1920-Placidus Plattner - Ein Veteran - Burgenverein Untervaz
1920-Placidus Plattner - Ein Veteran - Burgenverein Untervaz
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<strong>Untervaz</strong>er <strong>Burgenverein</strong> <strong>Untervaz</strong><br />
Texte zur Dorfgeschichte<br />
von <strong>Untervaz</strong><br />
<strong>1920</strong><br />
<strong>Placidus</strong> <strong>Plattner</strong> - <strong>Ein</strong> <strong>Veteran</strong><br />
Email: dorfgeschichte@burgenverein-untervaz.ch. Beilagen zu den Jahresberichten des <strong>Burgenverein</strong> <strong>Untervaz</strong> sind<br />
auf dem Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich.
- 2 -<br />
<strong>1920</strong> <strong>Placidus</strong> <strong>Plattner</strong> - <strong>Ein</strong> <strong>Veteran</strong> Vinzenz Kreyenbühl<br />
Abschrift aus: Separatabdruck aus den Monat-Rosen <strong>1920</strong>.
- 3 -<br />
S. 03: <strong>Ein</strong> <strong>Veteran</strong>.<br />
Seit 58 Jahren halten wir die "Monat-Rosen" und haben schon unzählige<br />
Male in diesen Bänden geblättert und gelesen, am liebsten sind uns aber<br />
immer noch die "Späten Rosen" und die ersten Jahrgänge. Es ist das ganz<br />
natürlich. Dort finden wir die alten Namen, die alten Freunde, die schon vor<br />
und mit uns gelebt, und das ist etwas ganz anderes, als wenn uns unbekannte<br />
Männer entgegentreten, mögen ihre Arbeiten auch noch so gut sein. Doch<br />
auch in dieser Beziehung dürfen sich die "Alten" neben den Jüngern und<br />
Jungen immer noch hören und sehen lassen. Wir haben das an Franz Furger<br />
gezeigt und der Selige hatte viele Genossen, die Baumgartner, Bommer,<br />
Dedual, Eberle, Fröhlich, Göldlin, Gyr, Huber, Kämpfen, Lütolf, von Matt,<br />
Meschler, Müller, beide <strong>Plattner</strong>, Roten etc. Wer die ersten Jahrgänge<br />
durchgeht, wird staunen, wieviel Schönes an Poesie in denselben enthalten<br />
ist. Zum Allerschönsten gehört zweifellos, was Pl. <strong>Plattner</strong> geschrieben, der<br />
Redaktor des Jahrganges 1858-1859. Er hat seine dichterische Tätigkeit<br />
später fortgesetzt und dem Publikum immer reifere und schönere Früchte<br />
dargeboten. Das eine und andere Stück wurde auch schon in den "Monat-<br />
Rosen" besprochen, doch ist es wohl an der Zeit, das gesamte literarische<br />
Schaffen dieses unseres hochverehrten Vereinsmitgliedes auch einmal im<br />
Zusammenhange darzustellen. Oder soll man warten, bis der Verfasser von<br />
dieser Welt Abschied genommen, bis ihn der. Rasen deckt und Blumen auf<br />
dem Grabe blühen? Wir finden das nicht, sondern halten es für einen point<br />
d'honneur des Vereins, auch dem Lebenden zu zeigen, dass wir seine<br />
herrlichen Gaben zu schätzen wissen, dass wir dankbar sind für all das<br />
Schöne, das er uns geboten, und für die Ehre, die er dem Vereine<br />
eingebracht. Wir sind in dieser Beziehung viel zu gleichgültig und reserviert<br />
und dürften an dem gegnerischen Lager uns ein Beispiel nehmen. Der<br />
Schöpfer des "Caldar", des "Rink von Baldenstein" und der Sänger des<br />
"Liedes von den ersten Eidgenossen" ist wahrlich nicht verwöhnt worden und<br />
er musste zuerst das 85. Lebensjahr vollenden und vom Komitee der<br />
Schillerstiftung den Ehrenpreis erhalten, bis es <strong>Ein</strong>em einfiel, doch einmal<br />
die Schuld an den trefflichen <strong>Veteran</strong>en abzuzahlen, oder wenigstens den<br />
Versuch hiefür zu machen.
- 4 -<br />
S. 04: Es wären wohl, wie bei Furger sel., genug andere Männer gewesen, die diese<br />
Arbeit besser hätten leisten können, kompetentere Persönlichkeiten aus der<br />
mittleren und jüngeren Vereinsperiode, aber wenn niemand sich regen will,<br />
so ergreift ein Alter die Feder, um der Ehrenpflicht wenigstens einigermassen<br />
nachzukommen. Wir haben ja des Dichters Erstlingsarbeiten vor bald 60<br />
Jahren schon gelesen, darum ans Werk! Mit 85 und 83 Jahren ist nicht mehr<br />
viel Zeit zu verlieren!<br />
Pl. <strong>Plattner</strong>s Schaffen begann in den "Späten"- und "Monat-Rosen", der<br />
Student nahm überhaupt am Vereinsleben regen Anteil, er trat an<br />
Versammlungen als Redner auf, war Kritiker der literarischen Arbeiten,<br />
Mitbegründer der "Monat-Rosen", schrieb prächtige Briefe über die<br />
Weiterentwicklung des Organs, über das Streben der Vereinsmitglieder,<br />
schuf schwungvolle Gedichte. Er wählte auch das Studium, welches zu dieser<br />
Neigung und Tätigkeit passte: Philosophie, Philologie und Geschichte, in St.<br />
Gallen, München und Prag.<br />
Vom Strande an der Moldau schickte er sein "Sturmlied auf dem Gotthard"<br />
an die "Monat-Rosen" und seine herrliche Korrespondenz über das Fest des<br />
Hl. Johannes von Nepomuk vom 11. Mai 1857, aus der wir eine Skizze und<br />
einige Stücke mitteilen wollen.<br />
<strong>Plattner</strong> bummelt am Feierabend vor dem Feste auf dem Pragerquai längs der<br />
Moldau auf und ab und entwirft nun zuerst ein Bild der Umgebung, der<br />
Gärten, Plätze, Monumente, des Stromes, der Brücken etc. und kommt dann<br />
auf den Heiligen selbst und die Pilger zusprechen, die dieses Jahr besonders<br />
zahlreich zum Feste vom Lande herbeigeeilt waren. "Staubig und müd'<br />
kamen die Scharen, ihr Ränzchen auf den Rücken geschnallt und<br />
Rosenkränze in den Händen, in das Weichbild des türmereichen Prags, und,<br />
wenn sie durch die Gassen der Stadt zogen, genierten sie sich nicht im<br />
geringsten, laut zu beten und zu singen, bis sie zum Bilde auf der Brücke<br />
gelangten, wo sie in Andacht niederknieten und dankten und beteten.<br />
"Dummes Volk"! surrte wohl mancher sogenannte "Gebildete", der ihnen auf<br />
der Strasse begegnete, manche herumwandelnde Schreibstubenschablone,<br />
mancher welthausierende Commis mit glacehandschuhenem Gesichte aus<br />
seiner Krambude hervor. Scheltet das arme Volk immerhin dumm, wenn es<br />
einmal im Jahr und vielleicht im ganzen Leben von den Fesseln der
- 5 -<br />
heimischen Scholle, von den Mühen und Sorgen des eigenen Hauses und von<br />
dem ewigen <strong>Ein</strong>erlei seiner Umgebung sich losreisst, um einige Tage Gott<br />
und heiligen Gedanken zu leben, die vielleicht schwergetrübte Harmonie der<br />
Seele wieder herzustellen, und um dem Drucke, der Last und gemeinen Not<br />
des Lebens im Aufschwung des Gemütes zu Gott und dem Göttlichen ein<br />
Gegengewicht zu geben, scheltet es "dumm", während ihr wegen einiger<br />
elender Silberlinge auf den Flügeln des Dampfes durch die Welt rennt, Gottes<br />
grosse Natur und Alles, was des Menschen höherer Sinn geschaffen, mit<br />
blasiertem Stumpfsinn und den Affengeberden unsrer modernen<br />
Gescheidtheit anblinzelt, scheltet es "dumm", wenn es singt und betet und<br />
weint und jubelt in vollem Herzensdrang, indes euere Zunge nur im Dienste<br />
Mammons oder der Lüge und Sinnlichkeit sich regt, scheltet es "dumm",<br />
Alle, die ihr die ewigen Bedürfnisse. der Menschennatur an euerm schalen<br />
Schädel und tonlosen Herzen abmesst, scheltet es "dumm", die ihr Makulatur<br />
und Papierfetzen frivoler Romanschreiber wie Reliquien verehrt und<br />
aufbewahrt."<br />
S. 05: Wer dem allgemeinen Völkerleben und den verborgenen Tiefen der<br />
Menschen. natur etwas mehr auf den Grund gegangen ist, dem drängen sich<br />
andere Begriffe vom Volk und Volkstum auf und das Vollmass dummkluger<br />
Abgeschmacktheit dürfte ihn schwerlich irgendwo mehr anwidern, als bei<br />
dem breiten und schmutzigen Strandschaum, den die moderne Hyperkultur<br />
mit sich führt, bei der grössten Masse derjenigen, die sich "Gebildete"<br />
schelten. Fraget Wind und Wolken, warum sie über Länder fahren? Fraget<br />
die Vögel, warum sie nach fernen Gegenden ziehen?"<br />
"Lebt nicht ein ähnliches Gesetz in den Tiefen der Menschenbrust, die es<br />
rastlos treibt, den Paradiesesfrühling des Seelenfriedens ausser den niedern<br />
Sphären rein irdischer Beschäftigung im Umgang mit Gott und dem Heiligen<br />
zu suchen? Haben nicht alle Völker, so lange sie einig waren und in<br />
ungebrochener Jugendkraft standen, ihre Wallfahrten und Pilgerzüge gehabt,<br />
auf denen sie frei von der gemeinen Not des' Alltaglebens sich mit den<br />
höchsten und heiligsten nationalen und religiösen Gefühlen und Ideen<br />
beschäftigten? Man. denke an die religiösen und zugleich nationalen Feste<br />
der Hebräer im Zentralpunkte ihres Lebens, im Tempel zu Jerusalem! Die<br />
grossen, uralten Wallfahrten der Inder und Aegypter sind bekannt. Wer sich
- 6 -<br />
nur ein bisschen gründlich mit griechischer Geschichte beschäftigt hat, weiss,<br />
dass dieselbe sich grösstenteils an die uralten heiligen Nationalstätten der<br />
hellenischen Erde, an Dodona und Delphi, gleichsam als an ihre innern,<br />
idealen Mittelpunkte knüpft, er weiss nicht minder, dass jährlich Tausende<br />
aus allen: Landen der hellenischen Zivilisation zu diesen<br />
Nationalheiligtümern pilgerten und dass deshalb auch der Tempel der<br />
Artemis zu Delphi, dies Wunderwerk hellenischer Baukunst, aus freiwilligen<br />
Beiträgen der verschiedensten hellenischen Stämme erbaut wurde. Wem<br />
wäre unbekannt, was den echten Osmanlis noch bis auf den heutigen Tag ihre<br />
Kaaba zu Mekka mit dem angeblich vom Himmel gefallenen Stein ist, zu<br />
welchem nach den Vorschriften des Koran jeder Gläubige wenigstens einmal<br />
in seinem Leben pilgern muss? Und endlich, um auf das zu kommen, was uns<br />
am nächsten liegt, pilgerte nicht der ganze Occident auf der ersten<br />
Sonnenhöhe der christlichen Kultur, wie von einem magischen Zuge<br />
getrieben, nach der Geburtsstätte des Christentums und an das Grab seines<br />
göttlichen Stifters? Und lebt dieser tiefe Zug nicht noch heute in allen<br />
Gemütern fort, denen das Christentum mehr ist, als eitle blasse, historische<br />
Reminiszenz, denen es eine lebendige, göttliche Tatsache ist? Und all dies<br />
wäre bei ganzen Völkern wie bei Individuen nichts als Dummheit! Das wäre<br />
nicht ein tiefes inneres Gesetz. der Menschennatur, welches nur von der<br />
Unnatur nicht verstanden wird? Diese und ähnliche Gedanken beschäftigten<br />
mich, während die Scharen: an mir vorüberzogen und ich sie in ihrer Andacht<br />
auf der herrlichen Brücke betrachtete."<br />
Dann schildert <strong>Plattner</strong> das brillante Feuerwerk am Abend, berichtet über das<br />
Pontifikalamt im Dome und bringt über diesen architektonische und<br />
historische Notizen:<br />
"Bald! wäre er, ein Opfer des zerstörenden Fanatismus der Hussiten, durch<br />
Feuer zugrunde gegangen. Später hatte er manches Widerwärtige von den<br />
rohen und raubsüchtigen Schweden zu erfahren. Im siebenjährigen Kriege<br />
sendete ihm der alte Fritz vom Weissenberge herab einen Gruss von in die 20<br />
000 Kanonenkugeln, welche die schönsten Fenster zersplitterten und manche<br />
der zierlichen Türmchen von ihren luftigen Sitzen herunterwarfen. Für den<br />
französisch gebildeten königlichen Raubfahrer im Stile Ludwig XIV. wäre es<br />
wahrscheinlich ein heiteres Amüsement gewesen, wenn der altehrwürdige
- 7 -<br />
Dom unter dem Donner seines Bombardements zusammengebrochen wäre,<br />
mochte er doch seine Bauart und seinen ästhetischen Wert wahrscheinlich<br />
ebenso hoch anschlagen, als den des Nibelungenliedes, das seinem Bedünken<br />
nach bekanntlich keinen Schuss Pulver wert war. Wem die hohngetränkten<br />
Plattheiten der französischen Enzyklopädisten als Muster<br />
S. 06: galten, von dem war freilich über die grossartigsten Schöpfungen des<br />
menschlichen Geistes kein günstiges Urteil zu erwarten. Wo sind indes die<br />
Spottgeburten der französischen Enzyklopädisten und die Höllenmaschine<br />
der Enzyklopädie selber, die die "Infame" ecrasieren und ein neues Weltlicht<br />
anzünden sollte? Sie sind verschollen und wandeln nur noch als blasse<br />
Gespenster in den Gewölben der Bibliotheken herum. Um die literarische<br />
Wäsche von Sanssouci und Potsdam kümmert sich die Gegenwart ebenso<br />
wenig. Das Nibelungenlied ist trotz des geringschätzigen Urteils des<br />
königlichen Philosophen in den bessern Teil der Völker deutscher Zunge<br />
gedrungen, die Kämpfer der Befreiungskriege haben. sich an ihm gestärkt,<br />
wie einst die Marathon- und Thermophylen-Kämpfer an den Gesängen der<br />
Iliade, des einzigen ihm ebenbürtigen Nationalepos der Welt, sich begeistert<br />
und gestärkt haben mochten. Mit Recht sind die Völker deutscher Zunge<br />
stolz auf den gemeinsamen Nationalschatz, dieses grandiose Monument<br />
verschwundener Herrlichkeit und <strong>Ein</strong>heit des deutschen Volkes. Fortwährend<br />
wird es den edleren Teil der Jugend deutscher Zunge und deutscher Art<br />
begeistern und erwärmen, solange noch ein Rest von dem ursprünglichen<br />
Siegfriedtypus in ihm lebt."<br />
Nun kommt <strong>Plattner</strong> auf den Verein und die "Monat-Rosen" zu sprechen. Im<br />
Sommersemester war der "wackere Jenny" angekommen (er ist schon lange<br />
gestorben, bei einer Probe der Liedertafel in Luzern brach er plötzlich an<br />
einem Herzschlage zusammen. Der Verf.), und nun freuten sie sich von<br />
Monat zu Monat auf das Vereinsblatt, das damals im ersten Jahrgange war.<br />
"Hier gefallen sie (die "Monat-Rosen") im ganzen gut. Von anderer Seite<br />
hören wir verschiedenes. <strong>Ein</strong>igen haben sie zu wenig Feuer, andern zu wenig<br />
Lyrisches. Wer wollte in unsere kalten Zeiten auch beständig Feuer sprühen<br />
und Lava speien, selbst die Vulkane haben nur von Zeit zu Zeit Eruptionen....<br />
Respekt vor echter Lyrik, aber zu viel ist ungesund. Die Arbeit des Geistes<br />
und der Ideen möchte ich vor allem in schönen Formen ausgeprägt sehen."
- 8 -<br />
"Dedual in Mailand ist der Ansicht, man sollte im Blatte die wichtigsten<br />
Vereinsnachrichten nicht ganz vergessen, und zwar sowohl in betreff der<br />
Ehrenmitglieder als der Aktiven, die sich nicht selten die Prärogative zu<br />
nehmen scheinen, sich das ganze Jahr hindurch in Vereinssachen so ziemlich<br />
passiv zu verhalten. Die Ehrenmitglieder aus dem Prokrustesbette ihrer<br />
beruflichen Praxis in das Leben und Streben des Vereins hineinzuziehen, das<br />
kann nur durch das Vereinsorgan gelingen) und sollten auch manche durch<br />
das jugendliche Feuer nicht mehr zu beleben sein, so kann das Studium der<br />
Petrefaktenkunde an so ausgezeichneten Exemplaren die strebende Nachwelt<br />
nur fördern und belehren."<br />
So Pl. <strong>Plattner</strong> in seiner Prager Korrespondenz vom 21. Mai 1857. Was er<br />
schrieb, hat heute noch Geltung und sollte von allen Aktiv- und<br />
Ehrenmitgliedern sehr beherzigt werden. Die Prager Epistel war ein<br />
Musterbrief nach Inhalt und Form, geistvoll, gedankenreich, ein Prachtstück<br />
nach Kraft, Frische und Schwung der Sprache, überhaupt eine<br />
Korrespondenz (nicht ein Artikel), wie wir seither in den "Monat-Rosen"<br />
keine mehr gelesen. Wir sprechen ausdrücklich nur für unsere Person, wer es<br />
anders weiss, möge sich melden! Interessant ist es schon, dass<br />
S. 07: <strong>Plattner</strong> in betreff der "Monat-Rosen" und speziell ihrer Beziehung zu den<br />
Ehrenmitgliedern den ganz gleichen Standpunkt vertritt, wie in der Nummer<br />
vom Mai 1919 der "Protest" aus der östlichen Schweiz. Wir gehen nun in<br />
unserer literarischen Skizze weiter. Nachdem der Student "Philister"<br />
geworden, fanden die reichen Kenntnisse bald ihre Verwertung. Wir wollen<br />
nun zuerst den Rahmen zeichnen, innerhalb welchem die ausserordentlich<br />
rege Tätigkeit sich entfalten musste.<br />
Im Jahre 1859 kam <strong>Plattner</strong> als Professor nach Schwyz, 1860/61 wirkte er in<br />
gleicher Eigenschaft in Altstätten, 1862/63 in Zug, wo er Rektor der<br />
Kantonsschule wurde, von 1864-1870 in Chur als Professor und Vizerektor<br />
ebenfalls der Kantonsschule. Auch in der Politik traf <strong>Plattner</strong> schon früh auf,<br />
von 1859-1906 gehörte er dem Grossen Rate von Graubünden an, war öfter<br />
dessen Präsident, wurde 1873 und 1876 Regierungsstatthalter, 1877, 1878<br />
und 1884-1887 Regierungsrat, 1886 Präsident der Behörde, ferner gehörte er<br />
an dem Erziehungsrate, der Standeskommission, der<br />
Geschäftsprüfungskommission, als Suppleant dem Kantonsgerichte, dem
- 9 -<br />
Bankrate, von 1901-1917 der Erziehungskommission, war Präsident der<br />
eidgenössischen Schatzungskommission für Tessin und bekleidete Aemter<br />
für Kreis und Stadt Chur. Was brachten diese Chargen für eine Unsumme<br />
von Arbeit!<br />
Wir mussten diesen äussern Lebensgang streifen, denn jetzt wissen wir erst<br />
recht die literarischen Gaben zu schätzen, die Pl. <strong>Plattner</strong> neben diesen<br />
Berufsgeschäften uns noch geboten hat. Den Professor und Magistraten<br />
lassen wir ganz bei Seite und möchten nur den Literaten, den Jünger der<br />
Muse in wenigen Zügen unsern lieben Freunden vorführen.<br />
Wir greifen auf das Jahr 1859 zurück. <strong>Plattner</strong> ist am Kollegi in Schwyz, er<br />
wird wohl Philologie, Literatur und Geschichte doziert haben. Das ist<br />
übrigens irrelevant, zweifellos hatte er ein gerütteltes Mass von<br />
Unterrichtsstunden. Und nun beachten wir, was er nebstdem noch leistete:<br />
Der vielbeschäftigte Professor gab die Sammlung seiner Gedichte heraus:<br />
"Aus den Rhätischen Alpen", die "Alpenstimmen", redigierte den Jahrgang<br />
der "Monat-Rosen" und die damals ins Leben gerufenen "Schweizer - Blätter<br />
für Wissenschaft und Kunst", die bei A. Eberle in Schwyz erschienen. In<br />
Schwyz also hat <strong>Plattner</strong> die literarische Tätigkeit eröffnet, die Uebersetzung<br />
der "Vier Märtyrer von Rio", Innsbruck 1857, von der in Nr. 8 der "Monat-<br />
Rosen" 1857 die Rede ist, dürfen wir wohl übergehen.<br />
Zum ersten Bande der "Schweizerblätter" schrieb der Redaktor das<br />
"Vorwort", das zu einem herrlichen Programmartikel geworden ist. Wir<br />
S. 08: dürfen uns nicht versagen, aus diesem "Vorworte" die Hauptstellen<br />
mitzuteilen. Der Redaktor schreibt unter anderm: "Es wäre ohne Zweifel<br />
nichts weniger als zeitgemäss und es hiesse Wasser in Rhein und Eulen nach<br />
Athen tragen, wollte man durch ein neues Organ Hass, Neid, Zwietracht,<br />
Verleumdungssucht und wie alle die Nachtgespenster sich nennen, in unserer<br />
lieben. Eidgenossenschaft noch mehr schüren und verbreiten. Lassen wir<br />
diese Irrwische in den Niederungen und Sümpfen des Lebens, aus denen sie<br />
hervorgehen und wohin. sie gehören, den reinen Aether der Wissenschaft und<br />
Kunst sollen sie nicht trüben. So viel zur Beruhigung jener, die in den<br />
"Schweizerblättern" einen neuen Blasebalg zur Anfachung schlechter<br />
Parteileidenschaften befürchten zu müssen glaubten.
- 10 -<br />
"Gegen eines aber verwahren wir uns feierlich. Man verlange von uns keine<br />
Charakterlosigkeit, man deute es uns nicht als konfessionelle Gehässigkeit,<br />
wenn wir offen und redlich katholische Ansichten und katholische<br />
Lebensanschauung vertreten, man schreie nicht über Finsternis, wenn wir<br />
einen andern Standpunkt einnehmen, als den des modernen Industrialimus,<br />
Materialismus und Nihilismus, man verketzere uns nicht von rechts, wenn<br />
wir die wohlfeile, hausbackene und denkfaule Borniertheit gewisser Leute<br />
nicht teilen, man werde nicht ungehalten, wenn nicht jeder in jeder Nummer<br />
und in jedem Aufsatz der "Schweizerblätter" ein getreues Konterfei seines<br />
eigenen Geistes und seiner eigenen, im betreffenden Punkte vielleicht höchst<br />
unmassgeblichen Ansichten wieder findet.<br />
"Oder wenn man' "die süsse Gewohnheit" des Schreiens, Schimpfens,<br />
Verdächtigens durchaus nicht lassen kann, so fahre man unserthalben<br />
ungestört fort. Wir wollen den Lauf der Natur nicht hemmen und jedem die<br />
Stimme und den Ton lassen, womit Mutter Natur ihn bedacht. Nicht jeder<br />
Vogel ist eine Nachtigall und nicht in jeder Haut steckt ein Löwe. Die<br />
"Schweizerblätter" werden trotz der Naturstimmen von hüben und drüben<br />
ihren Weg gehen, einen Weg, wie er der Freiheit des Geistes, dem Ernst und<br />
der Würde der Wissenschaft geziemt.<br />
"Aber stecken denn keine politischen Gelüste dahinter? Will man nicht<br />
Generalmarsch schlagen und den Ultramontanismus in der Schweiz zur<br />
Sammlung rufen, damit er wie ein ungeheures, schwarzes, mittelalterliches<br />
Leichentuch oder gar wie ein Heer ägyptischer Heuschrecken eines schönen<br />
Morgens die ganze Schweiz und all das freie, eigentümliche Leben in ihr<br />
bedrohe und begrabe? Das wäre ohne Zweifel schrecklich, ungefähr ebenso<br />
schrecklich als das Knotennetz der Zentralisation in Verfassung, Verwaltung,<br />
Rechtspflege, Religion, im Unterrichtswesen<br />
S. 09: und in der Wissenschaft. Wir halten aber das erstere wie das letztere für<br />
Phantasmagorien erhitzter Köpfe, denen ein tieferer <strong>Ein</strong>blick in land und<br />
Leute und in die Geschichte unserer Eidgenossenschaft abgeht. Wo ist die<br />
grosse politische Wunderspinne, die das Fangnetz der Zentralisation von<br />
ihrer eigenen Leiblichkeit aus über die 22 Kantone der dreisprachigen,<br />
konfessionell zweispaltigen, von gewaltigen Gebirgen durchschnittenen und<br />
von jeher einem möglichst hohen Grade individueller und kantonaler Freiheit
- 11 -<br />
huldigenden Schweiz auszubreiten und sich behaglich in der Mitte zu halten<br />
vermöchte? Man mache sich keine Illusionen, die kleinen Spinnlein, deren<br />
Anzahl Legion ist und von denen sich jede ins Zentrum setzen möchte,<br />
werden dies nie dulden, und täten sie es, wer würde dafür bürgen, dass nicht<br />
heute oder morgen irgend ein Windstoss das ganze Gewebe zerreissen<br />
könnte?<br />
"Aber auch die Furcht vor dem schweizerischen Ultramontanismus, wie man<br />
ihn sich zu denken pflegt, ist eine Gespensterfurcht, die moderne, aller<br />
mittelalterlichen Gespensterseherei abholde Geister nicht mehr schrecken<br />
sollte. Freilich als Vogelscheuche und Baubau für das Volk lässt sich der<br />
"Ultramontanismus" noch immer recht gut brauchen, weshalb er von Zeit zu<br />
Zeit von den Nachtwächtern der öffentlichen Meinung die die Laternen ihrer<br />
Aufklärung vor sich hin tragen, auf ihre Nachtwächterpartisane gesteckt<br />
wird, um die alten und jungen Kinder damit zu schrecken. Der<br />
Ultramontanismus, den die "Schweizerblätter" vertreten und dessen<br />
wissenschaftliches Organ sie bilden werden, ist nichts Besseres und nichts<br />
Schlechteres und überhaupt gar nichts anderes, als der de facto seit<br />
Jahrhunderten bestehende und auch von der Bundesverfassung und allen<br />
Kantonsverfassungen gewährleistete Katholizismus, nicht ein Katholizismus,<br />
wie man ihn von gewisser Seite haben möchte, sondern wie er zu Recht und<br />
Tat besteht. Ausser diesem Katholizismus verfechten die "Schweizerblätter"<br />
keine besondern Nuancen katholischer Richtung oder Anschauung weder<br />
nach rechts noch nach links. Es bleibt vielmehr jedem Forscher die Freiheit<br />
individueller Anschauung innerhalb der bezeichneten Grenzen vollständig<br />
gewahrt. Auch wer ausschliesslich eine konfessionell theologische Zeitschrift<br />
erwarten zu dürfen glaubt, dem geben wir die Versicherung, dass er sich in<br />
seinen Erwartungen sehr getäuscht sehen wird, indem den<br />
"Schweizerblättern" mit Ausnahme der protestantisch konfessionellen<br />
Theologie das ganze ungeschmälerte Gebiet der Wissenschaft, insofern<br />
dasselbe für die Zwecke einer Zeitschrift sich eignet, unbehindert offenbleibt,<br />
die Natur- und Geschichtswissenschaften haben Zutritt so gut wie die<br />
abstrakten, die theologischen und philosophischen Doktrinen. Auf<br />
theologischem
- 12 -<br />
S. 10: Gebiete wird jede Art unnütz aufreizender und unwissenschaftlicher Polemik<br />
ferngehalten werden. Wir haben Besseres zu tun."<br />
Das sind die Hauptlinien des Programms. Wir haben die Stellen gebracht,<br />
nicht nur, um die grundsätzliche Richtung der Redaktion zu zeigen, sondern<br />
ebenso sehr dem Leser ein Beispiel zu geben von der Frische und Kraft,<br />
Gewandtheit und Originalität der <strong>Plattner</strong>'schen Prosa.<br />
Die gleichen Eigenschaften treten auch, ja sogar noch stärker, hervor in<br />
einigen Artikeln, welche die Redaktion im ersten Bande veröffentlicht hat,<br />
besonders in der "Poesie der Gegenwart" und im "Gang durch die Stoa".<br />
Erstere Arbeit gibt einen knappen Ueberblick über die Entwicklung der<br />
(damaligen) zeitgenössischen Literatur in allen zivilisierten Ländern Europas:<br />
Italien, Frankreich, Spanien, England und Deutschland.<br />
Es möge hier nur die Stelle über Frankreich folgen: "Die Franzosen, die wenn<br />
auch nicht a la tête de la civilisation stehend, doch an der Spitze der Kultur<br />
der romanischen Völker gedacht werden, haben die Poesie in der Tat wohl<br />
seit einem Jahrzehnt unter allerlei Schauer- und Spektakelspuk begraben. Die<br />
meisten ihrer romantischen Grössen, ein Lamartine, ein Viktor Hugo vor<br />
allen fristen ein trauriges, unpoetisches Dasein, Alfred de Musset, der geniale<br />
"Lausbub", wie ihn der geistesverwandte und ebenso liederliche H. Heine<br />
nannte, wurde früh ein Opfer seiner Ausschweifungen. Beranger, der<br />
leichtgeschürzte Chansonnier und populärste Dichter Frankreichs, wurde<br />
letztes Jahr unter polizeilicher Ehrenwache bestattet, nachdem er schon lange<br />
vorher für gut gefunden hatte, die Leier an den Nagel zu hängen. Selbst<br />
Eugen Sue, der grosse Garkoch ist von dem Schauplatz dieser Welt<br />
abgetreten, die er so lang mit Gestank erfüllte.<br />
"Die prickelnde unruhige Phantasie des leicht erregbaren Volkes lustwandelt<br />
gegenwärtig in wüstem Somnambulismus in den unheimlichen<br />
Schlupfwinkeln und Sackgassen des moralisch und ästhetisch Hässlichen.<br />
Die sozialen Zustände des Landes und namentlich der Hauptstadt er. klären<br />
diese Erscheinung hinlänglich. Suchen wir in der Gegenwart Poesie, so<br />
dürfen wir am allerwenigsten über dem Rhein und Jura nach ihr fragen, von<br />
der die auf Korruption gescheit spekulierenden Theater. stücke eines Dumas<br />
Sohn nach dem Geständnis selbst der berufensten Pariser Kritiker keine Spur<br />
an sich tragen, so vortrefflich sie auch in ihrer Mache sind."
