Ein</strong>tagsschein zu messen,<br />

Doch nicht den Glanz der Ewigkeit.<br />

Du zürnst uns nicht, Du kannst ja warten,<br />

Du lächelst mit verklärtem Blick:<br />

"Noch einmal kommt zu meinem Garten<br />

Der späte Dank der Republik.'<br />

Und schritt ich auch ins Väterland<br />

Mit unbekränztem Wanderstabe:<br />

Dann kommt der Dank zu meinem Grabe<br />

Begraben, werde ich bekannt.


- 97 -<br />

Doch nein! Wir wollen, wir es sühnen,<br />

Ward Dir der Kranz so spät geweiht.<br />

Bis an den Felsen Blätter grünen,<br />

Bei uns, beim kommenden Geschlecht.<br />

Du weisst es ja, da braucht es Zeit.<br />

Da ist zu uns aus schöner Zeit<br />

Der Sänger Wilhelm Tells gekommen,<br />

Von seinem Kranz hat er genommen<br />

Den Zweig und hat ihn Dir geweiht.<br />

Doch lieber als ein Kranz des Ruhmes,<br />

Als selbst ein Epitaph aus Erz,<br />

Am Pfeilerschaft des Heiligtumes,<br />

Ist Dir des Bündnervolkes Herz.<br />

Das Bündnervolk, das Schweizerland,<br />

O sieh, es hat Dich nicht vergessen.<br />

Froh wird der späte Enkel messen<br />

Die Spenden Deiner reichen Hand.<br />

Herrlich, sinnig, zart, tief empfunden und - sehr wahr:<br />

"Doch weil Du sangst von alter Zeit,<br />

Hat Dich die junge Welt vergessen."<br />

Doch wir nicht, die Alten, und darum wollten wir den Jungen zeigen, was ein<br />

Alter gearbeitet und geleistet, und zwar einer, der noch lebt, gearbeitet für<br />

unsern Verein, für seine Ideale, für das Wahre, Gute und Schöne, für<br />

Vaterland, Volk und Kirche, gearbeitet neben den vielen Berufsgeschäften, in<br />

jungen Jahren schon und das ganze Leben lang.<br />

Das ist die eine Seite. Dann würden wir dem hochverdienten <strong>Veteran</strong>en in<br />

Chur auch gern eine kleine Freude bereitet haben, allein neben der Literatenund<br />

Dichter-Corona der Schillerstiftung mit dem goldenen Kranze und neben<br />

dem Bündner Sänger mit der Zauberharfe machen wir mit dem Ginster-<br />

Sträusschen doch eine gar zu bescheidene Figur. <strong>Ein</strong>es tröstet uns: Der<br />

Jubilar hat stets redliches Streben zu schätzen gewusst, auch wenn oft Kraft<br />

und Können hinter dem Wollen zurückgeblieben.


- 98 -<br />

Und nun, liebe junge und alte Freunde, an euch ist es, aus unserer<br />

literarischen Skizze die Lehren zu ziehen: Wenn das eine oder andere Werk<br />

der <strong>Plattner</strong>'schen Muse wieder neu aufgelegt wird, so greift darnach und<br />

berauscht euch an der Kraft, dem Klang und Schwung der Sprache und<br />

begeistert euch an dem Hochflug der Phantasie in das Reich der erhabenen<br />

Gedanken und der ewigen Ideale! Wir haben in unserem schönen Vereine<br />

viele ganz herrliche Dichter, aber keiner zürnt uns, wenn wir sagen: Neben<br />

den besten Sängern darf aus alten Zeiten immer einer sich noch sehen und<br />

hören lassen, einer, der noch unter uns weilt, und dieser <strong>Ein</strong>e heisst -<br />

Plazidus <strong>Plattner</strong>.<br />

Aus dem Fotoalbum der Familie <strong>Plattner</strong><br />

Internet-Bearbeitung: K. J. Version 06/2013<br />

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