- 13 -<br />
So das Urteil <strong>Plattner</strong>s über die damalige Poesie der Franzosen, heute würde<br />
es kaum anders lauten. Die Stelle gibt einen Begriff von dem<br />
S. 11: Schneid", dem Esprit und Schwung seines Stiles. Milder lautet das Urteil<br />
über Spanien, und prächtig ist die Charakteristik von A. Manzoni.<br />
Wir können auf England und Deutschland und den gedankentiefen "Gang<br />
durch die Stoa, nunmehr hinweisen. Wenn wir das alles neuerdings lesen,<br />
studieren und geniessen, müssen wir uns immer und immer wieder fragen:<br />
Wie war es möglich, in so wenig Jahren und bei so viel anderer Arbeit eine<br />
solche Beherrschung der alten und neuen Sprachen und eine solche Kenntnis<br />
ihrer Literatur und der Philosophie und Geschichte zu erlangen? Fast möchte<br />
man mit dem Geschicke hadern, dass dieser Mann von Kunst und<br />
Wissenschaft weg zur Politik überging, allein auch da vergass er die ersteren<br />
nicht und stellte doch, seinen ganzen Mann für das Leben und für das Wohl<br />
des Staates und Volkes. Statt durch Schrift, konnte er jetzt durch das<br />
lebendige Wort wirken im Ratssaale, in den Parlamenten, bei Festanlässen<br />
und was er da zu leisten vermochte, zeigte seine grossangelegte, gewaltige<br />
Festrede an der Calvenfeier im Mai 1899, die alle zu Begeisterung hinriss, als<br />
er das letzte Wort "Frei" dreimal mit steigender Kraft über das Haupt der<br />
Hörer weg an die Felsenwände des Calanda hindonnerte.<br />
Wir verlassen nun den Prosaiker, Wissenschafter und gehen zum eigentlichen<br />
Thema, zum Dichter über.<br />
Orator fit, poeta nascitur" - und Pl. <strong>Plattner</strong> war ein geborner Dichter, er hat<br />
den Pegasus auf allen Hauptgebieten der Poesie getummelt. er ist Lyriker,<br />
Epiker und Dramatiker. Wir nehmen die Reihenfolge nach der Bedeutung, in<br />
der der Meister zu unserem Vereine steht.<br />
I. Der Dramatiker.<br />
Pl. <strong>Plattner</strong> hat drei Schauspiele veröffentlicht: "Ulrich Wikard", "Johann<br />
Caldar" und "Rink von Baldenstein". Wir wollen die Stücke uns etwas näher<br />
ansehen.<br />
Alle drei Dramen sind über <strong>Ein</strong>en Grundton gestimmt, variieren das gleiche<br />
Thema, den Sieg von Wahrheit, Recht und Freiheit über Lüge, Willkür und<br />
Gewalt, aber gerade die Art der Durchführung dieses Gedankens bedingt die
- 14 -<br />
Spezialität des Stückes und zeigt den Künstler in richtigem Lichte. "Caldar"<br />
und "Rink" nehmen zum, Vorwurfe die Zustände von Gauen und Gebieten,<br />
eines ganzen Volkes, der "Ulrich Wikard" beschränkt sich auf die engem<br />
Verhältnisse einer Stadt, er erschien 1864 bei Friedrich Schulthess in Zürich,<br />
und spielt im Jahr 1278.<br />
<strong>Ein</strong>e liebliche Szene eröffnet den ersten Akt. Ulrich Wikard ist kürzlich von<br />
einer grossen Reise in die weite Welt, die er als Leiter eines Geschäftes<br />
S. 12: zur Ausbildung unternommen hatte, zurückgekehrt, hat dabei dem alten<br />
Freunde seines Vaters, dem Meier Elsener von Menzigen, einen Besuch<br />
gemacht und ihn als Gast in das Haus nach Zug eingeladen. Er traf da auch<br />
mit der Tochter Margaretha zusammen und wurde von der blühenden<br />
Erscheinung entzückt. Das erzählte er nun seiner Mutter Agnes, welche alles<br />
zum Empfang der Gäste in Ordnung bringen will, denn Ersterer ist<br />
entschlossen, wegen der ewigen Plackereien der Ritter von Wildenburg und<br />
Hünenberg sein Gut zu verlassen und sich als Bürger in Zug anzusiedeln.<br />
Zum Ueberfluss hat der alte Wolfhart von Wildenburg auch noch um die<br />
Hand Margarethas für seinen jüngern Sohn Brandolf angehalten, wurde aber<br />
"höflich, doch entschieden" abgewiesen. Die Wolken steigen in der Ferne<br />
sacht empor und neue sammeln sich.<br />
Die Gäste sind angekommen. Wie alle in heiterm Gespräche sind, wird<br />
Wikard durch einen Knecht rasch ins Geschäft abberufen, und was da sich<br />
ereignete, erzählt der Meister nach der Rückkehr selbst:<br />
"Im Schlachthaus stand der Knecht von Wildenburg,<br />
Der Schurke Kunz, und warf mit wildem Schelten<br />
Das Stück weg, das mein Altgesell ihm reichte,<br />
Da liess ich es dem Schufte wieder bringen.<br />
Er schreit und stösst es weg. "Was willst du denn?"<br />
Sag' ich. Er greift nach einem andern Stück,<br />
Bestellt von einem Bürger. ""Was Hallunke!"<br />
Heult er mich wütend an, "ich will dir zeigen,<br />
Was du zu tun! Das Schlechte gibst du mir<br />
Für meinen Herrn, das beste deinen Bürgern,<br />
Du weisst nicht was du schuldest, wem ich diene!"<br />
Dann höhnt er, mit der Rechten deutend:
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"Nimm Du dieses Hundeaas für deine Dirne<br />
Und für den alten Narren" deinen Gast<br />
Mir aber hau' hier ob!" Mir stieg die Wuth<br />
Krampfhaft in Brust und Kehl', ich fass' ein Beil<br />
Hui fliegt die Schneide in die Hand des Kerls<br />
Und blutend und verstümmelt schleicht er fort,<br />
Das Tor erfüllend mit den frechsten Flüchen."<br />
Die Tragik hat begonnen, gleichwohl geht Ulrich mit seinen Gästen auf die<br />
Burg, um den Wunsch der <strong>Ein</strong>bürgerung von Elsener beim kaiserlichen<br />
Amtmann Wem er anzumelden. Dieser wird unterdessen von dem Fronboten<br />
Schlupf, einem geriebenen Intriganten und Gauner gegen Ulrich und Elsener<br />
aufgestachelt, das Gesuch abzuweisen und Wikard zu verbannen. Das<br />
eingeträufelte Gift beginnt zu wirken. Der Amtmann fragt den Meier von<br />
Menzigen: "Erklärt Euch, was geschah mit Eure! Tochter?"<br />
S. 13: Margaretha.<br />
"Gestrenger Herr, o hört mich an, dann urteilt !<br />
Verfolgt, gehetzt, dem flücht'gen Wilde gleich,<br />
Verliessen wir den Berg, die alte Heimat.<br />
Im dichtesten Gehölz der Lorzenschlucht<br />
- Mit Fug gab ihr das Volk den Namen Hölle -<br />
Da, wo der enge Bergsteig zwischen Felsen<br />
Hinan sich windet, eilt ich meinem Vater<br />
In jugendlicher Rüstigkeit voraus<br />
Um ein paar Schritte, da begegnet mir<br />
Der Junker Brandolf von der Wildenburg<br />
Auf schmalem Pfad und tut, als wich er aus,<br />
Indem er auf den äussern Rand sich stellte.<br />
Er schaut um sich, und wie er niemand sieht,<br />
Versucht er's, mich auf seine Burg zu locken,<br />
Und da die Schmeichelworte nicht verfingen,<br />
Will mit Gewalt er meiner sich versichern,<br />
Ich aber stoss' ihn kräftig von mir weg.<br />
Er strauchelt, gleitet aus und stürzt den Abhang
- 16 -<br />
Hinunter in die Schlucht. Ob er nun tot,<br />
Ob nur verwundet, weiss ich nicht. Wir hörten<br />
Sein Schrei'n und Stöhnen aus der Tiefe noch<br />
Nun kam die Wurzeltrud vom Hünenberg<br />
Aus dem Gebüsch, des Wüstlings eigne Muhme.<br />
Sie billigte, was ich getan, dann stieg<br />
Auf meinen Rat sie in die Schlucht hinab,<br />
Um nachzusehen, wie er sich befinde.<br />
Unangefochten eilten wir dann weiter,<br />
Bis hinter uns das Tor der Stadt sich schloss."<br />
Der Amtmann will vorderhand freies Gastrecht gewähren, die Auslieferung<br />
Wikards an den Wildenburger wird verweigert, dagegen soll er auf zwanzig<br />
Jahre verbannt werden und an dessen Stelle tritt Werner als Bewerber um die<br />
Hand Margarethas.<br />
Die Luft ist nun mit Elektrizität geladen, das Gewitter muss losbrechen. Der<br />
Sohn Brandolf in den Abgrund gestürzt, der Knecht Kunz verstümmelt, die<br />
Auslieferung Wikards mit Hohn verweigert, das ist zu viel für die<br />
Wildenburger und Hünenberger. Es wird die Züchtigung der Stadt<br />
beschlossen.<br />
Da gibt es noch eine ergreifende Szene. Die Muhme Gertrud führt.! den<br />
verwundeten Brandolf herbei und fleht um Mitleid und ein bescheidenes<br />
Plätzchen in dem Ahnenschlosse. Die Bitte wird abgeschlagen, und \ nun<br />
müssen die Geschicke sich erfüllen:<br />
"Seid dann verflucht mit allen euren Plänen,<br />
Wie eine Schlange folg ich euren Fersen,<br />
Bis ihr, gleich mir, euch in dem Staube wälzt."<br />
Und die Gelegenheit zur Rache bietet sich, bald. Die Ritter haben ein Heer<br />
von tausend Mann gesammelt und liegen kaum eine Stunde von der<br />
S. 14: Stadt, um Mitternacht soll sie überrumpelt werden. Die Muhme hat den Plan<br />
gehört, sie geht zu Margaretha und verrät ihr alles:<br />
"Nun komm, ich will zum rohen Strauss dich gürten,<br />
Du kleidest dich in rauhes Kriegsgewand<br />
Und gehst zum Burgherrn mit der Schreckenskunde,<br />
Jetzt in der Nacht, er wird dich nicht erkennen.
- 17 -<br />
Auch stärkst du mich mit einem Nachtimbiss,<br />
Damit mein Flämmchen diese Nacht noch daure.<br />
Auf, lass uns keine Zeit verlieren, komm!<br />
Das Weitere sag ich dir bei unserm Werk."<br />
Margaretha geht sofort in später Nachtstunde zum Amtmann, aber ohne<br />
Verkleidung, um den Plan ihm mitzuteilen, doch nur unter der Bedingung,<br />
dass er den Gefangenen Ulrich Wikard freigebe. Darauf geht Werner nicht<br />
ein, im Gegenteil, auch Margarethas Vater, Elsener, wird in Fesseln<br />
herbeigeführt, "weil er die Bürger aufgewiegelt". Nun erheben sich die<br />
Bürger, im wilden Trubel gibt Margaretha Kunde von dem Racheplan der<br />
Ritter unter Führung von Wolfhart und Hünenberg, die schon im Walde von<br />
Steinhausen stehen. Werner ruft nun zu den Waffen und gibt den Elsener auf<br />
Bitten der Tochter frei.<br />
Der wilde Kampf hat begonnen, Elsener und Hunderte von Bürgern sind<br />
schon verwundet, viele gefallen, die Ritter stehen vor der Burg und auf den<br />
Mauem, in dieser Not werden endlich die Fesseln von Wikard gelöst, und der<br />
Held stürmt hinaus, die Streitaxt schwingend. Das Kriegsglück wendet sich,<br />
Wolfhart wird verwundet und schildert selbst den Kampf:<br />
So jagt kein Sturm die Wolken vor sich,<br />
Wie dieser Schlächter meine Scharen trieb.<br />
Errungen schien der Sieg, da speit die Hölle<br />
Dies Ungeheuer aus auf unsere Scharen!<br />
Dumpf brüllend, wie ein Bergstier stürzt er sich<br />
Mit wucht'ger Mordaxt auf die Ritterhelme.<br />
Und Wikard, Wikard! schallt's aus tausend Kehlen,<br />
Die Bürger nun entflammend, uns entgegen.<br />
<strong>Ein</strong> Knäuel trotz'gen Volkes stürmt ihm nach,<br />
Er wird sein Haupt, unwiderstehlich stürzt<br />
Mit der Lawine Wucht, er sich auf uns,<br />
Da war kein Halt mehr, alles Schreck und Flucht!<br />
Mir ward die Rüstung und der Jahre Last<br />
Verhängnisvoll. In wilden Tigersprüngen<br />
Ereilte mich das Ungetüm und streckte<br />
Rasch mit geschwungnem Blutbeil mich zu Boden."
- 18 -<br />
Der Kampf tobt weiter, Wolfhart ist an einen hohlen Baum gelehnt und<br />
beginnt zu phantasieren:<br />
"Der alte Traum! Das blondgelockte Haupt<br />
Mit blut'ger Wunde! Kommst du wieder! - Ha!<br />
S. 15: Wie er es schüttelt! - Wie die Augen glühen!<br />
Gertrud! Gertrud, dein schöngelockter Buhle,<br />
Gemordet einst - durch mich - er holt mich ab!<br />
Die Hochzeit kann beginnen, da sind Fackeln!<br />
Nun kommt auch die Muhme Gertrud zur Leiche:<br />
"Hi, Hi! Das ist ein Wandern, hier im Wald!<br />
Der Grund gerötet, wie ein Erdbeerschlag,<br />
Von blutigen, zerschlagnen Ritterleichen ! -<br />
Und Wildenburg, das Nest, durch mich in Flammen!<br />
Ich hab's erreicht, vollzogen ist mein Fluch!<br />
Nun, gute Ruh, ihr Herrn und schlaft in Frieden!<br />
Du Alter, auch? - Auch du im Staube? Hei!<br />
Der stolze Herr im Staub! - Sieh deine Muhme,<br />
Sie steht vor dir, du liegst zu ihren Füssen<br />
Und flehst sie stumm wohl um ein Obdach, Vetter,<br />
Nicht wahr, wie ich noch jüngst vor dir getan?<br />
Vergessen will ich mein verlornes Leben,<br />
Die Schmach und Not, die ich durch dich erduldet,<br />
Die tausend Tränen und den blut' gen Schmerz,<br />
Der meine Brust durchzuckte, bis Verzweiflung<br />
Und Elend seinen Stachel stumpf gemacht.<br />
Da nun der Ewige mit dir gerechnet,<br />
So lass mich kurz sein! - Diese dürre Hand<br />
Des Blutes Bande ehrend, drückt dir noch<br />
Die starren Augen zu, die lang genug<br />
Verachtung nur und Hohn auf mich geblitzt,<br />
Und nun, mein Herzensvetter, sind wir quitt!<br />
Noch einem Zweiten schuld' ich diesen Dienst.<br />
Da drüben liegt er, der von Hünenberg,<br />
Auch er in Blut und Staub, der stolze, Herr! -<br />
O Uebermut der Grossen, was bist du!"
- 19 -<br />
Gertrud tritt in den Hintergrund und belauscht nun das Zwiegespräch<br />
zwischen Werner und Schlupf, die angekommen. Der harte Kampf mit den<br />
Rittern ist aus, nun soll der Kampf um Margaretha beginnen. Der Schuft<br />
Schlupf hetzt seinen Meister, und sie gehen sofort ab auf die Burg, wo die<br />
Tochter bei ihrem verwundeten Vater wacht. In einem prächtigen Dialog<br />
beginnt nun die Auseinandersetzung zwischen Werner und Margaretha.<br />
Mitten im scharfen Gespräche tritt Ulrich ein und das Geschick ist<br />
entschieden, Werner knirscht nun an der Kette und<br />
"Das Recht, die Wahrheit und die Liebe siegt<br />
Und macht der Hölle finstre Kunst zuschanden."<br />
Der Hauptmann Steiner bringt noch Kunde von Rudolfs Sieg über Ottokar<br />
von Böhmen und übergibt Wikard den Freibrief des Kaisers:<br />
"In Zukunft führen Bürger hier das Amt,<br />
Die Zeit der fremden Junker ist vorbei."<br />
S. 16: Der Sieger gibt den Brief zurück und schliesst:<br />
"So seid uns alle tausendmal willkommen!<br />
Ihr sorgt nun für das Wohl der Vaterstadt,<br />
Mit deren Drängern ich den Kampf begonnen,<br />
Und ausgefochten, wie die Not gebot.<br />
Wohlan zum Rathaus nun, vor die Gemeinde<br />
Und dann zur Trauung und zu Festgelagen"!<br />
Wir haben den "Wikard" etwas ausführlicher skizziert, um wenigstens<br />
einigermassen einen <strong>Ein</strong>blick zu gewähren in den Gang der Handlung. Und<br />
das Stück hat Handlung, viel Handlung, und sie ist reich gegliedert in<br />
Aufzügen und Szenen, aber die Teile sind nicht locker und äusserlich<br />
aneinandergereiht, sondern hängen fest zusammen, entwickeln sich<br />
naturnotwendig aus den Charakteren' und der ganzen Situation. Es fehlt kein<br />
Glied und keines ist überflüssig, das Ganze ist nicht eine Kette, sondern ein<br />
Organismus, hat nicht nur Leib, äussere Gestalt, sondern auch Seele, wie die<br />
Personen Geist und Leben haben. Und wie scharf und bestimmt sind die<br />
Gestalten umrissen und gezeichnet, die hier über die "Bretter" schreiten! Die<br />
Junker in ihrem Stolz und Uebermut, der Elsener in seinem echten,<br />
schlichten, ernsten Bürgersinne, die Agnes, die gute, besorgte Mutter, der<br />
Schlupf, ein ganz geriebener Kerl, aber jeder Zoll ein Schuft und Gauner, der
- 20 -<br />
Werner in, seinem Hochmute, seiner Anmassung und seinem Dünkel, der<br />
von einem Fronboten sich 'einseifen lässt, daneben der jugendliche Held voll<br />
überschäumender Kraft, Ehr. und Rechtsgefühl, ein Vertreter der Freiheit, ein<br />
Mann der Tat und doch wieder von weichem Gemüte! Und endlich<br />
Margaretha, die edle Frauengestalt, begeistert für Wahrheit und Recht,<br />
energisch und doch immer klug und besonnen! Wie schaffen diese Personen<br />
zusammen eine Handlung, so reich gegliedert und mannigfaltig, und doch ein<br />
Ganzes, wie aus einem Gusse!<br />
Und welche Schönheiten finden wir im <strong>Ein</strong>zelnen! Wir möchten zunächst die<br />
Rolle des Wurzelweibes hervorheben. Sie ist eigentlich eine Welt für sich,<br />
ausgestossen aus der Gesellschaft, und doch ist sie mit dem Drama auf das<br />
innigste verwachsen. Sie wird psychologisch ganz von selbst zum Werkzeug<br />
der Rache und der Vergeltung. Sie verrät den Plan der Junker, die Schliche<br />
Werners und Schlupfs und opfert sich schliesslich beim Sturze Schlupfs, um<br />
Wikard das Tor zur Burg offen zu halten. Und wie angenehm berührt der<br />
versöhnende Zug im Monolog bei der Leiche Wolfharts:<br />
"Da nun der Ewige mit dir gerechnet,<br />
So lass mich kurz sein! - Diese dürre Hand,<br />
Des Blutes Bande ehrend, drückt dir noch<br />
Die starren Augen zu.<br />
O Uebermut der Grossen, was bist du"!<br />
S. 17: Unter den Dialogen möchten wir nur denjenigen zwischen Werner und<br />
Margaretha (4. Szene im 5. Akt) erwähnen. Er ist nach Inhalt und Form ein<br />
Kabinettstück, gross in der Anlage, gedankenreich, von feinster Psychologie<br />
und wunderbarer Schlagfertigkeit in der Sprache. Der Geist, den Werner hier<br />
entwickelt, geht fast über sein gewöhnliches Mass hinaus, doch auch hier<br />
mag gelten, was ein anderer Dichter sagt: "Der Mensch wächst mit seinen<br />
höhern Zielen", und der kaiserliche Amtmann hat hier das höchste sich<br />
gesetzt, aber die Partie verloren.<br />
Es liesse sich noch manch Schönes herauslesen und auch auf kleine Schatten<br />
wäre hinzuweisen, doch wir müssen vorwärts kommen, "Johann Caldar" und<br />
"Rink von Baldenstein" warten und dann erst noch der Epiker und Lyriker.<br />
Andere allgemeine Bemerkungen mögen bis an den Schluss dieser Abteilung<br />
verspart werden.
- 21 -<br />
Der "Johann Caldar" wurde 1852/53 in Disentis entworfen, in Prag<br />
umgearbeitet, in Schwyz nochmals gefeilt und dem Druck übergeben 1859,<br />
bei Benziger in <strong>Ein</strong>siedeln. Auch durch dieses Drama weht der Hauch der<br />
Freiheit, das Volk und seine Führer wollen den Druck der Ritter und Vögte<br />
nicht länger dulden, sie erheben sich, setzen der Gewalt Gewalt entgegen und<br />
einigen sich zuletzt zum "Grauen Bunde" bei dem Ahorn in Truns (1423/24).<br />
Die Vögte schalten und walten brutal in den Talschaften, und Wegelagerer<br />
machen die Strassen und Wege unsicher. Wackere Männer treffen sich in<br />
einer einsamen Sennhütte auf dem Berge und geben sich das Wort, den<br />
unerträglichen Druck zu brechen und dafür in allen Tälern Genossen zu<br />
werben, besonders auch den Johann Caldar in Schams. Er hat des Vogtes<br />
Rosse, die auf seinem Acker weideten, erschlagen und wird dafür in das<br />
Verliess der Burg Fardün geworfen. Es gelingt aber dem Abte von Disentis,<br />
den Gefesselten zu befreien, nicht durch gute Worte, sondern durch ein hohes<br />
Lösegeld, das war dem Vogt die Hauptsache.<br />
Nun kommen die Vertrauensmänner in einer stürmischen Nacht beim Ahorn<br />
in Truns zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Abt Pontaning<br />
beherrscht die Diskussion, mahnt in ernsten und bewegten Worten von der<br />
Revolution ab und rät zu einem friedlichen Vorgehen, zu einem Bündnis mit<br />
den Grafen und Freiherren, alle stimmen zu, und die Vertrauensmänner<br />
werden gewählt. Sie gehen auf die Schlösser, werden gut aufgenommen und<br />
haben Erfolg, nur Graf Heinrich von Werdenberg-Sargans lehnt trotzig ab<br />
und will die Bauern in Knechtschaft halten. Die Knappen stehen schon vor<br />
der Kirche in Andeer und wollen die mutigsten Männer zwingen, aus einem<br />
Trog zu essen und so dem<br />
S. 18: Graf zu huldigen. Der Vogt erscheint vor Caldars Haus, wo auf dem Platz ein<br />
Mahl bereitet ist für Gäste. Er spuckt auf's Gericht, aufschreiend:<br />
"Da friss, Trotzkopf, und lern' den Graf erst kennen!<br />
Die Tochter führst du mir zur Burg hinauf,<br />
Das Brautbett steht auf Bärenburg gerüstet.<br />
Die Habe wird dir aus dem Stall geführt!<br />
Als Bettler sollst von Tür zu Tür du wandern,<br />
Ich werde meine Hunde auf dich hetzen,<br />
Wenn hungernd um ein Stückchen Brot du flehst!
- 22 -<br />
Will seh'n, lässt sich dein Trotz nicht bändigen!"<br />
Das war viel zu viel für einen Caldar, der Stahl blitzte:<br />
"Dein Spott ist aus, die Unschuld wandelt sicher,<br />
Die Knechtschaft hat ein End', du fährst zur Hölle".<br />
Jetzt bricht der Sturm unwiderstehlich los, die Männer sind rasch gesammelt,<br />
angeführt von Rinkenberg und Caldar. Die Bärenburg wird bezwungen, der<br />
Graf- musste schwören, keine Burgen mehr zu bauen und keine Vögte zu<br />
setzen über Schams.<br />
So erging's dem übermütigen Werdenberger. Die andern Ritter waren klüger<br />
und liessen den Verstand an Stelle der Leidenschaft walten, der Bund in<br />
Truns wurde geschlossen und Freiheit, Ruhe und Zufriedenheit kehrten in das<br />
Land zurück.<br />
Das ist eine viel dürftigere Skizze als beim Wikard, und mit Absicht, denn<br />
jede Skizze kann doch nicht das Leben eines Stückes ersetzen und die<br />
Schönheiten desselben vorführen. Auch im "Caldar" sind wieder einig!<br />
prächtige Gestalten, vor allen der ernste, besonnene und kluge Landrichter<br />
Lombris, der feurige, ritterliche Christoph von Rinkenberg, der ehrwürdige,<br />
staatsmännische Abt von Disentis und der Held des Stückes Johann Caldar,<br />
von ihm gibt des Werdenbergers Vogt die beste Charakteristik:<br />
"Es scheint bedenklich mir, ihn freizulassen.<br />
Ich muss gesteh'n, ich fürchte ihn am meisten.<br />
Die trutzig finstern Züge, dies Glutauge,<br />
Die gramgefurchte Stirn, umnachtet von<br />
Verworrnem, dunklem Haar, die ganze hagre<br />
Gestalt und seines Wesens derbe Schroffheit:<br />
All das liess mich nie Gutes von ihm ahnen.<br />
Er denkt, nicht dumme Wut war's, was ihn trieb,<br />
die edeln Rosse mir dahin zu schlachten,<br />
Es war bewusster, langgenährter Groll.<br />
Er redet wenig, denkt und brütet immer,<br />
Und den Gedanken, den er aufgenommen,<br />
Wirft er nicht leichtlich wieder weg: er hegt<br />
Ihn, lässt mit tausend zähen Wurzeln ihn<br />
In seiner Seele sich befestigen,
- 23 -<br />
Und reisst ihn nicht aus, eh' er Tat geworden.<br />
Derartige Naturen sind gefährlich."<br />
S. 19: Das ist der Caldar, wie er im Drama leibt und lebt, redet und - handelt. Und<br />
wenn nun der Vogt seinen Gefangenen trotzdem freigibt, so müssen wir uns<br />
nicht wundem, der Dichter begeht keine psychologische Inkonsequenz. Auch<br />
der Abt Pontaning schätzt den Pappenneimer richtig ein, wenn er sofort nach<br />
Fardün reist, um den Caldar frei zu machen. Der Würdeträger redete ja gar<br />
schön, aber er wusste, dass nur ein goldener Schlüssel die Pforte des<br />
Verliesses von Fardün öffnen werde. Die Habsucht siegte über die Klugheit.<br />
Die Person des Abtes ist von <strong>Plattner</strong> mit besonderer Liebe und Sorgfalt<br />
gezeichnet, es mag dabei wohl etwas das Dankgefühl gegen den früheren<br />
Studienort mitgewirkt haben. Pontaning geniesst das unbegrenzte Vertrauen<br />
des Volkes, und der Führer verdient es auch, denn er hat Verständnis für die<br />
Leiden des Landes:<br />
O wäre es mir vergönnt, so wie ich wollte,<br />
Den tausendfachen Schrei der Not zu stillen,<br />
Der durch die Täler dieses Landes hallt!<br />
Das arme Volk, wie's unterm Drucke schmachtet<br />
Der üpp'gen Herren, die sein Mark verzehren,<br />
Und vom Schweisse' seiner Hände schwelgen!<br />
Wie manchem Hirten raubt man seine Habe,<br />
Wie manchem Landmann seines Ackers Frucht!<br />
In Not und Hunger lässt man seine Kinder<br />
Zurück durch all die langen Wintermonde,<br />
Die rauh und streng auf unsrer Gegend lasten!<br />
Von Raub und Mord und Todschlag ist das Land erfüllt,<br />
Kein Weg und keine Strass' ist sicher,<br />
Ins Innerste der Häuser dringt der Frevel,<br />
Das Heiligtum der reinen Sitte schändend,<br />
Und über an den innern Wehn des Landes<br />
Droh'n noch Gefahren ihm von aussen her...<br />
So steht's um uns, doch wenige kümmert dies.<br />
In grenzenloser Blindheit lebt der Adel,<br />
Gefangen von der Lust des Augenblicks,
- 24 -<br />
Die ihm die Sinne so betört,<br />
Dass er den Abgrund nicht gewahrt, vor dem er steht.<br />
Dies alles schaut mein Blick und kann's nicht wenden!<br />
Allmächtiger, der du die Herzen lenkst,<br />
In dessen Hand der Völker Lose ruh'n,<br />
Reiss weg die Binde von dem Aug' der Herren,<br />
Gibt ihnen Sinn für Recht, Gesetz und Pflicht!<br />
Und hören sie, verstockt, nicht auf dein Mahnen,<br />
So schleudre deine Blitze über sie,<br />
Und gib dem Volke Rettung und Befreiung"!<br />
Auch auf der ersten Vertrauensmänner-Versammlung in Truns führt der Abt<br />
das entscheidende Wort, wie wir schon in der Skizze hervorhoben,<br />
S. 20: und Alle - horchen auf seinen klugen Rat. Was der würdige Abt spricht, ist<br />
wie auf unsere Zeit zugeschnitten:<br />
"Auch zur Empörung könnt ihr euch entschliessen?<br />
Ihr schreckt vor offnem Aufruhr nicht zurück?<br />
Die hergebrachten Bande wollt ihr brechen,<br />
Und mit Unrecht auch das Recht zerstören?<br />
Stets ruht ein schwerer Fluch auf solchem Trachten,<br />
Denn 's ist ein Frevel an der Ordnung Gottes,<br />
Die er den Völkern und dem Weltall setzte.<br />
Wer einmal diese heil' gen Bande hat zerrissen,<br />
Der strebt umsonst, sie wieder festzuknüpfen.<br />
Hinausgeschleudert aus der Ordnung Fugen,<br />
Erfasst ein toller Schwindel stets die Völker,<br />
Bis in das eigne Herzen den Dolch sie bohren<br />
Ihr wollt nur Recht und Ordnung, die Empörung<br />
Ist eurem graden Sinn verhasst, sie ist<br />
<strong>Ein</strong> schwarzes, unglückschwangeres Schicksal,<br />
Der Hölle tiefstem Jammerpfuhl entstiegen,<br />
Schuld oder Unschuld, beides gilt ihr gleich,<br />
Die Geissel der Zerstörung rastlos schwingend,<br />
Eilt sie ein fluchbeladen Weib von Land zu Land,<br />
Der Leidenschaften gier'ge Horde
- 25 -<br />
Als grässliches Gefolge, mit, sich, führend,<br />
Reisst sie die gottgesetzten Schranken nieder<br />
Und öffnet jenen Schrecklichen die Tore<br />
Zu jedem Heiligtum, dass sie es schänden<br />
Und der Verwüstung Greuel drin verbreiten.<br />
Flieht! flieht drum die Empörung wie die Pest!<br />
Es lebt ein Gott, der wägt der Völker Schicksal<br />
Und streckt die Hand aus über die Tyrannen.<br />
Er spricht zum Trotz: Bis hierher und nicht weiter!<br />
Er hat den Frevler immer noch erreicht"<br />
Dazumal horchten die Volksführer noch auf diese ernsten Worte des<br />
würdigen Abtes, heutzutage wären sie in den Wind gesprochen, wie die<br />
Mahnungen und Bitten des Papstes, nicht bei allen, aber bei den<br />
massgebenden Führern der sozialen und der Weltbewegungen.<br />
Es liegt ein ausserordentlich hoher Ernst über dem "Caldar" wie über dem<br />
"Wikard", und darum war es schön und gut, dass der Dichter auch im<br />
Bündner Freiheitskampfe ein Liebesidyll eingeschaltet hat, Christoph von<br />
Rinkenberg und Caldars Tochter Viktoria, eine Idylle, die über da Stück<br />
einen lieblichen Zauber verbreitet.<br />
Noch einen glücklichen Griff dürfen wir nicht unerwähnt lassen Wegelagerer<br />
haben durch Misshandlung Rinkenbergs und Lombris, de unmittelbaren<br />
Anstoss zur Volksbewegung gegeben, und gegen de Schluss treten diese<br />
schlimmen Gesellen wieder auf. <strong>Ein</strong>e Bande Freibeuter treibt sich im Wald<br />
von Truns herum in der Sturmesnacht, da die Delegierten sich beim Ahorn<br />
versammeln wollen. <strong>Ein</strong>e prächtige Szene<br />
S. 21: diese unheimlichen Gestalten in der schaurigen Nacht, die Flibustier, die auf<br />
ihre Opfer lauern, ihre Reden passen zu den Mordgesellen.<br />
Zweiter: 's ist eine Torheit, hier herumzuschweifen<br />
In dieser wilden Nacht, horcht, wie der Sturm<br />
Tobt, wie die hundertjährigen Tannen er<br />
Gewaltig aneinanderschlägt, Uhu's<br />
Und Eulen flattern schwirrend und gespenstisch<br />
Von Ast zu Ast.., der Teufel hol' dies Treiben!
- 26 -<br />
Erster: Dir graut schon, Kerl, vor einer leeren Sturmnacht,<br />
Dein weiches Hirn steckt noch voll Ammenmärchen,<br />
Pfui, Milchbart, alle Schmach und Schand' auf dich!<br />
In meiner Schule sollst du anders werden,<br />
Es wird dich die Gewohnheit so abstumpfen,<br />
Dass rauben, plündern, morden nach und nach<br />
Dein liebstes Handwerk. wird und deine Leiblust.<br />
Zweiter: Horcht! horcht in der Ferne!<br />
Vierter: Hört ihr von ferne das grässliche Gebelle,<br />
Als käm's von tausend Hunden? horcht! wau! wau!<br />
Es scheinet aus der Luft zu kommen.<br />
Erster: Ha! Das ist der Geisterritt des Kropfensteiners,<br />
Der war mein Vorfahr' und ein Mordgeselle!<br />
Das ist kein gutes Zeichen, der erscheint<br />
Nicht jede Nacht. Das deutet auf ein Unglück,<br />
Oder auf ein gross' Ereignis in dem Land.<br />
Zweiter: Hu! Hu, es naht<br />
Dritter: Wie schrecklich! und sein Zug mit ihm!<br />
Vierter: Seht! seht! sie kommen,<br />
Zweiter: O! wie er<br />
Die grauen Locken schüttelt, auf dem Schimmel<br />
Festsitzend! ha! er nickt als wollt' er<br />
Was sagen..... bleibe fern uns, Alter 's ist<br />
Vorüber!<br />
Dritter: Himmelsmächte, seid gelobt!<br />
Vierter: Seht ihr gen Ost die Wolken blutigrot?<br />
Ha! schauet dort nach Obersaxen hin!<br />
Zweiter: Wie lohe Flammenwirbel, eingehüllt<br />
In schwarzem Qualm, gepeitscht vom heulenden<br />
Windstoss, sich in die dunkeln Lüfte recken!<br />
Erster: Bei Gott, das ist des Saxersteiners Burg!<br />
Das wird das Zeichen sein zum Aufruhr gegen<br />
Die Ritter. Fort, fort von hier! <strong>Ein</strong> jeder suche<br />
Vorm Volk in seiner Burg sich Schutz, so gut<br />
Es geht, fort, fort! Auf besseres Wiedersehn!"
- 27 -<br />
Das ist eine Szene von packender Kraft. Die Freibeuter gehen ab und nun<br />
rückt Caldar mit seinen Mannen auf. Auch diese hat die Schauernacht<br />
erschreckt. Fluri gibt der Stimmung Ausdruck:<br />
"Solch eine Nacht hab' ich noch nie erlebt,<br />
Die Haare stiegen mir zu Berg, als ich<br />
Den Lärm der tollen Geisternacht vernommen,<br />
Und sah, wie der Gespensterzug hinsauste.<br />
S. 22: Von Fels zu Fels, die Schluchten überspringend,<br />
Und wie die Windsbraut durch die Fichten rasend.<br />
Aus welcher Zeit mag sich die Jagd herschreiben?<br />
Caldar: Man sagt, sie sei uralt, die ältsten Männer<br />
Des Tals behaupten, dass schon ihre Väter<br />
Davon erzählt als wie von einer alten<br />
Und altbekannten Sache. Die Geschichte<br />
Ist folgende: Es war ein Ritter auf<br />
Dem Schlosse Kropfenstein, das hinter Ilanz<br />
Bei Ruis in dem grauen Felsgeklüfte<br />
Gleich einem Geierneste hängt. Der Ritter<br />
War grausam und des ganzen Tales Schrecken,<br />
Der Landmann zitterte auf seinem Acker,<br />
Wenn er von seiner Burg geritten kam,<br />
Der Hirte trieb die Rinder in den Stall,<br />
Wenn seine Knappen in dem Tal sich zeigten,<br />
Die Weiber floh'n ins Innerste der Häuser,<br />
Wenn das Gesinde durch die Dörfer zog,<br />
Er übte alle Gräuel ungestraft,<br />
Das Land verwüstend bis nach Truns hinein,<br />
Kein Wandrer war auf offner Strasse sicher,<br />
Dem Kaufmann nahm er seine Waren weg,<br />
Und plagte selbst den frommen Pilgersmann.<br />
Doch wie der Tod den alten Frevler traf,<br />
Blieb die verdiente Strafe ihm nicht aus.<br />
Seither erscheint er in Gewitternächten,<br />
Und macht mit dem Gefolg' die Rund ums Tal
- 28 -<br />
Zum ew'gen Zeichen der verübten Frevel."<br />
Mit feinem Gefühl hat der Dichter diese Volkssage und den Brand von<br />
Obersaxen im richtigen Momente verwendet, um die frechen und feigen<br />
Wegelagerer zu erschrecken und zu vertreiben. Wir wollen nicht verhehlen,<br />
dass der "Caldar" auch Partien hat, Situationen, Wendungen, Ausdrücke, die<br />
wohl mancher anders' wünschet möchte. Die Kleinigkeiten verschwinden<br />
aber neben dem vielen Grossen, darum mögen sie unerörtert bleiben. Nur ein<br />
Vorwurf soll' uns noch beschäftigen.<br />
Es wurde schon beim Erscheinen des "Caldar" bemerkt, er lehne zu sehr an<br />
Schillers "Teil" an, "die Nachahmung steche zu sehr hervor, als dass sie dem<br />
Interesse desselben keinen bedeutenden Abbruch tun sollte" und Dr. Jenny<br />
schreibt (S. 89), das Schauspiel sei "nicht ganz frei von einer geschickten<br />
Anlehnungen an Schillers "Tell"." In der ersten Fassung muss das Urteil<br />
entschieden abgelehnt werden, in der zweiten Fassung lässt sich darüber<br />
reden.<br />
Vorab darf sich <strong>Plattner</strong> eigentlich nur freuen, wenn sein "Caldar" mit dem<br />
"Tell" ernsthaft in Parallele gestellt wird, das ist wahrscheinlich mehr, als er<br />
geahnt oder gewünscht hat.<br />
S. 23: Wir sind nicht so beschränkt, zu leugnen, dass bei einzelnen Partien gewisse<br />
Reminiszenzen im Leser aufsteigen, das ist aber beim verwandten Thema<br />
und verwandten Situationen so einfach Und natürlich, dass sich nur Nörgeler<br />
darüber aufhalten können. Dann dürfen wir nicht vergessen, in welcher Zeit<br />
das Schauspiel entstanden ist: <strong>Plattner</strong> schrieb es mit 18 Jahren, arbeitete es<br />
fünf Jahre später aus und in nochmals zwei Jahren kam es in Druck. Es wäre<br />
mit Wundern zugegangen, wenn da nicht ein Hauch vom "Tell" über dem<br />
Dichter geschwebt hätte, aber das ist noch lange nicht eine "starke<br />
Anlehnung". Der Grundgedanke: die Befreiung des Volkes von der Tyrannei<br />
der Ritter und Vögte ist der gleiche, die Ausführung aber und die handelnden<br />
Personen sind himmelweit verschieden, der Caldar ist aus ganz anderm, Holz<br />
geschnitzt als der Tell, Lombris ist kein Walter Fürst, Rinkenberg kein<br />
Melchtal und kein Rudenz, ein Seitenstück zum Stauffacher gibt es unter den<br />
Laien bei <strong>Plattner</strong> nicht, die Viktoria und Bertha sind grundverschiedene<br />
Charaktere und ebenso die Gattinnen Elsbeth und Gertrud. Die Frau Caldars<br />
nimmt selbstverständlich auch innigen Anteil am Schicksal ihres Mannes,
- 29 -<br />
aber sie übt auf denselben keinen <strong>Ein</strong>fluss, wie "des edlen Ibergs Tochter",<br />
sie spricht auch nicht den feinen epischen Stil wie diese, sondern das<br />
schlichte, einfache Bündnerdeutsch. Und wenn Teil nach dem Tode Gesslers<br />
sagt:<br />
"Frei sind die Hütten, sicher ist die Unschuld vor dir, du wirst dem Lande<br />
nicht mehr schaden", - Caldar aber nach dem Tode des Vogtes:<br />
"Dein Spott ist aus, die Unschuld wandelt sicher, die Knechtschaft hat ein<br />
End", so möchten wir doch fragen: darf oder vielmehr muss man ganz<br />
gleiche Wirkungen nicht mit ähnlichen Worten oder Wendungen<br />
ausdrücken? Und wer das tut, ist der ein Plagiator? Sicher nicht!<br />
Vielleicht lassen sich in den grossen Szenen vom Rütli und von Truns<br />
Anklänge finden? Wir konnten bei den bisher genannten Personen nichts<br />
entdecken, auch zwischen Rösselmann. und Abt Pontaning nicht. Der Pfarrer<br />
hätte bei Schiller eigentlich auch wegbleiben können, im "Caldar" gehört der<br />
Abt ipso facto zur Versammlung und ist ihr Haupt als Vorstand des Klosters,<br />
als Machtfaktor. Als solcher leitet er die Versammlung, als Politiker, als<br />
Staatsmann. Pontaning spricht auch als Theologe und redet den Männern ans<br />
Herz, aber Caldar und selbst Richter Lombris erlauben sich da Bemerkungen,<br />
ganz anders ist die Stimmung, wenn der Politiker spricht, zur <strong>Ein</strong>tracht und<br />
zum Bunde mahnt:<br />
"Denn glaubt mir's, bald wird's harte Zeiten geben,<br />
Wo wackere Führer unser Land bedarf,<br />
Um äusserer Feinde Andrang abzuwehren.<br />
S. 24: Der Churer Bischof, Herr Abundi Naso,<br />
Hat sich mit Oesterreich geheim verbündet,<br />
Der Graf von Werdenberg-Sargans will Land<br />
Und Leut' dem Herzog Friederich verpfänden,<br />
Ganz Rhätien will man österreichisch haben,<br />
Was man an Limmat, Aar und Reuss verlor,<br />
Das möcht' am obern Rheine man gewinnen."<br />
Das schlug ein, auf den Politiker und Diplomaten horchten die Volksführer<br />
noch mehr als auf den Theologen. Der Abt von Disentis kann mit Pfarrer<br />
Rösselmann nicht in Vergleich gesetzt werden. Es ist auch ganz einseitig und<br />
darum viel zu wenig, wenn man dem Würdenträger nur das Prädikat
- 30 -<br />
"ehrlich" gibt, er ist eben noch viel mehr, er ist ein klarer um kluger Kopf<br />
und ein gewiegter Diplomat, welcher die Regungen der Volksseele kennt und<br />
die Schliche der Feinde durchschaut.<br />
Die "Schwüre" vom Rütli und Truns haben allerdings Aehnlichkeit nicht der<br />
Form, aber dem Inhalte nach und überhaupt schon durch die Tatsache. Aber<br />
die Stiftung des "Grauen Bundes" unter dem Ahorn von Truns ist eben<br />
historisch und konnte vom Dichter einfach nicht umgangen werden. Das ist<br />
keine "Anlehnung an den Tell", sondern eine Anlehnung an die - Geschichte,<br />
da gibt's nur eine Freiheit in der Gestaltung, und diese hat der Dichter des<br />
"Caldar" vollständig gewahrt.<br />
Es bleibt noch ein Letztes: Vielleicht kommt einer und stellt Pontaning mit<br />
Stauffacher in Parallele, Die Redeführung und Beherrschung der Diskussion<br />
geben hiezu einen Schein der Berechtigung, aber bei näherer Betrachtung<br />
fällt der Entscheid sicher nicht zu Ungunsten vor <strong>Plattner</strong> aus. Der Abt von<br />
Disentis und der gewandte Herr von Steinen in dem schönen Hause an der<br />
Landstrasse nach Schwyz sind beide Historiker, Politiker, staatsmännische<br />
Köpfe und feine Psychologen, aber wie ist der "Delegierte" vom Strande der<br />
Muota zu seinem Wissen, zu all seinen Kenntnissen gekommen? Wir dürfen<br />
doch diese Frage stellen und am Ende auch die Antwort geben: Ja, diese<br />
Gestalt in dem herrlicher Drama hat der Dichter konstruiert, geschaffen und<br />
auf das Piedestal gehoben. Nicht so jedoch der Abt von Disentis. Als<br />
Vorsteher des Klosters hat er ein höheres Mass von Bildung voraus und<br />
daneben noch die Bibliothek, Regesten und - Archivare zur Verfügung. Mit<br />
andern Worten: Abt Pontaning ist, wie schon oben bemerkt, eine scharf<br />
umrissene, durch die Verhältnisse gegebene Persönlichkeit, hingegen den<br />
wackern Volksmann von Steinen stellt uns der Sänger von Marbach vor. Wir<br />
betonen darum nochmals: Abt Pontaning in <strong>Plattner</strong>s "Caldar" hat den<br />
Vergleich mit dem Stauffacher in Schillers "Tell" gar nicht zu scheuen.<br />
S. 25: Wir haben nicht die Aufgabe, Pl. <strong>Plattner</strong> auf der Leiter der Ehre und des<br />
Ruhmes um einige Sprossen höher hinaufzurücken, als ihm gebührt,<br />
hingegen soll er auch nicht unnötig hinabgedrückt werden. Wir wissen recht<br />
gut, der <strong>Veteran</strong> am Fusse des Calanda ist kein Schiller, und er will es auch<br />
nicht sein, und sein "Caldar" und sein "Rink" sind kein "Tell", es sind eben<br />
Bündnerische Volksstücke voll Kraft und Frische, voll Begeisterung für
- 31 -<br />
Recht und Freiheit in echt dramatischem Stile, und als solche behalten sie<br />
ihren bleibenden Wert.<br />
Wir haben den "Tell" wieder und wieder gelesen und uns an seiner ewigen<br />
Jugendfrische und seinem unvergänglichen Zauber erlabt und erquickt, aber<br />
auch der "Caldar" und der "Rink" haben uns hohen Genuss und ungetrübte<br />
Freude bereitet.<br />
Je tiefer wir in unsere Materie hineinkommen, desto mehr fühlen wir, wie<br />
unendlich schwer es ist, die Schönheiten eines Dramas den Lesern<br />
vorzuführen, ohne auch gar zu breit und damit lästig zu werden. Bei<br />
Gedichten ist das anders, dort kann man einzelne Stücke als Muster<br />
vorführen, das Schauspiel aber ist ein Ganzes, ein Organismus ein Baum, und<br />
wenn ich schon einige Zweige, Aeste, Blüten, Früchte, sogar das Gerippe<br />
habe, so ist das eben noch nicht der Baum in seiner Vollendung, in seinem<br />
Bilde, seiner Form und Schönheit. <strong>Ein</strong> ganzes Drama können wir aber in den<br />
"Monat-Rosen" nicht zum Abdrucke bringen, drum mögen die Notbehelfe<br />
weiter funktionieren.<br />
Wir kommen zum "Rink von Baldenstein", welcher im Jahr 1888/89<br />
geschrieben wurde und welcher im Jahr 1892 bei Jul. Rich in Chur in zweiter<br />
Auflage erschien. Der "Rink" zeigt uns den Verfasser auf der vollen Höhe<br />
des dichterischen Schaffens nach Aufbau und Durchführung, nach<br />
Charakteristik und Dialog, nach Gedanken fülle und Sprachgewalt.<br />
Die Handlung fällt ins Jahr 1450/51 und schliesst sich eng an den "Caldar"<br />
an, spielt doch der grosse Volksmann auch in diesem Drama wieder eine<br />
bedeutende Rolle und wird zum Opfer in dem Kampf um Recht.<br />
Wir erinnern hier an die Stiftung des "Grauen Bundes". Die Werdenberger<br />
wollten nichts davon wissen und dem Volke keine Freiheiten gewähren. Der<br />
Vater Heinrich war gestorben und hinterliess als Erben die zwei Söhne<br />
Wilhelm und Georg. Dem letztern vermachte der Bistumsverweser und<br />
Fürstbischof von Konstanz, Freiheit von Heven, des Stiftes Lehen, Tomils<br />
und Vatz, die Grafschaft Schams und Rheinwald, mit Land und Leuten,<br />
Burgen und Gerichten. Es geschah das in einer grossen<br />
Notabelnversammlung, durch die die politischen Verhältnisse neu geordnet<br />
werden sollten. An derselben nahmen unter andern noch
- 32 -<br />
S. 26: teil der Baron von Rhäzüns, Rink von Baldenstein, Caldar, Hosang und der<br />
Graf von Rechberg. Es entwickelte sich eine grosse und gereizte Diskussion,<br />
doch eine <strong>Ein</strong>igung konnte nicht erzielt werden. Caldar und Hosang wollen<br />
den durch den Grauen Bund geschaffenen Zustand erhalten, Rink und Räzüns<br />
raten auch energisch zu dieser Lösung, Hewen, Jörg Werdenberg und<br />
besonders sein Schwager Rechberg dringen ebenso entschieden auf<br />
Wiederherstellung der frühern Ordnung:<br />
Jörg: "Ihr ruft nach Recht, auf Mannszucht dringen wir.<br />
Mein Schwager Rechberg wird an meiner Statt<br />
Der Grafschaft Schams und meiner Rechte walten."<br />
Rink: Mein Graf, Ihr wolltet? Nie und nimmer! - Nein,<br />
Ihr schickt uns euern Schwager nicht nach Schams!<br />
Jörg: Was hindert mich daran?<br />
Rink: Die Klugheit, Graf!<br />
Ihr giesst nicht Gift in eine alte Wunde.<br />
Jörg: Mit Eisen nur lässt sich der Schaden heilen.<br />
Rink: Durch euern Schwager? Glaubt Ihr das, mein Graf?<br />
Anna (Freiin von Räzüns): Ihr wollt es?<br />
Jörg: Ja.<br />
Anna: Ihr dürft es nicht, mein Vetter!<br />
(Zu Hewen) Verzeiht mir Fürst, dass ich das Wort ergriff,<br />
<strong>Ein</strong> Mädchen, hier im Kreis erfahrner Männer!<br />
Mich drängt mein Herz und der Entschluss des Grafen.<br />
Hans Rechberg ist ein jäher Mann, voll Trotz,<br />
Als Feldhauptmann der Zürcher war er immer<br />
Der Eidgenossen bittrer Feind und steht<br />
In schlimmer Nachred' bei dem ganzen Volk,<br />
Den Heereszug der Schaaren Armagnac's,<br />
Das Unglück an der Birs legt's ihm zur Last,<br />
Der Name Rechberg heisst so viel als Sturm,<br />
Als Raub und Totschlag, Brand und Plünderung.<br />
Der Bischof Rechberg ward von hier vertrieben,<br />
Es weiss das Volk, dass Ihr auf Rache sinnt,<br />
Ich sag' Euch das ins Angesicht, Herr Rechberg!<br />
Ihr kennt die Männer unserer Berge schlecht.
- 33 -<br />
Herr Graf, Ihr schickt den Schwager nicht nach Schams!<br />
Nun ergreift Rink zu einer ruhigen Auseinandersetzung das Wort:<br />
Zahllose Fehden, die das Land zerfleischt,<br />
Zerstörten das Vertrauen in die Lenker<br />
Und zwingen unser Volk, sich selbst zu helfen.<br />
Mit heil'gen Eiden haben die Gemeinden<br />
Von Tal zu Tal sich Schutz und Schirm geholt.<br />
Die Herren billigten die Bünde meist,<br />
Die Macht liegt nun bei diesen, nicht bei euch.<br />
Werft eure Blicke rings in alle Lande!<br />
Das alte Recht, die alten Formen fallen.<br />
Die Fürsten dort, und hier die freien Städte,<br />
Und weite Lande in geschloss'nen Bünden!<br />
Nach Landeshoheit geht ihr ganzes Streben!<br />
S. 27: Auch Rhätiens Bünde sind nicht mehr zu trennen.<br />
Schliesst euch als ihre Häupter an den Fürsten,<br />
Verzichtet auf das alte Fehderecht,<br />
Gelobt euch gleiches Recht und gleichen Frieden.<br />
Und schützt die Schwachen gegen Ungebühr,<br />
Beratet euch in ernsten Landessachen<br />
Mit den Vertretern der Gerichtsgemeinden!<br />
So schirmt ihr euch, das Stift, das ganze Volk,<br />
Mehrt euern Ruhm, wie eures Landes Ehre.<br />
Mein edler Herr, ihr jungen Grafe alle,<br />
In eure Hände ist dies Werk gelegt,<br />
Dies ist der Stern, der eurer Zukunft leuchtet,<br />
Ich rat' euch treu, wie ein Vasall es soll.<br />
Rechberg: Ihr ratet, wie ein Schwärmer und Phantast,<br />
Wenn ich nicht sagen soll, wie ein Verräter!<br />
Rink: Verräter! Dieses Wort nehmt Ihr zurück!<br />
Rechberg: Das Wort ist Wort. Viel schlimmer ist die Sache.<br />
Rink: Verräterischer Ueberfall wehrloser Leute,<br />
Im Schutz der Nacht, war meine Sache nie,<br />
Rheinfeldens Schmach, der Schimpf von Brugg, ist Euer.
- 34 -<br />
Ihr rieft, zur Schande für den deutschen Namen,<br />
Den Auswurf Frankreichs. in ein deutsches Land!<br />
Rechberg: Zum Henker, Rink, mit Euren Zukunftsträumen!<br />
Es gilt, ein Unrecht hier im Land zu sühnen,<br />
Es gilt zu zeigen, ob der Bauer Herr<br />
Und ob der Herr zum Knecht herabgesunken,<br />
Zum Spielball roher Willkür für den Haufen,<br />
Der frechen Mutwill treibt mit Herrenrechten,<br />
Bischöfe aus dem Lande jagt, die Richter<br />
Erdolcht und Grafen und Barone narrt.<br />
Rebellen schwatzt man nicht von Strafe frei!<br />
Caldar: Was immer über mich ergehen mag<br />
Und sei es Folterpein, qualvoller Tod,<br />
Dem schwachen Rest der müden Lebenstage<br />
Zuliebe weich' ich nicht um Haaresbreite<br />
Von unserm alten Recht und meiner Pflicht.<br />
Ich steh' vor Euch im Namen der Gemeinde<br />
Und flehe nicht um Gnade für mich selbst.<br />
Rechberg: Er will es ja, fort in den Turm mit ihm!<br />
Hewen: Stört mir den Frieden meines Hauses nicht.<br />
Jörg: Trotz wider Trotz. Mein Schwager geht nach Schams.<br />
Rink: Dann Herr Graf, gestattet dem Vasallen,<br />
Dass er sein Schwert nicht gegen seine Heimat,<br />
Sein eignes Blut und seine Brüder kehre!<br />
Ich lege meine Lehn in Eure Hände.<br />
Dem Himmel Dank! Ich bin ein freier Mann!<br />
Auf Euern Schimpf, Herr Rechberg, gibt mein Schwert,<br />
Das bei Ragaz Euch Eure Flucht gedeckt,<br />
Die Antwort: Ich erwarte Euch bei Schams!<br />
Rechberg: Je schneller, desto besser!<br />
Anna: Mit den Freien,<br />
Erlaubt mir, Rink und Caldar, geht die Freyin!<br />
Jörg: Was tat ich? Himmel!
- 35 -<br />
S. 287: Hewen: Freyin!<br />
Räzüns: Tochter.<br />
Anna: Beharrt auf eurem Recht und eurer Macht,<br />
Versteckt euch gegen alle Not des Volkes,<br />
Es kommt die Zeit - schon rauscht ihr Flügelschlag<br />
Da euer Trotz zum Kinderspotte wird,<br />
<strong>Ein</strong> neu Geschlecht in andern Formen denkt,<br />
Auf Gott vertraut und kühn sich selber lenkt!<br />
Das ist eine Auseinandersetzung von ätzender Schärfe, da kann nur das<br />
Schwert entscheiden. Hosang, Caldar, Rink und Anna gehen ab, um sofort<br />
zum Kampf zu rüsten, und Rechberg tut das gleiche. Bevor aber die Würfel<br />
fallen, haben wir noch einige friedliche --- und vorbereitende Szenen im<br />
zweiten Akt in Räzüns.<br />
Der Freiherr ist ein Mann voll Liebe und Güte und hat Verständnis für die<br />
Leiden und Wünsche des Volkes. Er empfängt die Vorsteher der Freien und<br />
lässt ihnen die alten Rechte durch neue Briefe bestätigen, und die Ammänner<br />
ziehen vergnügt wieder ab. Nun gibt's eine ernste Aussprache zwischen Vater<br />
und Tochter. Schon vor dem Tage in Chur hatte im Auftrage des Grafen Jörg<br />
sein Vasalle Rink um die Hand der Freyin Anna werben müssen, und jetzt will<br />
der Freiherr selbst der Tochter diese Heirat plausibel machen, doch ohne<br />
Erfolg, vorzüglich auch, weil Jörg im Banne Rechbergs steht. Anna zum<br />
Vater:<br />
Du weisst, am liebsten weilt der Graf in Innsbruck.<br />
Rechberg benützt den Gang des Unerfahrnen,<br />
Um ihn von seiner Herrschaft fern zu halten.<br />
Der Stürmer lechzt nach unserm Alpenland.<br />
Die Eidgenossen haben ihn geschlagen,<br />
Nun möcht' er sie mit List im Rücken fassen.<br />
Den Handschuh wirft er unsern Bünden hin,<br />
Die Alpenpässe an das Kaiserhaus,<br />
Churrätien an Oesterreich zu bringen,<br />
Den Anschluss an die Schweizer zu vereiteln,<br />
Ist nun sein Ehrgeiz, seiner Wünsche Ziel.<br />
Die Schreckenskunde von dem Tag zu Chur
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Fährt wie die Flamme durch Gebirg und Tal,<br />
Man spricht von ihr an allen Hirtenfeuern,<br />
Wird Rechbergs Name nur im Volk genannt,<br />
Erschallen Flüche, ballen sich die Fäuste<br />
Ergrauter Männer, Zorn und Kampfeslust<br />
Ergreift die jüngern, blitzt aus ihren Blicken,<br />
Gebeugte Mütterchen bekreuzen sich,<br />
Rheinfeldens Gräuel schweben ihnen vor,<br />
Die Weiber schreien auf, die, Kinder decken<br />
Mit ihren Schürzen sich die hellen Augen,<br />
Als steh' der Fürst der Finsternis vor ihnen.<br />
Er ist der böse Geist des jungen Grafen,<br />
Der ihn mit seinem biedern Volk entzweit,<br />
S. 29: Und ihn verführt zu Trotz und Eigenwillen.<br />
Verderben stiftet er, wohin er kommt.<br />
Lass mit dem Raufbold dich nicht ein, vertraue<br />
Ihm nicht, an sich nur denkt er, meint's nicht redlich.<br />
Der Hass des ganzen Volkes liegt auf ihm,<br />
So lang der. Graf von ihm sich leiten lässt,<br />
Verscheucht er das Vertrauen und die Liebe.<br />
Hat er nicht schnöde deinen Rat missachtet,<br />
Mir meine erste Bitte nicht versagt?<br />
O dräng' mich nicht, mein Vater! Zeit bringt Rat!<br />
Rechberg ist falsch, lass dich mit ihm nicht ein!<br />
Denk' an den grauen Bund! O glaube mir!<br />
Das war zweifellos ein Grund, die Bitte des Vaters abzulehnen, aber im<br />
tiefsten Herzen schlummerte die Liebe zu Rink, mit dem sie bei dessen<br />
Mutter aufgewachsen war, und diese Neigung fühlte auch, die Anna, als nun<br />
Graf Jörg selber die Werbung vorbrachte.<br />
Räzüns hatte auf der Versammlung in Chur mit des Fürsten Gunst das Wort<br />
gegeben, dass Thusis, Savien und der 'Heinzenberg nach seinem Tode an den<br />
Grafen Georg von Werden berg, als Mannslehn vom Stifte, gelangen:<br />
"Um meinem vielgeliebten Vetter Jörg<br />
Und der Versammlung Sicherheit zu leisten,
- 37 -<br />
Gestatt ich ihm mit Freuden, Pfand und Geisel<br />
Sich selbst zu holen mit der Tochter Hand."<br />
Das wollte nun Jörg tun, und schwülstig bringt er seine Werbung an:<br />
Schwer wäre es, dich zu sehn und nicht zu sagen:<br />
Ich liebe dich und bin für immer dein!<br />
Wie schwer, vor dir, du blühende Gestalt,<br />
Des Herzens Sturm und Wogendrang zu hemmen,<br />
Zu stammeln bloss, wenn alle Pulse fliegen!<br />
Anmut taufrischer Rosen auf den Wangen,<br />
Holdsel'ges Antlitz, Spiel- und Schlummerstätte<br />
Der Liebesgötter, wende dich nicht weg!<br />
Bewegter Wellenschlag des jungen Herzens,<br />
<strong>Ein</strong> Kranker steht vor dir und sucht Genesung!<br />
Anna: Ist das Liebe,<br />
Die meine erste Bitte mir versagt,<br />
Vor solchen Zeugen und in solcher Stunde?<br />
Du ahnst nicht Vetter, welche Kluft uns trennt!<br />
Versuchs mit Rechberg, ich beklage dich!<br />
Georg: O sage, was ich tun soll, um dein Herz....<br />
Anna: Du dünkst dich was als neuer Lehensträger,<br />
Tritt trotzig vor die Leute, heisch Gehorsam,<br />
Hörst du, Gehorsam! - Lachen sie, so weine<br />
Und fall' auf deine Knie mit heissem Fleh'n,<br />
Nachdem du sie zum äussersten getrieben!<br />
Es wird zwar wenig fruchten, mehr jedoch,<br />
Als wenn du ihnen deinen Schwager schickst.<br />
Jörg: In deinen Augen bin ich....<br />
S. 30: Anna: Knappe Rechbergs!<br />
Das steht dir gut, erwirbt dir Lieb' und Achtung.<br />
Boshafte Schwäche im Verein mit Tücke,<br />
Mit kalter Grausamkeit und blindem Hass!<br />
Jörg: Boshafte Schwäche? Nein, das ist zu viel!<br />
Du tust mir Unrecht, Freyin, schweres Unrecht.<br />
Anna: Wär dies der Fall, es läge wenig dran,
- 38 -<br />
Doch wessen sich das Volk von dir versieht,<br />
Das ist und bleibt entscheidend, glaub mir's, Graf!<br />
Jörg: Du machst mich wankend. Könnt' ich noch zurück!<br />
War's möglich? Steht denn nicht der Streit<br />
Auf Eid und Eid, auf Biegen oder Brechen?<br />
Anna: Dein bestes Schwert, den Mann voll Mut und<br />
Geist. Der treu wie Gold an deiner Seite stand,<br />
Du gabst ihn schmählich der Beschimpfung preis,<br />
Ihn stiessest du von dir und! warfst dich ganz<br />
Dem ränkevollen Rechberg. in die Arme.<br />
Herr Baldenstein war eine Grafschaft wert.<br />
Gesichert hätte dir sein treuer Mut,<br />
Was dir dein Schwager nun zu Grunde richtet.<br />
Jörg: Herr Baldenstein scheint dir ans Herz gewachsen,<br />
<strong>Ein</strong> wahrer Zauberer, der schlanke Ritter!<br />
Schad' dass er, statt zum Freiherrn, nur zum Dienstmann<br />
Geboren ist! Ihn würdest du vergöttern!<br />
Rink kommt hinzu, um Abschied zu nehmen. Auch er gibt sich alle Mühe,<br />
den Grafen Jörg von Rechberg zu trennen, es ist alles umsonst, und die<br />
Geschicke müssen sich erfüllen. Rink verabschiedet sich nun von Räzüns,<br />
Anna bittet den Vater, mit ihm nach Baldenstein gehen zu dürfen, bis der<br />
Streit vorüber, und die Bitte wird gewährt.<br />
Jetzt geht es rasch vorwärts. Jörg und sein Schwager entwerfen den Plan, und<br />
Rechberg übernimmt die Ausführung. Mit offener Gewalt ist da nichts zu<br />
machen, darum greift der Macchiavell zur List. Er lügt dem Freiherrn vor, er<br />
wolle zum Antritt seines Amtes Lustbarkeiten geben, Jagden, Feste und<br />
Trinkgelage und sich mit Rink versöhnen, so gibt Räzüns die Erlaubnis zum<br />
freien Durchzug.<br />
Die Volksmänner kennen die Lage und rüsten sich zur Abwehr. In grosser<br />
Versammlung gibt Rink Kunde von dem Plane Jörgs und Rechbergs, und er<br />
wird zum Führer erwählt. Es war hohe Zeit, denn schon meldet ein Hirte,<br />
dass Rechberg mit seinem Schwager gegen Schams im Anzug ist. Die<br />
Männer eilen zum Kampf, Rinks Mutter und Anna gehen zur Kapelle, um für<br />
den Sieg zu beten. Rechberg ist auf Schleichwegen herangekommen, nimmt
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die Frauen gefangen und lässt sie als Geiseln auf die Bärenburg bringen.<br />
Inzwischen waren die Streiter der Bünde aus allen Tälern hervorgebrochen<br />
und dem Andrange vermochten die zerlumpten Knechte Rechbergs<br />
S. 31: nicht standzuhalten., Die Bärenburg, wohin Rechberg geflohen, wird von<br />
Rink belagert. Rechberg macht einen Ausfall und wird von Rink im<br />
Zweikampf schwer verwundet, die Knechte zünden die Burg an, Anna und<br />
die Mutter rufen auf den Zinnen um Hilfe und werden von Rink und<br />
Ehrenfels aus den Flammen getragen. Caldar wird schwerverwundet:<br />
"Der Stich ist tödlich! Meine Kraft versiegt.....<br />
Verteidigt hab' ich eine edle Sache<br />
Und gegen Unrecht und! Gewalt gekämpft.<br />
Hielt ich nicht immer und in allen Dingen<br />
Das rechte Mass, so litt ich schwer dafür.<br />
Wie heiss ich rang, wie viel ich litt, weiss Gott."<br />
Der Sieg ist gewonnen, nun geht's nach Räzüns, wo Rink und Jörg Frieden<br />
schliessen, der Graf behält seine Rechte und der Vasall seine: Lehen. Es gilt<br />
noch, den Freiherren zu retten. Das Volk kannte die Sachlage nicht, zieh ihn<br />
des Verrates und forderte seinen Tod. Seine eigene Verteidigung und die<br />
durch Landrichter Mont vermochte die: Krieger nicht zu überzeugen, der<br />
Scharfrichter ist schon bereit. In dieser Not erscheint Rink, bürgt für des<br />
Barons Ehre und Treue und legt dar, wie er von Rechberg schmählich sei<br />
hintergangen worden. Jetzt rufen Ritter und Knechte ein Hoch dem<br />
Bundeshaupt.<br />
Rink: Empfangt von mir im Namen unseres Volkes<br />
Den Friedenskuss auf diese edle Stirn,<br />
Auf der des Friedens mildes Licht erglänzt!<br />
Die Heldentochter bring' ich Euch zurück,<br />
Entrissen hab' ich sie dem Feuertod,<br />
Als Bärenburg in Rauch und Flammen stand.<br />
Sie ist und bleibt der Engel unseres Volkes,<br />
Für das sie litt und stritt mit Heldenmut.<br />
Räzüns: Ich schliess euch an mein Herz, geliebte Kinder.<br />
Anna: O Vaterherz, dein Segen ruh' auf uns<br />
Und gebe unserm Bunde Kraft und Weihe!
- 40 -<br />
Räzüns: Ja, liebe Kinder, Segen, Glück und Wonne,<br />
Mein Stolz und Schmuck, ihr Stützen meines Alters!<br />
Landrichter, unserm Land und allem Volk<br />
Heil, Frieden, Glück und Freiheit immerdar!<br />
Das ist die Skizze und einige Zitate, aber sie verblassen vor den frischen,<br />
kräftigen, leuchtenden Farben des ganzen Dramas und der handelnden<br />
Personen. Wir wollen von Wenigen nur noch einige Züge vorführen. Johann<br />
Caldar gibt sich selbst in den Reden und besonders schön in den letzten<br />
Worten vor seinem Sterben:<br />
Mein schweres Tagewerk ist nun getan.<br />
Geniesst der Freiheit und beherrscht euch selbst!<br />
Ich scheide ohne Groll aus dieser Welt.<br />
S. 32: Hielt ich nicht immer und in allen Dingen<br />
Das rechte Mass, so litt ich schwer dafür.<br />
Wie heiss ich rang, wie viel ich litt, weiss Gott!<br />
Wie ruhig und gemessen sind gegen diesen Feuerkopf seine Kollegen von<br />
Tenna, Savien und Tschappina, und heimelig-patriarchalisch ist die Szene bei<br />
ihrem Herren in Räzüns! So ernst und würdig ist die Verhandlung, erst als<br />
Anna mit Kanne und Bechern kommt, tauen die Herzen auf, und Wieland<br />
wird poetisch:<br />
Lachte Freyin, nicht ob meiner Huldigung:<br />
Ihr macht den grauen Kopf mir wieder jung<br />
Und glättet mir die Falten aus der Stirn,<br />
Mir ist, wie einem alten Wurzelstock,<br />
Aus dem der Frühling neue Schosse treibt.<br />
<strong>Ein</strong> durch und durch edler Charakter, voll Liebe und Güte ist der Baron von<br />
Räzüns. In unserer Skizze schon zeigten sich die Würde und Ruhe dieses<br />
Mannes, am schönsten aber vor dem drohenden Tode:<br />
Befriedigt sie mein Blut allein, so weiss<br />
Der letzte Freiherr von Räzüns zu sterben.<br />
Scharfrichter: Zu sterben! - Das ist eine schwere Kunst.<br />
Man übt sie ein Mal nur in seinem Leben.<br />
Räzüns: Man lernt- daran an jedem Tag und Abend.<br />
Wer keinen Druck verspürt in seinem Innern,
- 41 -<br />
Versteht sie.<br />
Der Scharfrichter blaguiert nun noch etwas mit seiner Kunst:<br />
"Mein Aug ist scharf, mein Arm erprobt und stark,<br />
Und was mein Schwert angeht, so schaut nur her!<br />
Es ist von blankem Schliff und feinstem Faden.<br />
Seht nur! Ich führ' ein Haar aus meinem Bart<br />
Drüber weg! - Just wie entzwei geblasen!<br />
(Räzüns schaudert - zusammen.)<br />
So sicher führt es durch den stärksten Nacken!<br />
In seinem Kuss berühren sich zwei Welten,<br />
Die eine schliesst es zu, die andere auf.<br />
Räzüns: So hab' ich menschlicher Gebrechlichkeit<br />
Nun im geheimnisvollen Todesschauer<br />
Den lästigsten Tribut vorausbezahlt!<br />
Geh! melde deinen Herren, dass ich komme!"<br />
So spricht nur ein Mann, der mit sich und dem Himmel im Reinen ist. Rink<br />
hat dann das Los gewendet.<br />
Und wie der Vater, so die Tochter Anna, eine Frauengestalt von idealer<br />
Grösse und Schönheit, Klugheit und Stärke, würdig der ernsten und grossen<br />
Zeit, in der sie lebt. Fern von aller Gefühlsduselei, hat sie lebhaftes Interesse<br />
und nimmt Teil an den Kämpfen des Volkes, dessen Freiheit und Wohl ihr<br />
über alles geht. Darum verschmäht sie Glanz und<br />
S. 33: Prunk der Grafenschlösser, "und bötest du mir eine Königskrone, ich sagte<br />
Nein dazu". Und wie stark weiss sie ihre Neigung zu Rink zu verbergen, nur<br />
hie und da bricht das Gefühl hervor. Wie erfrischend wirkt das Ungewitter,<br />
das Sie über Rechberg loslässt, und wie selbstbewusst die Haltung gegenüber<br />
dem Vetter Jörg. Daneben die innige, zärtliche Liebe zu ihrem guten Vater<br />
und ihrer Pflegemutter, und wie schön der Zug, dass sie mit derselben zur<br />
Kapelle geht, um für den Sieg der Helden zu beten! Und bei alldem still und<br />
bescheiden und selbstlos ohne Grenzen, ein Weib, wie es sein soll.<br />
Und der Anna ebenbürtig ist der Rink, in Wahrheit ein Ritter ohne Furcht und<br />
Tadel. ein Edelmann in des Wortes wörtlicher Bedeutung! Wie nobel und<br />
treu gegen seinen Herren, wie nobel und gross gegen seinen Feind, nachdem<br />
er besiegt ist: "Wehrlosen gegenüber schweigt der Groll!" Dem Jörg lässt er
- 42 -<br />
Schlösser und Lehen. Jeder Zug ein ganzer Mann! Und die Arbeit und die<br />
Kämpfe für das Volk! Opfer und Seelenstärke überall. <strong>Ein</strong>e einzige Seite<br />
wollen wir noch hervorheben. Ohne mit einer Wimper zu zucken, tritt er für<br />
Jörg als Brautwerber auf, und nach dem Siege noch einmal, ehrlich und<br />
offen: "Der Ort, die Zeit, die Art - sind sie Euch recht? - Fragt Euer Herz und<br />
lasst es frei entscheiden!" Und erst jetzt, nachdem dieser Entscheid in<br />
Gegenwart Jörgs frei gefallen, hält auch Rink nicht mehr mit seinem<br />
Geständnis zurück: "Mein Glück und meine Lust! Nun auf, zum Vater!" Wir<br />
sagen ohne Uebertreibung: hätte <strong>Plattner</strong> nur diese zwei Idealgestalten<br />
geschaffen (mit ihren Reden und Taten) man müsste den Lorbeerkranz des<br />
Dichters auf das greise Haupt ihm setzen.<br />
Idealgestalten! Sind sie nicht auch historisch? Ja, das können wir nicht<br />
entscheiden, da wir specialissime keine bündnerische Geschichtsstudien<br />
gemacht haben, das ist uns unmöglich. Aus geschichtlichem Boden werden<br />
die Männer und Frauen schon herausgewachsen sein oder sie werden ganz in<br />
die Verhältnisse hineinpassen, das ist übrigens Nebensache: die Menschen,<br />
die da vor uns handeln und reden, sind Produkte, Gebilde der Schöpferkraft<br />
des Dichters, und als solche sind sie mit feinster Psychologie ausgedacht und<br />
durchgeführt, lebenswahr, fest umrissen, klar und bestimmt, ächte<br />
bündnerische Landsleute, Ritter, Grafen und Barone, Menschen mit Seele,<br />
aber auch mit Fleisch und Blut, keine Schemen.<br />
Sagen wir es nur ganz frei: <strong>Plattner</strong> hat eben nicht nur Phantasie, sondern<br />
auch klaren, hellen Verstand, er ist Wissenschafter mit scharfem Denken, er<br />
weiss, wie die Menschen sind und sein müssen, wie sie fühlen und handeln,<br />
und darum auch seine bestimmten Charaktere. Was noch<br />
S. 34: fehlte, ergänzen die gründlichsten historischen Studien, eine Detailkenntnis<br />
der verwickelten Rechtsverhältnisse, die uns in Erstaunen setzt.<br />
Mit allem dem und vielleicht auch mit dem ernsten Charakter der Personen<br />
und Oertlichkeiten mag es zusammenhängen, dass wir in <strong>Plattner</strong>s Dramen so<br />
wenig weichere lyrische Partien finden und die Monologe ausserordentlich<br />
knapp gehalten sind. Die Handlung reisst und drängt unaufhaltsam vorwärts,<br />
die Kraftnaturen stürmen dem Ziele zu, da ist keine Zeit zu lyrischen<br />
Ergüssen, und ein Monolog nach dem Stile Tells ist da absolut<br />
ausgeschlossen. <strong>Ein</strong>e reizende Ausnahme macht hier die 7. Szene im III. Akt,
- 43 -<br />
wo Anna allein auftritt, nach dem Gebet in der Kapelle:<br />
"Noch ruht der Friede, auf dem schönen Tal,<br />
In das die Berge still herniederschauen.<br />
Der Firn erglüht im goldnen Morgenstrahl,<br />
Die Burgen ragen über Flur und Auen.<br />
Noch singt der Rhein sein frisches Morgenlied<br />
Der jungen Albula im Morgengrauen,<br />
Es flüstert in den Wipfeln und im Wind:<br />
Hier, ist es schön, hier lass' uns Hütten bauen!<br />
Wie lächelt noch das blühende Gefild!<br />
Des Himmels Perlen, wie sie niedertauen!<br />
Im Flammenschein, wie ändert sich das Bild,<br />
Wenn Schwerter blitzend aufeinander hauen!<br />
O wüsst' ich meinen Vater ohne Schuld<br />
Und unberührt von dieses Wolfes Klauen,<br />
Wie gerne trüg' ich Alles in Geduld,<br />
In stiller Liebe und in Gottvertrauen! -<br />
<strong>Ein</strong>e liebliche Idylle' von sonnigem Zauber!<br />
Zum Schluss noch ein Punkt. Man möchte sich vielleicht aufhalten, dass das<br />
Volk mit seinen kirchlichen Obern so ungnädig verfährt. Ja, das ist nun so<br />
eine eigene Sache. Wir wollen nicht urgieren, dass der Fürstbischof von<br />
Konstanz in Chur nur Verweser war, aber das sei betont, dass hier eine Zwei-<br />
Seelen-Theorie herrschte: der Fürst und der Bischof, die Verquickung von<br />
geistlichem und weltlichem Regiment, und das war nicht von Gutem. Der<br />
Fürst tat oft, was der Bischof nicht billigen konnte. So war es bei Naso, bei<br />
Rechberg und so war es bei Hewen, Er kannte genau den Jörg von<br />
Werdenberg, er wusste, dass er der Hampelmann des Hallunken Rechberg<br />
war, warum denn ihm gleichwohl die Lehen Schams und Rheinwald<br />
übergeben? Und seine Schwester Clementa! Ihr Mann, der Graf von<br />
Mesocco, war ein grossartiger Lump, das hätte noch wenig geniert, aber die<br />
Schwester selbst war eine politische Xantippe erster Güte, die nichts Besseres<br />
zu tun wusste, als den<br />
S. 35: Gauner Rechberg noch aufzustacheln zum Kampfe wider das gedrückte<br />
Volk, ihn nach Schams zu begleiten und ihm Judasdienste zu leisten bei der
- 44 -<br />
Gefangennahme der Frauen Jutta und Anna!! Volenti non fit iniuria, die<br />
Führer haben dem Fürsten gesagt, was kommen werde, und er hat auf die<br />
Warnungen und Bitten nicht gehört, er schickte den Jörg nach Schams, über<br />
seine Schwester hielt er die schützende Hand und gab ihr Schlösser und<br />
Ländereien! Tu l'as voulu, Georges Dandin! Das Volk wandte sich direkt<br />
nicht gegen den Bischof, sondern gegen den Tyrannen Rechberg und den<br />
Junker Jörg, und wie der Mantel fiel, musste auch der Herzog nach. Hewen<br />
spricht das resigniert aus gegenüber Räzüns:<br />
"Die Ordnung sucht ich wieder herzustellen!<br />
Gut war der Zweck, die Absicht rein, die Mittel<br />
Von zweifelhaftem Wert, der Plan verfehlt.<br />
Ich leist' auf mein Verweseramt Verzicht.<br />
Noch heute geht ein Schreiben ab nach Wien."<br />
Das war gewiss das Richtigste. Dass übrigens die Führer der Religion gar<br />
nicht bar waren, zeigt ihr Verhalten in entscheidenden Augenblicken. Wie<br />
beten die Frauen Jutta und Anna in der Kapelle, als die Männer in den Kampf<br />
ziehen! Und als Gefahr drohte für das Leben und alle zur Flucht rieten, wie<br />
vertrauensvoll spricht da Räzüns das schlichte Wort: "Ich bleibe! Mein Leben<br />
liegt in des Allmächt'gen Hand." Und wie Rink den Gang um Tod und Leben<br />
in die Flammen wagte, da spricht er nur das heisse Wort: "Hilf reicher Christ,<br />
um Deiner Wunden willen!" Und nach der edlen Tat sagt er bescheiden zu<br />
Jörg: "Gerettet, mit Gottes Hilfe!" Diese wenigen Worte Rinks sagen nicht<br />
nur viel, sondern - alles! Er liegt im schweren Kampfe mit Rechberg, muss<br />
die Schergen vom greisen Caldar abwehren, dann schlagen die Flammen aus<br />
der Burg empor, und die Mutter und Anna rufen von der Zinne um Hilfe,<br />
wahrlich, für drei Männer genug Arbeit, und der Held vom Baldenstein<br />
leistet sie allein! Die Zeit zählt sich nicht mehr nach Minuten, sondern nach<br />
Sekunden, und doch in dieser furchtbaren Lage, welche alle Nerven zum<br />
Zerreissen spannt und die Pulse fiebernd durch die Adern jagt, vergisst der<br />
edle Ritter nicht, um' Hilfe von oben zu bitten: "Hilf, reicher Christ, um<br />
Deiner Wunden willen!" Dann geht's in die Flammen, und das Opfer wird<br />
belohnt. Wahrlich, das ist einzige Heldengrösse, aber auch praktisches<br />
Christentum: Glaube, Gebet, Liebe und Opfer des Lebens! Kann man mehr<br />
verlangen? Möge jeder die Antwort selber geben!<br />
<strong>Plattner</strong> lässt die Menschenkräfte und die Leidenschaften sich im Drama
- 45 -<br />
auswirken, lässt menschlich die Schuld entstehen und die Sühne folgen und<br />
will nicht, dass seine Männer und Frauen mit der Religion<br />
S. 36: prunken und sich zieren, aber in schweren Stunden wissen sie, woher die<br />
Hilfe kommt. Das passt zum braven Christen und zum braven Bündner.<br />
Wir wollen es uns und den lieben Freunden nicht versagen, auf eine<br />
Besprechung zurückzugreifen, welche seinerzeit ein anderer Bündner<br />
Dichter, P. Maurus Carnot, in den "Schweizer Blättern" dem "Rink"<br />
gewidmet hat. Er gibt einen Abriss des Stückes und schliesst denselben mit<br />
folgenden prächtigen Worten:<br />
"Das ist eine sehr lückenhafte Skizze des Schauspieres, in dem Plazid<br />
<strong>Plattner</strong> das Feuer der Jugend mit dem "männlichen Dur" verbunden hat. Bei<br />
der Lektüre möchte man keinen Vers vermissen, für die Aufführung könnten<br />
vielleicht einige historische Aeusserungen wegbleiben oder gekürzt werden,<br />
obwohl sie zur Zeichnung eines freuen Zeitbildes beitragen (vgl. z.B. S. 8<br />
und 9, S.79 und 80). Hat auch Schiller den "Don Carlos" für die Bühnen<br />
gekürzt und aus dem "Wallenstein" 400 Jamben herausgeworfen (Brief an<br />
Goethe). Goethe fordert, dass das Historische im Drama bloss ein leichter<br />
Schleier sei, wodurch das rein Menschliche durchblickt. Dem gründlichen<br />
Historiker <strong>Plattner</strong> ist wohl kaum ein Zug entgangen, der zu einem treuen<br />
historischen Bilde jener Zeit beiträgt, würden weniger gründliche Geister sich<br />
auch mit weniger historischen Daten und Motiven begnügen, so muss<br />
bemerkt werden, dass der dichterische Hauch und die Pracht der Diktion über<br />
das ganze Schauspiel einen Reiz verbreitet, der nicht gestattet, dass man bei<br />
der Lektüre auch nur einen einzigen Vers übergeht. Das Drama ist keine<br />
"Siesta" für Denkfaule, es will studiert Sein, und wem es nicht sehr gefällt,<br />
der greife nach dem "Kotzebue". <strong>Plattner</strong> hat, da er als geborner Dichter<br />
fühlte, dass der historische Stoff etwas dürftig sein könnte, eine durchaus<br />
edel gehaltene Liebe zwischen dem Haupthelden und der Freyin Anna in das<br />
Drama verflochten, deswegen trifft ihn nicht der Vorwurf, den Eichendorff<br />
dem ersten deutschen Dramatiker macht, dass er nämlich in den sonst schon<br />
zu stoffreichen "Wallenstein" sich selbst und Seine Neigungen in der<br />
Liebschaft von Max und Thekla ungehörig eingefügt habe.<br />
<strong>Plattner</strong>s prächtige Dichtung hat nicht bloss lokales Interesse und wird unter<br />
den vaterländischen Schauspielen immer einen der ehrenvollsten Plätze
- 46 -<br />
behaupten. Es ist besser, wenn wir das herrliche Werk des Dichters ehren, als<br />
wenn wir den Namen unseres Freiheitssängers auf dem Stein zu Vazerol oder<br />
beim Ahorn zu Truns verewigen. <strong>Ein</strong> Dichter darf von der Mitwelt<br />
wenigstens diesen Lohn beanspruchen, dass man seine Werke nicht<br />
totschweigt.<br />
S. 37: Mögen unserm Volke nie jene Worte gelten, welche Lermentoff in seinem<br />
Klagegesang am Grabe Alexander Puschkins dem gerechten Richter in den<br />
Mund legt:<br />
Versiegen soll die Quelle Eurer Lieder!<br />
Ihr wusstet nicht zu ehren Euren Dichter,<br />
Zum zweiten Mal send' ich Euch keinen wieder!"<br />
Soweit P. Carnot.<br />
Die Dramen von <strong>Plattner</strong> wurden schon öfter in Bünden aufgeführt, der<br />
"Rink" in Chur und der "Caldar" auf Volksbühnen schon bei 150 mal, und<br />
wurden auch ins Romanische übersetzt. Die Stücke werden sich prächtig<br />
machen, diese edlen Rittergestalten, diese herrlichen Frauen und diese braven,<br />
tüchtigen, kräftigen Führer des Volkes, diese Charaktere aus Marmor<br />
gehauen, und die Sprache, die frisch und kräftig wie ein Bergquell<br />
dahinrauscht! Und nicht zuletzt die Szenerien: die Bergesriesen, die<br />
freundlichen Täler, die Burgen und Schlösser und' die Prunkgemächer und<br />
Ahnensäle mit den Waffen, die Ritter mit Schwert und Harnisch und<br />
fliegendem Helmbusch, die Frauen in ihren malerischen Trachten, die Bauern<br />
mit Wams und Kniehose. Viel Genuss für das schauende Auge!<br />
Grössere Bühnen scheinen sich die Dramen nicht erobert zu haben, und die<br />
Gründe dürften nicht weit zu suchen sein. Das spezifisch Bündnerische mag<br />
zuerst in die Wagschale fallen, dann kommt aber noch etwas anderes. Der<br />
Dichter hat es mit seiner Aufgabe sehr ernst genommen. Gross und ernst sind<br />
die Gestalten, die er geschaffen, gross und ernst ist die Zeit, aus der er sie<br />
herausgreift, voll und stark sind die Töne, die der Sänger anschlägt. <strong>Plattner</strong><br />
ist kein "Moderner", er will nicht bloss aufregen, kitzeln und unterhalten, er<br />
will auch nicht den Pessimismus nähren, er will packen, aufrütteln, heben,<br />
erziehen, stärken, begeistern für Wahrheit, Freiheit und Recht. Seine<br />
Bühnenstücke sind Hohelieder auf den Kampf des freien Bürgers gegen die<br />
Tyrannei der Ritter, der Wildenburger und Hünenberger, denen von
- 47 -<br />
Werdenberg und Rechberg. Gauner und Schufte sinnen Verderben und suchen<br />
skrupellos in mächtiger Stellung ihren Egoismus und ihre Interessen zur<br />
Geltung zu bringen, tüchtige, kerngesunde Männer des Volkes treten ihnen<br />
unerschrocken entgegen, der Kampf wogt hin und her, sie können -fehlen, sie<br />
können straucheln, das ist das Los des allgemein Menschlichen, sie können<br />
zeitweilig unterliegen, aber endlich durchbricht doch die Sonne des Rechtes<br />
und der Wahrheit das Gewölk und leuchtet zum Siege.<br />
Die moderne Bühne kann solche Stücke leider nicht mehr gut brauchen. Die<br />
Gross-, Mittel- und vielfach. auch die Kleinstadt-Theater von<br />
S. 38: ehedem sind andere geworden, da herrscht nicht mehr die edle, züchtige<br />
Muse, sondern andere Göttinnen führen da Regiment und Regie. Da duften<br />
die Odeurs de Paris, da herrscht die Stickluft der gewaltigen Volkszentren, da<br />
bieten die Mäkler der Pornographie, des Ehebruches und der Bordelle ihre<br />
übelriechende Tausendware feil, und da lassen die Propheten und Sänger der<br />
Dekadenz, des Pessimismus und Sadismus ihre heisere Stimme ertönen, und<br />
da ist für einen Pl. <strong>Plattner</strong> und seine Dramen mit der frisch strömenden<br />
Bergluft und den Kraftgestalten aus den bündnerischen Hochtälern absolut<br />
kein Raum mehr. Dem Himmel sei's geklagt, aber es ist so.<br />
Auf Volksbühnen aber, besonders des Bündnerlandes, werden sich die<br />
<strong>Plattner</strong>'schen Schauspiele gewiss noch lange halten. Wäre es nicht an der<br />
Zeit, dass auch die Mitglieder des Schweizerischen Studentenvereins, die<br />
alten wie die jungen, sich wieder an ihren <strong>Veteran</strong>en und die Kinder seiner<br />
Muse erinnern sollten? Die meisten wissen kaum mehr, wieviel Schönes,<br />
Anregendes und Erhebendes uns dieser Dichter geboten hat, im Drama, in<br />
der Epik und im Lied. Man greift zum faden Zeug so mancher Moderner, und<br />
das gediegene Alte eines wackeren Vereinsgenossen lässt man beiseite,<br />
bekümmert sich nicht darum, es kennen zu lernen. Probiert es einmal und lest<br />
den "Wikard", den "Caldar", den "Rink von Baldenstein", und ihr werdet<br />
finden, was wir gefunden: Freude an den kraftvollen, majestätischen<br />
Gestalten und Genuss an der Sprache, die wie ein Bergstrom an uns<br />
vorüberrauscht!
- 48 -<br />
II. Der Epiker.<br />
In diese Kategorie gehören zwei grössere Arbeiten: Die Uebersetzung der<br />
"Rhäteis" von Simon Lemnius, und das "Lied von den ersten Eidgenossen".<br />
Bevor aber hier der Dichter an die Reihe kommt, müssen wir noch etwas vom<br />
Historiker und Philologen sagen.<br />
<strong>Plattner</strong> hat den Lemnius nicht "entdeckt", aber doch eigentlich wie: der<br />
bekannt gemacht und speziell sein Epos, wie P. Carnot schreibt, aus, dem<br />
Schutte dreier Jahrhunderte und aus den Truhen einiger alten Familien<br />
hervorgezogen. Wir halten uns an die <strong>Ein</strong>leitungen, die der Verfasser seinen<br />
Werken vorangestellt hat.<br />
Dieser Lemnius ist ein merkwürdiger Mann. Im Münstertal geboren, zog er<br />
als Student nach Augsburg, München, Ingolstadt und Wittenberg, wo er<br />
besonders von Melanchthon in die klassischen Sprachen sich einführen liess.,<br />
Wegen Epigrammen eingeklagt (und später verurteilt), flüchtete er zu seinem<br />
Gönner, dem Kurfürsten von Mainz, nach Halle<br />
S. 39: und kehrte nach einigen Jahren in die Hauptstadt seiner Heimat zurück, wo er<br />
der Poesie lebte und unter anderem auch die Odyssee ins Lateinische<br />
übersetzte. <strong>Plattner</strong> schreibt von dieser Arbeit: "An Eleganz und Reinheit der<br />
Form, wie an Elastizität des Ausdrucks ist diese geniale Umdichtung der<br />
grossen griechischen Epopöe noch zur Stunde unübertroffen." Das Werk,<br />
sowie die Uebersetzung des Dionysos erhoben den Autor rasch zu<br />
europäischem Rufe. Den Schlusstein seiner dichterischen Tätigkeit bildet die<br />
Rhäteis, in welcher Lemnius die Kämpfe und Siege der Bündner und<br />
Eidgenossen besingt im Kriege wider Tyrol, Kaiser Maximilian, und den<br />
schwäbischen Bund im Jahre 1499. <strong>Plattner</strong> erklärt den Verfasser dieses<br />
Heldengedichtes, am Ausgange des kriegerischen Zeitalters der Schweiz, als<br />
ihren grössten und genialsten Epiker. Gegenüber diesem ächten Homeriden<br />
treten alle andern weit in den Hintergrund. Es war ein grosses und<br />
patriotisches Unternehmen, die entschwundene Heldenzeit, deren Abendrot<br />
noch an des Dichters Wiege geleuchtet, nach dem Vorbilde Virgils in einer<br />
grossen, in ächt klassischem Geiste entworfenen und ausgeführten<br />
Heldendichtung in der Erinnerung festzuhalten, und den zersetzenden<br />
Wirkungen des kirchlichen Haders und unauslöschlicher Zwietracht durch
- 49 -<br />
die Pflege des nationalen Geistes und den begeisternden Hinweis auf eine<br />
grosse Vergangenheit einen Damm entgegenzusetzen. Dieses Unternehmen<br />
hat der Dichter rühmlich zu Ende geführt." "Leider war es dem Schöpfer der<br />
Rhäteis nicht vergönnt, die letzte Feile an sein Lieblingswerk zu legen und<br />
dasselbe dem Druck zu übergeben. Er stand auf dem Zenit seines Lebens,<br />
kaum mochte er 40 Jahre erreicht haben, da raffte ihn plötzlich aus all seinen<br />
Hoffnungen, Träumen und Entwürfen den 7. Dezember 1550 die Pest<br />
hinweg".<br />
Die geschichtliche Basis für das Epos bildete ein Bericht, welcher aus der<br />
Feder eines Zeitgenossen des Krieges stammt, ja wahrscheinlich in der<br />
Stadtkanzlei selbst abgefasst und daselbst aufbewahrt wurde. <strong>Plattner</strong><br />
bemerkt: "Lemnius hält sich gewissenhaft an diese seine Quelle. Er entnahm<br />
derselben alle Daten, Personen und Ortsnamen, sowie die Zahl der in den<br />
einzelnen Treffen des schweizerisch-deutschen Krieges Gefallenen, wie nicht<br />
minder eine Anzahl volkstümlicher und anekdotenhafter Züge. Sein Epos<br />
beruht auf der streng historischen Grundlage dieses zeitgenössischen<br />
Berichtes. Die in einzelnen Episoden seines Werkes eingeflochtene<br />
Geschichte der Vorzeit Rhätiens beruht auf den römisch-griechischen<br />
Schriftstellern."<br />
Das Heldengedicht blieb Manuskript, von dem Original wurden jedoch im<br />
16. und 17. Jahrhundert verschiedene Abschriften gemacht, die<br />
S. 40: aber nach und nach in Vergessenheit geraten sind. Endlich nahm sich die<br />
historisch-antiquarische Gesellschaft Graubündens der Sache an und<br />
beauftragte Pl. <strong>Plattner</strong> mit der Herausgabe. Er unterzog sich der mühevollen<br />
Arbeit, und die "Rhäteis" konnte 1874 in Chur im Druck erscheinen. Der<br />
Herausgeber schliesst seine <strong>Ein</strong>leitung mit den schönen Worten: "Möge nun<br />
die "Rhäteis", diese bedeutendste rhätisch-helvetische Heldendichtung, wie<br />
die Walküre nach langem Zauberschlafe hervortretend an das Licht der<br />
Oeffentlichkeit, freudige Aufnahme finden überall, wo noch Verständnis<br />
waltet für die Sprache Virgils und wo den stolzen Erinnerungen an die<br />
Waffentaten der alten Eidgenossen empfängliche Herzen entgegenschlagen!<br />
Das Heldenlied des alten Sängers, in welchem die Banner der alten<br />
schweizerischen Freiheit rauschen, möge wach erhalten und nähren den alten<br />
Schweizergeist im neuen Schweizerbunde"!
- 50 -<br />
Wir mussten diese Bemerkungen vorausschicken, um zum folgenden<br />
übergehen zu können.<br />
Die "Rhäteis" war ediert, und das war ganz recht, ein Gebot der<br />
Wissenschaft, des Patriotismus und der Pietät gegen den Verfasser - mit der<br />
Herausgabe eines Werkes hält jedoch die Verbreitung nicht immer gleichen<br />
Schritt. Die Gebildeten, die einmal die Aeneis gelesen und vielleicht noch<br />
Cicero und Horaz, und die nach zwanzig oder dreissig oder vierzig Jahren<br />
noch nach einem Epos greifen, welches in der klassischen Sprache und den.<br />
Metren Virgils geschrieben ist - diese Männer sind bald gezählt. Mit dem<br />
Lexikon in der Hand treibt man nicht eine Lektüre zur Unterhaltung und zum<br />
Genusse, abgesehen davon, dass meistens auch die Zeit fehlt. Und so blieb<br />
nichts anderes übrig, als. an eine Uebersetzung zu denken, natürlich im<br />
Versmass des Originals. Aber wer sollte das besorgen? Niemand wollte sich<br />
daran wagen. Endlich liess sich auch hier wieder <strong>Plattner</strong> bestimmen, die<br />
schwere Arbeit zu übernehmen. Er schreibt selbst in der <strong>Ein</strong>leitung: "Acht<br />
Jahre hindurch habe ich einen beträchtlichen Teil der Zeit, die mir meine<br />
Berufs und Amtsgeschäfte übrig gelassen, diesen Arbeiten gewidmet, um das<br />
Andenken des rhätischen Dichters wieder herzustellen und die Kraft und<br />
Schönheit seines Werkes dem heutigen Geschlechte im Geiste der deutschen<br />
Sprache und Poesie vorzuführen."<br />
Diese Bemerkung wird erst recht verständlich, wenn man sich an die Aemter<br />
erinnert, die der Uebersetzer in den Jahren 1874-1882 zu versehen hatte, wie<br />
wir sie im ersten Artikel angeführt haben: Grossrat, Regierungsrat, Bankrat<br />
usw. Daneben die Gesänge der Rhäteis metrisch ins Deutsche übertragen -<br />
das soll einer nachmachen! Das bringt nur<br />
S. 40: ein <strong>Plattner</strong> zustande. Wir bitten noch, die letzte Wendung in obigem Zitat<br />
genau anzusehen: "Im Geiste der deutschen Sprache und Poesie". Das war<br />
die Kunst, die hier unbedingt gefordert wurde, und diese Kunst hat der<br />
Meister erreicht. Wir möchten aber das erste Manuskript sehen, in welchem<br />
der Dichter seine Arbeit festgelegt hat! Nun, forschen wir nicht weiter,<br />
genug, das Ganze liegt ja jetzt vor! <strong>Plattner</strong> hat einige unbedeutende<br />
Episoden weggelassen "im übrigen in allem Wesentlichen den Inhalt der<br />
Urschrift getreu und vollständig wiedergegeben."<br />
Und nun, was ist da zu machen und zu sagen? Das einfachste wäre, an alle
- 51 -<br />
die Bitte zu richten: Nehmt Original und Uebersetzung zur Hand, vergleicht<br />
und studiert beide! Wer hat aber den lateinischen und deutschen Text der<br />
Rhäteis? Wer hat überhaupt auch nur einen? Wie viele Aktive im Vereine<br />
sind es, die von der Existenz einer "Rhäteis" nur Kenntnis haben? Mit<br />
obigem Rate ist somit nicht viel anzufangen. Wir bringen lieber zunächst ein<br />
kleines Stück des Originals und lassen gleich die Uebersetzung folgen, dann<br />
kann der Leser selber beurteilen, wie der Meister die Sache angepackt. Als<br />
Beispiel wählen wir gleich den Anfang:<br />
ORIGINAL.<br />
Fortia Räteis cantata nepotibus arma<br />
Ordior, linde virum se tollit gloria terris.<br />
Da mihi, Musa, decus, da tantae proelia cladis<br />
Et memorare Athesis rorantes sanguine rivos,<br />
Ac tria Raetorum sectas in foedera gentes:<br />
Quot bellatores, quantosque in bella crearint,<br />
Aeriasque inter quue gesserit arduus Alpes<br />
Raeticus Hetrusca deductus origine miles,<br />
Utque acies clausas vallo perfregerit alto.<br />
Dum quondam patrios defendit Raetia campos,<br />
Fas aperire mihi et servata minoribus arma<br />
Tradere et ingentis causas narrare tumultus.<br />
ÜBERSETZUNG.<br />
Rätischen Enkeln verkünd' ich im Liede die Taten der Väter,<br />
Ueber die Länder erhebt sich der Ruhm, den die Männer erwarben.<br />
Gib mir, O Muse, die Macht des Gesanges, zu schildern die Kämpfe<br />
Und die gewaltige Schlacht an der Etsch blutführenden Bächen,<br />
Nenne mir all die Helden des Volks in den rätischen Bünden<br />
Künde mir, was vom etrurischen Stamme die mutigen Sieger<br />
Hoch in dem Alpengebirge vollbracht am befestigten Walle,<br />
Wie sie die Zinnen erstürmt und die Reihen der Feinde gebrochen.<br />
Rätier haben der Väter Gefilde in Waffen verteidigt,<br />
Rätischen Sänger geziemt es, den Enkeln die glänzenden Taten<br />
Und den Beginn und Verlauf des verderblichen Krieges zu melden.
- 52 -<br />
S. 42: Diese kleine Probe genügt schon, um in die Methode und die Kunst des<br />
"Uebersetzers" einigermassen einen <strong>Ein</strong>blick zu gewinnen. Wir stellen<br />
"Uebersetzer" zwischen Gänsefüsschen, denn die <strong>Plattner</strong>ische Arbeit ist<br />
eben keine Uebersetzung, sie ist auch nicht eine "Uebertragung", sondern sie<br />
ist viel mehr, sie ist die freie Nach- und Umdichtung, sie ist eigentlich die<br />
Neuschöpfung eines kongenialen Poeten. Er liest das Original, lässt alles in<br />
seinem Geiste sich gären, durcharbeiten, giesst es dann in neue Form und<br />
lässt diese vor unserm Auge erstehen. Diese Methode ist in solchen Fällen<br />
die einzig richtige, und <strong>Plattner</strong> hat sie mit Meisterschaft angewendet. Seine<br />
Rhäteis ist nicht dem Gehalte, aber der Form nach ein ganz neues und sein<br />
eigenes Werk. Man kann es lesen und an der Macht und Kraft der Sprache<br />
sich erfreuen, ohne auch nur von der Rhäteis des Lemnius eine Ahnung zu<br />
haben.<br />
Es liessen sich von dieser vollendeten Kunst zahllose Beispiele aufführen,<br />
wir wählen noch eines vom Beginne der Schlacht an der Calven:<br />
"Nunmehr flehten sie alle zu Gott in heissen Gebeten,<br />
Unter dem Schutz und im Namen des Ewigen hatten sie Alle<br />
Ihre Waffen ergriffen, er möge die Seinen behüten,<br />
Schirmen das Land und das Gotteshaus und das Volk in demselben,<br />
Gnädiglich möge er, Hilfe gewährend, die Feinde vertreiben.<br />
Also beteten, sie und erhoben die Hände zum Himmel:<br />
"Gott, der auf Alles du siehst herab von den Sternen des Aethers,<br />
Brich doch ihr Eisen entzwei, O zerbrich der Tiroler Geschosse,<br />
Strecke die Feinde darnieder, zermalme sie unter dem Walle!"<br />
Links erdröhnte der Himmel, im dichten Gehölze vermengte<br />
Wirr sich der Männer Geschrei mit dem lärmenden Schalle der Trommeln.<br />
Da die Tiroler die Brücke, zerstörten, die über den Fluss ging,<br />
Stürmten die Bündner in heftigem Anlauf gegen die Feinde,<br />
Schwangen die Waffen in nerviger Faust hoch über den Häuptern,<br />
Zuckten die Speer' und der Hellebarden hell schimmerndes Eisen,<br />
<strong>Ein</strong>gedenk der Worte Capols, des verwegenen Führers,<br />
Drängten, sie ein auf die Feinde und häuften die Leichen im Walde.<br />
Grauses Geschrei erhob der Steinbock hoch im Gebirge,<br />
Zitternd vernahm es das Wild und die Geister der Berge erbebten,
- 53 -<br />
Aengstlich lauschte der Flussgott, hielt und entfloh dann in Eile.<br />
<strong>Ein</strong>en, der zaudert im Sturm der Geschosse, erblicket Capol, ruft:<br />
"Feiger, was stehst du?" entreisst ihm die Lanze und rennt in die Feinde,<br />
Schnelleren Laufes nun folgt auf dem Fuss ihm der stürmende Haufe.<br />
Lautes Gestöhn von Verwundeten schallt und Geschrei der Gefall'nen.<br />
Wie wenn die Hirten in dämmernder Stunde die blöckende Herde<br />
Heimwärts treiben und rings von dem Schreien die Wälder ertönen,<br />
Also erschallt der Verwundeten Ruf, dem das Echo erwidert.<br />
Wildes Getümmel entsteht und es häufen sich Bilder des Todes.<br />
Phiesel, Capol und die Planta toben im wilden Gewühle,<br />
Weiter und weiter, der Seuche vergleichbar morden die Speere.<br />
Wild ergossen dem Sturmwind gleich, entstürzen die Feinde,<br />
Also strömet ein Fluss, von längerem Reden geschwollen,<br />
Schwemmt von dem Boden die Ställe hinweg und die Pferde und Rinder,<br />
S. 43: Wälzt in den Fluten Gerölle und Bäume und schlammige Wurzeln.<br />
Wie sie die vorderste Reihe gebrochen, da drängten die Bündner<br />
Heftigen Sturms mit siegenden Waffen nun gegen den Wall hin.<br />
Ihnen rannten im grünen Gehölze zwei Haufen entgegen,<br />
Aber die Bündner empfangen sie blutig im heissen Gefechte,<br />
Stürzen sich mitten hinein in die Scharen, die ängstlich um Rettung<br />
Kämpfen, Geschrei und Getümmel erhebt sich, es fallen die Krieger,<br />
Aber die Feinde kehren vom Wald das Geschütz auf die Bündner,<br />
Senden Bombarden und glühende Stein' in die kämpfenden Reihen,<br />
Qualm wallt auf und gewaltiger Donner erschüttert die Lüfte,<br />
Und es erbebt das Gebirg' und das Echo erschallt von den Felsen,<br />
Mit der Trompeten Geschmetter vermischt sich der Wirbel der Trommeln,<br />
Zischend flogen die Kugeln und streckten die Männer zu Boden.<br />
Dort reisst <strong>Ein</strong>em ein Stein den Kopf von dem Rumpf in die Lüfte,<br />
Hier saust einer vorbei und trifft Jan Philipp, den Führer,<br />
Der sich soeben gegürtet, um rühmlichst des Amtes zu walten.<br />
Sieben treffliche Jünglinge stehen daneben im Kampfe,<br />
Prättigauer sind alle, sie drängen die Feinde zurücke.<br />
Plötzlich erschüttert ein Krach der Kanonen die Fenster.<br />
Und in die kämpfende Schaar fällt zischend die platzende Bombe,<br />
Sechs sind! getötet, der siebente bleibt voll Staunen am Leben,
- 54 -<br />
Solche Gewalt hat die glühende Kugel die Deutsche erfunden.<br />
Aber von Mont riss nun die bewaffneten Schaaren ins Treffen,<br />
Trotzig stand er in heissem Gefecht, wie ein zweiter Kapaneus,<br />
Scheck nicht minder und Mohr und der wilde Capol und von Balken,<br />
Rasend berennen die Bündner den Wall mit seinen Geschützen.<br />
Lombris, Schau'nstein, Salis und Porta bedrängen die Feinde,<br />
Jan Philipp schlägt grimmig darein und schleudert die Krieger<br />
Mit der rucantischen Schaar in dem blutigen Ringen zu Boden."<br />
Wir brechen hier ab, obschon uns die Lust nicht fehlte, die ganze Schilderung<br />
der Calvenschlacht zum Abdruck zu bringen. Sie ist mit der Kraft und dem<br />
Schwung der Sprache, den plastischen Bildern, dem rollenden, stürmenden<br />
Hexameter ein Glanzstück der Epik.<br />
Auch uns kommt es unbegreiflich vor, dass das Heldengedicht des Lemnius<br />
so lange verschollen sein konnte, aber noch unbegreiflicher, dass so wenige<br />
das Meisterwerk in der <strong>Plattner</strong>'schen Bearbeitung kennen. Wir hoffen<br />
zuversichtlich, unsere Anregung werde nun in diesem Punkte etwelche<br />
Besserung bringen. Sollten wir uns täuschen, so muss uns das Bewusstsein<br />
genügen, den genialen Dichter der klassischen Epopöe des 16. Jahrhunderts<br />
und den kongenialen Kollegen des 19. Jahrhunderts doch wenigstens<br />
einigermassen aus der unverdienten Vergessenheit gezogen zu haben.<br />
Wir gehen nun an das "Lied von den ersten Eidgenossen". Es ist das nicht<br />
eine Epopöe im strengen Sinne, gehört aber formell in diese Klasse. Das<br />
Werk erschien 1896 bei Stehli und Keel in Chur und wurde wahrscheinlich<br />
durch die Bundesfeier vom 1. August 1891 angeregt, wenigstens nimmt der<br />
Dichter in seinen Schlusstrophen hierauf Bezug.<br />
S. 44: Man darf sich durch den Ausdruck "Lied" nicht täuschen lassen, es ist ein<br />
Sang mit epischem Charakter, und der Verfasser hat als spezifische Form<br />
auch wirklich die schwere, breite Strophe des altdeutschen Heldengedichtes<br />
gewählt. Auch die Sprache hat ganz diesen behaglichbreit erzählenden<br />
Charakter, und den Inhalt bilden Geschehnisse nicht in der alten<br />
Eidgenossenschaft, sondern unter den ersten Eidgenossen, Episoden, Bilder,<br />
Szenen aus der geschichtlichen und wirtschaftlichen Entwicklung unserer<br />
Altvordern, der Historiker geht da Hand in Hand mit dem Dichter: der erstere
- 55 -<br />
liefert den Stoff, der zweite die Form. Dazwischen finden sich prächtige<br />
Charakteristiken handelnder Personen, zarte Liebesidylle, malerische<br />
Schilderungen der Natur, Ergüsse von echtem Humor, und diese Vorzüge<br />
helfen auch leicht über jene Partien hinweg, in denen die Darstellung von<br />
Rechtsverhältnissen einen sehr breiten Raum einnimmt.<br />
Das Lied enthält auf 96 Seiten 20 Nummern, und dem Ganzen geht voraus<br />
ein Prolog: "Die Alpen", er preist die Firnen, die Täler, die Ströme und Seen<br />
und führt uns in grossen Linien die älteste Entwicklung vor, von den<br />
Alemannen an durch Chlodwig und Theoderich dem Grossen, durch die<br />
Glaubensboten, ihre Kulturmission, durch die Klöster und Stifte bis zu den<br />
Kaisern und Vögten und dem ersten Bund. Gegen Ende dieser Periode,<br />
ungefähr im ersten Drittel des dreizehnten Jahrhunderts, setzt der Dichter ein<br />
und zwar mit dem "Urner Maiending". Wir lassen diese erste Lied folgen als<br />
Beispiel, wie <strong>Plattner</strong> einzelne Ereignisse aus der Zeit der ersten Eidgenossen<br />
behandelt. Der Leser kann sich so am besten ein Urteil bilden über die<br />
Detailkenntnis in der Geschichte, über die Verarbeitung des Materials, über<br />
die Sprachkunst des Meisters über den ächt epischen Ton, die prächtige -<br />
Konstruktion und glückliche Verwendung der Nibelungenstrophe mit den<br />
feinen Aliterationen. Wir werden unmerklich und unwillkürlich<br />
hineingezogen in den magischen Kreis der Kontemplation, welchen der<br />
Dichter um uns bildet.<br />
Das Urner Maiending.<br />
Der Frühling war gekommen im bunten Festgewand,<br />
Es blühten alle Gründe, der Berge Schnee verschwand,<br />
Das war ein Schäumen, Rauschen von Bächen ohne Zahl,<br />
Es schwollen Reuss und Schächen und eilten durch das Tal.<br />
Und tausend Knospen sprangen, die Bäume schlugen aus,<br />
Am Hage prangten Schlehen im weissen Blütenstrauss.<br />
Durch das Gebirge brauste - mit aller Macht der Föhn,<br />
Es stürzten die Lawinen dumpf donnernd von den Höh'n.<br />
S. 45: In Feld und Wald ein Singen und lauter Jubelschall,<br />
Und von den Felsenhängen ein froher Wiederhall!<br />
Es grüssten alle Glocken in lautem Ueberschwang
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Den hellen Sonntagsmorgen mit festlich frohem Klang.<br />
<strong>Ein</strong> Reiten, Wandern, Wallen begann die Reuss entlang.<br />
Von Bergen, aus den Tälern, vom See, von Hald' und Hang,<br />
Von Hütten, Häusern, Burgen, zu Schiff, zu Ross, zu Fuss.<br />
Vereinten sich die Männer mit Händedruck und Gruss.<br />
Die Markgenossen zogen in Waffenschmuck und Wehr<br />
Nach Altdorf auf die Breiten, es war ein ganzes Heer.<br />
Sie traten dort zusammen in einen weiten Ring<br />
Zur Frühlings-Markgemeinde, zum alten Meiending.<br />
Dann schritt von Attinghausen Herr Ulrich in den Kreis,<br />
An Ehren und an Jahren ein würdevoller Greis,<br />
Es ging zu seiner Rechten ein Degen schlank und kühn,<br />
Arnold von Ah, der Weidmann aus Unterwaldens Höh'n.<br />
Er war der Königsbote und kam von Hagenau,<br />
Auch bracht' er frohe Botschaft von Zürichs hoher Frau.<br />
Es folgten dann die Meier und an der Ritter Schar,<br />
Sie traten in den Umstand, der Tag war hell und klar.<br />
Der Herr von Attinghausen entbot nun den Willkomm<br />
Arnold dem Königsboten, den Männern stark und fromm.<br />
<strong>Ein</strong> Brausen wie vom Sturme, der durch die Eichen fährt,<br />
Erhob sich bei dem Grusse und jeder schwang sein Schwert.<br />
Dann sprach Arnold der Bote (vom König bracht' er Mär')<br />
Von Kaiser Friedrichs Kämpfen und von des Reiches Ehr',<br />
Vom Krieg in welschen Landen, von treuer Hilf in Not,<br />
Es war der König Heinrich, der ihm die Kunde bot.<br />
"Es ist des Königs Wille", fuhr Arnold lauter fort,<br />
Das Tal ans Reich zu ziehen, gegeben ist sein Wort.<br />
Zum Reichsland ist' erhoben, von alter Schirmvogtei<br />
Geledigt durch den König und durch den Kaiser frei!"<br />
Wie Donner der Lawinen erhob sich in dem Kreis<br />
<strong>Ein</strong> Jubelsturm und Jauchzen "Dem Kaiser Dank und Preis!"<br />
Als sich die Brandung legte, hub Arnold wieder an:
- 57 -<br />
Der Kaiser gab euch Freiheit, nun schafft ihm freie Bahn!<br />
Durch eure Schluchten schlaget den Heerweg in's Gestein,<br />
Erbauet feste Brücken durch euer Land hinein<br />
Die Schöllenen bezwinget, ob wild die Reuss auch tobt,<br />
Es mag die Brücke stieben, wenn sie den Meister lobt.<br />
Die Reichsgemeinde Ursern baut auf des Berges Höh'<br />
Und Livinen am Tessin bis an den Langensee.<br />
Es winde sich der Heerweg kühn durch's Gebirg hinan,<br />
Sankt Gotthard wird ihn schützen und jeder freie Mann!<br />
Der Kaiser gibt die Strasse hinein in's welsche Land<br />
Zum Schutz und Schirm der Wand'rer in eure treue Hand.<br />
<strong>Ein</strong>st waren diese Berge, der Täler <strong>Ein</strong>samkeit,<br />
Verbannungsort für Grosse nach Kampf und herbem Streit<br />
S. 46: Heerfahrten werden ziehen in Zukunft durch das Tal<br />
Und fromme Pilgerschaaren, Kaufleut' in grosser Zahl!<br />
Und Rosse, schwer beladen mit Wein und edlem Kauf,<br />
Wird mancher Säumer führen das Land hinab, hinauf.<br />
Und sollte je den Kaiser in dem ererbten Land<br />
Gefahr und Not bedrängen, dann nehmt das Schwert zur Hand,<br />
Und bringt ihm rasche Hilfe nach treuer Männer Art,<br />
So wird das Reich in Ehren vor List und Trug bewahrt."<br />
Wie Donner der Lawinen erhob sich in dem Kreis<br />
<strong>Ein</strong> Jubelsturm und Rufen: "Wir folgen dem Geheiss!"<br />
Er ruft: "Ihr habt's beschlossen, nun führt es mutig aus!<br />
Gott schütze unsern Kaiser mit seinem ganzen Haus!"<br />
Wie Wogenbrandung rauschte der Jubelsturm im Kreis<br />
Dann grüsst' er die Gewerke mit seiner Worte Preis:<br />
Steinmetzen, Maurer, Schmiede und Zimmerleut' im Tal,<br />
Ich gross' euch, wackre Meister mit Hammer, Kell' und Stahl.<br />
Der Kaiser schuf aus Liebe und Lust zur kühnen Tat,<br />
Erweiset euch am Werke entschlossen wie im Rat!<br />
Lasst euer Eisen lohen und stählt die Aexte gut
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Und schmiedet scharfe Waffen, ihr Schmiede in der Glut!<br />
Es kommt so manche Tanne im Walde nun zu Fall<br />
Und Weg und Brücken heischen so manchen Hieb und Hall.<br />
Steinmetzen ihr und Maurer, erprobt euch am Gestein,<br />
Granit ist hart, noch härter muss euer Wille sein.<br />
Ich bitte Gott im Himmel, dass er Gediehen send'<br />
Und alles gnädig führe zu einem guten End!<br />
Wohl mag in fernen Zeiten ein grösseres Werk ersteh'n,<br />
<strong>Ein</strong> Wunderwerk der Mensch, wie wir noch keines geseh'n,<br />
Doch wer zuerst gebrochen den Weg durch Schlucht und Stein,<br />
Wird auch in fernsten Tagen nicht ganz vergessen sein.<br />
Gehabt euch wohl, ihr Männer, und denkt an diesen Tag!<br />
Wer weiss was alles künftig daraus noch werden mag."<br />
Noch einmal rauschte mächtig der Jubel durch den Ring,<br />
Das war die Landsgemeinde, nicht mehr das Meiending.<br />
Dann trennten sich die Scharen, es trat zum Landammann<br />
Mit leuchtend frohen Antlitz ein biedrer Greis heran.<br />
<strong>Ein</strong> Brausen wie vom Sturme, der durch die Eichen fährt,<br />
Erhob sich nach dem Spruche und jeder schwang sein Schwert.<br />
Dann rief Herr Attinghausen: "Das Land verlangt ein Haupt,<br />
So lasst es uns erküren, ist uns die Wahl erlaubt."<br />
"Der König lässt", sprach Arnold, "der Wahl den freien Lauf".<br />
Der Freiherr" rief dann wieder: "Nehmt mir's in Gutem auf<br />
Den Burkhard Schüpfer wählet zum ersten Landammann,<br />
Es ist in Uri keiner, der solche Kraft gewann."<br />
Da flogen aller Hände mit Jubelruf empor,<br />
Herr Burkhard trat errötend jetzt aus dem Kreise vor,<br />
Er war, ob jung an Jahren, ein Mann, an Geist und Kraft<br />
Und kundig in der Sachen der Markgenossenschaft,<br />
S. 47: Auch ragt er hoch vor Allen an Mut und an Gestalt,<br />
Und Blick und Rede waren von fesselnder, Gewalt.<br />
Herr Burkhard, der Gewählte, der Mann von seltner Art,
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Erhob sich ernst und sinnend und griff an seinen Bart.<br />
Er mass mit festen Blicken im Kreis der Männer Schar,<br />
Erwägend, was ihr Wille und! ihre Sendung war.<br />
Da fühlt' er sich gehoben von Schultern breit und stark,<br />
Von Sennen, die ihn trugen, erprobt an Kraft und Mark.<br />
Es waren freie Siedler tief aus dem Schächental,<br />
Die allem Volke zeigten den Mann der eigenen Wahl.<br />
Da rief er in dem Ringe, dass jeder ihn verstand:<br />
Heil unserm Kaiser Friedrich und Uri's freiem Land!"<br />
Ihm bot der alte Hunno von Schwyz die derbe, Hand,<br />
Es ehrten freie Männer als Richter ihn im Land.<br />
Er bracht' ihm viele Grüsse und manches holde Wort<br />
Von seinen Hausgenossen, das klang im Herzen fort.<br />
Sie schüttelten einander nach guter Freunde Art<br />
Die Hand, es hat auch Burkhard die Fragen nicht gespart.<br />
Die Herren zogen fröhlich nach Altdorf im Verein,<br />
Schon glühten alle Berge im Abendsonnenschein.<br />
Zu Altdorf bei der Linde genossen sie das Mahl.<br />
Es kreist in froher Runde der schäumende Pokal.<br />
Herr Hunno sprach: "Ihr Urner, ihr geht uns frisch voran,<br />
Zu hohen Ehren brechet ihr mutig uns die Bahn.<br />
Altfreie Schwyzer" führen noch immer gern ihr Schwert,<br />
Wer weiss, wird nicht dem Kaiser einst unser Arm noch wert?"<br />
Und Hunnos Haupt umspielte purpurner Abendschein,<br />
Er brach wie Alpenglühen vom Rütlistrand herein. -<br />
Die weitere detaillierte Skizzierung der' Gesange würde wenig Wert haben<br />
und auch kaum gelesen werden, wir müssen uns auf wenige springende<br />
Punkte beschränken.<br />
Hunno und Burkhard fahren nachts nach Brunnen und gehen nach Schwyz,<br />
wo am Tage darauf grosse Waffenschau ist. Die Schilderung dieses<br />
Auffahrtsmorgens ist von entzückender Schönheit. Bei der Versammlung<br />
sprach ein junger Mann heftig gegen die Friedensvorschlage Hunnos und
- 60 -<br />
verwundete seine Tochter Ostergild durch einen Pfeilschuss, es war der<br />
Wilderer Wido Locholt aus Iberg. Die Vögte hatten Vater: und Bruder des<br />
armen Knaben erschlagen, das Vieh geraubt und Haus und Stall angezündet.<br />
Ostergild tröstete ihn mit den milden Worten: "Klein Wido, schlaf, klein<br />
Wido, du bleicher, armer Bub!" Und seither ist das Bild ihm nie mehr aus der<br />
Seele geschwunden, auch nicht im wilden Jagerleben. Nun wollte er<br />
"Abschied" nehmen mit einem "Schützengruss". Zur Sühne musste er einige<br />
Jahre im Kloster Engelberg zubringen, von wo er später wieder zu<br />
Kriegstaten geholt wurde. Die Schilderung<br />
S. 48: an dieser Vorgänge greift mächtig an das Gemüt. Zur Bekräftigung des<br />
Bundes zwischen Uri und Schwyz wird nun Hunnos Tochter Ostergild mit<br />
Landammann Burkhard verlobt.<br />
Der Urner Landrat hatte beschlossen, die Strasse durch die Schöllenen zu<br />
bauen, und das Werk wurde ausgeführt. Da brach der alte Kampf der Staufen<br />
mit Rom und den Guelfen wieder aus. Faenza wurde belagert, und die<br />
Eidgenossen mussten Hilfstruppen schicken. Der Königsbote Arnold wird<br />
von Hunno nach Engelberg abgesandt, um Wido zu holen, er musste bei<br />
diesem Zuge Bannerträger werden. Beide gingen miteinander nach Altdorf.<br />
Zuerst mussten aber Stege und Brücken geprüft werden. Dieses "Lied" lassen<br />
wir folgen:<br />
Die Probe.<br />
Zu Altdorf auf dem Thurme am alten Meierhaus,<br />
Da flogen muntre Schwalben geschäftig ein und aus.<br />
Es hatte sich versammelt ein froher Wanderzug,<br />
Die junge Brut versuchte den ersten kühnen Flug.<br />
Sie träumte von den Alpen, vom Meer und seiner Art,<br />
Von sonnigen Gefilden und froher Wanderfahrt.<br />
Es paarten sich die Jungen und zwitscherten gar viel<br />
Vom Nesterbau im Süden und anderm frohem Spiel.<br />
Erzählten doch die Mütter, wie dort der Himmel lacht,<br />
Auf schlanken Marmorsäulen in seiner Sonnenpracht.<br />
Im Schatten der Zypressen, berauscht von Blüthenduft,
- 61 -<br />
Verträumten sie die Wochen in linder Frühlingsluft.<br />
Im Turmgemach von Altdorf am Fenster stand ein Strauss<br />
Von frischerblühten Blumen, es blühte hold heraus<br />
Der Berge Purpur blühte und lichtes Edelweiss,<br />
Von Männertreu umgeben und Alpen-Ehrenpreis.<br />
Und wer die Blumen brachte, das war ein schlanker Mann,<br />
Der's mit dem ersten Blicke Richenza angetan!<br />
Sie sass mit Osterhilden am Fenster im Gelass<br />
Und frug sie über Wido, sie trug ihm Lieb und Hass.<br />
Er war mit Ritter Arnold und Hunno hier zu Gast,<br />
Dann ritten sie mit Burkhard durch's Thal in grosser Hast<br />
Vom Surenen-Gebirge bracht' er den Strauss ins Land<br />
Und legt' ihn, bei der Ankunft als Gruss in ihre Hand.<br />
Fast hätt' er ihrem Bruder einst Osterhild geraubt<br />
Und trug bei der Begrüssung doch frei und hoch sein Haupt.<br />
Und als er heut' am Morgen sich in den Sattel schwang,<br />
Kaum dass sein Blick in Eile zu ihr herüberdrang.<br />
Es wurmte sie nicht wenig, sie sprach zu Osterhild:<br />
Er scheint mehr eines Mönches als eines Ritters Bild.<br />
Da sprach die sanfte Taube: "In ihm sind, wie mir scheint,<br />
Zum echten Johanniter die Züge schon vereint".<br />
S. 49: "Dann bin ich", sprach Richenza, "auch Nonn' und Edelfrau",<br />
Da lachte Osterhilde und sprach: "Das stimmt genau<br />
"Man merkt es," spitzt Richenza, "dich hat sein Pfeil gestreift,"<br />
Und Osterhild erwidert: "Und sich bei dir versteift!"<br />
"Versteift! Das wäre seltsam, er trägt den Kopf zu hoch,<br />
Und er auch ein Schwyzer, den Falken zähm' ich doch"<br />
"Und soll es dir gelingen, eh' sich der Mond erneut,<br />
Strühenza, dann beginne das Probestück schon heut'!"<br />
Ich rate dir das Rechte, ergreif' es, schau' und glaub',<br />
Nach Hohem strebt der Falke und liebt den kühnen Raub.<br />
Er schlägt dir seine Fänge recht tief in's Herz hinein,
- 62 -<br />
Eh' du dich des versehen, musst du sein eigen sein."<br />
Da sprach Richenza lächelnd: "Das ginge mir in's Blut,<br />
Eh' lässt er seine Federn und seinen stolzen Muth.<br />
Wär' ich ein holdes Täubchen, so gallenlos wie du,<br />
Dann könnt' es wohl geschehen und weg wär' meine Ruh'!"<br />
So neckten sich die Töchter und wurden kaum gewahr,<br />
Wie sich der Himmel trübte, der erst noch heiter war.<br />
Rasch ballten sich die Wolken und jagten durch das Thal,<br />
Und tiefer im Gebirge fuhr nieder Strahl auf Strahl.<br />
Es wechselten die Schwalben den Mückenfang, den Flug,<br />
Der sie bald in die Höhe, bald in die Tiefe trug,<br />
Dann schlug in schweren Tropfen der Regen auf das Dach<br />
Und durch die Schluchten gellte der Donner hundertfach.<br />
Es zuckten grelle Blitze und an dem alten Turm,<br />
Da heulte wie ein Raubtier und rüttelte der Sturm.<br />
Die Mädchen wirkten emsig an ihrer Arbeit fort,<br />
Es war ein rotes Banner mit weissem Silberbord.<br />
Und in das Banner wirkte des weissen Kreuzes Bild<br />
Mit zarten Silberfäden die blonde Osterhild.<br />
<strong>Ein</strong> Strahl! <strong>Ein</strong> Schlag! - Es sanken die Mädchen auf die Knie<br />
Und riefen laut: "Die Lieben, O Herr, beschütze sie!"<br />
Und zu derselben Stunde da zogen Mann an Mann<br />
Die Herren durch die Wildnis der Schöllenen hinan.<br />
In weltenfernen Tagen rang sich der Alpen Wall<br />
Aus Dunst und Wasserstrudeln empor vom glüh'nden Ball.<br />
Das war ein Bersten, Stürzen und Krachen! Fels und Flut<br />
Und alle Elemente in Aufruhr, Sturm und. Wut!<br />
Es schien, es wiederhole sich jener Kampf und Drang,<br />
Als Burkhard mit den Freunden die wilde Schlucht bezwang.<br />
Sie traten auf die Brücke, die stiebende genannt,<br />
Die zwischen Fels und Reussfall der Meister kühn gespannt.<br />
Es trug der starke Burkhard die Axt in seiner Hand
- 63 -<br />
Und Wasserstaub und Regen durchnässten sein Gewand.<br />
Ihm folgten in der Reihe Wido, dann Arnold, Hunn,<br />
Der tolle Bergstrom tobte wie wilde Tiere tun.<br />
Mit seiner Axt erprobte Burkhard der Brücke Kraft,<br />
Die Schrauben, Bänder, Keile, die Klammer, Nut und Haft.<br />
S. 50: Dann schlug er am Geländer die Eisenringe fest,<br />
Da fuhr, ein Hagelschauer in's wilde Felsennest.<br />
Und wütend springt und brüllend ein Stier daher zur Brück<br />
Ihn sieht erstaunt der Ammann und bäumt sich, weicht zurück,<br />
Und schwingt die Axt zum Streiche und trifft mit lautem Prall,<br />
Der Bulle stürzt! Verschlungen hat ihn der Wogen Schwall! -<br />
Da steht ein Bär im Wege, ein zottiger Gesell,<br />
Er jagte nach dem Stiere und kam an diese Stell!<br />
Und Burkhard wagt entschlossen zum zweiten Mal den Strauss,<br />
Da glitscht er auf den Schlossen und nassen Planken aus,<br />
Kopfüber! hätte Wido mit seiner Riesenkraft<br />
Den strauchelnden Gefährten nicht jähem Sturz entrafft!<br />
Da schlug der Bär sich seitwärts und stieg den Fels hinan.<br />
Herr Burkhard stand gerettet mit Wido auf dem Plan.<br />
"Gottswunder!" rief der Ammann, "das war ein schweres Stück!<br />
Der Weg ist kühn vollendet, dem Lande bring' er Glück!<br />
Dir sag' ich Dank, mein Bruder! Du hast auf nassem Pfad<br />
In Treue mich gerettet vor einem schlimmen Bad!"<br />
Da riefen Hunn und Arnold den jüngern Freunden zu:<br />
Die Retter von uns Beiden seid ihr, Burkhard und du!"<br />
Und Arnold sprach: "Ihr Freunde, der Urner Wappentier<br />
Betracht' ich als gefunden, es ist der wilde Stier!"<br />
Darauf erwidert Burkhard: "Herr, euer Rat ist gut,<br />
Er weist auf starke Nacken und einen festen Mut.<br />
Nun folget mir zum Imbiss hinauf nach Andermatt.<br />
Wir sind des vielen Wassers jetzt mehr als übersatt.<br />
Schon stellt vor ihren Blicken das Alpendorf sich dar,
- 64 -<br />
Dort harrt auf ihre Ankunft der Freunde biedre Schar."<br />
Von Sax der edle Freiherr mit manchem Ritter wert<br />
Empfing mit Gruss die Männer und hat sie hochgeehrt<br />
Dem Werke gab die Weihe der Abt von Disentis,<br />
Obwohl es ihm in Ursern manch' altes Recht entriss.<br />
Bereitet war zur Heerfahrt Herberge, Weg und Ross<br />
Und in die welschen Lande fuhr manch' ein Schwertgenoss'.<br />
Beim Trunke schlossen Burkhard und Wido Brüderschaft<br />
Zu Schutz und Trutz für's Leben mit ihrer ganzen Kraft.<br />
Der alte Hunno dachte: "Rat, Wille, Macht und Tat<br />
Vollenden Wunderdinge. Schon reift die goldne Saat,<br />
Und neues, frisches Leben strömt kräftig durch das Land,<br />
Es ist nun überwunden die alte Scheidewand."<br />
Bald nach der "Probe" sollte nun der Heereszug über den Gotthard nach<br />
Italien angetreten werden. Die Jungburschen von Schwyz, vom Kernwald,<br />
Sarnen, Buochs und Stans sammelten sich in Altdorf zur grossen Heerschau:<br />
"Ihr Banner bot Richenza dem kühnen Wido dar,<br />
Da sank er auf die Knie, ergriff es vor der Schar,<br />
Und kniend liess er's wallen und küsste ihre Hand<br />
Und eine stolze Zähre hat heiss auf ihr gebrannt.<br />
S. 51: Es tauchte Aug' in Auge und Seel' in Seele tief<br />
Und eine Flamm' erwachte, die nimmermehr entschlief.<br />
Und ihren stillen Segen enteilte hold und mild<br />
Zwei Herzen, die sich fanden, die schlanke Osterhild.<br />
Zum Aufbruch mahnte Hunno. In sittig holder Scham<br />
Erglühte Osterhilde, als Burkhard Abschied nahm.<br />
Dann, küsste sie den Vater nach holder Kinder Art<br />
Und eine Träne rollte auf' seinen grauen Bart.<br />
Nun rief er: "Auf zum Kaiser!" Der Bläser stiess in's Horn.<br />
<strong>Ein</strong> Jubelruf und Jauchzen: "Die Schnitter zieh'n in's Korn!"<br />
Das Kreuz im roten Felde, es zog zum ersten Mal<br />
Der Reuss entgegenwehend durch Uris Felsental.
- 65 -<br />
Nun folgen Bilder aus der Belagerung von Faenza, die <strong>Ein</strong>nahme der Stadt<br />
und der Dank des Kaisers durch den Freibrief.<br />
"Da leuchten Hunnos Augen und seine Wangen blüh'n<br />
Wie edle Firnenkronen im hehren Alpenglühn.<br />
Was sich in dunklen Träumen ihm halb geoffenbart,<br />
Und was der See geflüstert auf nächtlich stiller Fahrt,<br />
Wonach die Sehnsucht strebte, der Seele Flügelschlag,<br />
Die Freiheit seiner Heimat! Sie trat nun an den Tag."<br />
Die Heimkehr und den Empfang zu Altdorf hat der Dichter mit<br />
majestätischem Schwunge geschildert, ebenso die Siegesfeier in Schwyz:<br />
"Und Burkhard stand bei Hunno, zur Rechten Widos ging<br />
Richenza, Osterhilde zur Linken in den Ring,<br />
Und über ihren Schultern und reichen Lockenzier<br />
Schwang Wido hoch zum Grusse das flatternde Panier.<br />
Nie war ein Jubelbrausen so stürmisch und so laut<br />
Nie haben Schwyzerberge ein schönres Bild geschaut."<br />
Nun preist Wido begeistert die Heimat, das Vaterland, Glauben, Treue, Recht<br />
und Freiheit. Hunno liess die Krieger nochmal den Fahneneid schwören, und<br />
den Abschluss der Feste bildete die Doppelhochzeit Burkhard-Ostergild und<br />
Wido- Richenza.<br />
'<br />
Bald kam die "Wendung" zum Schlimmem. Des alten Grafen Erbe, der<br />
"Schweiger", liess in der Nähe Festen und Wehren bauen, die freien Männer<br />
aber brachen den Ring, und Luzern trat dem Bunde bei. In diesem Kampfe<br />
fielen Hunno und Wido, und der Kaiser wurde in Bann getan, die Kämpfer<br />
waren glücklich, doch der Hunger drohte, und Luzern erlag den Guelfen. In<br />
der Landsgemeinde zu Schwyz rieten alte Männer zur Auswanderung,<br />
wogegen aber Stauffacher zum Ausharren mahnte: "Wir leben und wir<br />
sterben für unser Vaterland!" Jetzt kam Hilfe in der Not. Der Propst von<br />
Luzern war gefangen in Stans und<br />
S. 52: machte Vorschläge zum Frieden, die auf Burkhards Rat angenommen<br />
wurden.<br />
"Und alle Herzen schöpften bald wieder frischen Mut,
- 66 -<br />
Bald haben auch die Waffen im Alpenrand geruht.<br />
Und in der kaiserlosen, der schreckenvoller Zeit<br />
Entstand in den drei Landen nie wieder Kampf und Streit.<br />
Es schützte ihren Frieden der junge starke Bund<br />
Bis in dem Reiche wieder die Kaisermacht erstund."<br />
Wir bringen hier noch den<br />
Schluss<br />
Nach Königs Rudolfs Tode, in schwüler Sommernacht,<br />
Ward neu der Bund und kräftig in andre Form gebracht.<br />
Es halfen bei dem Werke Burkhard, der biedre Greis,<br />
Stauffacher, Hunn, Ab-Yberg, den Männern Dank und Preis!<br />
Wer wüsste nicht, wie Albrecht des Hauses Macht gemehrt.<br />
Und auch das Waldgebirge mit neuem Druck beschwert,<br />
Sein Landvogt aus dem Aargau den Gotthardzoll erhob<br />
Und zum Geleit von Uri die eigenen Schergen schob.<br />
Als dann am Urner Heerweg sein fester Turm erstand,<br />
Wie ging ein dumpfes Grollen da durch das ganze Land!<br />
Wie kühn es sich des Dranges entledigt, weiss die Welt,<br />
<strong>Ein</strong> grosser Meister hat es ihr herrlich dargestellt.<br />
Und als dann König Albrecht durch seines Neffen Hand<br />
<strong>Ein</strong> jammervolles Ende auf seinem Eigen fand,<br />
Ist bald der Kampf von Neuem im Land emporgeloht,<br />
Es führte Herzog Leopold die Seinen in den Tod.<br />
Morgarten tat und Sempach es allen Landen kund,<br />
Wie mächtig sich erhoben der junge Schweizerbund.<br />
Wohl sind sechshundert Jahre vorüber schon gerauscht,<br />
Er hat die Form schon manchmal, sein Wesen nie vertauscht.<br />
Wer an der Bundesfeier das Schwyzertal gesehn,<br />
Im Jubel eines Volkes gefühlt des Geistes Weh'n<br />
Und dann im Meer von Lichtern die Blicke schweifen liess,<br />
Vom Mythen-Kreuz zum Rotstock in seinem Silbervliess.
- 67 -<br />
Der sah vielleicht Gestalten nach dieses Liedes Sinn.<br />
In früher Knospe schlummert der späten Frucht Gewinn.<br />
Die Knospe ging zur Blüte im Schwyzertale auf,<br />
Von hier begann die Freiheit den kühnen Siegeslauf.<br />
Das ist des Liedes Ende. Was schert euch, wer es sang?<br />
Genug, wenn's euch erfreute und euch zu Herzen drang!<br />
Die Wahrheit im Gewande der Dichtung wird verstehn,<br />
Wer in die alten Zeiten mit hellem Blick gesehn."<br />
S. 53: Auch wir sind nun zu Ende mit dem Liede von den ersten Eidgenossen und<br />
bedauern nur, dass unsere Auswahl nicht reicher ausfallen durfte, denn nur<br />
für das Schönste aus dem vielen Schönen hätte der verfügbare Raum der<br />
"Monat-Rosen" nicht gereicht. Wir können die alten und jungen Freunde nur<br />
bitten, selber zuzugreifen, zu lesen und zu studieren, und sie werden, wie wir,<br />
hohen Genuss finden. Das Material ist oft spröd, trocken, hart, speziell die<br />
alten Rechtsverhältnisse, aber der Dichter hat seinem Gegenstande stets<br />
Leben einzuhauchen gewusst, die Form ist immer schön und die Sprache<br />
frisch. Wir müssen staunen, nicht nur mit welcher Sachkenntnis und<br />
Genauigkeit <strong>Plattner</strong> alle die verwickelten Umstände beherrscht und darlegt,<br />
sondern auch, mit welcher Liebe und mit welchem Geiste er sie zu umgeben<br />
weiss. Der Entscheid würde fast schwer fallen, ob man dem Historiker oder<br />
dem Dichter den Vorzug geben sollte. Daneben hat es Partien von vollendeter<br />
Schönheit, Naturbilder, Schilderung von Versammlungen, Zügen, Personen<br />
usw. Und über dies die prächtigen Heldengestalten und die herrlichen Frauen,<br />
alle gross und edel und doch jede wieder von der andern scharf sich<br />
abhebend: Dieser Hunno, Burkhard, Wido, Arnold, Attinghausen, Ab-Iberg,<br />
Stauffacher, Frowin, diese Gertrud, Osterhild und Richenza. - Alle eine<br />
Galerie echter Schweizer-Charaktere aus der alten Zeit!<br />
Nicht um dem lieben <strong>Veteran</strong>en am Fusse des Calanda ein Kompliment zu<br />
machen, schreiben wir diese Zeilen - der Dichter liebt und braucht das nicht -<br />
sondern um den Jungen zu zeigen, was ein wackerer Alter Grosses und<br />
Schönes geschaffen hat. Greift darnach und Ihr werdet dann selber finden,<br />
dass wir nicht zu viel gesagt haben!
- 68 -<br />
III. Der Lyriker.<br />
Unserem Vereine am nächsten steht Pl. <strong>Plattner</strong> als Lyriker. Als solcher hat<br />
er zuerst in den "Monat-Rosen" sich präsentiert, in den "Späten-Rosen" und<br />
in den zwei ersten Jahrgängen. Im Jahre 1859 erschien das Bändchen "Aus<br />
den rhätischen Alpen", in welche Sammlung die meisten schon<br />
veröffentlichten Gedichte aufgenommen wurden, nicht alle, so fehlen der<br />
"Herbstgruss", "<strong>Ein</strong>e Episode aus dem Feste zu Freiburg", "Die Tellen der<br />
Neuschweiz", "Sonett nebst Anhang", "Klage", "Demostenes" (nach dem<br />
Spanischen des Aberto Lista), "Prolog des Oedipus auf Kolonos von<br />
Sophokles", die "Abendwehmut" führt in der Sammlung den Titel:<br />
"Verschollene Tage" und ist formell und inhaltlich wesentlich geändert.<br />
S. 54: Wir wissen die Gründe für die Eliminierung der genannten Jugendprodukte<br />
zu würdigen, hingegen der "Prolog" hätte ganz gut Aufnahme finden dürfen,<br />
er ist in rein sprachlicher Beziehung mindestens so fein als die Donner'sche<br />
Uebertragung, immerhin ist die Arbeit nicht eigenes Produkt.<br />
Nach dieser "Sammlung" ist unseres Wissens noch ein einziges Gedicht von<br />
Pl. <strong>Plattner</strong> erschienen, im Bündner Tagblatt vom 14. Februar 1892.<br />
Ständerat Peterelli war in Bern gestorben, der Sarg wurde per Bahn nach<br />
Chur und von da per Schlitten nach dem Heimatorte geführt, nachts 10.30<br />
Uhr. Diese Fahrt behandelt <strong>Plattner</strong> in einem von tiefster Wehmut<br />
durchhauchten Liede, das wir hier gleich mitteilen wollen:<br />
Nächtliche Fahrt.<br />
Auf der Heide Totenstille,<br />
Tiefgehüllt in Eis und Schnee,<br />
Schlummern all' die Bergesriesen<br />
In der Ferne, in der Näh'.<br />
Helles Auge, das gebrochen,<br />
Und ein Herz, das nicht mehr schlägt<br />
Ruht der See in Todesschlummer,<br />
Keine Welle, die sich regt!<br />
Nur ein leises, tiefes Flüstern<br />
In dem schneebehang'nen Tann,
- 69 -<br />
Und des Mondlichts fahles Zittern.<br />
In den Zweigen dann und wann!<br />
Von der Höhe klingen Glöcklein,<br />
Schallt ein Hufschlag durch die Luft,<br />
Führt man einen müden Pilger<br />
Heim in seiner Väter Gruft?<br />
Helle Augen, nun gebrochen<br />
Und ein Herz, das nicht mehr schlägt<br />
Und zwei Herzen, die ihm folgen,<br />
Stumm, von tiefem Schmerz bewegt.<br />
Und es flüstern leis die Tannen<br />
Müder Pilger, fahre wohl!<br />
Fahr' zum letzten Mal vorüber<br />
An dem Stein von Vazerol!<br />
Würdig gingst du zu den Vätern,<br />
Die mit ihrer starken Hand<br />
<strong>Ein</strong>st in Not und Sturmeswettern<br />
Frei bewahrten unser Land.<br />
Dieses Gedicht dürfte den Abschluss der <strong>Plattner</strong>'schen Lyrik bilden, seither<br />
hängt die Laute verstaubt an der Wand: Die wenige freie Zeit, welche<br />
Magistratur und Administration dem Dichter übrig lassen, hat dieser für<br />
Drama und Epos verwendet, zu welchen beiden Gattungen der Jünger der<br />
Muse mehr Lust und Liebe hatte.<br />
Nun zur "Sammlung". Sie weist keine Klassen, keine Abteilungen auf, die<br />
Gedichte sind auch nicht chronologisch, sondern offenbar ganz frei<br />
aneinandergereiht. Die zarte, sinnige Lyrik, das eigentliche Lied ist nur in<br />
wenigen Exemplaren vertreten, aber sie zeigen, dass der Dichter auch diesen<br />
weichen, gemütvollen Ton zu treffen weiss. Nur ist es auffallend, wie fast<br />
über alle ein tiefer Ernst, eine stille Wehmut sich lagert, und wenn nicht über<br />
das Ganze, so doch sicher über den Schluss. Ausnahmen finden sich nur<br />
wenige, darunter selbstverständlich "Rhätischer Wein" (Prag 1857). Da<br />
sprudelt eine Frische, ein Leben, wie kaum in den besten Trinkliedern, und
- 70 -<br />
doch nobel bis zum Schlusse:<br />
Fort, zum Henker das Geleier,<br />
Prager Musikantenschaft!<br />
<strong>Ein</strong>en Czardar spielt' voll Feuer.<br />
Kellner, Ungarwein geschafft!<br />
Viva la Grischa!<br />
<strong>Ein</strong>en Becher will ich leeren<br />
Funkelnder Magyarenwein,<br />
Meinem Rhätier zu Ehren,<br />
Her die Flasch' und schenke ein!<br />
Viva la Grischa!<br />
Das glüht und sprüht von Feuer wie Tokaier ein und Rhätier, ist aber fast eine<br />
einzige Ausnahme. Man sieht und fühlt recht gut, das Lautenspiel behagt<br />
dem bündnerischen Sänger gar nicht, er ist viel zu ernst, zu feierlich, viel zu<br />
sehr Denker und Philosoph, als dass er an dem leichtem Genre der Lyrik<br />
Gefallen finden könnte, und vollends der "Moderne" steht er diametral<br />
gegenüber. Die Poesie der Stosseufzer, des Weltschmerzes und der<br />
Dekadenz, die Poesie der Punktation, der Ausrufszeichen und der<br />
Gedankenstriche, der abgeknippsten Momentaufnahmen und verrenkten<br />
Metaphern ist bei <strong>Plattner</strong> eine Unmöglichkeit, er will nicht blos mit den<br />
Stimmungen und Gefühlen spielen, sondern er hat und weiss immer etwas zu<br />
sagen, aus dem Liede müssen auch Gedanken wiedertönen. Wir wollen doch<br />
einige Proben vorführen:<br />
Im Walde.<br />
Welch tiefes, wunderbares Rauschen<br />
Im stillen, dunkeln Tannenwald,<br />
Ich möchte einsam immer lauschen<br />
Der süssen, fesselnden Gewalt.<br />
Mir ist's, ich sei in einem Dome<br />
Vom farb'gen Lichte mild durchglüht,<br />
Wo auf der Lieder süssem Strome<br />
Zum Himmel der Gedanke zieht.
- 71 -<br />
Sind es des Aethers lichte Geister,<br />
Die durch die dunkeln Zweige gehn?<br />
Haucht irgendwo der Weltenmeister<br />
Den Odem drüber ungesehn?<br />
Es fasst das Herz ein tief Erbeben,<br />
Es schwillt voll Wonne meine Brust,<br />
Der Wald erzählt sein tiefstes Leben,<br />
Er teilt der Menschen Leid und Lust.<br />
Des jungen Herzens erste Schläge<br />
Vier Tannenbrettchen hören sie,<br />
Und auf des Lebens dunkelm Wege<br />
Verlässt der Baum den Menschen nie.<br />
Erfreut der heil'ge Christ die Kleinen<br />
Mit seiner Gaben goldnem Schein,<br />
Da muss der Tannenbaum erscheinen,<br />
Der liebe Christbaum muss er sein.<br />
Jüngst zog es mich zum düstern Walde,<br />
Es war das Herz so froh, so voll,<br />
Ich träumt' und plauderte und balde<br />
Er rauschend mir entgegenschwoll.<br />
Er wachte auf und rauschte wieder,<br />
Die Zweige flüsterten so hold,<br />
Die Vöglein sangen süsse Lieder,<br />
Die Wipfel küsst' der Sonne Gold.<br />
Und hinter jedem Stamme winkte<br />
<strong>Ein</strong> Wunderknabe hell und mild,<br />
Aus jeder klaren Quelle blinkte<br />
<strong>Ein</strong> süsses, träumerisches Bild.<br />
Es plauderten die grünen Moose,<br />
Sie waren holder Märchen voll,<br />
Und an dem Strauch die wilde Rose<br />
Voll süsser Düfte träumend schwoll.
- 72 -<br />
S. 56: Die grauen Felsen schauten düster<br />
In's fröhliche Gekos herab,<br />
Sie murmelten von einem Küster,<br />
Gleich Mönchen und von einem Grab.<br />
"<strong>Ein</strong>st kehrt der Winter ein in's Leben,<br />
Der Rosen- Pracht ist bald verblüht,<br />
Lass dich vom Tannenwald erheben,<br />
Der dir schon manches Gute riet.<br />
Er strebt, gleich einem schlanken Turme<br />
Vertrauensvoll stets himmelan<br />
Und ist im rauhsten Wintersturme<br />
Noch grün und mailich angetan.<br />
Und wird dein Herz einst nicht mehr schlagen,<br />
So fährt's dem Tannenbaum durch's Mark,<br />
Man wird mit dir zu Grab ihn tragen<br />
Und treu umfängt er dich als - Sarg."<br />
Wie feierlich ernst sind Stimmung und Ton "Im Walde", und erst am<br />
Schluss! Ebenso im<br />
Herbstgefühl.<br />
Horch! ein Grablied raunt der Wind dahin<br />
Durch des Waldes Bäume,<br />
Graue Nebel längs den Bergen ziehn<br />
Wie verworrne Träume.<br />
Was soll, Bäume, euer Festgewand<br />
Von rotgelber Seide?<br />
Was, Natur, noch all der bunte Tand<br />
Und im Tod die Freude?<br />
Wirfst du sterbend einem Greisen gleich<br />
Noch Erinnerungsblicke<br />
In des Frühlings holdes Zauberreich<br />
Wonnevoll zurücke?
- 73 -<br />
Oder mag in dir ein Ahnen sein<br />
Künft'ger Frühlingswonnen?<br />
Wieder Greis im Tode ahnt den Schein<br />
Ew'ger Geistersonnen?<br />
War, der Frühling hell und blütenvoll<br />
Und der Herbst voll Trauben,<br />
Nun, dann kann man scheiden, wie man soll,<br />
Voller Lieb' und Glauben.<br />
Und noch das<br />
Abendlied.<br />
In Dämmerung hüllend seine Pracht<br />
Wandelt ernst der Herr nun durch den Himmel<br />
Zündet an der Sterne Glanzgewimmel<br />
In stiller Nacht.<br />
"O tu' nichts Böses bei der Nacht",<br />
Ruft's herab von all den Sternenchören<br />
"Wähne nicht, du könn'st den Herrn betören,<br />
Sein Auge wacht"<br />
"Ihr lieben Armen, gute Nacht!<br />
Werft von Herzen weg des Tages Sorgen<br />
Denkt nicht nach, was essen wir am Morgen,<br />
Es ist bedacht."<br />
Wer Himmelslichter angefacht.<br />
Wer sie nähret, dass sie nicht erlischen,<br />
Der kann auch sein hungernd Kind erfrischen,<br />
Drum gute Nacht!"<br />
Wie lieb und gut dieses fein und zart gestimmte Abendlied, wie ernst und<br />
doch wieder von Vertrauen und Trost! So noch andere Gedichte, aber<br />
wahrhaft grossartig "Not und Trost des Lebens", von dem wir blos die<br />
Schlusstrophen hersetzen, wie gemacht für unsere Zeit:<br />
"Trennt euch dann ewig dunkles Grollen<br />
Seit Zwietracht euch und Rache schlug?
- 74 -<br />
Ist denn des Jammers nicht genug?<br />
Nährt ihr noch stets den alten, tollen,<br />
Irrwahn in euerm Busen fort?<br />
Wird der Versöhnung nie ein Hort?<br />
Trennt euch auf ewig dunkles Grollen?<br />
Es muss die Welt sich einst versöhnen,<br />
Die Völker eine Heerde sein,<br />
All' eine Hürde schliessen ein,<br />
Erfüllt wird einst der Besten Sehnen<br />
Des Herren Wort, so liebevoll,<br />
Verstummen wird der alte Groll,<br />
O Gegenstück von Babels Szenen.<br />
Dann wird die Schöpfung sich erneuen,<br />
Verklärung, harrt der Kreatur,<br />
Umwandeln wird sich die Natur,<br />
Die Kräfte, die sich jetzt entzweien,<br />
Umschlingt einst nach dem Erdenbrand<br />
Der Harmonien himmlisch Band,<br />
Es muss sich alle Welt erneuen.<br />
Gegrüsst, ihr Paradiesesauen!<br />
Gegrüsst, du Land der Seligkeit!<br />
Nach Kreuz und Nacht und Sturm und Streit.<br />
Wird einst des Staubes Kind dich schauen<br />
Durch Kreuz zum Heil! Durch Nacht zum Licht,<br />
Durch Kampf zum Siege! O zage nicht!<br />
Es geht zu Paradiesesauen."<br />
Wir möchten noch manches Lied, ja sogar alle vorführen, eines tiefer, ernster<br />
und schöner als das andere, so "Trost", "Die Waise", "Wahres Leben",<br />
"Christuslehre", "Das Kreuz" - gedankenreiche Poesie und in einer Sprache<br />
von vollendeter Schönheit und Kraft.<br />
Wir kommen jetzt zur dritten Gattung, zu <strong>Plattner</strong>s eigentlicher Spezialität,<br />
zur Alpendichtung. Unser Sänger ist ein Bündner par excellence. In der<br />
Ebene draussen kann er nicht leben, es ist ihm nur wohl in den Bergen
- 75 -<br />
drinnen oder doch in ihrer, Nähe, nur die Alpenluft ist sein Element, wie dem<br />
Adler und wie dem Fisch das Wasser. In der Fremde sehnt er sich immer<br />
nach der Heimat, nur hier geht sein Herz auf und reckt die Phantasie ihre<br />
Fittige zum Hochflug auf die Firnen. So sind denn die Poesien entstanden,<br />
die in unserem Vaterland zum Schönsten und Grossartigsten auf diesem<br />
Gebiete gehören, ja, die nach unserem Dafürhalten bis zur Stunde<br />
unübertroffen geblieben sind, wenigstens was Grösse der Konzeption, Tiefe<br />
der Gedanken, Gewalt Kraft und Wucht der Sprache anbelangt.<br />
Wir dürfen da einmal eine Autorität zitieren. Dr. H. Ernst Jenny schreibt in<br />
seiner "Alpendichtung" (Bern 1908) S. 89: "Während Widmer noch vielfach<br />
ältere Motive, wie wir sie bei Salis, Wyss dem Jüngern und Kuhn gefunden<br />
haben, behandelte, ging dagegen der Bündner Plazid <strong>Plattner</strong> ganz eigene<br />
Wege. Was er in seinen "Dichtungen aus den rhätischen Alpen" geschaffen<br />
hat, gehört zweifellos zum Besten in der schweizerischen Alpenlyrik vor C.<br />
F. Meyer. Er empfand nicht minder patriotisch als Wälti und Widmer, nur<br />
etwas weniger laut und mehr lokal, an philosophischer Tiefe übertraf er<br />
beide. Auch seine Sprache klang lebendig und schön." Dr. Jenny bringt dann<br />
einige Perlen. Wir wollen das anders versuchen, denn die wenigen<br />
vorgeführten Strophen<br />
S. 58: mitsamt den verbindenden Bemerkungen geben kein rechtes Bild von der<br />
<strong>Plattner</strong>'schen Alpenpoesie.<br />
Das Portal zu diesem Kristallpalast grossartiger Alpendichtungen bildet das<br />
im Ton und Strophenbau ausserordentlich gemütvolle Lied: "Nach Fry-<br />
Rhätien". Da kommt das Heimweh nach den Alpentälern, nach der Bergen<br />
und Wäldern, nach den grauen Burgentrümmern, Gletscherfirnen und<br />
Bergströmen tief und innig zum Ausdruck, wie "Bei der Heimkehr" die<br />
Freude, wieder der Heimat Alpenzauber zu geniessen, die er im "Rhätischen<br />
Lied" so frisch und kräftig besingt, Dass <strong>Plattner</strong> auch den volkstümlichen, ja<br />
kindlich-naiven Ton zu treffen weiss, dafür zeugen die reizenden Lieder:<br />
"Der Alpenblümlein Streit" und "Alpenröslein und Alpenmägdlein". Schon in<br />
der folgenden Nummer kommt der Dichter tiefer in die Alpenwelt hinein,<br />
einem Liede voll hoher Gedanken und von süssem Wohllaut der Sprache, wir<br />
wollen es hersetzen:
- 76 -<br />
Die Alpennacht.<br />
Tiefes Schweigen rings und Schlummerstille!<br />
Keine Stimme klingt, kein Laut ertönt.<br />
Leise atmend ihren Flor gedehnt.<br />
Ihr nur raget, ew'ge Felsenriesen,<br />
Klar und herrlich in des Aethers Zelt,<br />
Eurer Brust entsteigt geheimes Grüssen<br />
Bei dem Aufblick in die Sternenwelt.<br />
Ihr erzählt Euch von des Ew'gen Ehre,<br />
Rühmt des Weltenherrn Erhabenheit,<br />
Frei aufblickend in die Glutenmeere,<br />
In die Wogen der Unendlichkeit.<br />
Herrlich rollen ihre Harmonien<br />
Ueber Euern Silberhäuptern fort,<br />
Ewig will der Geist zu ihnen fliehen,<br />
Licht will Licht, das ist sein Zauberwort.<br />
Welch ein still geheimnisvolles Walten!<br />
Welch ein Geisterwehen nah und fern!<br />
Keine Qual und keines Kummers Falten,<br />
Firn an Firn nur seh' ich, Stern alt Stern!<br />
Holder <strong>Ein</strong>klang aller Himmelskräfte,<br />
Ewig wundervolles Flammenblühn!<br />
Linder Weihbrunn voll Genesungssäfte,<br />
Die empor uns von der Scholle ziehn!<br />
Wirke fort und heil' des Staubes Wunde,<br />
Süsse Träume spend' und sanfte Rast!<br />
Sterne, leuchtet überm dunkeln Grunde.<br />
Führt zum Licht den müden Erdengast.<br />
Gebt ihm Freiheit von der Wirrnis Qualen,<br />
Freiheit von der Erde dunklem Zwang,<br />
Wahrheit nach der Täuschung bittern Schalen,<br />
Schlummer, wenn ein Leben er durchrang.
- 77 -<br />
Süsse Stille! alle Sinne heben<br />
Wie auf Aetherflügeln sich empor,<br />
Tauchen ein in's leise, grosse Weben,<br />
Fluten tönend fort im Weltenchor.<br />
<strong>Ein</strong> wundervolles Nachtlied, sanft beruhigend und doch so gedankenreich!<br />
Immer weiter und höher steigt der Dichter, er kommt in die bündnerische<br />
Sagenwelt hinein, und von Firngipfeln aus schaut er über die Erde, in die<br />
Feme hin, und im Geiste über die Völker, die Menschheit und ihre<br />
Geschichte. Die Sprache wird stärker, voller, mächtiger, rauscht bald wie ein.<br />
Bergstrom dahin, oder donnert wie Lawinenfall. Wir erinnern da blos an den<br />
"Gemsjäger", "Das Totenvolk", "Der Lawinengeist", "Der Reiter auf<br />
Lampersalp", "Der Schleinser Totenmahl" usw. Wir können aus diesen<br />
Nummern nicht einmal Bruchstücke vorlegen, dagegen soll eine grandiose<br />
Vision ganz folgen:<br />
Aus den Höhen.<br />
War geklettert, war geklommen<br />
Manchen schroffen Grat hinan,<br />
Hab am Abend Rast genommen<br />
Hoch auf grünem Alpenplan.<br />
Heimlich naht, auf leichten Sohlen<br />
Mir der Schlaf, ich schlummre ein,<br />
Bald drauf küsste süss verstohlen'<br />
Mich die Fee der Träumerei'n.<br />
Rasch begann ein mächtig Stürmen,<br />
Schlug an mich wie Wogenbrand,<br />
Dunkle Wetterwolken türmen<br />
Sich hinan die Felsenwand.<br />
Und des Himmels Donnerrollen<br />
In die blitzerhellte Kluft,<br />
Horch! tief aus des Wetters Grollen<br />
<strong>Ein</strong>e Stimme, die mich ruft!<br />
"Sei willkommen, Sohn der Scholle
- 78 -<br />
Mit des Alpenadlers Mut,<br />
Der, ob rings der Donner grolle,<br />
Rastlos strebt zur Sonnenglut,<br />
Folge mir zum Gletscherhorne<br />
Ueber Sturm und Wolkengraun,<br />
Dort lässt dich der Erdgeborne<br />
Manch ein dunkles Rätsel schaun.<br />
Und er klomm von Block zu Blocke<br />
Mir voran, ich folgt' ihm nach,<br />
Bis wir auf dem Felsenstocke<br />
Standen, wo der Sturm sich brach.<br />
Ueber uns war Sternenfunkeln,<br />
Um uns her der Gletscher Pracht,<br />
Unter uns die wetterdunkeln<br />
Wolken und des Abgrunds Nacht.<br />
Jetzt nahm aus des Mantels Falten<br />
Er ein altes, dunkles Buch,<br />
Drinnen stand des Schicksals Walten,<br />
Segen rechts und links stand Fluch!<br />
"Künde mir denn, welchem Wesen<br />
Ich gefolgt auf steile Höh',<br />
Schaff' mir, was mein Herz genesen<br />
Macht von Erdenlust und Weh."<br />
"Wer ich sei, willst du erkunden?<br />
Lang' schon bin ich dir bekannt,<br />
Früh schon hast du mich gefunden<br />
Und dein Herz mir zugewandt.<br />
Zwischen zweier Welten Schwelle<br />
Stand ich einst im grossen Rom,<br />
Vor mir hintrieb Well' auf Welle<br />
Der Geschicke dunkler Strom."<br />
S. 60: "Zagend starrt' ich in die Wogen,<br />
Gierig frassen sie den Grund,<br />
Der des Riesenbaues Bogen
- 79 -<br />
Stolz getragen bis zur Stund!<br />
Sah ihn morschen, sah ihn wanken,<br />
Der so stolz einst war und stark,<br />
Wie die ersten Pfeiler sanken,<br />
Fuhr ein Schauer mir durch's Mark."<br />
"Was die Götter uns versprochen,<br />
Das war eitel Trug und Tand,<br />
Römerherzen sah'n gebrochen,<br />
Was gebaut der Römer Hand.<br />
Ruhm und Stolz für alle Zeiten,<br />
Ew'ges Rom, du sinkst in Nacht,<br />
Weh, wie die Geschicke schreiten!<br />
Götter, wo ist Jovis Macht?"<br />
"Und ich sah und starrte bange<br />
In das wilde, wüste Meer,<br />
Und mein Geist sah lange, lange,<br />
Romwärts ziehen Heer um Heer.<br />
Gleich dem wilden Ozeane<br />
Naht' in ungestümer Wut<br />
Eisentrutzig der Germane,<br />
Lechzend nach der Feinde Blut."<br />
"Und in all der wüsten Brandung<br />
Sah ich nichts, als Untergang,<br />
Keinen Port und keine Landung<br />
Fand der Geist, wie sehr er rang,<br />
Ach der Arme, stolz geblendet,<br />
Sah die kleine Barke nicht,<br />
Die, den Kiel nach Rom gewendet,<br />
Auf dem Meer schwamm, still und schlicht. "<br />
"Doch die Barke fand die Strandung<br />
An der Siebenhügelstadt,<br />
Durch des Weltmeeres Wogenbrandung<br />
Ging sie sicher ihren Pfad.<br />
Wo die Bücher der Sibyllen
- 80 -<br />
Wo einst Roms Palladium<br />
Kund getan der Götter Willen,<br />
War's schon lange still und stumm."<br />
Doch von nun an scholl es wieder<br />
Lauter als Sibyllenwort<br />
Und in's Erdreich senkte nieder<br />
Sich ein neuer Völkerhort,<br />
Und das Wort vom ew'gen Leben<br />
Mächtig scholl's durch Land und Meer<br />
Und ein Zittern und ein Beben<br />
Fuhr durch's alte Götterheer."<br />
"Romas Schwert bezwang die Erde<br />
Aber nicht des Irrtums Macht,<br />
Nur des Wortes Doppelschwerte<br />
Glückt der Wahrheit Geisterschlacht.<br />
Und das Wort, das Fleisch geworden,<br />
Ward der wahre Gotteshort<br />
Von dem eisumstarrten Norden<br />
Bis zum Südpol fort und fort."<br />
"Was kein Herrscherstab errungen,<br />
Was kein Schwert vermocht und Beil<br />
Ist des Wortes Kraft gelungen,<br />
Ward dem neuen Rom zu Teil.<br />
Denn das Wort, es hat gestritten,<br />
Denn das Wort, es hat gebrannt,<br />
Und die Hölle hat's gelitten,<br />
Dass die Wahrheit ward erkannt."<br />
"Und die Hölle muss es leiden,<br />
Dass die Wahrheit weiter dringt,<br />
Und die Welt kann's nicht vermeiden,<br />
Dass sie fort und fort erklingt,<br />
Es verwehrt's kein Murren, Pochen<br />
Und es hemmt's kein Schwert, kein Wort,<br />
Denn was Gottes Geist gesprochen,
- 81 -<br />
Hat Bestand und dauert fort."<br />
So des Römers stolze Seele,<br />
Der erglüh'nd mein Herz gelauscht,<br />
Bis nach dunkler Felsenhöhle<br />
Die Gestalt vorbeigerauscht.<br />
Wollte Manches sie noch fragen,<br />
Doch sie schwand mit einemmal.<br />
Ich erwachte rasch und tagen<br />
Sah ich's über Berg und Tal.<br />
Und ein leises Geisterwehen<br />
Schwebte überm Firnenmeer,<br />
Gleich als ob durch Gottes Höhen<br />
Segnend zög' ein Engelheer,<br />
Und als ob's erschliessen wolle,<br />
Fern im Ost des Morgens Tor,<br />
Dass das Licht, das strahlenvolle<br />
Wecke rings der Schöpfung Chor.<br />
Rasch erschwangen sich die Gluten<br />
Zaubrisch über's Firneneis,<br />
Welch ein Strömen, welch ein Fluten,<br />
Heil dem Schöpfer, Ruhm und Preis!<br />
Oben zieht der Welten Sonne<br />
Herrlich ihren alten Kreis,<br />
Alle Berge stehn voll Wonne,<br />
Krönt sie ihrer Häupter Eis,<br />
S. 61: Oben Licht und Morgenklarheit,<br />
In den Talen Grau'n und Nacht,<br />
Oben Sieg und ew'ge Wahrheit,<br />
Unten Wirrnis, Streit und Schlacht.<br />
Fasse frohen Mut für's Leben,<br />
Hafte nicht an niederm Spiel,<br />
Schau empor in's grosse Weben,<br />
Auf der Dinge End' und Ziel!"
- 82 -<br />
Diese grossartige Vision behandelt ein bekanntes Thema, den Fall Roms, die<br />
Völkerwanderung und den Sieg des Christentums, aber die Meisterschaft<br />
zeigt sich in den hohen Gedankengängen und der gewaltigen Sprache. Wie<br />
voller, feierlicher Glockenklang schweben die prächtigen Achtzeiler an uns<br />
vorüber. Und noch eines müssen wir hier bemerken.<br />
Dr. Jenny schreibt zu diesem Gedichte: "Von der philosophischen Tiefe und<br />
Kraft der Lehre des Nazareners war <strong>Plattner</strong> auch auf Bergeshöhen erfüllt.<br />
Sein "Aus den Höhen" ist ein merkwürdiges Pendant zu Gottfried Kellers<br />
"Schein und Wirklichkeit'. Während dieser auf einem Felsgrat eingeschlafen<br />
von leerem Hotten und verlorner Tat träumt und aus dem Traum erwachend<br />
die Abendröte für das Erwachen des Morgens hält, so träumt jener "hoch auf<br />
grünem Alpenplan" von einer kleinen Barke, die, den Kiel nach dem stolzen,<br />
von wilder Brandung umtobten Rom gewendet, still und sicher übers Meer<br />
schwimmt, das Wort des ewigen Lebens tragend, und wie er erwacht im<br />
tagenden Morgen, da erfüllt ihn die sich immer reicher und klarer entfaltende<br />
Hochgebirgsherrlichkeit mit "frohem Mut fürs Leben" und gibt ihm zugleich<br />
die Mahnung: "Schau empor in's grosse Weben,<br />
Auf der Dinge End' und Ziel."<br />
Auch Dr. Jenny gibt unzweideutig zu verstehen, dass <strong>Plattner</strong> mit seinem<br />
mächtigen Gedankenfluge in das Aetherreich der höchsten Ideale über dem<br />
Rationalismus und religiösen Nihilismus des gefeierten Zürcher Meisters<br />
hoch emporrage. Das kommt aber nicht daher, weil der Bündnerdichter von<br />
der Tiefe und Kraft der Lehre "des Nazareners" erfüllt war, sondern weil er<br />
glaubte, fest und innig glaubte an den Gottmenschen Jesus Christus und weil<br />
er unerschütterlich überzeugt war von der Wahrheit seines Wortes: "Auf<br />
diesem Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden<br />
sie nicht überwältigen". Das ist die gleiche Wahrheit, die <strong>Plattner</strong> so<br />
wunderbar tief und in hinreissender Sprache verkündet und gefeiert hat im<br />
"Kreuz" und in der "Christuslehre", auf die wir vielleicht noch<br />
zurückkommen werden. Für diese Nummer müssen wir abbrechen.<br />
S. 62: Wenn bei <strong>Plattner</strong> vom "Ozean und den Alpen" die Rede ist, so kann man<br />
sich ungefähr denken, welche Töne der Künstler anschlägt: Wie mächtige<br />
Akkorde aus "vollem Werk" orgeln und rauschen sie durch den Dom. Dr.
- 83 -<br />
Jenny gibt diesem Gedichte die Bezeichnung "tief". Wir sagen: Es ist sehr<br />
tief, und man muss dieses Stück drei und viermal oder noch mehr lesen,<br />
wenn man es ganz verstehen will, besonders der erste Teil ist nicht leicht zu<br />
konstruieren. Der Dichter schildert, Wie der Ozean nach der Schöpfung<br />
immer weiter und weiter zog.<br />
"Donnernd drang von Süd und Norden<br />
Sturmgesang und Kampfestoben<br />
An die Felsen rings heran"<br />
Seine Wogen, Löwenhorden,<br />
Deren Mähnen wild erhoben,<br />
Trieb der stolze Ozean."<br />
In der Alpen Zauberarme zog es den Gewaltigen rastlos fort, durch Iberiens<br />
Felsentor, er umbraust die Apenninen und er stürmt nach Tänaron, fort zum<br />
Athos, zu des Ida wald'gen Hängen, dann zum Kaukasus hinan, rastlos<br />
vorwärts drängt's den Mächtigen hinein. Abend wird's, nun wird der<br />
Gewaltige müde und<br />
"Träumt von Völkern, die sich trennen<br />
An dem fernen Ararate<br />
Um die stolze Babylon.<br />
Diese zieh'n, wo Wüsten brennen,<br />
Jene fort, durch Steppenpfade,<br />
Meerwärts trachtet Japhet's Sohn."<br />
Träumt von Kämpfen und Völkerschaften, von Perserschiffen, die nachdem<br />
Athos segeln.<br />
Und ihm ist's, als säh' im Westen<br />
Er ein Felseneiland ragen,<br />
Und darauf ein Königshaupt,<br />
Düster blickend nach den Resten<br />
Seines Weltheers, das, geschlagen,<br />
An der Freiheit Wunder glaubt.<br />
Was dem Alten sonst sich zeigte<br />
Durch des Traumes offne Pforten,<br />
Das tun tausend Bücher kund.<br />
Segnend sich der Weltgeist neigte,<br />
Auf die Völker aller Orten,
- 84 -<br />
Wo Gebirg und Meer im Bund.<br />
Diesen Schlussgedanken hob der Verfasser selber durch Sperrschrift hervor.<br />
Ozean und Alpen - diese gewaltigsten Erscheinungen auf der Erdoberfläche<br />
im Bunde bringen den Völkern Segen. Und dieser Bund, dieses<br />
Zusammenstreben feiert der Dichter in grossartigem. Pathos.<br />
Das bedeutendste Produkt der <strong>Plattner</strong>'schen Lyrik ist das "Sturmlied auf dem<br />
Gotthard", gedichtet in Prag 1857 als Vereinsaufgabe und erschienen in den<br />
"Monatrosen", Jahrgang 1857, Nr. 10, Sammlung der Gedichte anderletzte<br />
Nummer. Zuerst einige Aeusserlichkeiten.<br />
S. 63: Es zerfällt in eine <strong>Ein</strong>leitung und drei Teile und hat im ganzen 37 achtzeilige<br />
Strophen. Die Reimkonstruktion, die Reihenfolge der Reime ist sehr<br />
kompliziert und selbstverständlich mit Absicht so gewählt. Der Dichter hat<br />
da seine formale Kunst gezeigt. Wir wollen aber nicht verhehlen, dass die<br />
Dichtung dadurch nicht gewonnen hat. Die Töne liegen zu weit auseinander,<br />
und dadurch geht ein erheblicher Teil der schönen Klangwirkung verloren.<br />
Zu verbessern ist jetzt aber nichts mehr, es müsste zu viel verändert werden.<br />
Die Sprache ist durchwegs edel, vornehm, frisch und gewandt, bilderreich,<br />
glänzend und von herrlichem Flusse. Nun aber der Inhalt.<br />
Dr. Jenny bezeichnet das "Sturmlied" als "eine eigenartige Apotheose des<br />
Sieges der Lehre Jesu". Wir möchten. diese Charakteristik nicht rundweg<br />
ablehnen, finden aber, sie sei nicht scharf genug, richtiger scheint uns zu<br />
sagen, die Dichtung sei eine Apologie des Christentums, aus dessen Gehalt<br />
und der Weltgeschichte geschöpft. Wir bringen zunächst die <strong>Ein</strong>leitung:<br />
"Durch des Gotthards tiefe Schlünde,<br />
Wo die starren Gipfel ragen<br />
Auf der Mark von Nord und Süd,<br />
Wo der Felsen rauhe Winde<br />
Kühn vier wilde Flüsse sprengen:<br />
Scholl in dunkeln Schicksalstagen<br />
Mit des Donners vollen Klängen<br />
<strong>Ein</strong>st der Stürme Zauberlied,<br />
Denn: die Nordsbraut kam von Norden<br />
Aus des Polmeers Eispalästen
- 85 -<br />
<strong>Ein</strong>er Schlachtenjungfrau gleich,<br />
König Föhn mit Wolkenhorden,<br />
Trutzig kühn. voll Todesgluten<br />
Stürmt herbei zu wilden Festen<br />
Ueber blanke Meeresfluten<br />
Aus des Südens. Wunderreich.<br />
König Föhn, der stolze Freier,<br />
Bringt der nord'schen Jungfrau Kunde<br />
Von des Südens Herrlichkeit,<br />
Nordbraut lüftet ihren Schleier,<br />
Mächtig stürmt er durch die Saiten,<br />
Mächtig strömt von seinem Munde<br />
Zaubersang aus alten Zeiten,<br />
Süss ergriffen lauscht die Maid."<br />
Der Föhn singt nun von Thebens Trümmern, von den alten Pyramiden, von<br />
Memphis' Schätzen, von Alexanders Stadt, von des Meeres, blauen Wogen<br />
und vom schönen Inselland, wo Uliss vorbeigezogen, von der Pracht von<br />
Syrakus. - Das Auge kann sich nicht satt sehen an diesen sonnigen,<br />
leuchtenden Naturbildern und das Ohr sich nicht satt hören an diesen<br />
Zauberklängen der Sprache. Doch Hellas Pracht ist längst vergangen, und<br />
auch das stolze Volk der Römer ist hingesunken:<br />
"Ewig jung jedoch erblühet<br />
Ueber an den öden Resten<br />
Süsse Fülle der Natur.<br />
Hei, wie da die Traube glühet<br />
In den wild verschlungnen Ranken,<br />
An der Ulme dunkeln Aesten!<br />
Hei, wie Pinienkronen schwanken<br />
Und Zypressen auf der Flur!"<br />
S. 64: Jetzt fordert der Föhn die Braut aus den Eispalästen auf: "Singe Nordens<br />
Zauberei"! Und die Jungfrau hebt an und singt von Eichenhainen und<br />
Fichtenwäldern, von Runensteinen und Opfermalen, von Wodan und seinen<br />
wilden Jagdgenossen, von den Germanen und dem Helden Armin im<br />
Teutoburger Walde, vom Nornengesang durch die Eichenwälder, wie der
- 86 -<br />
Römer Macht ins Grab gesunken. Wie der Jungfrau Lied verklungen, fasst<br />
sie König Föhn und sie ringen miteinander, wie einst Sigurd und Brunhilde.<br />
Während des Kampfes dämmert es im Osten:<br />
"Auf des Morgens goldnen Flügeln<br />
Nahet Ost, der Friedensbote,<br />
Wie ein Engel hold und schön,<br />
Um der Liebe Bund zu siegeln.<br />
Kunde von dem Palmenlande<br />
Bringt er und vom Morgenrote,<br />
Das erblüht am Jordansstrande,<br />
Von dem Heile aus den Höh'n."<br />
Es beginnt der dritte Teil. Der Ost singt vom Paradiese, den ersten Menschen,<br />
der Schlange und der Verheissung des Erlösers. Doch die Menschheit musste<br />
lange warten, die Schuld häufte sich, Mord und Greuel, bis Jehovas<br />
Flutgerichte tilgten all den Lästerknäuel. Der Frevel begann wieder frisch<br />
schon bei Cham, beim Turmbau in Babel, "und die Völker sind zerstoben".<br />
Aus den Millionen wurde dann <strong>Ein</strong>er ausgewählt zu des Heiles Hort. Ninive<br />
und Babylon sind in Staub gesunken und die Throne der Despoten zermalmt,<br />
das Volk aber ist geblieben, dem der Herr seinen Willen kund getan, alles<br />
sehnt sich nach Erlösung, die in der Fülle der Zeiten erscheint:<br />
"Tauet, Himmel, den Gerechten,<br />
Wolken, regnet ihn hernieder,<br />
Sprosse, Erde ihn empor!"<br />
In wie manchen trüben, Nächten<br />
Drang der Ruf zu Sternenhöhen,<br />
Klangen glüh'nder Sehnsucht Lieder,<br />
Bis die grösste Tat geschehen,<br />
Menschgestalt ein Gott erkor.<br />
"Sie geschah, er ist gekommen,<br />
Hat gelehrt, gelebt, gelitten,<br />
Wie es nur ein Gott vermag,<br />
Hat der Welt Schuld weggenommen,<br />
Stark der Menschheit Weh getragen,<br />
Mit des Abgrunds Fürst gestritten,
- 87 -<br />
Und des Todes Macht geschlagen,<br />
Aufersteh'nd am dritten Tag.<br />
"Sie geschah! Er ist gekommen!"<br />
Wie der Sänger es gesungen,<br />
Ging die Sonne, strahlend auf.<br />
Welche Gluten sind erglommen<br />
Ueber an den Alpenriesen!<br />
Lobt den Herrn, ihr Sturmeszungen<br />
Der so herrlich sich erwiesen,<br />
Lob' ihn, Sonn', im Siegeslauf!"<br />
Die Anlage dieser dichterischen Apologie ist fest fixiert, der Aufbau von<br />
durchsichtiger Klarheit, die Sprache von immer gleicher Schönheit<br />
S. 65: und stellenweise von dithyrambischem Schwunge. Nur eine Frage: Sollte<br />
nicht die Wirkung des Gesanges aus dem Osten auf die Sänger von Süd und<br />
Nord etwa in einer oder zwei Schlusstrophen herausgehoben werden? Wir<br />
vermissen einen völligen, befriedigenden Abschluss des Ideenganges. Das<br />
wäre noch zu machen. Sonst ist das Gedicht nach Konzeption und<br />
Entwicklung, nach Inhalt und Form eine Schöpfung von monumentaler<br />
Grösse.<br />
Wir können es uns nicht versagen, zu diesem "Sturmliede" noch eine<br />
Rektifikation anzubringen, Es wurde schon beim Erscheinen als<br />
"phantastische Träumerei" und "zu dunkel" bezeichnet, sei nur dem kleinem<br />
Teil des Publikums verständlich, es sei eine Grille, "Zeiträume von<br />
Jahrtausenden nach ihrer historischen Bedeutung in wenige Strophen<br />
zusammenzuzwängen usw. Wir können diesen Anwürfen und direkten<br />
Kränkungen des Dichters gar nicht beistimmen. Den "Ozean" muss man<br />
studieren, aber es geht bei ernstem Lesen, hingegen das "Sturmlied"<br />
beherrscht man im ersten Gange. Uebrigens darf ein Kritiker nicht übersehen,<br />
dass das Gedicht als "Vereinsaufgabe" verfasst wurde, also zunächst für<br />
Studenten, Akademiker, Gymnasiasten, und diese sollten doch die<br />
geschichtlichen Tatsachen kennen, die im "Sturmlied" berührt werden, und<br />
auch aus dem Katechismus noch so viel wissen, um dem "Gesang aus dem<br />
Osten" folgen zu können. für Kohlenbrenner und Kloakenräumer hat <strong>Plattner</strong><br />
allerdings in erster Linie nicht geschrieben. Wie ganz anders als diese
- 88 -<br />
kleinlichen Nörgeleien lautet doch das Urteil Dr. Jennys!<br />
Wir reihen hier ein Lied an, das aus dem gleichen Jahre stammt, wie das<br />
vorhergehende und in welchem der Sänger seiner Stimmung über die<br />
Zeitströmung und Zeitrichtung, über das Leben und Treiben seiner Tage<br />
herben Ausdruck gibt:<br />
Unmut.<br />
Betracht' ich an das Treiben unserer Tage<br />
Und schau' ich ernst in seine Tiefen nieder,<br />
Dann fährt es mir wie Frost durch Mark und Glieder,<br />
Mein Herz durchschauert ahnungsbange Klage.<br />
Es blühn Gemeinheit üppig auf und Schande,<br />
<strong>Ein</strong> Narr ist, wer dem Golde nicht will fröhnen,<br />
O Seele, lass den Flug dir abgewöhnen,<br />
Und wühl' im Schlamme mit der Sklavenbande.<br />
Verlass des Geistes sonnenfrohe Höhen,<br />
Verwirf die Hoffnung bessrer, schönrer Tage<br />
Im Sinnenrausch erstick des Lebens Klage,<br />
<strong>Ein</strong> Tor, wer mit der Heerde nicht will gehen.<br />
Und fühlst du edles Jugendfeuer glühen<br />
In deiner Brust, das ist ja dumm und blöde,<br />
S. 66: In deinem Herzen sei es kalt und öde,<br />
Zertritt die letzten Blüten, die drin blühen!<br />
Doch mit dem Kopfe schwindle ungefährdet,<br />
Die tollsten Pläne heg' in deinem Hirne,<br />
Betrüg', belüg', doch nur mit frecher Stirne,<br />
Denn Tölpel heisst, wer sich nicht frech geberdet.<br />
Auf Gaukelei schau' nur gleich den Barbaren,<br />
Die sich mit Flitterwerk und Muscheln zieren,<br />
Und kannst du noch recht tüchtig schwadronieren,<br />
Dann bist du geistvoll, schön und vielerfahren.<br />
Ich wüsste dir noch manche gute Räte,<br />
Wozu jedoch in Lied damit sich quälen?
- 89 -<br />
Zwar ist's durchaus nicht nötig sie zu hehlen,<br />
Sie würden doch befolgt, auch wenn man's täte.<br />
Der Weisheit Kern ist: Huldigt dem Gemeinen,<br />
Was ihr mit Händen packt, das kann euch fristen,<br />
O sauget von euch an der Erde Brüsten<br />
Und lasst um Träume Kinder, Narren weinen!<br />
Genuss, Genuss! Das ist der Witz des Lebens,<br />
Nur zugetastet! Blickt nicht nach den Höhen,<br />
Ihr könnt dort nichts als Luft und Sterne sehen,<br />
Seid futterfroh, - das Andere ist vergebens!<br />
Wo sind sie hin, die quellenden Gedanken?<br />
Wo findest du die stolzen Ideale,<br />
Aus deren gottentsprungenem Flammenstrahle<br />
<strong>Ein</strong>st Millionen volles Leben tranken?<br />
Sieh hin, wie matt' der Völker Pulse schlagen,<br />
Wie alle Glut verglomm in ihren Adern,<br />
Wie dumpf sie kauern auf der Vorzeit Quadern<br />
Und keinen frischen Flügelschlag mehr wagen!<br />
Zu Grabe geht der letzte Rest der Helden,<br />
Die siegreich auf der Menschheit Höhen drangen,<br />
Die Adler sterben, es gedeihn die Schlangen,<br />
Die Gleissnerbrut, von der nur Trug zu melden.<br />
Mit unserm Wissen! - O wie kalt und bleiern!<br />
Verhöhnt vom Wahnwitz der erhabne Glaube,<br />
Und selbst der Liebe himmlisch hohe Taube<br />
Verscheucht, verstossen von der Selbstsucht Geiern.<br />
Betracht' ich all das Treiben unsrer Tage,<br />
Und blick' ich ernst in seine Tiefen nieder,<br />
Dann fährt es mir wie Frost durch Mark und Glieder,<br />
Mein Herz durchschauert ahnungsbange Klage."<br />
Gewiss eine ahnungsbange und bittere Klage. Sie entrang sich vor 62 Jahren<br />
des Dichters Brust, wie würde es tönen, wenn jetzt der fünfundachtzigjährige
- 90 -<br />
Sänger in die Saiten greifen wollte, um "das Treiben unserer Tage" zu<br />
schildern? Satz um Satz und Wort um Wort gilt seine "Klage" noch, nur in<br />
der x ten Potenz. Wo finden wir aber heute<br />
S. 67: einen Jeremias, der auf den Trümmern nicht Jerusalems, sondern der<br />
Menschheit, der Welt den Spiegel vorhält und Trauerlieder anstimmt, wie es<br />
<strong>Plattner</strong> getan, Trauerlieder, die mit ihrem Ernst und ihrer Kraft voll ins Herz<br />
hineingreifen? Ach, unsere Zeit hat viel Wichtigeres zu tun, als ihr "Treiben"<br />
zu beobachten und an die eigene Brust zu schlagen!<br />
Die "Sammlung" der Gedichte schliesst ab mit dem "Kreuze", und auch wir<br />
wollen dieses Siegeszeichen auf der Halle der Lieder aufrichten. Der<br />
Verfasser hat für dieses letzte Stück als Form die Terzine gewählt.<br />
Das Kreuz.<br />
Es steht ein Kreuz auf hoher Alpenfirne,<br />
Zu dem der Wanderer nur mit Grauen klettert,<br />
Hoch ragt es mitten auf der Felsenstirne.<br />
Der schlichte Stamm, er steht ohn' Angst und Zittern,<br />
Von wilden Stürmen des Gebirgs umwettert,<br />
Kein Element vermag ihn zu zersplittern.<br />
Oft flattern unzählbare Wolkenhorden<br />
Zu Häupten ihm, sich sammelnd zu Gewittern,<br />
Die bald nach Süden fahren, bald nach Norden.<br />
Der Donner rollt und grelle Blitze zünden,<br />
Als gält's die ganze Schöpfung hinzumorden,<br />
Wutschnaubend rast die Windsbraut in den Schlünden.<br />
Das Kreuz bleibt stehen über all den Trümmern,<br />
Der grausen Wildnis, die nur Tod verkünden,<br />
Ob auch die Stürme wie Schakale wimmern.<br />
Es weiss, einst wird die Sonne wieder strahlen,<br />
Der Sterne Kranz wird ihm zu Häupten flimmern,<br />
Drum thront es ruhig über Berg und Talen.<br />
So lag, am Opferpfahle festgekettet,<br />
Der Gottmensch einst in einem Meer von Qualen
- 91 -<br />
Und hat uns vor dem ew'gen Tod errettet.<br />
Er war allein, als er im Tod gerungen,<br />
Als man um seine Kleider hat gewettet,<br />
Und als vor Gram der Felsen Herz zersprungen.<br />
Der Tag war sonnenlos, die Erde bebte,<br />
Durch's Reich der Schöpfung ist ein Schrei gedrungen,<br />
Als an dem reinen Lamm die Urschuld klebte.<br />
Die Menschheit lag in Sündennacht versunken,<br />
Bis er auf's neu die starre Welt belebte<br />
Und aus dem Steine schlug den glüh'nden Funken.<br />
Er hat die Menschheit an sein Herz gezogen,<br />
An seiner Brust hat Liebe sie getrunken,<br />
Um abzuschwören dem, der sie betrogen.<br />
Des Abgrunds Mächte haben Wut geschnoben<br />
Der kalte Hasser, der die Welt belogen,<br />
Sah seine Beute wieder zieh'n nach Oben.<br />
S. 68: Er sah die Völker nach dem Licht sich wenden,<br />
Sah, wie sein altes Wahngebild zerstoben,<br />
Und sucht ergrimmt drum Gottes Sieg zu schänden.<br />
Musst' auch vorm ew'gen Licht die Lüge schwinden<br />
Der alte Kampf wird dennoch nimmer enden,<br />
So lang den Geist die Fesseln Adams binden.<br />
Solang ein Kreuz wird stehn auf weiter Erde,<br />
Der Welt den Weg- des Heiles zu verkünden,<br />
Droht auch der Hölle grinsende Geberde.<br />
Solang das milde Wort des Herrn ertönet,<br />
Den Menschen tröstend in des Kampfs Beschwerde,<br />
Solang wird's von der Leidenschaft verhöhnet,<br />
Solang ein Herz erglühet für das Wahre,<br />
Solang ein Mann dem blinden Wahn nicht fröhnet,<br />
Sei er bedacht, wie er vor Hohn sich wahre.<br />
An's Kreuz zu schlagen droht die blinde Rotte.
- 92 -<br />
Den, der vor ihrer schalen Trödelware<br />
Im Staub nicht kniet, wie vor dem ew'gen Gotte.<br />
O ew'ge Huld, die du so viel gelitten,<br />
Die ausgeliefert ward dem frechsten Spotte.<br />
O schenk' uns <strong>Ein</strong>es nur, um das wir bitten!<br />
Verleih' Geduld im Kampf und treu Beharren,<br />
Damit wir streiten, wie einst du gestritten,<br />
Und unsere Herzen nicht im Kampf erstarren,<br />
Damit wir lieben, die nur Hohn uns sinnen<br />
Und uns die Grube trachten aufzuscharren,<br />
Denn Lieb' allein kann ew'gen Sieg gewinnen.<br />
Wie einfach und klar ist doch der Aufbau dieses einzig schönen, ergreifenden<br />
Kreuzesliedes! Das Kreuz auf dem Bergesfelsen, Christus am Kreuze, unser<br />
Kampf für das Kreuz und dann die rührende Bitte um Geduld, Treue und -<br />
Liebe, Liebe auch für die Feinde, denn nur die Liebe "kann ew'gen Sieg<br />
gewinnen"!<br />
Könnten wir unsere Auslese aus dem <strong>Plattner</strong>'schen Hesperidengarten besser<br />
und schöner schliessen, als mit dieser goldenen Frucht, mit diesem<br />
entzückenden Hymnus auf das Kreuz und die ewige Liebe! Gewiss nicht!<br />
Es mögen nun noch einige allgemeine Bemerkungen folgen.<br />
Wir wissen nicht, ob einige Leser bei unserer literarischen. Skizze sich<br />
gelangweilt haben, möglich ist es schon, nun, sie konnten ja beizeiten<br />
aufhören und die Nummern beiseite legen. Wir haben zum Glück die<br />
Genugtuung - anderswo gefunden. Ueber vierzig Jahre hat der Sänger von<br />
Chur im Reiche des Schönen und Idealen, im Dienste des Rechtes und der<br />
Freiheit gearbeitet und viel und Glänzendes geschaffen. Er hat die Heldenzeit<br />
und die Kämpfe seiner Heimat geschildert, das Volk vom<br />
S. 69: Joche der Tyrannen zu befreien, er hat uns ernste Bilder vorgeführt aus dem<br />
Leben unserer Altvordern, um uns für ihre Taten und ihr einfaches Leben zu<br />
erwärmen, er erzählt uns die Sagen der bündnerischen Alpenwelt und besingt<br />
ihre Grösse und Herrlichkeit, er feiert den Sieg des Christentums, die<br />
Religion des Kreuzes und der Liebe in ergreifenden Liedern, er fühlt sich<br />
heimisch auf allen Gebieten der Poesie, er ist Dramatiker, Epiker und
- 93 -<br />
Lyriker, er beherrscht alle Formen und verfügt über alle Register der<br />
Sprache, von dem weichen, zarten Hauche der Wehmut und Sehnsucht bis<br />
zum rollenden Donner des Zornes und der Überschäumenden Kraft und bis<br />
zum majestätischen Brausen des Pathos. Leset nur nach und leset nur laut<br />
und sagt uns dann, ob wir übertrieben haben! <strong>Plattner</strong> ist ein Dichter, ein<br />
begnadeter Dichter und als Sänger der Alpen, in bezug auf Kraft und<br />
Schwung, bis jetzt nicht übertroffen.<br />
Und nun: Wer und wie viele unserer alten und jungen Freunde haben diesen<br />
Meister des Liedes überhaupt nur gekannt, trotzdem er seit 66 Jahren (1854)<br />
dem Vereine angehört, seine schönsten Weisen zuerst in den "Monat-Rosen"<br />
ertönen liess und seine drei trefflichen Söhne unserem Bunde zugeführt hat<br />
und alle, Vater und Söhne, demselben treu geblieben sind!!! Wer hat das<br />
gewusst, sich darum bekümmert und die literarischen Schätze gewürdigt? Die<br />
Zahl dieser Kenner und Verehrer ist vielleicht selbst in Bünden nur gering.<br />
Darum haben wir uns an die Arbeit gemacht, um ein Unrecht zu sühnen und<br />
keinen Undank auf uns ruhen zu lassen. Wir haben schon vor beinahe 60<br />
Jahren an den <strong>Plattner</strong>'schen Liedern uns erfreut, und bei unserem "Franz<br />
Furger" reifte in uns der Gedanke, auch dem kongenialen Landsmann Pl.<br />
<strong>Plattner</strong> einmal im Vereinsorgan Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es ist<br />
vielfach nicht Schnödigkeit, sondern nur Gedankenlosigkeit, wie wir an so<br />
viel Grossem und Schönem in unserem Vereine ohne Beachtung<br />
vorbeigehen. So schwindet dann die Begeisterung, das Interesse am Bunde,<br />
die Ideale rücken in weite und weitere und zuletzt in nebelhafte Fernen, und<br />
die Blasiertheit legt sich bleiern auf das Sektions- und Vereinsleben. So ist<br />
es, ihr lieben Freunde, und dagegen hilft kein Protestieren mit oder ohne<br />
grosse Geste! Durchgeht die Jahrgänge der ,,Monat-Rosen", und Ihr werdet<br />
uns Recht geben! Und die "Monat-Rosen", speziell die Korrespondenzen,<br />
sind doch gewiss der Gradmesser für die Pulse des Vereinslebens.<br />
Wir wollten nun einmal einen "Alten" vorführen in seinem Charakter, in<br />
seiner Tätigkeit, in seinem Schaffen für das Schöne und Wahre, und ein<br />
solcher ist eben der Jubilar am Fusse des Calanda. <strong>Ein</strong> prächtiger Dichter von<br />
Gottes Gnaden und nebenbei noch ein bedeutender<br />
S. 70: Politiker, Administrator und Magistrat. Die Dichtergestalt haben wir in<br />
weiten Umrissen vorzuführen gesucht, mögen sich recht viele an dieser
- 94 -<br />
Gestalt erfreuen und emporrichten! Haben wir das erreicht, haben wir auch<br />
nur einigermassen dem Dichtergreise zur Würdigung und Anerkennung<br />
verhelfen können, so ist das eine Seite unserer Freude. Die andere liegt in der<br />
Sache selbst.<br />
Wir haben uns wochen- und monatelang mit der <strong>Plattner</strong>'schen Muse<br />
beschäftigt, alles zwei-, dreimal und noch mehr gelesen, studiert, verglichen,<br />
wieder nachgeschlagen und immer mit gleichem und steigendem Genuss.<br />
Wie vieles wurde schon früher und wird heute noch verschlungen, gelobt und<br />
auf den höchsten Gipfel des Parnassus hinaufgeschoben, das mit der<br />
<strong>Plattner</strong>'schen Poesie in bezug auf Gedankenfülle, Ideenreichtum, Fluss,<br />
Kraft, Schwung, überhaupt Schönheit der Sprache sich kaum messen dürfte.<br />
Leider hat auch hierin die Mode viel auf dem Kerbholz. Wir aber huldigen<br />
nicht der Mode, sondern dem Wahren, Grossen und Schönen, wo wir es<br />
finden, wir blicken noch auf zu den Sternen, die aus der Ewigkeit zu uns<br />
herüberleuchten, zu den Ideen und Idealen, die auch unsere <strong>Veteran</strong>en noch<br />
erfüllt, sie begeistert haben zu den Liedern, die sie uns gesungen. Darum<br />
führten wir die Feder für Franz Furger und führen sie auch für Plazidus<br />
<strong>Plattner</strong>.<br />
Vielleicht gibt es Leute, die meinen, wir hätten dem Jubilaren von Chur einen<br />
besondern Liebesdienst geleistet. Sollte es wirklich solche alte und junge,<br />
grosse und kleine Kinder geben, so dürfen wir dieselben des formellsten<br />
versichern, dass sie ihre Ansicht einer erheblichen Korrektur zu unterziehen<br />
haben: Von einem "Liebesdienst" ist da keine Rede. Vor 55 Jahren haben wir<br />
über den "Ulrich Wikard" einige Zeilen in den "Monat-Rosen" "verbrochen",<br />
was, haben wir nicht mehr nachgelesen, wir wissen nur noch, dass der<br />
Dichter mit uns nicht sehr zufrieden war, und er wird seine Gründe gehabt<br />
haben. Es gab dann einen kurzen Briefwechsel, seither ist es zwischen uns<br />
still geworden "über den Wassern". Unsere Lebenswege kreuzten sich nie,<br />
wir haben nie einander Aug in Aug geschaut und nie ein persönliches Wort<br />
miteinander verloren. Dafür hat <strong>Plattner</strong> in seinen Schriften die Sprache des<br />
Geistes, der Ideen und Ideale, der Wahrheit und Schönheit, die Sprache des<br />
hohen Ernstes und der Begeisterung auch zu uns gesprochen, frei von der<br />
Seele weg und ohne Reklame, und das hat uns mit Hochachtung und Liebe<br />
für den Mann erfüllt, und diesen. Gefühlen wollten wir einmal Ausdruck
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geben und sonst nichts anderem: Bei dem unvergesslichen Furger klang eine<br />
persönliche Note mit, die Erinnerung an einen inniggeliebten Freund, bei<br />
<strong>Plattner</strong> schreiben wir<br />
S. 71: rein objektiv, und wenn der Ton trotzdem hin und wieder etwas wärmer und<br />
voller wurde, so liegt der Grund einzig in des Meisters Poesie: Uebrigens<br />
sagen wir nochmals: tolle, lege!<br />
Bevor wir schliessen, noch etwas Praktisches. <strong>Plattner</strong>s Werke sind, soviel<br />
uns bekannt, im Buchhandel vergriffen. Wäre es nun nicht möglich, eine<br />
Gesamtausgabe oder doch eine Auswahl zu veranstalten? z.B. die Gedichte<br />
und das "Lied von den ersten Eidgenossen" in einem Bande, dann die<br />
Dramen und endlich in einem dritten die. "Rhäteis"? Der Verfasser könnte<br />
die Auswahl treffen, vielleicht noch einige Aenderungen anbringen, etwas<br />
Neues hinzutun und das Ganze mit einem Vorworte aus "alten Zeiten"<br />
einführen. Wir möchten diesen Gedanken den trefflichen Söhnen des<br />
Dichters und einigen Bündner Freunden zur "Erdauerung" unterbreiten. .<br />
<strong>Plattner</strong> hat lange warten müssen, bis er von zuständiger Seite die verdiente<br />
Anerkennung gefunden, endlich ist sie doch gekommen. In seiner Sitzung<br />
vom 16. Dezember 1918 hat der "Aufsichtsrat der Schweizerischen<br />
Schillerstiftung" unserm Dichter eine Ehrengabe von 1000 Fr. zuerkannt, mit<br />
der Motivierung: "<strong>Plattner</strong> hat sich zeitlebens mit dichterischen Arbeiten<br />
befasst, deren Stoff er aus der Geschichte des engern und weitern Vaterlandes<br />
schöpfte. Aus der Reihe seiner Werke ragen hervor: "Das! Lied von den<br />
ersten Eidgenossen" und die metrische Uebertragung des antiken Epen<br />
nachgebildeten Heldengedichtes "Rhäteis" des Simon Lemnius. In diesen<br />
Büchern verkörpern sich die hohen Ideale einer entschwundenen Zeit". Dem<br />
Aufsichtsrate gehören unter andern an: Prof. Dr. Philipp Godet, Dr. Hans<br />
Bodmer, P. Maurus Carnot, Prof. Dr. Adolf Frei, Prof. Eligio Pometta, Prof.<br />
Dr. Paul Seippel und Dr. Carl Spitteler. Der Beschluss erfolgte einstimmig.<br />
Wir denken, das Urteil dieser Männer dürfte auf das Prädikat "kompetent"<br />
Anspruch erheben und werde den Dichterveteranen in Chur herzlich gefreut<br />
haben.<br />
Wir reihen hieran noch ein prächtiges Gedicht, welches P. Maurus Carnot bei<br />
diesem Anlasse dem Jubilaren gewidmet hat:
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Dem Dichter Plazidus <strong>Plattner</strong>.<br />
O Freund mit fünfundachtzig Jahren,<br />
Sitz nur im Erker, träume still,<br />
Lorbeer und Silber auf den Haaren,<br />
Indes ich Dich betrachten will.<br />
Nicht wecken, nein. Rauh ist die Welt,<br />
Sie ist Dir fremd. Die Augen schliessen!<br />
O lass vergang'ne Zeiten fliessen<br />
Um Dich, vom Abendrot umhellt!<br />
Sie kommen wieder, die Gestalten,<br />
Die in der Jugend Du geschaut,<br />
Caldar, die mit und nach ihm wallten,<br />
Und Ulrich Wikart mit der Braut,<br />
Die Helden von der Calvenschlacht,<br />
Der Baldenstein, und liedumflossen<br />
Die lieben alten Eidgenossen,<br />
Sie alle kennen keine Nacht.<br />
S. 72: Sie alle leben, weil Du Leben,<br />
Weil Du ein ewig Bürgerrecht<br />
Beim Volke ihnen hast gegeben,<br />
Bei uns, beim kommenden Geschlecht.<br />
Doch weil Du sangst von alter Zeit,<br />
Hat Dich die junge Welt vergessen,<br />
Die's liebt, den <strong>Ein</strong>tagsschein zu messen,<br />
Doch nicht den Glanz der Ewigkeit.<br />
Du zürnst uns nicht, Du kannst ja warten,<br />
Du lächelst mit verklärtem Blick:<br />
"Noch einmal kommt zu meinem Garten<br />
Der späte Dank der Republik.'<br />
Und schritt ich auch ins Väterland<br />
Mit unbekränztem Wanderstabe:<br />
Dann kommt der Dank zu meinem Grabe<br />
Begraben, werde ich bekannt.
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Doch nein! Wir wollen, wir es sühnen,<br />
Ward Dir der Kranz so spät geweiht.<br />
Bis an den Felsen Blätter grünen,<br />
Bei uns, beim kommenden Geschlecht.<br />
Du weisst es ja, da braucht es Zeit.<br />
Da ist zu uns aus schöner Zeit<br />
Der Sänger Wilhelm Tells gekommen,<br />
Von seinem Kranz hat er genommen<br />
Den Zweig und hat ihn Dir geweiht.<br />
Doch lieber als ein Kranz des Ruhmes,<br />
Als selbst ein Epitaph aus Erz,<br />
Am Pfeilerschaft des Heiligtumes,<br />
Ist Dir des Bündnervolkes Herz.<br />
Das Bündnervolk, das Schweizerland,<br />
O sieh, es hat Dich nicht vergessen.<br />
Froh wird der späte Enkel messen<br />
Die Spenden Deiner reichen Hand.<br />
Herrlich, sinnig, zart, tief empfunden und - sehr wahr:<br />
"Doch weil Du sangst von alter Zeit,<br />
Hat Dich die junge Welt vergessen."<br />
Doch wir nicht, die Alten, und darum wollten wir den Jungen zeigen, was ein<br />
Alter gearbeitet und geleistet, und zwar einer, der noch lebt, gearbeitet für<br />
unsern Verein, für seine Ideale, für das Wahre, Gute und Schöne, für<br />
Vaterland, Volk und Kirche, gearbeitet neben den vielen Berufsgeschäften, in<br />
jungen Jahren schon und das ganze Leben lang.<br />
Das ist die eine Seite. Dann würden wir dem hochverdienten <strong>Veteran</strong>en in<br />
Chur auch gern eine kleine Freude bereitet haben, allein neben der Literatenund<br />
Dichter-Corona der Schillerstiftung mit dem goldenen Kranze und neben<br />
dem Bündner Sänger mit der Zauberharfe machen wir mit dem Ginster-<br />
Sträusschen doch eine gar zu bescheidene Figur. <strong>Ein</strong>es tröstet uns: Der<br />
Jubilar hat stets redliches Streben zu schätzen gewusst, auch wenn oft Kraft<br />
und Können hinter dem Wollen zurückgeblieben.
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Und nun, liebe junge und alte Freunde, an euch ist es, aus unserer<br />
literarischen Skizze die Lehren zu ziehen: Wenn das eine oder andere Werk<br />
der <strong>Plattner</strong>'schen Muse wieder neu aufgelegt wird, so greift darnach und<br />
berauscht euch an der Kraft, dem Klang und Schwung der Sprache und<br />
begeistert euch an dem Hochflug der Phantasie in das Reich der erhabenen<br />
Gedanken und der ewigen Ideale! Wir haben in unserem schönen Vereine<br />
viele ganz herrliche Dichter, aber keiner zürnt uns, wenn wir sagen: Neben<br />
den besten Sängern darf aus alten Zeiten immer einer sich noch sehen und<br />
hören lassen, einer, der noch unter uns weilt, und dieser <strong>Ein</strong>e heisst -<br />
Plazidus <strong>Plattner</strong>.<br />
Aus dem Fotoalbum der Familie <strong>Plattner</strong><br />
Internet-Bearbeitung: K. J. Version 06/2013<br />
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